27
Wegen dir verweichlichen sogar meine Freunde
O hne dich bin ich in Chicago, was auch besser so ist. Denn die Nachricht, die ich bekam, ist durchaus untertrieben.
Einige meiner Häuser brennen lichterloh, wodurch viele unserer Geschäfte gestört werden. Eine Unruhe ist zu spüren und wir müssen handeln. Viele Söldner starben und wir wissen noch immer nicht, wer dafür verantwortlich ist.
Es war ein Fehler, den früheren Mafiaboss von Chicago nicht zu töten, als ich zurückgekehrt bin. Aber meine Konzentration war zu der Zeit auf dich gerichtet.
Auf dich und deinen Körper, als du im Boxstudio auf den Sandsack eingeschlagen hast.
Du und dein perfekter Körper, der zu meinem passt. Nur deinetwegen, weil du dich in mein Verstand gesetzt hast, vernachlässigte ich die Aufgabe, ihn aufzuspüren, und kümmerte mich um dich anstatt um ihn.
Jetzt bekomme ich die Quittung dafür und muss ihn suchen, weil er anscheinend auf Rache aus ist, die ihm nichts bringen wird. Für so etwas sind wir zu skrupellos.
Nachdem ich meine letzten geschäftlichen Angelegenheiten geklärt habe, treffe ich mich mit den anderen in der geschlossenen Bar.
Doch wie so oft, seitdem ich dich kenne, läuft nichts so, wie ich es gerne hätte.
Denn Jenny, selbst hier wurde eingebrochen. Nun sitzt vor uns am Stuhl gefesselt ein Mädchen. Ein achtzehnjähriger Wildfang. Sie ist wütend, weil wir sie nicht nur entdeckt, sondern gleich an dem Stuhl fixiert haben. Sie brüllt und versucht, sich zu wehren, Jenny. Ihr lila Haar fliegt hin und her, während sie gegen die Seile an ihrem Körper ankämpft.
»Was suchst du hier, Mädchen?«, brüllt Greg sie an.
»Fick dich, Wichser!« Sie ist sehr ungehalten. Ich sehe zu Greg, doch er schüttelt den Kopf.
»Vergiss es, D. Das Ganze kommt mir viel zu bekannt vor.«
»Seht ihr alle die Parallelen?«, meint Riley entgeistert, und ja, die sehen wir. Es ist nicht nur eine vergleichbare Konstellation, sondern auch das Mädchen selbst, das jemand ganz Bestimmtem ähnelt. Die Kleine sieht aus wie du.
Obwohl sie nicht die katzenähnlichen Augen hat, sondern grüne Iriden, leuchten sie uns wie deine entgegen. Selbst die hohen Wangenknochen und die schwungvollen Lippen erinnern an dich. Sie hat noch lange nicht so eine weibliche Figur wie du, Babe. Aber es ist merkwürdig, wie ähnlich sie dir auch im Verhalten ist. Sie ist ungehalten, frech und unverschämt.
Ich knie mich vor ihr hin und versuche es auf die sanfte Tour, was bei dir nie funktioniert hat.
»Pass auf, Kleine. Du bist in meine Bar eingebrochen und die Wohnung oben sieht danach aus, als ob du schon länger hier verweilst. Sag doch einfach, was du hier versuchst, zu finden.«
Sie spuckt mir ins Gesicht, Jenny. Diese Göre spuckt mir tatsächlich ins Gesicht. Ich wische es weg. Und glaub mir, Jenny, wenn sie nicht so aussehen würde wie du, hätte ich sie schon längst geschlagen.
»Lass dir mal Eier wachsen, du Freak!« Noch immer zerrt sie an den Fesseln. Ich bin stinksauer und wende mich an Adam. »Du übernimmst sie!«
»Fuck! NEIN!«
»Oh, seit wann lehnst du so etwas ab?«, wundert sich Greg und ich bin auch irritiert. Adam ist ein Schwanz und vor so hübschen Mädchen tritt er sonst nicht zurück.
»Nein, Leute … Das geht nicht!… Das … Was wenn … Nee, Leute«, er druckst vor sich hin und wischt sich mehrfach durchs Gesicht. Selbst das bin ich von meinem Freund nicht gewohnt. So habe ich ihn noch nie gesehen. Wegen dir, Jenny.
Wegen dir verweichlichen sogar meine Freunde.
Adam sieht dich da sitzen und kann der Kleinen das nicht antun. Wird das jetzt immer so sein? Hat unsere Gruppe sich schon so verändert? Niemals würde ich es zugeben, aber du hast aus uns skrupellosen Männern einen Haufen Weicheier gemacht, die über Gefühle anderer nachdenken. Dabei gehörten wir nie zu der Sorte, die moralische Bedenken und Hemmungen haben oder friedliebend waren. Nein, das sind wir nicht. Und doch sitzt dieses Mädchen vor uns und keiner traut sich, ihr ein Haar zu krümmen. Das kann ja noch etwas werden.
»Geht nach oben, ich versuche mein Glück. Ich komme ja auch mit Stiletto klar.« Riley lächelt uns entgegen und vielleicht hat er recht, Jenny. Er ist der jüngste von uns, womöglich findet er einen Draht zu ihr.
Es braucht Riley und eine Stunde und schon wissen wir, dass die kleine Mila, die eine Mini-Jenny ist, hier nach Hinweisen gesucht hat. Sie sucht Campino.
Nein, eigentlich sucht sie ihre Mutter. Sie ist ein Waisenkind und hat erfahren, dass ihre Mutter bei ihm ist. Ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Ich schon, sogar sehr gut, denn er ist mein Vater. Mila weiß nicht, wer ich bin, nur, dass ich zu ihm Kontakt habe. Deswegen hat sie sich erhofft, dass sie hier in der Bar und in der Wohnung Hinweise auf seinen Wohnort entdeckt.
Ich habe sie in den nächsten Flieger gesetzt. Wenn sie so mutig ist, sich Campino zu stellen, bitte. Sie wird nur nicht mehr lebend dort rauskommen. Und ihr wird Schlimmes widerfahren, weil sie hübsch ist. So wie du.
Doch egal, wie sehr Adam und Riley auf sie eingeredet haben, sie will dahin. Ihre Entscheidung.
Ich habe anderes im Kopf. Und zwar dich.
Nur dich.
I ch sitze im Auto und klappe den Laptop auf. Aus Tarnung, damit meine Leute nicht sehen, dass ich dich beobachte, öffne ich mehrere Tabs und minimiere das Fenster, wo dein Zimmer zu sehen ist, in die Ecke des Bildschirms.
Du bist nicht da. Also spule ich zurück zu dem Moment, in dem die Kamera aufgehängt wurde, und lasse die Aufnahme schneller vorlaufen.
Es wurden neue Möbel geliefert und aufgebaut. Später war Saltos im Zimmer und holte dein Handy, wenn ich richtig sehe, aus einem Karton und legte es dir aufs Bett.
Du hast alles ausgepackt und zügig einsortiert. Hast sogar eine Tasche geholt und den Inhalt ebenfalls in die Schränke eingeräumt.
Zumindest lässt du nichts lange rumstehen. Wenn du Arbeit siehst, erledigst du sie umgehend.
Das habe ich mir schon gedacht, als ich gesehen habe, wie du im Restaurant als Kellnerin gearbeitet hast. Wenn ich mich daran zurückerinnere, muss ich mir mein Lachen verkneifen.
Wir waren nur da, damit ich dir zeigen konnte, dass das Treffen in der Bar nicht einmalig war. Ich wollte dich nervös und neugierig machen und mich selbst davon überzeugen, dass du ausgerechnet in diesem Restaurant arbeitest. Das wollte ich im ersten Moment nicht wahrhaben. Ich wusste nicht mehr, ob es ein Glücksfall oder ein Trick war. Wie sich herausgestellt hat, muss es wirklich ein Zufall gewesen sein, dass gerade du im Lokal meines Söldners angestellt bist. Und dann hast du dich auch noch mit Greg angelegt. Du bist so kühn und hast ihn mit deiner Schlagfertigkeit provoziert, dass ich das Ganze stoppen musste, bevor ihr euch an die Gurgel gegangen wärt. Jetzt, Jenny, merke ich erneut meinen Fehler. Denn das hätte mich aufmerksam machen sollen. Doch ich dachte damals nur, dass du einen besonderen Charme hast. Naiv von mir, zu glauben, dass du normal seist, nicht wahr?
Ich schüttle den Gedanken ab und konzentriere mich wieder auf den Laptop.
Später sitzt du auf dem Bett und schreibst eine geraume Zeit in einem schwarzen Notizbuch. Bis du es schließlich in einen Tresor legst, der hinter einer Strohzielscheibe versteckt ist. Interessant. Dieser Tresor ist mir zuvor nicht aufgefallen, was womöglich daran lag, dass du dein Zimmer verwüstet hast. Aber dass du ein Notizbuch verschließt, macht mich neugierig. Was verbirgst du, dass du es wegschließen musst?
Du hast dir Sportkleidung angezogen und seither warst du nicht mehr in deinem Zimmer. Du machst also wirklich regelmäßig Sport. Und anscheinend lange, da es schon zwei Stunden her ist. In dem Gästezimmer, wo du schlafen durftest, warst du nicht. Leider habe ich den ganzen Tag keine Zeit gehabt, dich zu beobachten. Aber viel habe ich nicht verpasst. Nun bin ich auf den Weg zu dir und frage mich, ob du mit meiner Ankunft rechnest. Wahrscheinlich nicht.
Denkst du darüber nach, wie es wäre, wenn ich nicht zurückkommen würde? Verletze ich dich dann, wenn ich nicht in deiner Nähe bin? Wie wäre es für dich, wenn ich kein Teil deines Lebens wäre? Würde es dich auch so zerreißen wie mich, wenn ich nur daran denke? Bist du auch so besessen von mir wie ich von dir? Jenny, vermisst du mich?
Fuck! Ich sollte aufhören, so zu denken.
Ich werde noch zu einem kompletten Idioten! Siehst du, was du aus mir machst, Jenny? Merkst du denn nicht, was du in mir auslöst und wie ich anfange zu denken?
Es liegt aber daran, dass ich wegen dir einiges zu erledigen habe und zu wenig meine eigenen Geschäfte planen kann. Die Unruhen in Chicago konnten wir größtenteils lösen, andererseits sitzt du mir tief im Verstand, was mich beeinflusst.
Es dauert nicht mehr lange und ich merke, wie ich schlechter gelaunt werde, weil ich mein Verlangen nach dir kaum zügeln kann. Ich bin froh, dass Greg fährt, sonst könnte ich nicht immer wieder die Aufnahme vor- und zurückspulen und dich beim Einräumen und Umziehen beobachten. Ich bin wirklich besessen von dir, Jenny.
So sehr, dass ich an der letzten Ampel vor C‘s Villa nicht mitbekomme, wie schnell uns jemand ein Plakat auf die Windschutzscheibe legt. Als ich ihm durch das Seitenfenster nachsehe, merke ich, was los ist, weil er sich in Deckung wirft.
»Runter!«, brülle ich noch rechtzeitig, als der Kugelhagel aufs Auto startet. Die Scherben der Fenster fliegen über unsere Köpfe hinweg. Ich blicke zur Scheibe hoch und lese die Schrift darauf.
›Willkommen in Kits Revier‹
Darüber kann ich nur schmunzeln. Die Detonationen der Kugeln in die Karosserie holen mich aber zurück in diesen Wagen und ich reagiere, indem ich die Hand ausstrecke, um am Hebel die Scheibenwischer zu betätigen.
»Kupplung, Greg«, brülle ich über die Lautstärke der Schüsse hinweg und schaltete kurz darauf in den Gang.
»Fahr los!« Was Greg auch tut. Nachdem er uns fast blind aus der Gefahrenzone fährt, richten wir uns auf.
»Fuck, ich reiße der kleinen Schlampe den Kopf ab!«, knurrt er und schlägt gegen das Lenkrad.
»Was wirst du tun?«, hake ich gedankenschwer nach und Greg regt sich erst recht auf.
»Scheiße, D! Erst werde ich auf offener Straße vor einem scheiß Supermarkt von ein paar Typen angegriffen und jetzt das!«
Daraufhin mischt sich Adam ein: »Wir sind hier in Detroit und das auch noch in der miesesten Gegend, was erwartest du?«
»Ich erwarte, dass Stiletto uns nicht versucht, umzubringen, wenn sich schon zwei von uns fast die Köpfe wegen ihr einschlagen!«
»Greg!«, warne ich ihn und Riley lacht auf dem Rücksitz.
»Ernsthaft, Greg, beruhig dich, wenn sie uns umbringen wollte, hätte sie es sicher selbst erledigt und keine vorgeschickt, die ein bisschen herumballern!«
Das wundert mich und ich drehe mich zu ihm um. Denn so schätze ich dich auch ein. Du gehst keiner Gefahr aus dem Weg und Jobs erledigst du wirklich lieber selbst. Dennoch erstaunt es mich, dass Riley sich so sicher ist und ich sehe ihn fordernd an.
»D, du willst nicht wissen, was ich gesehen habe, als ich mit ihr unterwegs war.«
Nein, das will ich womöglich nicht. Mir ist bewusst, dass du nicht die hilflose Kellnerin bist, für die ich dich gehalten habe. Trotzdem hebe ich eine Augenbraue und Riley fährt sich durchs Gesicht.
»Stiletto ist ziemlich abgebrüht und hat selbst die Cops im Griff. Scheiße, die haben keinen Respekt vor ihr, sondern richtige Todesangst. Selbst die richtig fiesen Typen fressen ihr aus der Hand, D. Männer, mit denen sie auch noch zusammenarbeitet. Nachdem wir bei ihren Frauen waren, saßen in einem Raum fünf Typen und sie hatte alle in der Hand. Scheiße, Mann! Die sahen alle aus wie Greg und der ganze Tisch war voller Waffen. Einer hat ihr dumme Sprüche an den Kopf geworfen und dann ist sie mit ihm vor die Tür gegangen, danach hat er gespurt. Leute, wenn er gedurft hätte, wäre er noch auf die Knie gegangen und hätte ihr die Füße geküsst! «
»Wer weiß, wie sie ihre weiblichen Reize nutzt«, meint Adam zu vielsagend für meinen Geschmack.
»Nein. Ohne Mist. Stiletto ist richtig abgefuckt! Ich habe einen Blowjob bekommen, während der Kerl von der Tussi im Haus war, scheiße, und der wusste das! Nur weil er Angst vor Kit hat, ließ der das zu! Wenn einer uns erledigt, dann sie! Sie ist stark!«
»Das sieht sie wohl nicht so.« Adam schüttelt den Kopf.
»Sie weiß das, sonst hätte sie nicht so einen Gotteskomplex«, erwiderte Riley.
Ich würde es nicht so nennen. Du bist selbstbewusst und ja, auch verdammt stark, aber du bist auch verunsichert. Zu sehr verkriechst du dich in etwas, was dich nur auffrisst. Vielleicht ist es auch gut so, sonst würdest du dich wohl nur noch stärker als Gott fühlen.
»Bin ich der Einzige, der denkt, das etwas komisch ist? Jetzt mal ehrlich, Leute. Zum zweiten Mal wurden wir angegriffen, ohne die Kleine aus der Bar dazuzuzählen, die übrigens genauso aussieht wie sie!«, findet Greg und hat gar nicht so unrecht. Merkwürdig ist das schon.
»Aber Mila gehört nicht zu Kit. Sie will zu Campino, um ihre Mutter zu suchen!«, entgegnete Riley. Dennoch Jenny. Sie sieht aus wie du. Das macht das Ganze wirklich schwieriger zu durchschauen.
»Ihr macht euch doch bei einer wie Kit nicht in die Hosen?«, frage ich trotzdem amüsiert und sie stimmen mir zu. Was sicher auch besser so ist. Denn du, Jenny, du bist noch lange keine Gefahr für uns. Nein, du bist nur mir gegenüber eine Bedrohung.
»Meint ihr, wir sehen Mila wieder?«, fragt Riley, gerade als Greg parkt, und ich schiebe den Laptop in die Tasche.
»Ich denke nicht. Aber wir werden es sehen, wenn wir nach Vegas fliegen!«
Erleichtert, dass wir endlich da sind, steige ich aus.
»Was ist mit dem Wagen?«, fragt Greg und ich betrachte den Schweizerkäse, der einmal ein Auto war.
»Lass ihn gleich abschleppen und besorge einen neuen.« Zur Bestätigung nickt er und ich nehme die Tasche und gegen die Vereinbarung klingle ich, während meine Freunde hinter mir stehen. Riley lacht.
»Ich dachte, wir sollen nicht klingeln?«
»Wir bleiben höflich«, erwidere ich und schon öffnet uns eine Dame die Tür. Wir treten ein und ich sehe sofort, dass etwas nicht stimmt. Sie wirkt nervös und ängstlich, sagt nichts und zeigt nur in Richtung des Foyers.
»Hat sie einen Geist gesehen?«, flüstert Greg und schon bemerke ich, was los ist.
»Nein. Kit. Sie hat Kit gesehen.«
Du stehst mitten im Vorraum und prügelst auf den Mann ein, dem ich dein Auto abgekauft habe. Du brüllst etwas, dass ich kaum verstehe. Die zwei Männer von heute Morgen stehen wütend an der Seite und Saltos lehnt sich an die Wand.
»Rede!«, höre ich Calvin.
Ich trete ein und Riley meint direkt: »Ich sage doch. Sie ist krank! Erinnert mich daran, mich nie mit ihr anzulegen, wenn ich keine Waffe habe.«
Da kann ich ihm nur recht geben. Du hast wirklich kleine gefährliche Fäuste. Elliot liegt nun auf dem Boden. Das Gesicht blutig, ein Arm gebrochen. Deine Atmung geht viel zu schnell, du hast mich noch nicht entdeckt, dafür aber Malcolm. Er geht an die Seite, damit wir uns alle hinstellen können und einen Kreis um dich und Elliot bilden. Calvin sieht mich und lächelt.
»Wir klären gerade etwas Geschäftliches.«
»Lasst euch nicht aufhalten.« Greg verschränkt seine Arme vor der Brust und kann sich kein Lächeln verkneifen.
»Was ist denn passiert?«, fragt Adam. »Das ist doch einer von euch.«
»Ja, wir versuchen gerade, genau das herauszubekommen.«
Eine Frau, die zittert, bietet uns Scotch an, welchen wir natürlich annehmen.
»Wem hast du es verkauft? Wo ist es?«, donnerst du. »Wenn du jetzt nicht redest, werde ich noch wütend«, sagst du und trittst ihm in den Magen.
»Ist sie das noch nicht?«, will Riley nervös wissen. Und das Gleiche habe ich mir auch gerade gedacht.
Du schaust hoch und siehst uns. Für einen Moment erkenne ich, dass du dich wunderst und mich merkwürdig ansiehst. Dann aber lächelst du so süß und warm, als würdest du gerade nicht einen Mann zusammenschlagen, der anscheinend keine Chance gegen dich hat. Aber dieses Lächeln kaufe ich dir nicht ab. Deine Augen sagen etwas Anderes, was ich nicht deuten kann.
»Hey, mit euch habe ich nicht gerechnet«, sagst du wirklich freundlich. Sehr ungewöhnlich für dich.
Den am Boden liegenden Mann beachtest du nicht mehr und trittst auf seinen Rücken, um dann zu uns zu kommen.
»Freut mich, euch zu sehen«, lügst du. Ich zweifle nicht an diesen Worten, aber an deiner Freundlichkeit, mit der du eindeutig übertreibst. So gut kenne ich dich bereits und du bist alles andere als warmherzig oder höflich.
»Da ist aber noch etwas, Boss«, widmest du dich an C. »Die Cops waren an der Halle.«
»Die Cops? Bist du sicher?«
»Wenn ich es dir doch sage.« Du verdrehst so niedlich genervt die Augen und über die Schulter hinweg fragst du:
»Saltos, wie heißt noch mal der Dicke mit seinem Frischling?«
Worauf aber Riley schmunzelnd antwortet: »Herzchen?«
Du siehst ihn herablassend an, knurrst: »Sicher. Herzchen. Genau«, und schnipst mit deinen Fingern gegen seine Stirn. »Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Idiot.«
»Hey, nur das du es weißt, meine Knarre ist geladen!«, protestiert Riley und du hebst eine Braue und entgegnest amüsiert: »Wie süß!«
Dann legst du einen Finger unter sein Kinn.
»Ich brauche nicht eine verdammte Kugel, um dir deinen dummen Schädel abzureißen und in deinen Hals zu spucken. Das Einzige, was mir bei deinem Gelaber schwerfallen wird, ist, dir nicht gleich in den Hals zu kotz…«
»Kit!«, warnt dich C und du lässt von ihm ab. Jenny, du amüsierst mich und ich hege keinen Zweifel daran, dass du das auch tun würdest.
»Erklär mir lieber, wie du sie losgeworden bist.«
»Das Übliche.« Du zuckst mit den Schultern.
»Du hast mit ihnen geschlafen?«
Was?
»Nein!«, wehrst du dich umgehend und da mir nur kurz die Gesichtszüge entgleiten, siehst du mich vorwurfsvoll an und stöhnst: »Ach bitte, tu nicht so, als wärst du vor mir noch Jungfrau gewesen.«
Nein, sicher nicht. Aber die Vorstellung, dass du mit Cops vögelst, bringt mich zur Weißglut. Dass du überhaupt mit irgendeinem anderen schlafen könntest, macht mich zum Mörder!
»Was hast du gemacht?« C verliert die Geduld und ich bald auch, Jenny.
»Nichts weiter«, winkst du ab. »Nur die Psycho-Kit raushängen lassen. Angst und Schrecken verbreitet und so. Das Übliche halt. Na ja, ohne die Beine breitzumachen.«
Du sagst das so gleichgültig, dass ich meine ganze Kraft zusammennehmen muss, um dich nicht hier und jetzt zurechtzuweisen.
Wenn ich mitbekomme, dass du nur für einen, außer mir, die Beine breitmachst, schwöre ich dir, dich und jeden anderen abzuknallen!
»Otis, Derek«, spricht er zu den Männern von heute Morgen. »Begleitet doch Kitty zum Fitnessraum.«
»Was? Nein!«, protestiert du.
Du siehst sofort, dass Calvin den Männern zunickt, und du verstehst, was er vorhat. »Du willst mich wegsperren?«
»Kitty, von einem Toten erfährst du nicht, wo er dein Koks verkauft hat und warum er dich betrogen hat.« Er lächelt und du verlässt mit den Männern wütend das Foyer, jedoch nicht, ohne noch einmal auf Elliots Rücken zu treten.
Ich muss darüber nachdenken. Jenny, wie du weißt, bin ich sehr aufmerksam und diesmal verstehe ich den Sachverhalt nicht. Denn es dreht sich um dich.
Um dein Koks.
Ein Mitarbeiter von Calvin hat dich betrogen.
Das musst du mir genau erklären.
Ich werde unruhig und nicke zu Adam und Riley, und sie verstehen sofort, dass sie sich das hier anhören sollen. Ich nicke zu Greg, dass er mich begleiten soll. Ich gehe an allen vorbei, steige über den Betrüger und gehe dir nach.
Greg weiß natürlich, wo der Fitnessraum ist, was mich nicht wundert. Denn egal wo wir sind, ist es immer seine erste Frage.
Er öffnet mir die Tür und wir treten ein. Gleich an der Wand stehen beide Männer und sehen uns misstrauisch an. Ich schenke ihnen keine Beachtung, denn mein Blick ist auf dich gerichtet. Wütend schlägst du auf den Boxsack ein, obwohl deine Knöchel schon blutig sind. Du stöhnst und fluchst.
Du bist voller Wut.
Greg und ich stellen uns seitlich gegen die lange Spiegelwand und beobachten dich. Eigentlich möchte ich, dass du mit mir redest, aber wieder einmal faszinierst du mich. Du schlägst ziemlich gut, sehr genau und präzise. Du erinnerst mich gerade an den Tag, als ich dich das erste Mal gesehen habe und ich Rick, den Manager, über dich ausquetschen musste. Oh, Jenny. Es war noch gar nicht so lange her und doch fühlt es sich wie eine Ewigkeit an. Du hast mich mit deinen Reizen verzaubert, du Hexe. Ich konnte mich nicht wehren, als du mir mit jedem einzelnen Tag unter die Haut gefahren bist.
Ich war damals nur da, um das Geld abzuholen. Was ich eigentlich nie tat, das macht sonst Riley. Aber selbst, wenn er dich dort gesehen hätte, würde er es erzählen. Doch du warst noch nicht lange genug in der Stadt. Und ausgerechnet ich habe dich gefunden. Es ist kein Zufall, du wurdest mir geschickt.
Gesandt, damit ich mich selbst infrage stelle. Denn das tue ich nun.
Kein Tag vergeht ohne einen verschwendeten Gedanken an dich. Kein Moment geht vorüber, der nicht mit dir in Verbindung steht. Und keine Möglichkeit lässt du mir, um meine Angelegenheiten zu klären, weil du zur Priorität geworden bist.
Niemals zuvor gab es eine Frau, die einen so hohen Stellenwert bekam wie du. In Augenblicken wie diesem, bin ich dankbar dafür. Doch in anderen verachte ich dich.
Die Tür öffnet sich und Adam kommt mit Riley rein. Ich trete einen Schritt vor, damit sie Platz haben, sich zu uns zu stellen. Da bemerkst du uns. Du siehst uns im Spiegel, hältst in der Bewegung an und drehst dich zu mir um. Dann beäugst du Adam. »Was hat er gesagt?«
»Nur, dass er das an diesen Typ verkauft hat.«
»An welchen?«
»Na, deinen Feind, der in der Stadt ist.«
Idiot, das hätte er sich verkneifen sollen. Ich schaue ihn böse an. Calvin hat es geahnt, deswegen musstest du gehen.
»Scheiße!«, brüllst du und kommst auf uns zu. »Ihr wisst, wer er ist!«
Und ich hätte wohl Adam nicht böse angucken dürfen. Du verstehst schnell, Jenny. Du kommst wütend auf mich zu und haust mir auf die Brust.
»Sag es, D, wer ist es?«
Ich muss mir wirklich mein amüsiertes Grinsen verbieten, weil du so süß aussiehst, wenn du wütend bist. In deinen leuchtenden, gelben Augen, die mich erzürnt anblitzen könnte ich ewig schwelgen.
»Willst du dich beruhigen?«, unterbricht der Dicke meine Gedanken und hält einen Koksbrief hoch. Du legst den Kopf schief und machst einen Schritt auf ihn zu und ich halte dich an den Schultern zurück. Nein, Jenny, das wäre jetzt nicht das Richtige für dich. Du kannst dich nicht in einen Rauschzustand zurückziehen. Ich öffne meine Arme.
»Vielleicht hilft dir das?«
Während du mich mit wütendem Blick betrachtest und stirnrunzelnd die ausgebreiteten Arme wahrnimmst, bete ich, dass ich dir etwas anbieten kann, was du brauchst.
Etwas, was kein anderer dir geben kann und meine Macht vergrößert.
Und tatsächlich tust du das, womit ich nicht gerechnet habe. Du kommst zu mir und umarmst mich. Du schlingst deine Arme um meine Taille und legst den Kopf an meine Brust.
»Du hasst doch Umarmungen?«, sagt der Große verwundert.
»Nicht meine«, erwidere ich und drücke dich fest an mich.
Dein Herz und deine Atmung arbeiten viel zu schnell. Ich streichle dir übers Haar und lege meine Wange an deinen Scheitel. Langsam beruhigst du dich und seufzt wieder so niedlich an mir. Das fühlt sich wirklich gut an, Jenny.
Es fühlt sich so an, als kann ich dir das geben, was du brauchst. Als wäre ich das, was du brauchst.
»Wer ist er?«, flüsterst du.
»Machen wir einen Deal, Babe.«
Du lässt mich los und lehnst dich zurück, um mir ins Gesicht zu schauen.
»Dann mal los.« Deine Augen kneifst du misstrauisch zu kleinen Schlitzen zusammen.
»Also, ich sage dir, wer er ist, und du erzählst mir zuvor, was hier überhaupt los ist. Aber ohne Spielchen. Schön direkt, so wie du bist«, schlage ich dir vor. Du lässt von mir ab, drehst dich um und suchst den Abstand zu mir. Du setzt dich auf die Hantelbank gegenüber und schaust uns an.
»Ok.« Du fährst dir übers Haar. »Alles?«
»Natürlich«, meint Greg vor mir.
Tief durchatmend lässt du dir Zeit. Ich habe das Gefühl, dass es dir schwerfällt.
»Also gut. Damit ihr versteht, was los ist, muss ich etwas loswerden. Die Ländereien in Kolumbien und Peru, die ihr haben wollt…« Da lächelst du breit. »… gehören mir.«
Oh. Himmelherrgott, du, meine Schöne, bist eine Drogenprinzessin und verschweigst es. Einfach so.
»Was?«, bin nicht nur ich, sondern auch Greg schockiert.
»Das heißt, wir hätten sie auch gar nicht entführen müssen?«, schnallt es auch Riley.
»Ähm, ja und nein.« Du lächelst nun eher müde.
»Ich dachte, das ist alles Calvins Besitz und du arbeitest nur für ihn. Die rechte Hand und so«, spricht Adam unsere Gedanken laut aus.
»Ja und nein. Ich arbeite für ihn und er bekommt einen Anteil, weil ich das Zeug in seinem Gebiet verticke. Mir gehören die Ländereien und der Handelsweg. Ein Gebiet war ein Geschenk von Calvin, als ich achtzehn wurde.« Du tippst nervös mit den Füßen auf den Boden.
»Wir müssen mit dir verhandeln?«, fragt Greg nochmal nach. Du zuckst lächelnd mit den Schultern.
»Ja, wenn ihr es so bewertet, ja. Aber Calvin hätte mit euch auch ohne meine Anwesenheit verhandelt.«
»Und warum hat er das dann nicht?«, fragt Greg gereizter.
»Weil er wusste, dass ich jeden Deal mit euch abgelehnt hätte.«
»Wieso?«, frage nun ich, weil es mich wundert.
»Weil ihr scheiße seid! Denkt ihr wirklich, ich bin dumm? Ihr wollt einen scheiß Koks-Deal? Ernsthaft? Das ist nicht das, was ihr wollt. Das ist nur Tarnung, damit ihr mehrüber den Handelsweg, die Plantagen und wie wir arbeiten herausbekommen könnt. Es geht euch nicht um den Stoff, sondern um das ganze Gebiet, inklusive Detroit. Ihr wollt euch vergrößern und nicht einen billigen Deal eingehen.«
Und du hast uns durchschaut! Du bist nicht nur eine Frau mit vielen Geheimnissen, sondern auch eine, die man nicht unterschätzen sollte.
»Komm her, Babe.« Und du hörst auf mich. »Elliot hat dich betrogen und hat dein Koks an einen Feind verkauft«, erkläre ich zu Ende, ohne auf die letzten Worte einzugehen und dich zu bestätigen. Denn das wirst du noch früh genug merken.
»Genau.« Du hebst einen Finger und drückst ihn mir an die Brust. »Und du sagst mir jetzt, wer einfach meinen Stoff ohne mein Wissen gekauft hat.«
Ich betrachte dich genauer und würde dir sehr gerne alles erzählen, weil du ehrlich bist, und ich sehe dir an, dass du mir vertraust. Nur deine eigenen Leute wissen, wem die Ländereien wirklich gehören. Du willst dich schützen. Ich dich aber auch, im Moment zumindest.
»Ok, ich halte natürlich meinen Deal.« Ich streiche über deine Oberarme. »Ein Typ will sich vergrößern. Wer er genau ist, konnten wir noch nicht herausfinden. Wir sind aber dran. Wir haben uns mit Calvin verbündet, um ihn zu finden. Er ist wahrscheinlich nur wegen des Kokains hier. Und jetzt wissen wir zumindest, von wem er es bekommen hat.«
»Ihr wisst nicht genau, wer er ist?«, fragst du leider nach. Und es ist mir sogar egal, dass ich dich belüge, Jenny. Ich schüttle den Kopf. Du schaust zu Adam, der, Gott sei Dank, wie ich denkt und ebenfalls verneint.
»Und ihr denkt, ich bin nicht safe?« Wie du darauf kommst, bleibt mir ein Rätsel, aber es ist eine berechtigte Frage. Doch ich weiß nicht, wie ich sinnvoll antworten soll.
»Bei uns bist du sicher«, kommt Greg mir zu Hilfe und auch Riley: »Es ist eigentlich nur eine Vorsichtsmaßnahme von Calvin.«
»Vorsichtsmaßnahme?«, wirst du leider zurecht wieder misstrauisch.
»Na, dass alle auf dich aufpassen, bis wir wissen, wer er ist«, kann sich Riley noch rausreden. Du glaubst uns nicht, das kann ich dir ansehen.
Aber du lässt es so stehen und schlingst deine Arme wieder um meine Taille. Möglicherweise auch genau deshalb. Du machst dir Sorgen, das kann ich spüren. Dass alle dir etwas verheimlichen, macht dir Angst und du brauchst mich.
Du brauchst meine Nähe. Ich bin hier und werde immer hier sein, Jenny.
Erst klären wir das mit deinem Feind.
Und dann werde ich zu deinem größten Feind.