32
Ich sehe dich schon schmerzerfüllt am Boden liegen
W as hast du schon wieder angestellt, Jenny? Du klangst so verstört, als du mit C gesprochen hast.
Trick meinte nur, dass es dir gut geht. Aber dann rufst du mich eine Stunde später an und flehst darum, dass ich zurückkomme.
Jenny, dafür habe ich keine Zeit. Denn ich bin dabei, herauszufinden, wer uns sabotiert.
Leider klangst du verzweifelt, was ungewöhnlich für dich ist. Natürlich wolltest du mir nicht genau schildern, was du getan hast. Nur, dass du mich brauchst und mich am liebsten auf der Stelle sehen musst. Dann noch, dass du dich nach meiner Berührung sehnst und wie dringend es ist, von mir persönlich zu hören, dass du mir gehörst.
Du sagst all diese schönen Dinge, die ich von dir hören möchte, und ich entschließe mich dazu, dir das zu geben, was du verlangst.
Ich komme früher zurück.
Dabei lasse ich den einzigen noch lebenden Mann zurück, der darüber schweigt, wer ihn geschickt hat.
Doch gerade als ich mit meinen Freunden die Villa verlassen will, bekommen wir Besuch, Jenny.
Da ich dringend Informationen über dich benötige und über den finanziellen Schaden aufgeklärt werden muss, kann ich Steffi jetzt nicht gebrauchen. Dennoch rauscht sie wie eine Furie an meinen Männern vorbei, geradewegs auf mich zu, und schreit: »Warum teilst du mir nichts mit, Colt? Warum muss ich erst durch Zahlen erfahren, dass Lokale zerstört wurden?«
Jenny, diese Frau ist in ihrem Job spitze und die Hierarchie ist für alle Mitarbeiter selbsterklärend. Trotzdem ist sie aufgebracht, wedelt mit ihren Armen und keift herum.
»Wie soll ich bitte meine Arbeit machen, wenn du wichtige Vorkommnisse verschweigst?« Dann pickt sie mir mit ihren kleinen zarten Finger in die Brust. »So nicht, Freundchen! So nicht! Mein Kopf wird nicht rollen, nur weil du deine Geschäfte nicht im Griff hast!«
»Ruhe!«, brülle ich gegen ihre immer dunkler werdende Stimme an, die nur noch aus einem Grollen besteht.
»Beruhig dich. Ich habe alles im Griff…«
»Ja, sicher! Das sehe ich! Der Bezirksstaatsanwalt schnüffelt. Genauso wie die Cops und wie soll ich die letzten Einnahmen unbemerkt in den Wirtschaftskreislauf überführen, wenn die Fahnder mir auch noch im Nacken sitzen. Weißt du, was hier los ist?«
Ihre Sorgen kann ich nachvollziehen. Dass Jeff gegen uns ermittelt, haben wir alle nicht vergessen.
»Dann lass alles ruhen, Steffi. Zumindest, bis sich die Lage beruhigt hat. Wenn alle Stricke reißen, ruf Liz an und mach die Einspeisung über den Kunsthandel. Am besten vollziehst du die Transaktion über Bibi.«
»Klar! Weil wir den Kunsthandel noch nicht oft genug genutzt haben und eine Schattenbank die beste Option ist, wenn die Fahndung an den Fersen klebt!« Ihrem sarkastischen Unterton begegne ich mit einer gehobenen Braue. Jenny, die Frau vor mir ist ja ganz süß mit ihrem langen, dunklen Haar und ihrer zierlichen Figur, aber wenn es um ihre Arbeit oder Familie geht, ist sie eine Löwin.
»Du machst das schon und wenn nicht, macht es auch nichts.«
Da sieht sie mich perplex an und öffnet leicht ihren Mund. Ich komme ihr zuvor und erkläre: »Du bist eine attraktive und begehrenswerte Frau, Steffi. Ich frage mich, wie viel du mir einbringen würdest.«
Wütend ballt sie ihre Fäuste und reißt die Augen auf.
»So dankst du mir die schlaflosen Nächte, meine Überstunden und die Tatsache, dass ich deinen Hintern aus jedem finanziellen Schaden hole? Wenn du dich nicht auf der Stelle entschuldigst, kannst du deinen Bastardarsch darauf verwetten, dass ich richtig Dampf darunter machen werde!«
Ihrer Drohung zum Trotz, verschränke ich die Arme vor der Brust. Jenny, normalerweise ist sie nicht so anmaßend. Auch wenn sie sich aufregt, kennt sie ihren Platz. Und obwohl sie gute Arbeit leistet, lasse ich mich nicht von ihr bedrohen. Sie könnte zurückweichen und sich ebenfalls entschuldigen, denn ich bin ihr Boss. Stattdessen versuchen ihre Augen, mich zu durchbohren.
Adam ist derjenige, der das Schauspiel nicht nur amüsiert betrachtet, sondern eingreift, indem er Steffi einen Arm um die Schulter legt, sie auf die Wange küsst und liebevoll auf sie einredet.
»Ich entschuldige mich für meinen Freund, den Esel. Niemals würde ich zulassen, dass du verkauft wirst, Steffi. Das weißt du doch, oder? Und natürlich sind wir dankbar für die Arbeit, die du immer wieder leistest. Ohne dich würden wir untergehen. Steffi, ich habe Vertrauen in deine Kompetenzen und du meisterst all die Probleme, die wir dir bereiten. So wie immer.« Erneut küsst er sie. Steffi entspannt sich sichtlich in seinem Arm und lächelt in sich hinein.
»Natürlich schaffe ich das. Aber denkt bitte das nächste Mal daran, mich mit den nötigen Informationen zu füttern.«
»Siehst du, das ist meine Steffi«, säuselt Adam weiter und wie immer wickelt der einzige Chauvinist aus unserer Gruppe eine clevere Frau um den Finger. Selbst Greg dreht sich angewidert um, als Steffi strahlend mit den Fingerspitzen über seine Grübchen streicht.
Dann merkt sie aber ihre eigene Handlung, tritt von ihm weg und reckt ihr Kinn hoch.
»Ok, ich rufe an.« Damit verlässt sie die Villa und Adam sieht mich mal wieder triumphierend an.
Darauf reagiere ich nicht. Dafür aber Riley, als er ihm auf die Schulter klopft mit den Worten: »Danke für die Bombenentschärfung. Steffi dürfen wir nicht verlieren. Sie ist die Beste auf dem Gebiet.« Womit er nicht unrecht hat. Dennoch sind Greg und ich die Einzigen von uns, die denken, dass Adam ein größerer Psychopath ist als wir alle zusammen.
»Wie schafft ein Misogyn, wie du es bist, eine Frau so zu beeinflussen?«, fragt sich Greg laut.
»Ich bin kein Misogyn, nur weil ich einer Frau sage, was sie hören will!«
»Nein, deswegen alleine bist du nicht der Schlimmste von uns.«
»Ich bin nicht der Mann mit der sadistischen Ader. Und vielleicht fällt es mir schwer, Frauen den nötigen Respekt zu erweisen, weil ich weiß, was sie hören wollen.«
Das ist das Einzige, in dem Adam und ich gleicher Meinung sind. Du siehst das auch so, Jenny. Sonst würdest du Frauen nicht so verachten wie wir.
Als Greg schnaubt, erinnere ich sie daran, dass wir aufbrechen müssen. Denn ich habe keine Zeit, mit ihnen über das weibliche Denken zu diskutieren, wo du mich doch dringend brauchst.
Keine Stunde später sitze ich im Flieger und sehe mir die gespeicherten Aufnahmen von heute auf dem Laptop an. Mir stockt direkt der Atem. Blade sitzt auf deinem Bett.
Wo bist du, Jenny? Und warum ist er in unserem Zimmer?
Da sehe ich eine kleine Gestalt und vergrößere den Tab.
»Was um Himmelswillen?!«, stoße ich laut aus. Mir ist egal, dass meine Leute mich hören und aufmerksam werden. Ein kleiner Junge sitzt mit Blade in unserem Zimmer! Gemeinsam malen sie.
Was soll das denn wieder?
»Hast du dich im Zimmer vertan?«, fragt mich Adam und sieht auf dem Bildschirm die vergrößerte Ansicht. Und ich wünschte, es wäre so.
Ich mache den Laptop zu und reibe mir die Stirn. Sicher kannst du mir das erklären.
Wir landen und fahren mit dem Mietwagen umgehend zur Villa. Ich merke selbst, wie unruhig ich wegen dir wieder werde.
Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Immer wieder machst du das mit mir und ich finde etwas Neues über dich heraus oder du tust Dinge, die mich fast verzweifeln lassen.
Warum kannst du nicht so pflegeleicht wie andere Frauen sein? Die ganze Fahrt über bin ich nervös. Was ich sonst nie bin. Nur wegen dir.
Ich bin der Erste, der aussteigt, als wir endlich ankommen, und klingle diesmal nicht, sondern trete ein.
Ich will dich sehen. Nein. Ich muss dich sehen.
Doch ich höre dich nur brüllen. Schon wieder ein Widersacher? Nein, denn Saltos brüllt auch etwas Unverständliches.
»Wird das immer so sein, wenn wir weg waren und wiederkommen?«, fragt hinter mir Riley. Sicher nicht, Jenny. Wir werden nämlich nicht mehr lange hier sein. Denn wenn alles nach Plan läuft, werden wir gemeinsam in wenigen Tagen abreisen.
Wir stehen im Foyer. Du und Saltos diskutiert lautstark, aber ich verstehe nicht worüber.
»Bist du so dicht? Was sollen wir mit ihm? Ruf die Sozialarbeiterin an!«, schreit dich Saltos an.
»Du hast doch keine Ahnung, wie das ist. Du hattest immer Eltern und eine Familie!«
Oh, Jenny, es geht um den Jungen. Du hast ihn mitgenommen. Deswegen wolltest du, dass ich unbedingt komme! Aber warum tust du nur so etwas?
Trick steht an der Seite mit verschränkten Armen gleich neben Otis und hört nur zu. Er sieht mich und nickt, um dann mit dem Kopf zu schütteln.
»Ich hoffe, ich denke gerade falsch«, meint Adam, aber ich glaube, wir liegen beide mit unserer Annahme richtig. Was machst du nur immer, Jenny? Wie kommst du auf so einen Schwachsinn? Ich kann dich nicht mehr alleine lassen. Dabei habe ich dir schon Trick an die Seite gestellt und dennoch machst du Unsinn.
Brüllend schubst dich Saltos und Trick und ich reagieren gleichzeitig. Beide halten wir unsere Knarre auf Saltos gerichtet und erst jetzt bemerkst du mich.
»Nehmt die Knarren runter!« Du siehst dich um und kommst auf mich zu. Wieder mit diesem komischen, viel zu freundlichen Lächeln im Gesicht, was ich dir nicht abkaufe, obwohl du wolltest, dass ich zurückkehre. Meine Zweifel verdränge ich, als du deinen Mund öffnest.
»Gut, dass du endlich da bist. Ich habe Scheiße gebaut, Dean.«
Mein Name auf deinen Lippen weckt sofort meinen Schwanz. Du bist so böse und legst mir die Hände auf die Brust und schaust nach oben in meine Augen.
Himmel, deine Augen machen mich schwach. Ohne auf meine körperliche Reaktion einzugehen, frage ich dich, was du genau getan hast, obwohl ich mir das denken kann. Du legst seufzend deine Stirn auf meine Brust und Saltos brüllt los.
»Sie hat ein Kind von einem Auftrag mitgenommen, anstatt ihn zurückzulassen.«
Dabei streiche ich über dein weiches Haar.
»Und warum tust du so etwas?«
»Weil er niemanden hat«, flüsterst du an meinem Hemd und legst die Arme um meine Taille.
Was für einen Blödsinn du da sagst. Was sollte dich das interessieren? Doch diese Gedanken kann ich nicht aussprechen. Zu stark ist dein Bedürfnis, mir nahe zu sein. Genau das, was ich immer wollte. Und dennoch ist es so merkwürdig, dass ich an deinem Verhalten zweifle. Das bist nicht du.
Du bist abhängig von mir, das wissen wir beide. Nur würdest du das niemals zugeben. So sehr ich das auch möchte, würdest du diesen einen Kampf nicht aufgeben. Irgendetwas hast du vor. Dennoch stecke ich die Knarre weg, drücke dich fest an meinen Körper und nehme alles von dir auf. Du riechst wieder nach Flieder. Unfassbar.
»Du bist doch völlig durchgeknallt! Seit wann machst du so einen Scheiß? Warum ist dir der Kleine nicht vorher aufgefallen, bevor du den Typen abgeknallt hast? Was ist nur los mit dir?«, schreit Saltos verzweifelt und wütend. Du löst dich aus meiner Umarmung und gehst auf ihn zu.
»Du willst das also ausdiskutieren?«
Er sieht dich wütend an, anstatt darauf zu antworten. Wahrscheinlich weiß er nicht, was er sagen soll. Du legst dein Schulterholster ab.
»Wie du willst. Dann aber auf unsere Art, wie damals.«
»Es hat sich viel verändert, Kit. Willst du das wirklich?« Saltos streicht sich mit den Daumen über die Lippen.
»Ich war sechs Monate weg, nicht sechs Jahre«, entgegnest du und schnalzt mit der Zunge. »Ich reiße dir den Arsch auf, wie früher.«
Da lacht Saltos und ich bin mir nicht sicher, ob ich das für gut halten soll, was du offenbar vorhast.
»Nicht unter die Gürtellinie«, bestimmt er und krempelt die Ärmel seines Shirts hoch.
»Nicht ins Gesicht«, ergänzt du.
»Hast du Angst, Kit?«
»Ja, dass Colt mich nicht mehr vögeln will, wenn ich dir den ersten Schlag überlasse.«
»Kit!«, warne ich dich und du siehst mich über die Schulter an. »Alles gut, Colt. Misch dich aber nicht ein, ok?« Du sagst es so sanft, als würdest du mich beruhigen wollen, und auf eine Art, die mich wieder aufhorchen lässt.
Ich schüttele aber den Kopf. Denn wir wissen beide, dass ich das nicht kann, ich muss ihn abknallen, wenn er dich schlägt, Jenny.
»Und du auch nicht!« Du zeigst mit dem Zeigefinger zu Trick. »Ich werde mich hüten.«
Er ist amüsiert und alleine dafür möchte ich ihm gerne ein Messer in die Brust stechen.
Du willst dich doch nicht ernsthaft prügeln, Jenny. Du bist so zierlich. Auch, wenn ich weiß, dass du für eine Frau stark bist, ist Saltos größer und hatte sicher ebenso eine Kampfsportausbildung. Ich kann nicht zulassen, dass er dich schlägt, und gehe auf dich zu, werde aber umgehend aufgehalten.
»Lass sie. Die zwei regeln das unter sich«, meint Malcolm und drückt mich zurück. Calvin und Malcolm sind gerade erst reingekommen und weil du mich schon wieder so in deinen Bann gezogen hast, habe ich sie nicht bemerkt.
»Nein, ganz bestimmt nicht«, knurre ich und Calvin stellt sich neben mich.
»Sie macht das schon, D. Das ist nicht das erste Mal. Dann streiten sie sich auch nicht mehr.«
»Genau, lass sie. Ich will das sehen«, meinte außerdem Greg und ich sehe ihn missbilligend an. Doch es ist ihm egal und er verkneift sich sein Lachen.
Das, Jenny, muss ich mit ihm klären. Denn du gehörst mir und Greg sollte das nicht als eine Art von Entertainment sehen, sondern Saltos genauso abknallen wollen.
»Du weißt, dass es mir egal ist, dass du ein Mädchen bist!« Saltos kommt auf dich zu und ich weiß genau, dass ich ihn umbringen werde, wenn er dich verletzt.
Nur ich darf das, Jenny, und kein anderer.
»Ach bitte«, winkst du ab. »Rede nicht so viel und schlag zu. Den ersten Schlag hast du frei, bevor ich den Boden mit dir wische!«
Sofort kommt er auf den Fußballen leicht wippend auf dich zu und tritt.
Augenblicklich beugst du dich unter sein Bein und kommst flink wieder hoch, dass Saltos Wade auf deiner Schulter landet. Gleichzeitig trittst du ihm das andere Bein weg, woraufhin er den Halt verliert und stürzt. Als er zu Boden fliegt, weichst du zurück und schlägst auf seinen Brustkorb.
»Fuck!«, stöhnt Riley verwundert auf. Und ja ich habe ebenfalls nicht mit deiner Reaktion gerechnet. Das ging so schnell, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich das richtig gesehen habe. Saltos krümmt sich und du hältst ihm die Hand hin.
»Schlag, habe ich gesagt. Nicht Tritt. Jetzt steh auf und heul nicht rum.«
Er nimmt deine Hand und du ziehst ihn hoch. Sofort macht ihr weiter. Mit leicht trippelnden Füßen versucht ihr, Faustschläge zu verteilen. Allerdings weicht ihr euch gegenseitig aus.
Da trittst du mit dem Knie zu und ich sauge die Luft scharf ein, als er es festhält.
Ich sehe dich schon schmerzerfüllt auf dem Boden liegen, gleich neben dem von mir erschossenen Saltos.
Doch da hast du es bereits geschafft.
Ich weiß nicht, wie du das andere Bein um seine Schulter zum Hals geschwungen hast, aber er lässt dein Knie los, um dich zu packen. Du jedoch bekommst seinen Arm zu greifen. Fassungslos sehe ich zu, wie du ihm mit den Schenkeln die Luft abdrückst und an seinem Arm ziehst. Er geht mit dir in die Knie und schon liegt ihr auf dem Boden.
Saltos stöhnt, während du die Schenkel zusammenpresst und seinen Arm schmerzhaft verdrehst.
Wie hast du das gemacht? Was ist da vor meinen Augen passiert?
»Gib auf, Saltos. Sonst muss ich dir wehtun«, sagst du befehlend. Und da haut er mit den Fingerspitzen auf deinen Oberschenkel. Du lässt ihn los und stehst auf.
Das ging verdammt schnell und wir alle halten die Luft an.
»Noch mehr oder gibst du auf?« Du wirkst nicht einmal, als wärst du aus der Puste, während Saltos sich den Hals reibt. Er ist knallrot und sein Brustkorb bewegt sich rasant auf und ab.
»Schon gut! Es hat sich wohl nichts geändert.« Er legt einen Arm um deine Schulter und obwohl mich das stört, bin ich irritiert vom Ende.
»Colt?«, ruft Trick über euch beide hinweg. »Ich soll wirklich auf sie aufpassen? Ich glaube eher, sie muss mich beschützen.«
»Nein«, sagst du mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, als du dich zu ihm umdrehst. »Das hast du falsch verstanden. Du bist nicht mein Bodyguard, sondern mein Babysitter.« Was du korrekt erkannt hast.
Ich gebe zu, Jenny, dass du beschützt wirst. Aber nachdem ich das gesehen habe, weiß ich, dass ich mir nicht so große Sorgen machen muss. Dennoch, du bist impulsiv und triffst zu schnell die falschen Entscheidungen, ohne Rücksicht auf Konsequenzen. So wie heute.
»Also, was hast du angestellt, kleine Kitty?«, will C wissen und geht auf dich zu.
»Ich war bei diesem Dealer, William. Ich kannte ihn nicht. Der war voll der Junkie.«
»War?«
Oh Jenny, du hast ihn tatsächlich abgeknallt.
»Ja, war. Aber nur, weil er ein Junkie war, konnte er schlecht alles verballern. Das wollte er uns nämlich erzählen. Er log, Boss. Und wollte nicht mit der Wahrheit rausrücken. Also habe ich gehandelt.«
»Nichts Neues«, bemerkte er.
»Sein Neffe war im Haus. Ich wusste es nicht. Seine Mutter ist tot, der Vater weg und sonst hat er keinen und ist ziemlich verwahrlost«, erklärst du äußerst zügellos und deine Augen glänzen, was mich sogar wundert. Du fühlst mit einem Kind mit?
Die kalte, gleichgültige Kit bemitleidet einen kleinen Jungen? Ist dein Ruf übertrieben oder bist du, wie Saltos es schon behauptet hat, schwach und sensibel geworden? Was ist los, dass du ein Kind mitbringst, dessen Bezugsperson du umgebracht hast?
Das ist falsch, Jenny! Das weiß sogar ich!
»Okay«, zieht Calvin dieses kleine Wort in die Länge.
»Er ist hier. Ich konnte ihn nicht zurücklassen. Er ist sieben«, sagst du und das so, als gäbe es keine andere Option.
Was denkst du dir nur? Was willst du mit einem Siebenjährigen hier in dieser Welt? Ich verstehe nicht, warum du so fühlst, warum du so handelst.
»Du musst die Fürsorge anrufen.« Dein Boss legt dir seine Hand an die Wange und du schlägst sie weg.
»Damit er ein Heimjunge wird? Weißt du, wie hart das ist?«
»Das ist nicht dein Problem, Kitty. Du kannst dich nicht um diesen Jungen kümmern. Das hier ist nichts für ein Kind. Du bist nicht gut für ein Kind!« Er zeigt mit ausgebreiteten Armen, in welcher Welt selbst diese Villa steht. »Und du magst noch nicht einmal Kinder!«
Oh, das ist neu, Jenny. Du magst keine? Willst du denn nie eigene Kinder haben?
Nein, du machst nicht den Eindruck, Interesse daran zu haben, Mutter zu werden. Ich kann mir das nicht einmal vorstellen, wie du ein Kind behütest.
»Ich kann das nicht zulassen, Boss!«, sagst du mit zusammengepressten Zähne.
»Nein!«, ist Calvin nicht mehr so sanft zu dir. Doch bevor er weiter sprechen kann, mischt sich Malcolm ein.
»Boss? Erinnerst du dich denn nicht? Dieses Gespräch hatten wir auch vor vielen Jahren. Und? Hast du auf mich gehört?«
»Nein und jetzt sehe ich, was ich davon habe.« Er lächelt nun und mustert dich tadelnd.
»Was für ein Gespräch?«, wunderst du dich und Malcolm erklärt: »Deine Mutter hat dich nicht an Calvin verkauft, sondern an einen Mitarbeiter von uns. Er hat nie daran gedacht, dich weiterzuverkaufen, denn er wusste erst von deiner Existenz, als du den Kunden umgebracht hast. Erinnerst du dich nicht mehr, Kleines?«
»Nur, dass ich euch erst danach kennengelernt habe. Aber ich dachte immer, C hat das veranlasst.«
»Nein, Kleines. Das war nur einer unserer Männer. Calvin war schockiert und zugleich imponiert. Ich habe ihm gesagt, er soll die Fürsorge anrufen, dich ins Heim bringen, und dass diese Welt nichts für ein Kind ist. Und wie du siehst, hat er nicht auf mich gehört.«
»Du hast uns doch adoptiert«, wunderst du dich genauso wie ich. Genau dieselbe Frage lag mir auf der Zunge.
»Ja, aber erst Jahre später. Ich habe dich auch von Anfang an in mein Herz geschlossen, Kleines. Ich wollte diese grausame Welt nicht für dich.«
»Na dann haben wir ja über alles gesprochen!« Du zuckst mit den Schultern.
»Nein, haben wir nicht! Du kannst nicht für den Jungen sorgen!«
»Stimmt, kann ich wirklich nicht, aber ich rufe auch nicht die Fürsorge an. Diskussion beendet. Danke für das Gespräch. Und jetzt hilf mir lieber, anstatt mir eine fruchtlose Standpauke zu halten!«
Was geht wohl in deinem Kopf vor? Ich denke, du weißt es selbst nicht, meine Schöne. Du bist mit der Situation überfordert, das sieht man dir an.
Doch auch Otis mischt sich ein: »Das kann nicht dein Ernst sein, Kit! Ihn willst du nicht mehr hergeben, aber sie lässt du zurück?«
Ich verstehe kein Wort und da bin ich nicht der Einzige. Denn als deine Gesichtsfarbe sich verändert, fragt C:
»Was meinst du, Otis? Wer ist ›sie‹? Wen hat Kitty zurückgelassen?«
»Niemanden!«, brüllst du aufgebracht und schluckst dabei hart. Für einen kurzen Moment schließt du deine Augen, um dich dann zu Otis zu wenden:
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Also sei still!«
Otis nickt vorsichtig und ich frage mich, ob ich erfahren möchte, was du verschweigst. Mein Blick wandert zu C, der die Stirn runzelt, aber dich schließlich, ohne die vorigen Worte zu beachten, fragt: »Was hast du jetzt vor?«
Wie ich geahnt habe, zuckst du nur mit den Schultern.
»Kleidung und Spielzeug kaufen und ihn baden. Ihm etwas zu essen geben, und keine Ahnung.« Du fährst dir durchs Haar.
Denkst du darüber nach, seine Ziehmutter zu spielen, Jenny? Wie soll das funktionieren? Du bist eine Killerin. Fuck! Und eine Drogenprinzessin.
»Wo ist er denn?«, fragt Adam und du siehst ihn mit einem ehrlichen, warmen Lächeln an und ich spüre die Eifersucht in mir aufkommen.
Er weiß doch, wo der Junge ist. Warum fragt er dich das dann?
»Jeremy ist oben in meinem Zimmer«, sagst du so sanft, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob du es wirklich bist, die da steht und spricht. Du siehst mich an und auch mir schenkst du dieses Lächeln, das mich direkt überrollt.
Fuck!
Du schaust mir direkt in die Augen und kommst zu mir rüber. Mit deinen winzigen Händen streichst du mir über die Brust und stellst dich auf Zehenspitzen, um mir näher zu kommen. Ich beuge mich zu dir runter und wie erwartet hauchst du mir einen sanften, viel zu liebevollen Kuss auf die Lippen.
Sofort ziehe ich dich an mich. Doch du vertiefst den Kuss nicht, sondern legst mir deine Arme um den Hals und umarmst mich mit einer Wärme, die mir die Luft abschnürt.
»Ich hasse dich«, flüsterst du mir ins Ohr und ich drücke dich fester an mich.
Jenny, nie zuvor haben sich diese Worte so gut und richtig angefühlt.
Das sind wir. Genau das.
Wir sind beide völlig verdreht, aber deswegen gehörst du auch mir. Aufgrund dieser besonderen Art hast du von Anfang an mein Interesse geweckt. Und genau wegen dem, was du bist, will ich dich nicht loslassen, und küsse deinen Hals.
Und nur mit diesem Bedürfnis, mich spüren zu wollen, beseitigst du alle Zweifel, die ich gerade noch hatte.