35
Immerhin ist Verlass auf meine Männer
A m Laptop versuche ich, Angehörige vom Knirps zu finden. Ohne Erfolg. Jenny, wir haben ein Problem. Entweder sind sie tot oder sitzen im Knast. Aber das hält mich nicht auf.
Ich bin motiviert, eine Lösung zu entwickeln. Vor allem nach den Worten, die du Calvin gerade gesagt hast.
Greg war derjenige, der mir bereits über deine Gefühle Aufschluss gegeben hat. Allerdings hatten sie aus deinem Mund eine andere Bedeutung. Obwohl du sie nicht mir mitgeteilt hast, überrollten sie mich auf eine schöne Art und Weise.
Jenny, wenn du nur wüsstest, was das in mir anrichtet. Es gibt mir ein Gefühl, was ich nie zuvor gespürt habe.
Und dein Boss hat nicht unrecht. Ich fühle etwas für dich, sonst wäre ich nicht hier. Nein. Das ist gelogen. Aber ich würde nicht das Bett mit dir teilen.
Du bist so unfassbar perfekt für mich. Du und dein schlaues Köpfchen, weswegen ich die Kameras eben entfernen musste. Ja, meine Schöne, mir ist klar, dass du das Zimmer auseinandernehmen wirst.
Adam, dieser Idiot. Aber zugleich hat er mir den Hintern gerettet. Ich weiß, du wirst nicht begeistert sein, falls du erfährst, dass ich auf dem Zimmer dieser Frau war. So wie Calvin mich angesehen hat, hast du sofort angefangen, darüber nachzudenken.
Jenny, wir müssen aus Detroit verschwinden. Du musst mit mir nach Chicago kommen. Nichts von dem, was ich hier angerichtet habe, darf herauskommen. Nichts von dem, was dich noch erwartet, darf vor der Vollendung an dich gelangen.
Deswegen muss ich auch mehr Druck machen und nehme mein Handy.
Ich:
Hast du alles erledigt?
D avon:
Fast. Gib mir eine Stunde.
Ich:
Läuft alles nach Plan?
D avon:
Ja. Aber es war schwerer als erwartet.
Ich:
Mir ist egal, ob es schwer ist oder nicht. Wichtig ist nur, ob es funktionieren wird und sie es nicht auffliegen lassen.
D avon:
Nein. Das Angebot konnten sie nicht abschlagen.
Ich:
Gut. Wenn du fertig bist, verschwinde aus Detroit.
Unbemerkt versteht sich. Trick darf dich nicht sehen.
D avon:
Verstanden. Du weißt, dass ich das nicht für dich, sondern für sie mache.
Ich:
Deine Absichten sind für mich nicht relevant.
Hauptsache es läuft nach Plan.
D avon:
Das hängt nicht nur von mir ab. Es ist bereits in Gange. Einen Letzten und ich bin weg.
I mmerhin ist Verlass auf meine Männer, Jenny. Du kannst nicht länger hierbleiben, weil ich auch nicht mehr kann. Du bist mit Detroit fertig, Babe. Schließlich hast du, ohne zu kämpfen, deine Ländereien abgegeben.
Du bist ein Tiger und fauchst nicht nur. Also was sollen die kleinen Geldeintreibereien? Du bist wertvoller als das.
Als mein Handy piepst, sehe ich auf.
T rick:
Boss! Auftrag: Vegas solltest du umplanen.
W as soll das denn bitte? Dreht Trick wegen dir jetzt durch?
Ich:
Was soll das heißen?
T rick:
Das soll heißen, dass du den Plan ohne Kit hinbekommst. Warum änderst du es nicht? Es gibt andere Wege.
I ch glaube, mich verlesen zu haben, Jenny.
Noch nie hat Trick mein Vorhaben infrage gestellt und mir so einen Unsinn geschrieben. Niemals zuvor wollte er, dass ich etwas umplane. Was geht in seinem Kopf vor? Oder spukst du nun durch seinen Verstand?
Jenny, wenn du Trick zu nahe kommst, muss ich euch beide abknallen, ist dir das klar? Meine Faust ballt sich ums Handy und ich tippe wütend drauflos.
Ich:
Ich bin der Boss.
Was geht in deinem Kopf vor, wenn du mir so etwas schreibst?
T rick:
Sie ist in Ordnung. Das geht durch meinen Kopf.
Ich:
SIE. GEHÖRT. MIR!
I ch tippe wutgeladen auf meinem Handy und bin stinksauer. Wenn ich herauskriege, dass zwischen dir und ihm etwas läuft, passiert mehr, als dass ich euch abknalle.
Trick:
Darum geht es nicht. Ich fasse die Süße nicht an. Ich meine nur, dass sie dir verfallen ist, und egal, was sie für eine Schlampe ist, deine Scheiße hat sie nicht verdient.
A ch, Jenny, darum geht es. Du hast ihm ein Gewissen geschenkt. Schlagartig beruhige ich mich. Das ist es also. Ich wüsste gerne, wie du es geschafft hast, aus dem Soziopathen eine mitfühlende Person zu machen.
Was ist das mit dir, dass alle sich anders verhalten, nur weil sie dir begegnet sind und du noch nicht einmal nett und freundlich bist? Wie machst du das? Darüber muss ich fast lachen.
Ich:
Seit wann hast du ein Gewissen?
T rick:
Habe ich nicht! Werde ich auch nie haben! Du wirst sie verlieren, wenn du das durchziehst!
Ich:
Lass das mal mein Problem sein.
Ich habe dafür keine Zeit! Halte dich an den Plan!
» S pielst du mit mir?«, fragt mich der Knirps und ich schaue vom Handy hoch.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht mit Kindern spiele.« Ich stecke das Handy in meine Hosentasche und mache den Laptop zu, um aufzustehen. Ich weiß, ich verhalte mich wie ein Arsch, aber dieser Junge nervt mich. Er hat hier nichts zu suchen, Jenny!
Genau vor ihm verschränke ich die Arme und er sieht zu mir hoch. Anscheinend hat sich letzte Nacht etwas in ihm bewegt, davon auszugehen, dass ich ihm nichts antun werde. Denn er weicht nicht zurück.
»Eine Runde, Colt«, gurgelt er meinen Namen und reicht mir seine kleine Hand. Ich verdrehe die Augen und muss direkt lachen, weil es genau das ist, was du immer tust.
Diesmal bin ich von mir selbst überrascht, als ich seine Hand nehme und ihm in sein Zimmer folge. Den Weg kennt er auf einmal. Komisch. Oder hat er mich nur verarscht, damit ich mich zu ihm lege? Wenn das so war, ist der Stinker clever.
In seinem Zimmer setze ich mich zu ihm auf den Boden und wir spielen mit der Carrera-Bahn.
Ok, es wurde mehr als nur eine Runde. Zugegebenermaßen macht es Spaß. Dieser kleine Junge hat mich um den Finger gewickelt. So, wie du es immer tust, wenn du mich mit deinen großen, gefährlichen, gelben Augen anschaust.
So sorgt der kleine Stinker vor mir dafür, dass ich lache und wir erst aufhören, als sein Magen knurrt.
Nun verstehe ich, warum du ihn mitgenommen hast. Er vereinnahmt einen sofort.
Ich wuschle durch sein Haar und ziehe ihn am Arm auf die Beine.
»Schluss jetzt, du musst etwas essen«, sage ich bestimmend und erwische mich dabei, wie ich mich anhöre wie ein fürsorglicher Vater. Hilfe, Jenny. Was tust du nur mit mir, dass ich mich so verhalte? Du veränderst uns alle. Ist dir das bewusst? Nicht nur du bist weich geworden.
Ich gehe voran und er kommt direkt hinter mir her. Nur eine Sekunde später legt er seine kleine Hand in meine und drückt sie so leicht, dass ich schmunzle.
Fuck! Ich kann ihn noch nicht einmal loslassen. Es ist wie mit dir, Jenny. Ich kann dich genauso wenig freigeben. Dieser kleine Knirps ist so unverfroren wie du und traut sich tatsächlich, meine Hand zu halten.
Mir tut es schon fast leid, jemanden für ihn gefunden zu haben. Aber nur fast, Jenny. Denn der Stinker gehört nicht hierher.
Ich verstehe noch immer nicht, warum er mir vertraut. Zu den anderen ist er sehr abweisend. Adam, Greg und Riley wollten heute die ganze Zeit mit ihm spielen, aber er hat nicht einmal geredet. Er hat nur mit dem Kopf geschüttelt.
Hier an meiner Hand hüpft und lacht er ausgeglichen. Unglaublich.
Er geht mit mir genauso um, wie mit dir. Vertraut er dir so sehr, dass er mir auch vertraut, weil er weiß, dass du mir gehörst? Weil wir gemeinsam im Bett lagen?
In der Küche hebe ich ihn hoch, Jenny, und erschrecke mich für einen Moment, weil er so leicht ist und ich damit nicht gerechnet habe. Auf der Kücheninsel, so wie du immer dasitzt, setze ich ihn ab und er lächelt freudig. Ich ignoriere die Frauen im Raum. Sie interessieren mich nicht und ich widme mich dem Stinker.
»So, dann wollen wir mal sehen, ob wir etwas zu essen finden.«
»Cornflakes!«, schreit er mir glucksend entgegen.
»Wir haben Mittag. Willst du nicht etwas anderes?« Ich drehe mich zum Kühlschrank und schon quatscht mich eine der Huren an.
»Im Backofen ist Auflauf.«
»Mag ich nicht!«, spuckt der Stinker abwehrend aus und ich drehe mich zu ihm. Er verzieht unglücklich das Gesicht. Ist ihm aufgefallen, dass die Frau zu nahe kommt, und er das nicht sehen möchte?
Ja, Jenny, ich habe es bemerkt. Und nur du darfst mir so nahe kommen. Ich glaube, der Kleine sieht das genauso, denn als dieselbe Frau sich mir wieder nähert, zieht er seine Augenbrauen zusammen. Jeremy hat in seinem jungen Leben schon viel gesehen.
»Alles ok?«, frage ich und deute ein Lächeln an. Er antwortet nicht, sondern sieht die Frau misstrauisch an, die nun eine Hand auf meinen Oberarm legt.
»Du bist aber fürsorglich.«
Eine andere Frau nähert sich dem Jungen und beugt sich vor ihn. »Du bist vielleicht süß.«
Sofort rutscht er von ihr weg und fällt fast von der Platte. Diesmal bin ich für meine Reflexe dankbar und fange ihn mit einem Arm noch rechtzeitig auf und setze ihn wieder auf dieselbe Stelle.
»Was war das denn, Jey?«, frage ich knurrend und halte ihn am Arm fest.
»Ich mag das nicht. Sie soll mich nicht anfassen«, sagt er nur und ich muss an dich denken. Wie du dich aus Umarmungen windest. Dieser Junge ähnelte Jeff nicht im Geringsten, sondern dir, Jenny.
Ich lächle ihn nur an.
»Du bist ja ein Held.« Zwei Hände streichen über meine Schulter, die ich wegdrücke.
Jenny, diese Frauen sind penetrante Huren und es nervt mich, dass sie so aufdringlich sind, nur weil ich ihnen wegen dir einmal Aufmerksamkeit geschenkt habe. Die andere, die Jey verschreckt hat, zieht sich zurück zu der am Tisch, die uns nicht beachtet.
Doch diese eine Frau lässt nicht von mir ab und streichelt meinen Rücken.
»Ein Sandwich?«, frage ich Jey, während ich versuche, sie loszuwerden.
Auf einmal wird der Raum kalt, Jenny, und Jey erschaudert.
Spürt er das auch?
Du bist hier, er hat die Kälte auch wahrgenommen. Er sieht hoch und reißt die Augen auf. Schon höre ich das Klicken.
»Finger weg«, knurrst du gefährlich hinter mir und der Stinker grinst.
Jenny, du hältst der Hure eine Knarre am Kopf und der Junge lächelt! Zwar sehe ich nur Jey vor mir, aber ich bin sicher, dass du genau das tust.
»Kit, du weißt, wir bekommen den Bonus, wenn wir Gäste mit aufs Zimmer nehmen«, stottert sie.
Das erklärt, warum genau diese Frau mich regelrecht genötigt hat, mit ihr zu vögeln, damit ich an meine Antworten komme.
»Nicht bei ihm. Für ihn kriegst du nur eine Fahrt in die Hölle«, knurrst du dunkel. »Und jetzt beweg dich, bevor ich nachhelfe!«
Sie geht von mir weg und ich drehe mich um, sehe in dein wütendes Gesicht.
»Hey«, sagst du bitterfreundlich. »Verlasst ihr die Küche?«
»Kit, sie wollten etwas essen«, erklärt die Hure, auf die du noch immer zielst.
»Süße, provozier mich nicht, wenn ich eine Knarre auf dich halte.«
Ich nehme den Stinker von der Platte und gehe mit ihm raus. Du hast recht, Jenny. Ich will nicht, dass Jey sieht, was du mit ihr machst. Oder was du zu ihr sagst. Du bist eifersüchtig und es macht mich stolz, dass du dein Revier verteidigst. Damit habe ich nicht gerechnet.
Vor der Küche stehen Blade und Trick.
»Sie ist richtig sauer«, meint Blade direkt. »Aber sie tut keiner Frau etwas. Das ist eine von ihren Hausregeln.« Er begrüßt Jey.
Dann höre ich eine andere Frau brüllen: »Was erwartest du, Kit? Er war mit ihr auf dem Zimmer.«
Fuck! Hätte ich sie doch mal erledigt. Den Sicherheitsmann zu bezahlen, hat nicht ausgereicht. Scheiße, Jenny. Du bist jedenfalls sauer. Aber ich kann nicht verstehen, was du dazu sagst. Dabei bin ich mir sicher, dass du darauf eine Antwort geben wirst.
»Ach, komm schon, Kit.« Ich erkenne sofort die Stimme der Hure, mit der ich geschlafen habe. »Jeder weiß, dass du keine Frau erschießt! Das ist dein Gesetz!«
Da lachst du laut. »Ausnahmen bestätigen die Regel!«
Ein Schuss schallt zu uns.
Eine Stille herrscht, bis du dann wieder brüllst:
»Falls ihr es immer noch nicht begriffen habt, soll euch das eine Lehre sein! Ihr bleibt von meinen Sachen weg!«
»Ja«, sagen die Frauen weinerlich.
»Das beinhaltet auch Männer, mit denen ich schlafe! Ich teile mit euch Nutten nichts, verstanden?«
Trick und Blade verschränken die Arme und mustern mich.
»Wenn du Glück hast, überlebst du ihre Wut«, meint er und sieht mich eindringlich an. »Aber sicherheitshalber solltest du jetzt nach deinen Leuten rufen, denn sie ist bewaffnet.«
Ich sage nichts dazu. Ich weiß auch nicht, was, Jenny. Ich habe keine Angst, dass du eine Waffe auf mich richtest. Eher bekomme ich das Gefühl, dass du wegläufst. Du wolltest schon einmal, dass ich dich freigebe.
Eine ganz andere Art von Angst beschleicht mich, Jenny. Ein so schweres Gefühl, wie es nie zuvor in mir brannte. Du gehörst mir und die Tatsache, dass du mich womöglich wegstoßen könntest, zieht schmerzhaft durch meine Knochen.
Am Hosenbein zupft es und ich schaue runter.
»Hat Kit sie erschossen?«
»Ja«, sage ich und merke, wie trocken sich meine Kehle anfühlt. Es ist zu still, Jenny. Die Ruhe vor dem Sturm.
»Sie hat es gesagt«, sagt er und der Stinker zuckt mit den Schultern und nimmt meine Hand in seine.
»Was?«, frage ich und bin wirklich schockiert. Die Stimmung ändert sich. Auch Trick und Blade wundern sich über Jey. Warum ist er so gleichgültig?
»Sie hat es gesagt. Die Frau hätte nicht reden sollen.«
»Ja, genau«, ertönt deine Stimme, während die Tür aufgeht. »Ich habe sie gewarnt, mich nicht zu provozieren.«
Du kommst mit einem Lächeln zu uns und einem Shirt voller Blutflecken. In der Hand hältst du ein Sandwich auf einem Teller und kniest dich vor Jey.
»Ich habe gehört, dass jemand Hunger hat?« Du lächelst ihn so süß an, als hättest du gerade nicht eine Frau eiskalt erschossen.
Anstatt den Teller zu nehmen, umarmt er dich, küsst deine Wange und nimmt ihn dann erst in die Hand.
»Du warst lange weg.« Der Stinker sieht dich mit traurigen Augen an und du richtest dich auf.
»Ich musste arbeiten, Kleiner«, antwortest du und streichst ihm durchs Haar. »Na komm«, sagst du und drückst ihm zum Gehen. »Was guckt ihr so? Habt ihr etwa eine Leiche gesehen?«
Du schaust unverwandt die Männer an, die wirklich kreidebleich aussehen.
»Nein«, flüstert Blade.
»Gut, dann kümmere dich um diese!« Du zeigst zur Küche.
»Was soll ich Calvin sagen?«, fragt er, als er an dir vorbeigeht.
»Gar nichts. Er wird es sich denken können.« Dann siehst du mich an. »Calvin weiß alles.«
Dein Blick. Fuck.
Mir läuft es eiskalt den Rücken runter.
Dann gehst du. Mit Jey an der Hand wendest du dich von mir ab. Langsam und mit einem kleinen Abstand folge ich dir, genau wie Trick.
Wir sind still, während du dich mit Jey unterhältst. Er erzählt dir, dass wir gespielt haben.
Trick schweigt und ich wünsche mir auf einmal, dass du dich umdrehst, mich anbrüllst und versuchst, mich zu schlagen. Fuck, Jenny, noch nie habe ich mir so sehr gewünscht, dass du auf mich losgehst.
Aber nichts.
Du ignorierst mich. Oder nein, du beschäftigst dich einfach nur mit dem kleinen Stinker, der dein Herz in Sekunden erobert hat.
Du setzt dich draußen auf die Terrasse mit Jey und ich setze mich daneben. Trick nimmt gegenüber von dir und unweit von Jey Platz, der sofort ein Stück mit dem Stuhl rutscht, um den Abstand zu ihm zu vergrößern.
Trick forscht in deinem Gesicht, aber scheint nichts zu finden.
Du redest ungewöhnlich freundlich mit Jey. Euer Gespräch verfolge ich nicht, denn in meinem ganzen Leben war ich noch nie so verunsichert wie gerade.
Den Arm lege ich um deine Stuhllehne und du beugst dich vor, streckst die Hand aus und bist so frech, Trick seine Zigarette, die hinter seinem Ohr klemmt, zu klauen. Als du sie dir zwischen die Lippen steckst, siehst du ihn auffordernd an, dass er dir nach einigen Sekunden die offene Flamme vom Feuerzeug hinhält.
Du lehnst dich nicht mehr zurück, sondern beugst dich auf den Tisch und hörst Jey zu. Ich glaube, er erzählt von den Spielsachen und was er mit dem Lego alles gebaut hat.
Und ich. Ich spüre den Abstand zwischen uns, der sich wie viele Meilen anfühlt. Als Jey sein Brot aufgegessen hat, stehst du auf.
»Sollen wir etwas spielen?«, fragst du ihn und er sieht mich kurz an. »Darf Colt mitspielen?«
Du sagst erst nichts, was mich wirklich für einen Moment trifft. Dann aber nickst du. »Ja, natürlich.«
Ich lasse die Luft aus meiner Lunge und sehe schon die Hoffnung, dass wir das wieder hinkriegen werden.
Jenny, ich will nicht, dass du vor mir wegläufst und auch nicht, dass du mich wegschickst. Ich habe das für uns getan, nicht, weil ich es wollte.
Ohne mich zu beachten, gehst du um den Tisch herum. Während du mit Jey vorgehst, laufen Trick und ich dir hinterher, bis er mich mit einem Arm kurz zurückhält und ich ihn böse ansehe.
»Vielleicht solltest du ihr etwas Abstand geben, Boss. Sie ist sehr…«
Was? Enttäuscht? Verletzt? Dieser Pisser kann mich mal.
Er schüttelt den Kopf und findet nicht das richtige Wort und ich drücke seinen Arm weg, um dir weiter zu folgen. Doch du gehst nicht nach oben, sondern ins Wohnzimmer.
»Weißt du«, fängst du an und stolzierst zur Anlage. »Als ich so alt war wie du, hatte ich Leute, die mir viel beigebracht haben.« Du redest so sanft mit deiner rauchigen Stimme.
Fuck, selbst das berührt mich.
»Als ich älter wurde, hat Calvin mich aufgenommen und mich noch mehr gelehrt.«
Jey sieht dir einfach zu, wie du die Anlage anmachst.
»Egal ob man gut oder schlecht gelaunt ist, eines passt immer«, sagst du und schon geht die Musik an.
Hip Hop. Was mich wirklich wundert. Denn du hörst eigentlich Rock. Nur deine Klingeltöne sind anders. Ja, Jenny, mir ist aufgefallen, dass du Personen, die dich anrufen, musikalisch unterteilst. Der Kleine lacht und ich setze mich mit Trick auf das Sofa. Da hältst du Jey eine Hand hin und tanzt. Ich traue meinen Augen kaum.
Du tanzt.
Und nicht irgendwie, sondern passend zu der Musik schwingst die Hüften und ich bin fasziniert, wie du deine Füße bewegst. Du zeigst dem Jungen Schritte. Was mich noch mehr wundert. Du hast nie den Eindruck gemacht, so tanzen zu können.
»Was für eine Scheiße machst du da?«, brüllt es hinter uns und ich drehe mich um.
Saltos, Blade, Otis, Derek und Calvin kommen auf uns zu.
»Ich zeige Jey, was ihr mir beigebracht habt.« Du lachst so niedlich.
Hast du schon vergessen, was du gehört hast und ich getan habe?
Jenny, ich weiß, was du für mich empfindest. Ich weiß auch, dass wir das hinkriegen werden, wenn ich dir erkläre, dass ich das für uns getan habe.
»Shit, nein, so einen Scheiß habe ich dir nie gezeigt!« Otis kommt herum, schnappt sich Jey und stellt ihn aufs Sofa.
»Erstens, wenn du keinen Platz hast, mach ihn dir«, erklärt er Jey. »Aber als Tipp, Fläche ist immer da.« Er schaut hoch. »Saltos, zeig dem Jungen, was ich meine.«
Eh ich verstanden habe, was er meint, rennt Saltos auf uns zu und macht über die Couch hinweg einen Salto. Der Kleine lacht und klatscht in die Hände.
»Zweitens, die Musik muss immer laut und schwarz sein. Also, Kit, dreh auf!« Schon dröhnt der Bass durch die Boxen.
»Und das Wichtigste ist, höre niemals auf einen weißen Arsch, was tanzen betrifft! Die haben keine Ahnung.«
Und Otis bekommt einen Schlag auf dem Hinterkopf von dir. Du lachst und ich habe wirklich für einen Moment das Gefühl, das alles wieder gut wird.
Ich traue meinen Augen kaum, als ihr tanzt. Die Art gefällt mir nicht, Jenny. Nicht nur die Nähe stört mich, sondern alles daran. Du berührst diese Männer zu auffordernd und sie erwidern es. Du ignorierst meinen Blick, wendest dich Jey zu und tanzt mit ihm, während er auf dem Sofa springt. Dabei wandert die Sicht zu den Männern und ich werde erneut überrascht. Otis ist so alt wie ich und tanzt. Etwas, was ich nicht tue.
Ich schaue zu dir. Und du bist nicht mehr da. Jey auch nicht. C klopft mir von hinten auf die Schulter.
»Das letzte Mal, als ich sie tanzen sah, war sie siebzehn und kurz vor…« Calvin stockt. Vor deinem Ex. Danach hast du anscheinend aufgehört. »Du tust ihr gut, D.«
»Dann bist du schlecht informiert«, mischt sich Blade ein. »Sie weiß es und du hast jetzt eine Frau weniger.«
»Sie weiß es?« Saltos stoppt in der Bewegung und Otis macht direkt die Musik aus. Blade verschwindet und vielleicht sollte ich das auch.
Trick steht auf, aber als ich das auch will, setzt sich Calvin hin und fragt ohne Umwege: »Was hat sie zu dir gesagt?«
Jenny, er klingt wirklich besorgt. So wie ich mich fühle.
»Nichts.« Ich versuche, mir nicht anmerken zulassen, wie nervös du mich mit deiner Gleichgültigkeit machst. Aber ich versage.
»Du hättest einfach mich fragen sollen, Colt, anstatt die Nutten zu benutzen, um etwas herauszubekommen«, sagt Saltos und ich wundere mich, wie gut er Bescheid weiß. Sie scheinen es alle zu wissen und sie haben dir nichts gesagt? Das verstehe ich nicht.
»Saltos, warum hast du es ihr nicht erzählt?«, frage ich ihn geradeaus. Denn beschützen will er mich sicher nicht.
»Wir wissen es alle und keiner von uns ist so doof, sich da einzumischen. Kit hat Stolz, den du ihr genommen hast!«
So ein Gewäsch. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Anscheinend kann Calvin meine Gedanken lesen.
»Das hat viel mit Stolz zu tun D. Wir mischen uns nicht ein, damit sie sich nicht vor uns schämen muss. Wir kennen sie gut. Hätte sie uns gefragt, hätten wir nicht gelogen. Aber sich bewusst in ein krankes Verhältnis einzumischen, traut sich hier keiner.«
»Hey, was ist mit den Frauen los?«, fragt Adam und ich drehe mich zu ihm, der gerade mit meinen anderen Freunden zu uns kommt.
»Die sind ja wie aufgescheuchte Hühner.« Riley lacht.
»Der Fuchs Kit war im Hühnerstall.« Otis fing auch an, zu lachen. »Und jetzt fehlt ein Huhn.«
Das war geschmacklos.
Und zutreffend.
»Kit?«, fragt Riley nach. »War da nicht was von wegen: ›Es werden keine Frauen verletzt‹?«
»Ausnahmen bestätigen die Regel«, wiederhole ich deine Worte. Und frage mich gerade, inwieweit ich der Sonderfall bleibe.
»Oh«, meint Adam nur und ich sehe ihm an, dass er versteht, genauso wie Greg und Riley.
»Und? Ist sie nur aufgebracht oder rachsüchtig?«, fragt Riley und tritt von einem Bein aufs andere.
»Das weiß noch keiner so genau.« Calvin schaut nach unten und ich sehe, dass er um dich und die bevorstehende Konsequenz besorgt ist. Er kann nicht einschätzen, wie dein Handeln aussehen wird. Dabei kennt er dich doch am besten, Jenny. Also stehe ich auf und gehe zu dir.
»Lass sie besser, Colt. Sie kommt schon noch zu dir«, meint Saltos.
Fuck. Sie wissen alle, was du für mich übrig hast.
»Ja, sie kommt höchstwahrscheinlich bis auf die Knochen bewaffnet zu dir.« Otis, dieser Idiot, hat heute eindeutig eine Menge zu lachen. Dabei wünsche ich mir genau das. Nicht die Ruhe zwischen uns. Ich will, dass du mich anschreist, angreifst und dich umarmen lässt.
Die Treppen renne ich fast hoch, in deinem Zimmer bist du jedoch nicht. Also gehe ich zu Jey. Trick steht nicht vor der Tür, aber vielleicht ist er ja drinnen, bei euch.
Ich klopfe und mache die Tür auf. Blade spielt mit Jey auf dem Boden.
»Wo ist sie?«
Blade steht auf und kommt auf mich zu. »Ich bin nicht ihr Babysitter.«
Ja, schon klar, das ist Trick. Arschloch. Er ist sauer, aber ich habe keine Lust, mit ihm zu diskutieren. Er geht an mir vorbei nach draußen und wartet, bis ich hinter mir die Tür wieder schließe. Er will mir etwas sagen, ich sehe das Brennen in seinen Augen und das interessiert mich wenig, Jenny.
»Spar dir das, Blade«, winke ich ab, doch er hält mich auf, indem er sich vor mich stellt. Mutig dafür, dass er weiß, wer ich bin.
»Wird nicht lange dauern, Colt«, zischt er. »Du kannst mich ja erschießen, wenn ich lüge.« Oder viel früher.
Ich mache eine Handbewegung, dass er reden soll, bevor mir die Geduld abhandenkommt und ich ihn erst gar nicht auspacken lasse.
»Weißt du, was sie alles für dich getan hat? Sie hat sich für dich entschieden und nicht für ihren Bruder, den einzigen, den sie wirklich mehr liebt, als sich selbst. Nein, stimmt nicht. Denn das bist ja jetzt du. Der Mann, für den sie jede Kugel einfängt, für den sie uns hintergeht. Für den sie sich entschieden hat. Gegen ihren Ruf. Weißt du, dass sie im Revier nur die Nutte von Colt ist? Deine Nutte? Sie wusste, dass es passieren wird, und hat trotzdem deinen Ruf über ihren gestellt. Scheiße, wie konntest du ihren Stolz noch nehmen? Und das, nachdem du sie verkauft hast und sie dennoch bei dir geblieben ist!«
»Sie hat ihren Stolz noch.«
»Nein. Weil du sie mit einer Nutte gleichgestellt hast. Nein, sogar darunter, weil du Kit nicht bezahlst. Und eine Nutte gefickt hast, obwohl du sie haben konntest! Scheiße, Colt!«, schreit er nun und es lässt mich kalt, Jenny. »Du kannst Kit haben und gehst trotzdem zu einer Nutte? Du bist der einzige Mann in ganz Detroit, fuck, nein, in den ganzen Staaten, der Kit haben kann, so oft, wie er will, und du gehst dennoch zu einer Nutte? Und dann sagst du, du hast ihren Stolz nicht gebrochen?«
Ich sehe ihn mit offenem Mund an und merke erst jetzt den Schaden, den ich angerichtet habe.
»Weißt du, wie viele Männer mit dir getauscht hätten und nicht gleich zu einer Nutte gegangen wären? Weißt du, dass Kit sich bestimmt gerade fragt, ob sie nicht gut genug für dich ist? Weil du es dir woanders holst!«
Fuck! Fuck! FUCK! Das sind deine Gedanken. Du bist voller Stolz und ich habe ihn dir genommen. Blade hat recht, genauso würdest du denken. Du bist anders als andere.
Du denkst nicht an Betrug und Monogamie. Du denkst, das Problem liegt an dir.
Jenny, ich wollte nur Informationen über dich, die du mir nicht geben wolltest. Fuck, die hast du mir alle gegeben. Ich hätte nur geduldiger sein sollen. Nur war ich das nicht.
»Wo ist sie?«, frage ich und Blade schüttelt den Kopf und geht zurück ins Zimmer.
Im Gehen hole ich mein Handy heraus und rufe Trick an. Ich habe nicht vor, dich im Haus zu suchen. Und wieder sind wir an dem Punkt, wo ich dir hinterherlaufe, Jenny. Hört das auch mal auf?
»Wo ist sie?«, frage ich direkt, als Trick abnimmt.
»Hör mal, sie ist zieml…«
»Wo?« Hat der Pisser vergessen, wer der Boss ist?
»Fitness…« Ich lege auf, bevor er es komplett ausspricht, und renne fast zu dir. Sehe dich schon vor meinen Augen, wie du wütend auf den Boxsack einschlägst. Deinen Frust rauslässt und dir bestimmt vorstellst, dass ich es bin, auf den du einprügelst.
Die letzten Stufen springe ich runter.
Ich will dir unbedingt klarmachen, dass es nichts mit dir zu tun hat. Also nicht so. Ich stehe auf den Sex mit dir und bin besessen von dir. Nein, du bist wie eine schmerzende Sucht und wenn du dich mir verwehrst, wüsste ich nicht, was ich machen würde.
Nein, so weit wird es nicht kommen, Jenny. Das lasse ich nicht zu. Du darfst keinen Abstand zwischen uns zulassen. Fuck! Du bedeutest mir zu viel.
Vor dem Fitnessraum steht Trick. Er ist nicht reingegangen, was mich wundert. Will er dir Ruhe geben oder hat er Angst vor dir? Ich tippe auf das Erstere. Denn er ist krank und hat vor nichts Angst. Auch nicht vor dir, Jenny.
Er sieht mich und schaut auf den Boden. Ich beachte ihn nicht weiter, öffne die Tür und verharre.
Dein Anblick zerreißt mich, Jenny.
Nie zuvor waren meine Knie so weich. Mit allem habe ich gerechnet, aber nicht damit.
Du stehst einfach nur da und siehst den Boxsack an. Ich kann dir ansehen, dass du nicht einmal draufgeschlagen hast.
»Sie hat sich nicht bewegt, seit sie hier ist«, flüstert Trick. Wahrscheinlich, weil er spürt, wie sehr mich dein Anblick mitnimmt. Hinter mir schließe ich die Tür, aber du bewegst dich nicht.
»Jenny?« Ich gehe auf dich zu und du bleibst wie erstarrt stehen. Du starrst einfach vor dich hin. Die Arme und Schultern lässt du hängen und deine Atmung ist viel zu flach.
»Jenny, rede mit mir.« Ich bleibe genau eine Armlänge vor dir stehen und bin verunsichert. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Du beachtest mich nicht. Langsam verkürze ich den Abstand zu dir, will dich einfach nur in die Arme ziehen. Dir zeigen, wie sehr du mich brauchst und wie schnell wir das alles hinter uns lassen können. Doch bevor ich dich berühre, weichst du zurück. Schweigend gehst du von mir weg. Zwischen den Fitnessgeräten vergrößerst du den Abstand zu mir. Und ich stehe einfach da und sehe dir zu, wie du versuchst, von mir wegzukommen.
»Jenny, du weißt, was du mir bedeutest. Bewerte das Ganze nicht über«, sage ich und du reagierst nur mit einem größeren Abstand. Gehst fast an der Wand entlang, um mir zu entkommen. Du willst an mir vorbei zum Ausgang gelangen. Du kannst nicht vor mir fliehen, Jenny. Hast du das vergessen?
»Komm her«, befehle ich, aber mir fehlt der Nachdruck.
Du machst mich so fertig mit dem Anblick, dass ich kaum Luft bekomme. Du bleibst stehen und siehst auf. So groß, wie der Abstand auch ist, sehe ich die Leere in deinen Augen. Sie sind so ausgesaugt, dass es mich wie ein Schlag in den Magen trifft.
Fuck!
Schon einmal habe ich diesen Blick gesehen. Als du dir die Knarre unters Kinn gehalten und abgedrückt hast.
Ich bin so ein verfluchter Wichser, dass ich für diese Ansicht gesorgt habe.
»Nein, Colt. Nie wieder«, sagst du gleichgültig, dass ich schwer schluckte.
Colt.
Das bin ich nun. Aus Dean wurde D. Und nun bin ich nur noch Colt für dich.
Nie wieder? Vergiss es.
»Dann kennst du mich aber schlecht, wenn du denkst, dass ich das zulasse, Jenny.«
»Ich kenne dich gar nicht.« Du drehst dich von mir weg und gehst an der Wand weiter entlang und ich gebe dir den Abstand und gehe auf der anderen Seite an den Geräten vorbei. Ich lasse nicht zu, dass du mir entkommst.
»Du weißt, dass du mich brauchst. Dass du mir gehörst. Reicht das nicht?« Der Raum ist kälter, als er sonst ist.
»Es ist weg, Colt. Nichts von all dem ist mehr da.«
Was redest du nur für ein unsinniges Zeug? Es ist noch alles da. Ich weiß es, Jenny. Das vergeht nicht so schnell.
»Was sagst du da?«
»Lass gut sein, Colt«, winkst du ab, als wäre ich nicht die Person, die du liebst.
»Nein!«, brülle ich und du siehst mich noch nicht einmal an. »Du gehörst mir. Du belügst dich selbst, wenn du denkst, es hätte sich etwas geändert.«
Du reagierst nicht auf meine Worte, du gehst einfach weiter und kommst dem Ausgang näher, aber ich gehe auf deiner Höhe mit und werde nicht zulassen, dass du wegläufst. Nicht, bevor du in meinen Armen warst und ich alles verändert habe.
Du bleibst stehen, als du bemerkst, dass ich mich genau zwischen dir und dem Ausgang befinde.
»Alles hat sich geändert, Colt.« Du hebst sogar einen Mundwinkel. Was passiert hier?
Du bist so kalt.
Und zwischen uns sind nicht nur diese Geräte, sondern eine Betonmauer, die du so hochgezogen hast, dass ich dich kaum sehen kann.
Was machst du nur? Du weißt, wie sehr du mich brauchst, wie sicher du dich bei mir fühlst und wie sehr du meine Nähe genießt. Du willst mich, das wolltest du schon immer.
Bereits in der Bar, als du mich das erste Mal wahrgenommen hast. Ich habe es dir angesehen. Mit jeder Provokation, jedem Wimpernaufschlag und mit jeder deiner Bewegungen, an jedem einzelnen Tag, Jenny.
Das soll nun weg sein? In Sekunden? Weil du ein paar Worte gehört hast? Nein!
»Jenny«, hauche ich und erneut winkst du ab. Gehst wieder zurück, aber ich bleibe stehen.
Du spielst. Denkst du, ich merke nicht, dass du nur abhauen möchtest?
»Nein«, sagst du wirklich zu schwach für deine Verhältnisse. »Weißt du, Colt. Ich habe mich verliebt.« Und ich merke, dass diese Worte nur der Auftakt sind.
»Ich war von Anfang an von ihm fasziniert. Mit seinen Geheimnissen und seinem ewigen Anstarren.« Du lächelst gedankenverloren, als erinnerst du dich an eine Person. Dabei stehe ich vor dir.
Ich bin hier, aber du siehst mich nicht, als würdest du jemand anderes in mir wahrnehmen. Es hat sich nichts geändert, Jenny!
»Er war echt nervig, mit seinen vielen Fragen und den herrischen Befehlen.«
Deine Augen leuchten wieder und es schmerzt, weil ich weiß, dass du in Vergangenheitsform sprichst.
»Es ist so viel passiert«, sagst du trocken. »Es gab nie den Dean, der mir hinterhergelaufen ist, der daran Spaß hatte, dass ich ihn herausfordere, und sich Mühe gab, um mich glücklich zu machen. Es gab diesen Mann nie, der alles tat, um sich die Aufmerksamkeit zu verdienen. Und es gab auch nie D, der in meinem Bett geschlafen hat, weil er es wollte. Es gab diesen Mann nie, der in meiner Nähe sein musste, weil er es genauso brauchte wie ich. Der Mann, der auf mich aufpassen wollte, weil ich in ihm etwas auslöste. Es gab ihn nie. Es war nur eine billige Show. Denn es gab immer nur einen. Den, der mich zerstören wollte. Du wusstest die ganze Zeit über, dass du mit Folter nichts bei mir erreichen könntest. Nicht, dass du es nicht versucht hast. Aber ich bin bekannt genug, dass dir das bewusst sein sollte. Du musstest mich zerstören. Ich meine, so richtig. Wir Frauen sind doch für dich alle gleich, Colt. Hast du ihr Herz, hast du sie ganz.«
Du siehst nun auf und mein Mund wird trocken.
»Du hast es geschafft. Alles. Es ist weg. Ich habe nichts mehr.«
»Hör auf, so zu reden. Du weißt, was du mir bedeutest«, flüstere ich, weil deine Worte in mir nachhallen.
»Ja, das weiß ich. Gute Geschäfte, Macht, Geld und…«
»Sei still! Und komm her!«
Doch du schaust nur nach unten und ich bemerke, wie redundant meine Worte sind.
»Rede nie wieder so einen Müll, verstanden?« Ich höre mich verzweifelt an, aber mir fehlt die Formel. Die richtigen Gedanken und das passende Gefühl. Denn ich fühle gerade nur deine Eiseskälte, die mich umbringt.
Jenny, siehst du nicht, wie besessen ich von dir bin?
»Sag es!«, befehle ich dir, doch du schaust nicht hoch und öffnest erst recht nicht deinen Mund.
»Jenny, sag, was ich hören will!«
Doch du reagierst nicht. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet habe. Aber ich war noch nie so verzweifelt wie in diesem Augenblick.
»Jenny, es war nur ein dämlicher Fick, ok? Das hat nichts mit dir zu tun.«
Du siehst auf und ich werde nur noch nervöser, versuche, ehrlich zu sein, und irgendwie mache ich alles schlimmer. Ich sehe es in deinen Augen.
»Fuck! Ich will nicht, dass du dich dadurch schlecht fühlst oder dass sich etwas zwischen uns ändert«, sage ich viel zu schnell und dein Gesichtsausdruck nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich raufe mir die Haare und bin total verwirrt und perplex. Ich kann mich noch nicht einmal erinnern, jemals so ratlos gewesen zu sein wie in diesem Moment. Siehst du, was du aus mir machst? Ich sollte dich einfach packen, dir zeigen, was ich zulasse, und dich zwingen, zwischen uns nichts zu zerstören. Und das durch irgendeine Hure, die sich mir aufgezwungen hat.
Du und ich. Das war es schon immer und das wird auch so bleiben, solange ich nichts anderes möchte. Ist dir das nicht klar?
»Jenny, ich…«
»Nein!«, schreist du. »Du hast genug gesagt! Ich will nichts mehr hören! Lass mich einfach in Ruhe. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Zwischen uns ist und war nur Sex. Und das ist nun vorbei!«
Deine Worte, Augen und Stimme.
Fuck, was habe ich nur getan?
Denkst du wirklich, dass es nur Sex ist, was ich will?
Du betrachtest mich kurz und deine Augen sind so leer, als wärst du tot. Du siehst durch mich hindurch und eine einzelne Träne löst sich und rollt dir die Wange hinunter. Ich würde sie dir gerne auffangen, sie wegküssen. Aber ich stehe da und kann mich nicht bewegen.
Ich bekomme kaum Luft. In mir klafft eine Wunde, die ich mir selbst zugezogen habe, weil ich das Schönste, Außergewöhnlichste und Beste in meinen Leben zerstört habe.
Dich.
Bis zu diesem Zeitpunkt, Jenny, wusste ich nicht einmal, wie viel du mir in Wahrheit bedeutest. Erst in dem Moment, in dem ich dich verlieren könnte, auf eine Art verletzt habe, die ich nicht beabsichtigt habe, und deine wunderschöne Hülle von der Kälte vernebelt wird, begreife ich, dass ich zu weit gegangen bin. Obwohl ich mein Vorhaben mit allen Gefahren abwäge, mit einigem rechne und vorausschauend plane, habe ich eine Winzigkeit übersehen. Dass ich dich verlieren könnte.
Und ich war mir so sicher, dass du mir verfallen bist. Dabei ist es andersrum ebenso.
Als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, wie wertvoll du bist. Mit jedem weiteren Treffen, mit jedem Mal, wenn du mich angelächelt hast oder genervt von mir warst, und mit jedem Mal, wenn du mich berührt hast, bist du mir immer mehr unter die Haut gefahren. In dem Moment, als du entschieden hast, dein Leben für meines zu opfern, wusste ich, dass du einen anderen Platz in mir eingenommen hast. Aber jetzt gerade, als ich dabei bin, dich zu verlieren, weiß ich, dass du so viel mehr bist, als ein Platz in meinem Leben, als eine Person, die meine Macht verstärken würde oder eine hübsche Dienerin.
Ich hasse dich, dass du mich zu einem Lappen machst, der nicht weiß, was er machen soll.
Aber du bist mein Rausch. Meine Droge, wonach ich süchtig bin. Jenny, jetzt weiß ich, dass du einen viel bedeutsameren Wert in meinem Leben hast. Du spielst eine wichtige Rolle für mich. Du bringst mich um und zugleich brauche ich dich, damit ich lebe.
In diesem einen Moment, in dem ich sehe, wie ich dich komplett zerstört habe, die stärkste Frau, die ich je kennenlernen durfte, weiß ich, dass ich dir mit jeder Faser meines Körpers verfallen bin.
Ich gehöre dir, Jenny.
Noch bevor ich dir das sagen kann, öffnet sich hinter mir die Tür und ich bin mir nicht sicher, ob ich froh oder sauer sein soll, weil wir gestört werden. Ich bleibe stehen und lasse dich nicht aus den Augen.
»Kitty?«, fragt Calvin vorsichtig und stellt sich direkt neben mich. »Kann ich dir helfen? Kann ich etwas für dich tun?«
Du sagst nichts und siehst mich mit diesem toten Blick an. Dann schlängelst du dich an den Geräten vorbei und stehst fast vor mir.
»Die Regeln sind aufgehoben. Mach mit den Nutten, was immer du willst. Es ist mir egal.« Du bist völlig gefühllos.
»Du hast diese Regel nicht aufgrund deines verletzten Stolzes aufgestellt, sondern weil…« Calvin versucht, dich zur Vernunft zu bringen, doch er bricht nachdenklich ab und du sagst so desinteressiert, dass ich schaudere:
»Weil ich mich vergewaltigen ließ? Du meinst, ich habe die Regelung festgelegt, weil ich gefoltert und vergewaltigt wurde? Ja, mag sein. Aber es interessiert mich nicht mehr. Wenn ihr meint, ihr müsst Frauen wie Dreck behandeln, dann ist das so. Was soll das auch verbessern?«
Du machst einen großen Bogen um uns und gehst zum Ausgang. Ich kann dir nur, wie Calvin, hinterher gucken. Da bemerke ich, wer alles an der Tür steht. Meine Freunde und Saltos.
»Du bist nicht wertlos, Kitty!«, schreit dir C unnachgiebig hinterher. Mit diabolischem Lächeln drehst du dich um und hebst eine Braue.
»Ach ja? Deine Frauen bekommen Geld. Sag, Boss, was kriege ich, wenn meine Schenkel sich öffnen?«
Darauf möchte ich antworten, nur fehlen mir die Worte.
»Stimmt, Syphilis! Jetzt darf ich zum Arzt rennen, nur weil ich für den Falschen die Beine breit gemacht habe!« Damit drehst du dich um und mir wird schlecht. Ich will dich anschreien und dir eine Ohrfeige verpassen. Aber eigentlich will ich, dass du genau das mit mir machst, anstatt mich nicht zu beachten und so zu reden, als wäre ich nicht gerade hier.
»Denk daran, dass du gleich zu Damon fahren musst«, ruft er dir noch zu. »Und du fährst nicht alleine!«
Zur Antwort hebst du die Hand, ohne dich umzudrehen, und zeigst den Mittelfinger.
Ich stehe einfach da und sehe, wie weit du dich entfernst. Du bist weg und ich kann mich nicht bewegen. Ich verstehe selbst nicht, was mit mir los ist. An dieser Stelle sollte ich dich aufhalten und dazu zwingen, bei mir zu bleiben, kann es jedoch nicht.
»Scheiße. Ich habe sie noch nie so gesehen.« Saltos kommt auf uns zu. Und es ist mir wirklich egal, was er denkt oder sagt.
»Ich auch nicht«, flüstert Calvin, dem es die Sprache verschlägt.
»Bei Masi hat sie zumindest geschwiegen«, meint Saltos und rauft sich die Haare. Du hast nichts preisgegeben, Jenny? Und ich? Mein Verstand kriegt den Blick nicht mehr aus dem Kopf. Du verachtest nicht mich, sondern du verabscheust dich selbst, weil du dich mir geöffnet hast. Du hast mich zugelassen und mich nicht nur in dein Bett, sondern auch ins Herz gelassen.
Du denkst, du bist naiv und dumm, weil du dich auf mich eingelassen hast. Aber ich bin so dämlich, weil ich dir das, ohne zu zögern, angetan habe und mir die Konsequenzen egal waren. Sind sie jetzt aber nicht mehr.
»D?« Adam steht vor mir. Ich habe gar nicht bemerkt, dass Saltos und Calvin gegangen sind. Auch die anderen nicht. Nur Adam ist da und steht unmittelbar vor mir. »Alles in Ordnung?«
Nein, nicht im Geringsten. Wenn ich es könnte, würde ich es auch sagen, aber ich bekomme den Mund nicht auf. Sehe nur deine verletzten Augen, die mir die Zuversicht rauben. Die jedes Wort auf meiner Zunge ersticken.
»Los, geh ihr nach.«
Ich muss mich wieder fangen, Jenny, und dir zeigen, wie das läuft. Denn so einfach kannst du nicht gehen. Nicht, wenn ich es nicht will und glaub mir, Jenny, ich will alles andere als das! Du kannst nicht entscheiden, wann es vorbei ist.
Du willst das beenden? Denkst du wirklich, ich wollte dich nur für irgendwelche Zwecke, die du nicht kennst?
Vielleicht.
Aber jetzt nicht mehr. Ich will dich und das ganz. Aus der Geschichte kommst du nicht so leicht heraus und du kannst auch nicht wegrennen. Egal, wie indolent du sein magst. Du gehörst mir!
An Adam vorbei, als wäre er Luft, verlasse ich den Raum und höre dich mit Calvin lautstark diskutieren. Ich nähere mich euch im Foyer, ohne meine Glieder wirklich zu spüren, ohne dass mir die Atmung bewusst ist. Es ist so, als würde die Zeit an mir vorbeiziehen und doch irgendwie stehenbleiben. Aber ich habe ein Ziel vor Augen. Meine kleine, süchtig machende Droge.
Dich, Jenny! Das warst du schon immer!