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Wenn das mal gut geht
» W ir haben ein Problem«, höre ich Riley durchs Headset sprechen.
Noch eins? Reicht es denn nicht, dass wir erst zu spät mitbekommen haben, dass ihr in den Containern eingesperrt wart?
»Ist Saltos noch im Gebäude oder sind sie nicht bei C?«
»Doch und sind sie. Bis auf Stiletto, sie ist auf dem Weg zu euch. Humpelnd.«
Ich sehe zu Adam, der neben mir die Stufen hinaufsteigt.
»Humpelnd?«, fragt Adam und ich will eigentlich nicht wissen, was man alles mit dir gemacht hat.
»Oh, ich finde dafür keine Worte. Aber eins steht fest: Stiletto ist krank! Brutalkrank, dass sie nicht abhaut.«
»Damit kann ich nichts anfangen, Riley. Wo ist sie genau?«, brülle ich, drehe mich um und laufe die Treppen wieder runter.
»Gerade mit einer Bärenfalle am Bein ins Gebäude gehüpft.«
Was? Über die Schulter sehe ich erneut zu Adam, der mir folgt und mich schockiert ansieht. Oh, Jenny, dein Ex wird leiden, versprochen. Aber warum kommst du hierher, anstatt mit Jeff diesen Ort zu verlassen? Gerade, weil du verletzt bist. Das ist so typisch für dich. Du kannst dich einfach nicht geschlagen geben und kämpfst bis zum Äußersten. Dabei ist dir noch nicht einmal klar, dass du überleben musst. Stattdessen stürzt du dich in den Tod.
»Trick, wie weit bist du?«, fragt Adam. Die Antwort folgt wenige Sekunden später: »Gebt mir fünf Minuten und dann verschwindet von hier.«
Ohne mich groß umzusehen, setze ich meinen Weg fort, um dich aufzuhalten. Irgendwo im Gebäude fallen Schüsse und Greg bestätigt durch den Funk, dass diese von dir ausgehen.
Gerade, als ich um die Ecke biege, habe ich einen Lauf vor der Nase.
Dieser italienische Wichser.
Dabei haben wir auf dem Weg hierher bis jetzt alles umgenietet, was uns vor die Knarren kam, und nun steht er da und denkt, dass er eine Chance hat. Adam taucht neben mir auf und schon richtet er seine Waffe auf ihn. Was vielleicht ein noch größerer Fehler ist.
Jenny, wenn er nur irgendein Schwanz wäre, würde er bereits tot am Boden liegen. Dafür hat er dir aber zu viel angetan. Daher will ich ihn leiden sehen.
Ich will ihn mitnehmen und ihm die Haut vom Fleisch schälen. Und das am besten mit dem stumpfesten Messer, das ich besitze – notfalls kaufe ich mir auch eins. Seine gequälten Schreie sollen meine Villa erfüllen und ich will sein jämmerliches Gewimmer hören, wenn ich ihm noch mehr Schmerzen bereite, mehr als irgendjemandem jemals zuvor.
Er steht vor uns und lächelt.
Er ist allein. Wir zu zweit.
Ist er so dumm oder glaubt er wirklich, hier wieder heil rauszukommen? Ich sehe zu Adam und er grinst mich an, weil er dasselbe denkt wie ich, nämlich, dass dieser Idiot mehr tot als lebendig die Villa erreichen wird.
»Ihr wollt doch nicht etwa gehen«, säuselt er mit italienischem Akzent. Unbeeindruckt packe ich die Knarre weg, damit er sehen kann, dass ich ihn auch so erledigen werde, verschränke meine Arme vor der Brust und lehne mich gegen die Wand. Mit offenem Mund sieht er mich an und ich hebe eine Braue.
»Ich drücke ab. Dann hast du einen Mann weniger!«, brüllt er schrill.
»Er ist nicht der Einzige, den ich habe.«
Damit war er sicher überfordert. Aber er wendet sich nun Adam zu: »Hörst du das? Hast du keine Angst?« Dabei wackelt er auch noch auffordernd mit der Knarre.
Mein Freund sieht mich mit diesem Blick an und macht deinen Ex nervös.
Anscheinend gönnt er mir das kleine Spiel und steckt seine Knarre zurück in den Hosenbund und verschränkt unbeeindruckt, wie ich, die Arme vor der Brust.
Weißt du, warum wir uns, im Gegensatz zu deinem Ex, nicht in die Hose scheißen? Weil jeden Augenblick Greg zu uns stößt und ich diesen Wichser mit Freuden in die Villa schaffen werde, um ihm bei lebendigem Leib die Eingeweide rauszureißen. Adam steht nicht auf solche Spielchen, anders als ich. Dennoch zuckt er aggressiv zu ihm rüber und brüllt gleichzeitig: »Na los!«
Dein Ex schreckt vor Angst zusammen, drückt aber nicht ab. Jenny, er ist ein Spinner, der sich gerade in die Hosen macht.
Plötzlich fliegt ein Messer zwischen uns vorbei genau in Masis Kehle. Verwundert, weil Greg höchstens schießen würde, drehe ich mich um.
Und da stehst du, Jenny.
»Lasst den Smalltalk-Scheiß und helft mir gefälligst!«, brüllst du. Auf einem Bein stehend.
Das andere ist tatsächlich in einer Bärenfalle gefangen.
Mit weiteren Wunden und einem heftig geschwollenen Auge stehst du einige Meter von uns entfernt und lehnst dich für besseren Halt mit einer Hand an die Wand.
In Sekunden bin ich auf tausend. Allein dein Anblick macht mich so rasend, dass ich die Knarre nehme und statt deinen Ex bis auf die Knochen zu quälen, schieße ich ihm einfach in den Schwanz, bevor er an deinem Messer erstickt und diesen Schmerz nicht mehr spüren kann.
»Jetzt!«, brüllst du und klappst fast zusammen. Adam und ich setzen uns in Bewegung und rennen zu dir. Ich lege dich auf den Boden und sehe mir dein Bein genauer an.
»Befreit mich von dem Scheiß! Jeff hat es nicht geschafft und es tut verdammt nochmal weh!«, jammerst du – wirklich ungewohnt für dich, aber ich habe Mitleid mit dir. Die Falle muss ein zweites Mal zugeschnappt haben und dass du dich überhaupt aufrecht halten kannst, ist ein Wunder. Denn ich sehe bis auf deine Knochen.
»Wir kriegen die so nicht auf. Dafür ist sie zu groß«, flüstert Adam mir zu. »Und Zeit haben wir auch keine dafür.« Anscheinend kannst du ihn hören, weil du erst recht anfängst, zu jammern: »Bitte, macht das Monsterteil ab.«
Ich will dir wirklich helfen, Babe. Aber Adam hat recht. So einfach ist das nicht. Die Spannung darauf ist zu groß, genauso wie die Gefahr, dass wir dich nur noch mehr verletzen.
»Bitte!« Fuck.
»Riley, hast du eine Idee, wie ich die Falle aufkriege? Du kennst dich am besten mit dem Zeug aus.«
»D, ganz ehrlich, kommt raus und bringt sie ins Krankenhaus. Das ist zu gefährlich. Sie ist groß und wenn sie nachher mit mehr Kraft zugeht, ist wahrscheinlich der Knochen durch.«
Das habe ich mir gedacht.
»Ok, Babe. Ich trage dich hieraus und bringe dich ins Krankenhaus.«
»Dean, bitte«, flehst du mich an. »Ihr seid zu zweit. Ich halte es nicht mehr aus. Ich vertraue dir.« Warum tust du mir das an?
»Greg, komm zu uns«, befehle ich. Wenn ich den Scheiß schon mache, dann nur mit genügend Leuten.
»Du willst das doch nicht wirklich durchziehen?«, ruft Adam empört und bekommt dafür meinen strengen Blick zu sehen.
»Hebelwirkung«, gibt mir Riley zu verstehen. »Sucht euch irgendetwas, womit ihre sie aufhebeln könnt und stopft zur Sicherheit etwas dazwischen, damit sie nicht erneut zuschnappt. Ihr Fuß steckt komplett da drin. Sie wird wieder zugehen, solange sie auf Spannung steht.«
»Ihr braucht eine Eisenstange oder so. Etwas Robustes. Alles andere bricht, wenn ihr sie aufhebelt«, meldet sich Trick durch den Funk. »Aber beeilt euch!«
Ich weiß wirklich nicht, ob ich das machen soll, Jenny. Nur kann ich dir auch ansehen, dass du all deine Kraft darauf verwendest, um nicht wie eine Irre um dich zu schlagen und zu brüllen. Ich kann den Anblick kaum ertragen. Sehe sogar an deinen Armen Bisswunden, weil du dir sicher immer wieder vor Schmerz ins Fleisch gebissen hast.
Schon kommt Greg um die Ecke und schaut auf dich herab. In der Hand hält er ein dickes Holzstück und ein Rohr.
»Du warst wohl erfolgreich, Greg«, meint Adam und ich bin einfach nur dankbar, dass er so schnell gehandelt hat, während ich mir noch Gedanken gemacht habe, wo ich diese Dinge herbekommen soll.
»Ich höre den Funk und ihr sitzt ja nur dumm rum.« Seine Worte sind mir egal.
»Los, Riley, gib uns eine Anweisung«, donnert Greg.
»Stiletto darf ihr Bein nicht selbst bewegen. Adam stellt sich hinter sie und greift ihr unter die Arme. Habt ihr etwas, um es dazwischen zulegen?«
»Einen Holzscheit«, bestätigt Greg.
»Ich weiß nicht, ob das funktioniert. Aber gut. Mit der längsten Seite … hoffentlich ist es dick genug …«
»Ist es«, bekräftigte ich. Denn es ist dicker als mein Oberarm. Keine Ahnung was Greg dafür kaputtgeschlagen hat.
»Gut, der untere Teil muss komplett auf dem Boden liegen – ihr müsst ihn mit dem Holz nach unten drücken, während Greg es aufhebelt. D, während du mit einer Hand und deiner ganzen Kraft das Holz in die unteren Zagen drückst, musst du ihr Bein vorsichtig hochheben, sobald die oberen entfernt sind. Sobald sie draußen ist, gibst du Adam ein Zeichen, und er zieht sie nach hinten. Achte dabei auf ihren Fuß, sie darf das Eisen nicht berühren. Du musst sie mit einer Hand führen.«
Oh, man. Wenn das mal gut geht.
»Greg, du weiß, wie du sie aufhebeln kannst?«
»Ja.«
»Bin ich froh, dass ich das nicht sehen muss. Das ist die bescheuertste Idee, die ihr je hattet«, mosert Trick durch den Funk.
»Dann mal los.« Ich will keine Zeit mehr verschwenden.
»Pass auf deine Hände auf, D. Und achte genau auf Stilettos Bein und Fuß. Du hast gute Reflexe, vergiss das nicht«, quatscht Riley noch drauflos.
Wie Riley es uns erklärt hat, stellt Adam sich hinter dich, während du deinen Arm zwischen die Zähne nimmst. Greg setzt das Rohr an und ich beobachte, wie konzentriert und vorsichtig er die Stange zunächst zwischen die Zangen manövriert, während ich den unteren Teil mit dem Holzscheitel auf den Boden drücke. Und leider dadurch dein Bein nur noch mehr verletze. Du wimmerst, als sich das obere Eisen aus dem Fleisch löst, und ich drücke das Holz weiter in die Zangen. Nun ist es so weit geöffnet, dass ich dein Bein anheben kann, aber zum Glück nicht so weit offen, dass ich deinen Fuß nicht mehr herausbekomme. Aber genau da bemerke ich, dass mir eine Hand fehlt. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn und fließen mir die Schläfe entlang.
»Fuck!«, knurre ich.
Während ich das Bein aus dem unteren Eisen ziehe, stöhnst du und wir kommen nicht weiter, da dein Fuß hinter der Platte klemmt. Ich kann dich nicht befreien, weil meine andere Hand das Holz und damit das Metall zum Boden presst.
»Warte«, meint Greg, der die Situation genau erkennt. Er drückt das Rohr nach unten und zeitgleich kommt er auf die andere Seite, um mit einer Hand deinen Fuß heraus zu bugsieren.
»Ok, Adam, aber langsam«, gebe ich den Befehl und er zieht dich aus der Falle. Doch kurz bevor der Fuß komplett befreit ist, rutscht Greg ab, weil er das Rohr auch runterdrücken muss, und als ich daraufhin mit der Hand deinen Fuß packen möchte, verlagere ich das Gewicht am Holz.
In Millisekunden erkenne ich meinen Fehler und reiße dein Bein weg. Du schreist. Und die Falle schnappt zu.
Nur das Eisengeräusch ist zu hören.
Die Tatsache, dass dein Bein nicht mehr da drinsteckt, befriedigt mich so ungemein, dass ich mich kurz zurückfallen lasse und durchatme.
»Fuck!«, stöhne ich auf.
»Sagt bitte, es hat geklappt«, meldet sich Riley.
»Haarscharf«, atmet Greg geräuschvoll aus und wischt sich über die Stirn. »Aber ja. Sie ist draußen.«
Dennoch wimmerst du und hast dich mittlerweile auf die Seite gedreht. Und dann sehe ich den Schaden an deinem Bein deutlicher. Jenny, das sieht nicht gut aus. Ich würde dir in diesem Moment sogar höchstpersönlich Crack geben. Nur, damit du überlebst.
Nachdem ich aufgestanden bin, helfe ich dir hoch und will dich raustragen. Als hätte aber jemand einen Knopf gedrückt, tauchen hinter uns unzählige Männer auf, die das Feuer eröffnen.
Schutzsuchend verteilen wir uns, während Greg zurückschießend den Flur verlassen konnte.
Ich mache eine Tür auf und setze dich auf dem Boden ab. Im Schutz des Rahmens schieße ich zurück. Gegenüber von mir tut Adam das Gleiche.
»Leute ihr müsst jetzt rauskommen!«, klärt uns Trick auf. »Ihr habt ab jetzt nur noch drei Minuten!«
Falscher Moment. Wirklich, Jenny. Zu Adam sehend nicke ich und gebe Feuerschutz, damit die Männer, die in Deckung stehen, nicht zurückschießen können, sodass mein Freund zu mir rüber sprinten kann.
»Drei Minuten!«, wiederholt Adam und nickt zu dir.
Ich nicke ebenfalls und wir wissen beide, was zu tun ist. Du starrst mich schmerzerfüllt an, als ich dich von Boden aufsammele und dich meinem Freund übergebe. Er hebt dich über die Schulter und gibt mir seine Knarre.
»Nein!«, brüllst du. Jenny, du hast die Situation genau richtig erfasst, aber es geht nicht anders. Du bist verletzt und musst so schnell wie möglich behandelt werden.
»Dean! Bitte, tu das nicht!«, brüllst du weiter. Hinter Adam gehe ich in die Hocke, sodass ich dein Gesicht in die Hände nehmen kann und hauche dir einen Kuss auf die Lippen. »Ich komme direkt nach, Babe.«
»Bist du Irre?«, schimpfst du. »Das schaffst du nicht allein!«
Doch ich ignoriere deine Worte und richte mich auf. Dann eröffne ich erneut das Feuer. Wild schieße ich drauflos, obwohl kaum einer zu sehen ist, weil sie sich verstecken. Aber ich darf nicht riskieren, dass einer seine Fresse zeigt, solange Adam mit dir auf seiner Schulter über den Flur rennt. Und du schreist unentwegt meinen Namen.
Mit einem Blick zurück sehe ich euch um die Ecke zum Ausgang laufen und gehe zurück in Deckung, um die Waffen zu wechseln, weil die Magazine leer sind.
Und jetzt Jenny, habe ich ein Problem. Denn du hast nicht ganz unrecht. Ohne Feuerschutz komme ich hier nicht raus. Nicht in den wenigen Minuten, bevor das Gebäude hochgeht.
Durch den Flur höre ich Schritte und nehme Adams Waffe, um mir die Männer vom Leib zu halten. Ich schieße, bis auch dieses Magazin leer ist, aber ich erwische nicht genügend. Genau jetzt sitze ich in der Scheiße, Jenny. Dein Ex hat mehr Männer, als wir einkalkuliert haben. Keine Ahnung, wo sie die ganze Zeit über gesteckt haben, aber jetzt sind sie hier und bereit, durch ihre Überzahl die Schlinge um meinen Hals zuzuziehen. Zwar sind sie vorsichtig, weil sie nicht wissen, dass ich kein einziges Projektil mehr habe, aber sie kommen näher. Gleichzeitig höre ich in meinem Ohr nicht nur deine Schreie nach mir durch das Headset, sondern auch meine innere Uhr, die mich vor der Explosion warnen will.
Ziemlich ausweglos, wenn mir nicht schnell eine Lösung einfällt.