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Verschließ dich nicht
A n dem Abend, als Adam dir etwas geben konnte, was mir verwehrt blieb, spürte ich einen Stich in meinem Herz. Ich habe gesehen, wie er dir geholfen hat, und ich bin auch froh darüber, weil ich so überfordert und verzweifelt war. Dabei kann ich es nicht ertragen, wie du mich ablehnst und nach mir schlägst, während du seine Zuneigung annimmst, sogar seine Hand ergreifst und dich von ihm auffangen lässt.
Jenny, das war der Beginn von etwas, das mich auffrisst.
Denn die Tage vergehen und du hast wieder diese Kluft zwischen uns erschaffen, die alles verschlingt, was ich dir eigentlich geben möchte. Ich stelle dir regelmäßig eine einzelne, schwarze Rose auf den Nachttisch, damit du zumindest sehen kannst, dass ich an dich denke, wenn wir schon nur das Nötigste miteinander besprechen.
Die Wochen verblassen und du siehst mich immer häufiger mit diesem Blick an, als würde ich dir ein Messer in die Eingeweide stechen. Dabei würde ich jeden Schmerz für dich ertragen. Ich helfe dir, wo ich kann, und es scheint nicht gut genug für dich zu sein.
Nun sind drei Monate vergangen und selbst mit dir zu schlafen, ist komisch geworden. Du schämst dich vor mir, was neu für uns beide ist. Der Abstand ist so groß, dass du an manchen Tagen wie ein Fremde auf mich wirkst, obwohl ich dich bei den intimsten Handlungen unterstütze. So weit ist es gekommen. Dabei empfindest du diese Abneigung nur mir gegenüber. Noch lange bist du nicht die Alte. Aber während du zumindest zulässt, dass Riley und Adam dir helfen, verschließt du dich vor mir. Sprichst nicht und zeigst mir die kalte Schulter, sobald du mich ansiehst. Das Einzige, was sich nicht verändert hat, ist die Art, wie du mit dem Stinker umgehst. Als hätte dich dieser Drecksack nicht entführt, als hättest du nicht ein Körperteil weniger und auch nicht diese Depressionen, kuschelst du mit ihm, spielst und lachst. Ansonsten bist du ungerührter als je zuvor. Selbst ein Lächeln zeigt sich nie auf deinen Lippen, wenn ich in der Nähe bin. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es aussieht. So lange ist es her.
Seit ich dich aus dem Krankenhaus geholt habe, steht dir ein ganzes Team zur Verfügung, die dir helfen sollen. Ich habe sie engagiert, damit sie die Arbeit leisten und dich genauso unterstützen, wie man es in dem Rehabilitationszentrum getan hätte. Widerwillig lässt du es zu, aber selbst der Therapeut sagt, dass du dich ihm verweigerst. Die Tabletten habe ich absetzen lassen und ein uneingeschränktes Drogenverbot ausgesprochen. Damit du dich keine Sekunde in einem Rauschzustand verstecken kannst. Dennoch verlässt du nur mit der Krankenschwester Nancy das Zimmer und das eher selten. Nur, wenn sie dir solange auf die Nerven gegangen ist, bis du dich zwischen Mord und Gehorsam für den richtigen Weg entscheidest. Merkst du denn nicht, was du dir selbst antust, wenn du nie aus dem Zimmer gehst?
Und jetzt startet der nächste Tag mit Frust und Eiseskälte. Neben dir liegend werde ich wach und mein Schwanz ruft nach deiner Aufmerksamkeit. So wie die letzten Tage auch, bist du zu still. Ich spüre, dass du wach bist, dennoch regst du dich nicht, als ich dir von hinten meinen Schwanz zwischen die Schenkel drücke. Es ist nur ein trostloser Versuch. Einer von vielen. Und es regt mich schon fast auf, dass dein Körper nicht wie früher auf mich reagiert. Wie eine Tote liegst du da. Nur verliere ich allmählich die Geduld. Zu viele Tage und Wochen sind bereits an uns vorbeigezogen. Also richte ich mich auf, drehe dich auf den Rücken und beuge mich über dich. Du wendest deinen Blick von mir ab.
»Jenny«, hauche ich, weil mir die Stimme fehlt. Keine Reaktion. Ich entschließe mich, dich zurückzuholen, dir den Slip auszuziehen und mir einfach das zu nehmen, was mir gehört. Du wehrst dich nicht, machst keine Anstalten, zeigst mit keiner Reaktion, dass du es nicht willst.
Aber zugleich spüre ich auch nicht die gewohnte Leidenschaft. Es ist nichts mehr von dem da, was wir einmal besaßen.
Ich winkle dein Bein an und beuge mich runter zu deiner Mitte. Nichts. Keine schwere Atmung, als ich mit der Zunge deine Spalte teile. Kein Stöhnen, als ich deine Klit umkreise. Keine kleine Bewegung des Beckens, als ich meine Finger dazu nehme.
Nichts.
Selbst dein Körper verschließt sich mir gegenüber. Ich gebe jedoch nicht auf, beuge mich über dich, suche deinen Blick, den du mir verwehrst, und dringe in dich ein. Nichts. Wie eine Leiche liegst du weiterhin da, während ich deine Wände dehne.
Du fühlst dich gut an, eng. Aber die fehlende Reaktion verpasst mir einen Dämpfer, sodass ich verharre und dich mit der Hand am Kinn zwinge, mich anzusehen. Anstatt aber meine Augen zu suchen, schließt du sie. Jenny, das ist ein Schlag mitten ins Gesicht.
»Sieh mich an«, befehle ich kehlig. Anstandslos kommst dem nach, aber dein Blick ist so unklar. Tot. Ein Teil von dir ist weg und für mich unerreichbar. Das raubt mir die Worte und treibt mich regelrecht in die Flucht. Denn auf Nekrophilie oder einseitiges Rumgeficke stehe ich nicht.
Ich will dein Feuer, deine Leidenschaft und deine Gier.
Aber du bist gestorben.
Das gibt mir den Rest und ich beende diesen dummen Versuch, bevor meine Potenz noch darunter leidet. Schweigend richte ich mich auf, nehme meine Kleidung und gehe duschen.
Ich gehöre nicht zu den Männern, die die Flucht ergreifen. Aber du lässt mir keine andere Wahl, als mich in Windeseile anzuziehen und ohne Abschied dein Zimmer zu verlassen. Ich kann das nicht mitansehen, Jenny. Ich will diese Leere nicht mehr spüren. Ich gehe.
Soweit ich nur kann, flüchte ich vor dir. Kurz überlege ich, das Land zu verlassen und in Adams Firma nach dem Rechten zu sehen. Das wiederum kann ich nicht. Ein kleiner Funken in mir will dich nach wie vor, Jenny, aber er ist klein. Solange er noch vorhanden ist, werde ich mich allerdings nicht von dir abwenden. Dennoch gestehe ich mir die Zweifel ein, dass es zwischen uns vielleicht nie mehr so werden kann wie früher und dass unsere Abhängigkeit ein Ende gefunden hat.
Nun bin ich zurück in Chicago, verfolge meine nächsten Ziele, unabhängig von der derzeitigen Lage zwischen uns. Schließlich muss ich auf alles vorbereitet sein, auch, was den Stinker angeht.
Kaum bin ich in der Villa eingetroffen, habe ich mir ein Update geholt und kläre die weiteren Ziele mit Nicole und Dani. Jenny, ich habe viel zu erledigen, weil ich alles für dich liegen gelassen habe. Während ich in Arbeit ertrinke, verlassen mich zumindest die Gedanken an dich. Ein Fortschritt. Ein Anfang. Nur weiß ich nicht, in welche Richtung er geht.
Mein Handy klingelt und mit einem Blick aufs Display erkenne ich, dass Marie, die Politikersekretärin, anruft. Sie arbeitet seit einigen Jahren für mich. Seit ich ihrem Chef ein neues Herz geschenkt habe.
»Hallo, Marie«, nehme ich den Anruf entgegen.
»Grüß dich, Colt. Ohne Grund rufe ich nicht an.«
»Zurzeit kann ich keine Aufträge annehmen.« So gerne ich das auch möchte, Jenny, dein Zustand treibt mich in den Wahnsinn und ich kann mich nicht auf so etwas einlassen.
»Darum geht es nicht, sondern darum, dass dir die CIA nicht helfen wird, wenn du den letzten Auftrag nicht erfüllst.« Weitere Probleme, die ich nicht gebrauchen kann.
»Den habe ich abgelehnt.« Da bin ich mir sicher. Denn ich tat es, weil du meinen Weg gekreuzt hast.
Ich erinnere mich noch genau. Das war an dem Tag, als dein Vater dich abgeholt hat und du Flores Männer, wie ich nun weiß, erschossen hast, weil sie den Deal mit Malcolm versaut haben. Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an das Telefonat mit Marie. Dass ich ihr mitgeteilt habe, für einen Auftragsmord keine Zeit zu haben. Meine Gedanken waren damals bei dir, Jenny, und dem Abend davor auf der Kartbahn.
Wie du ausgelassen gelacht und uns herausgefordert hast und wie du mir in die Arme gesprungen bist. Ich erinnere mich noch genau, wie glücklich du warst.
Nicht nur, weil du meinen Aston Martin fahren durftest, sondern weil du es geschafft hast, die Mauer zwischen uns einzureißen, und mir so nah kamst, obwohl du es nicht wolltest.
Und der Morgen erst.
Jenny, du bist mir so unter die Haut gegangen, dass ich mehr davon brauchte. Mehr von deinem Körper. Mehr von deinem Lachen. Mehr von deiner Nähe. Dadurch fand ich keine Zeit mehr für meine Arbeit.
Aber genauso erinnere ich mich daran, wie ich mich mit Marie gestritten habe und wie wütend sie das Telefonat beendet hat, weil mich dieser Politiker nicht interessierte, du hingegen schon. Danach musste ich dich anrufen, deine dunkle, sinnliche Stimme hören und es befriedigte mich, wie ausgelassen du mit mir gesprochen hast, obwohl du am Morgen regelrecht vor mir geflüchtet bist.
Die Art, wie du mich aufgeheitert hast, ohne dass ich es wollte, machte mir klar, dass ich dich sehen musste. Trotz meiner Freunde, die meinten, ich solle ein paar Gänge zurückschalten, weil ich mir nie zuvor etwas aus Frauen gemacht hatte, entschied ich spontan, dass wir uns am selben Tag noch sehen mussten.
Dass ich dich sehen musste. Aber wie du dich daran erinnern kannst, ist der Abend nicht gut verlaufen. Jetzt im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich da schon zu viel für dich empfand. Damals konnte ich es mir nicht eingestehen. Aber jetzt weiß ich es besser.
»Colt?« Marie riss mich aus meinen Gedanken. »Bist du noch dran?«
»Ja, bin ich.« Ich strich mir über das Gesicht und konzentrierte mich wieder auf meine junge Mitarbeiterin, der man bei ihrem unschuldigen Aussehen nicht ansehen konnte, in was für dunkle Machenschaften sie verstrickt ist. »Ich bin noch dran. Und nochmal: Ich habe den Auftrag abgelehnt.«
»Nachdem du ihn angenommen hast.«
»Was mich nicht weiter interessiert«, erinnere ich sie daran, wie ich normalerweise vorgehe und dass mich sicher kein Gouverneur dazu zwingt, einen Abgeordneten zu töten.
»Colt, ich wünschte, ich könnte dem zustimmen. Kann ich aber nicht. Du hast den Auftrag angenommen und Humphrey lebt noch.«
»Sag deinem Chef, dass er sich selbst drum kümmern soll, wenn er ihn tot sehen will.«
»Colt!«, schreit sie durchs Telefon. »Du bekommst keine weitere Unterstützung mehr! Alles steht und fällt mit diesem Auftrag!«, erinnert sie mich an den damaligen Deal und nun stehe ich da, Jenny, und weiß nicht, was ich machen soll.
»Hast du das verstanden? Die CIA wird dich abschreiben!« Was ich in meiner derzeitigen Lage nicht gebrauchen kann. Also bleibt mir nichts anderes übrig, Jenny.
»Ich kümmere mich darum«, gebe ich klein bei, was ich ungern tue, und damit auch die nächsten Tage ohne dich besiegelt sind. Wenn nicht sogar Wochen, falls ich keinen geeigneten Moment und Ort zur Auftragserfüllung bekomme.
»Gut, ich schicke Cori alle Informationen zu, damit sie die Akte anlegen kann.«
»Tu das. Ich melde mich, sobald es erledigt ist.«
»Ok, bis dann.«
Vielleicht ist es auch besser, wenn ich für ein paar Tage untertauche und somit Abstand zu dir halte. So können wir uns beide darüber klar werden, wie es weitergehen soll.
So wie es jetzt zwischen uns ist, kann ich es nicht länger verkraften und wende mich lieber ab, als dir weiterhin bei deiner Kaltschnäuzigkeit zuzusehen.