Wenn du wüsstest, wie viel Schuld ich trage
O
bwohl ich mich dagegen gesträubt habe, muss ich es jetzt tun. Genau deswegen bin ich zurückgekommen. Es ist bereits Abend und soviel ich weiß, hast du den restlichen Tag in deinem Zimmer verbracht und sowohl den Arzt als auch Nancy mit der Prothese nicht hineingelassen. Nachdem ich sie angerufen habe, sitzen sie wieder in der Villa und warten im Fitnessraum auf dich.
Wenn du denkst, ich sehe zu, wie du dich zerstörst, denkst du falsch. Mir reicht es schon, diese Entscheidung zu übernehmen.
Ich betrete das Zimmer und du schreckst auf. Du richtest dich auf und wieder siehst du mich mit diesem Blick an, der mich in meine Eingeweide trifft. Dieses Mal, Jenny, ignoriere ich es, stelle den Koffer an die Seite und verlasse den Raum, ohne auch nur ein Wort zu sprechen.
Durch die geschlossene Tür höre ich dich meinen Namen rufen, aber es ist mir dieses eine Mal egal, wie himmlisch er von deinen Lippen klingt. Denn ich weiß, was ich tun muss, damit es mir nur für eine Minute besser geht.
Wie ich bereits von Greg erfahren habe, sitzt Adam am Laptop und regelt seine Geschäfte und genau dieses Zimmer betrete ich. Ohne große Umschweife gehe ich auf ihn zu, während er mich nur ansieht, und noch bevor er mich begrüßen kann, schlage ich mit der Faust zu.
Er stürzt vom Stuhl und ich brülle: »Erstens: Nein heißt nein!« Er möchte etwas sagen, da schimpfe ich lautstark weiter: »Zweitens: Mir ist egal, was du meinst, was sie will. Denn du weißt, was ich will!«
»Das ist das Problem, D! Für dich ist Stiletto Nebensache!«
Da gehe ich einen Schritt auf Adam zu, der noch immer am Boden liegt.
»Das ist nicht deine Sache, oder soll ich deutlicher werden?«
»Du kannst das nicht mit den Fäusten klären.«
»Oh doch, und wie ich das kann!« Und genau das lasse ich so stehen und verlasse das Zimmer wieder auf dem direkten Weg zu dir. Die Fingerknöchel schmerzen und ich kann kaum fassen, dass mein bester Freund dank mir ein Veilchen hat. Aber ich bin wütend, Jenny. Am meisten auf dich!
Als ich an deinem Zimmer ankomme, knalle ich die Tür auf. Du sitzt aufrecht da und siehst mich überrascht an. Daher verliere ich keine Zeit und brülle los.
»Steh auf und raus mit dir! Geh zum Fitnessraum!«
Eigentlich wollte ich mich umdrehen und gehen, weil ich dich jetzt nicht aushalten kann und mein Zorn mich wahrscheinlich
überwältigt, sodass ich dir etwas antun werde. Aber ausgerechnet jetzt musst du mir widersprechen. Daher bleibe ich stehen und wende mich dir wieder zu.
»Oh doch, Jenny! Du kannst zu Adam ins Zimmer gehen und in sein Bett hüpfen, dann kannst du verflixt nochmal nach unten hoppeln und die Prothese anpassen lassen!«
»Du Arsch!«, wehrst du dich laut und wirfst den Wecker nach mir. Nur fange ich ihn auf und schmettere ihn sogleich an die Wand.
»Du willst etwas zerstören? Ich glaube, das hast du zur Genüge.«
»Es ist nichts passiert!«
»Klar«, winke ich ab. »Sagen das nicht alle, auch wenn es so war?«
Da wirfst du unbeherrscht dein schwarzes Notizbuch nach mir, das sonst im Tresor verweilt. An mir vorbei fliegt es gegen die offene Tür und ich trete es weg, als es auf dem Boden landet.
»Du bist doch abgehauen!«, brüllst du und spannst die Muskeln an.
Deine Finger in die Bettdecke gekrallt blitzt du mich wütend an. Das meine Schöne, steht dir nicht zu!
»Steh auf!«
»Nein!«
»Was denn? Hat Adam dich hart rangenommen?« Alleine der Gedanke daran zieht an mir und am liebsten will ich dich abknallen, Jenny. Stattdessen verschränke ich die Arme und erneut wirfst du etwas nach mir.
»Wer weiß schon, was du gemacht hast, anstatt zurückzukommen!«
»Ach Jenny, du meinst, ich bin so wie du und ficke mich von Vegas bis hier durch?«
Treffer.
Damit hast du nicht gerechnet. Mit aufgerissenen Augen
öffnest du leicht deinen Mund, aber kein Ton verlässt ihn. Hast du etwa gedacht, ich würde das nie erfahren? Ich gebe zu, ich habe erst gestern die Fotos von Cori auf Anfrage bekommen. Und das, Jenny, geht zu weit. Auch wenn du sauer warst und mich vergessen wolltest, ist das zu viel. Da du aber immer noch nichts sagst, ergänze ich müde: »Du meinst vielleicht, alles mit Sex unterdrücken zu können, du hast jedoch den Bogen überspannt. Mich lehnst du ab, damit du zu Adam laufen kannst?«
»Nein. Habe ich nie. Wir haben miteinander geschlafen, sogar täglich. Bis du abgehauen bist«, sagst du kleinlaut und schaust wie so oft in den letzten Wochen beschämt zur Seite, was mich noch mehr zur Weißglut bringt.
»Oh, und wie, Jenny. Wie eine Leiche lässt du dich von mir ficken! Kalt, teilnahmslos und desinteressiert!«
Da siehst du auf. Fast könnte ich denken, dass ich dich erneut getroffen habe, aber das glaube ich dir nicht. Denn wir wissen beide, dass ich in dir nur Hass auslöse und kein Verlangen. Und weil ich dich jetzt nicht mehr ansehen kann, sage ich noch: »Steh auf und komm runter«, bevor ich gehe und hinter mir die Tür schließe. Da knallt auch schon etwas gegen die Tür und du schimpfst sämtliche Beleidigungen, die du kennst. Ich bleibe an der Tür stehen und bemerke erst da, dass meine Wut abklingt, und wie sehr du mir gefehlt hast. Mit dem Kopf an die Tür gelehnt höre ich, wie du Sachen durchs Zimmer wirfst, brüllst, weinst und wie tief dich meine Worte verletzt haben.
Es tut mir sogar leid, dass ich nicht derjenige bin, der dich hält, dich auffängt und für dich da ist. So sehr ich es mir wünsche, bist du diejenige, die es nicht von mir will.
Jenny, die Tatsache, dass du nicht im Bilde bist, dass ich der Auslöser bin, macht mich fertig. Du bist so, weil das zwischen uns gestorben ist. Nicht, weil du erfahren hast, dass meine Kontrollsucht und das Erreichen meiner Ziele dich in Gefahr
gebracht und dich dadurch für immer verletzt haben.
Während du dein Zimmer auseinandernimmst, gehe ich. So gerne ich auch wieder zurück nach Chicago gehen möchte, um dich für immer zu verlassen, bin ich noch nicht bereit dazu. Von oben erkenne ich, dass Greg und Riley am Treppenabsatz über dich reden. Nein, vielmehr diskutieren sie, weil du bis unten zu hören bist. Ich gehe zu ihnen und prompt streiten wir uns.
Wir wollen dir alle helfen, nur keiner von uns weiß, wie. Und die Hilflosigkeit ist in den Worten zu erkennen.
Jeder von uns will dich auf seine Weise unterstützen und dafür sorgen, dass du wieder die Alte wirst.
»Was stimmt nicht mit euch?« Mila drängt sich zwischen uns und schüttelt den Kopf. »Hört ihr sie denn nicht?«
»Doch«, beginnt Riley, »aber es ist nicht so leicht, Hilfestellung zu leisten, wenn sie alles ablehnt und sich im Zimmer verkriecht!«
»Was wollt ihr denn genau von ihr?«, fragt sie und ich bringe mich ein.
»Sie soll keine Möbel demolieren, sondern runterkommen.«
»Wozu? Lasst sie doch!«
»Sie muss die Prothese anpassen lassen«, erklärt Greg und Mila schüttelt den Kopf.
»Hallo? Das da oben ist Kit! Die gnadenlose Killerin und aus eurem Mund höre ich nur ›mimimi‹! Da darf sie ausflippen, oder nicht? Kommt, ihr Weichmuschis, ich zeige euch, wie man mit starken Persönlichkeiten umgeht!« Damit sprintet sie die Treppen hoch und wir folgen ihr.