W ie schnell alles umschlägt. Da dachte ich, ich könnte die Welt zurückerobern, geflutet vom berauschenden Gefühl des Tops und dann zerbrach alles in tausend Teile. Er war tot.
Mein Vertrauter, mein Kamerad, mein Familienmitglied.
Er starb, um mich zu schützen, und wie satt ich diese Scheiße hatte, wurde mir erst klar, als seine Iriden verblassten und sein Körper starr wurde. Dass er an meiner Stelle erschossen worden war, brannte sich in mich ein, brannte ein Mal in meine Knochen und erfüllte mich mit einer unaussprechlichen Trauer.
Und doch wurde die Erinnerung an die vergangene gemeinsame Zeit durch die Erkenntnis, dass er nicht mehr an meiner Seite stehen würde und dass es keine lustigen Gespräche mehr mit ihm geben würde, von einem Schatten überdeckt, der mich noch wahnsinniger machte.
Dass ich ihm nie gestanden hatte, wie wichtig er für mich gewesen war, ihm nie gezeigt hatte, wie viel er mir bedeutete und ihm nie die Chance gegeben hatte, zu erkennen, dass seine Meinung mich beeinflusste, all das wollte mich fortreißen. Tat es auch. Für den Moment. Bis zu dem Zeitpunkt, als dieser Schatten die Gefühle verschluckte.
Zwar würde ich Otis nie wiedersehen, mich nicht mehr von ihm aufziehen lassen und auch nicht mehr seine angegeilten Sprüche hören, aber meine Tränen versiegten, weil der Schatten zu mächtig war und mir diese Gefühle nahm.
Dieser Schatten. Dean.
Er ging und ließ mich mit ein paar Worten, einem Kuss auf der Stirn und einer gut gemeinten Umarmung zurück. Er ließ mich alleine, half mir nicht und verschwand so schnell, wie er gekommen war.
Mein Körper und mein Geist hielten sich in der Welt, wollten nicht sterben und folterten mich mit noch mehr Pein. Und er ging einfach.
Er konnte mit meinem Leid nicht umgehen. Das war mir klar. Er konnte mit den Tränen nichts anfangen und war genervt von der hochsensiblen Seite in mir. Ich war schwach und er hasste es.
Der jämmerliche Gefühlsausbruch verebbte und wurde von einem anderen Gefühl überlagert. Ablehnung. Ich verachtete mich für meine Schwäche, die Empfindungen und den Schmerz, den ich erlitt. Aber vor allem verabscheute ich mich dafür, dass ich nicht die Frau war, die er wollte. In den vielen Stadien, die er mich schon gesehen hatte, war klar, dass ich in ihm nichts mehr auslösen konnte. Bilder schossen mir durch den Kopf, wie er mich angesehen hatte.
Das Einzige, was ich in ihm auslöste, war Mitleid. Etwas anderes brachte er nicht zustande. Und das war widerlich, unerträglich, und ich hasste mich nur noch mehr.
Ich bündelte meine Kraft und richtete mich auf. Sah mich im Raum um, wischte mir die Tränen vom Gesicht und war für einen Moment stolz auf mich, dass ich mich, selbst in meinem gegenwärtigen Zustand, so brutal aufregen konnte. Das ganze Zimmer war zerstört. Ich saß inmitten von ramponierten Möbeln, durcheinandergeworfenen, kaputten Gegenständen und Kleidungsstücken. Shit. Ich war begeistert, nicht ganz so verletzlich zu sein, wie es aussah, wie ich mich fühlte, wie jeder es annahm.
Mein Blick wanderte über jeden Zentimeter, scannte alles ab und nahm es in mir auf. Vielleicht konnte ich wirklich wieder zurückkommen. Anders. Kaputter. Aber trotzdem zurück ins Leben.
›Stell dich nicht an‹, Otis letzte Worte. Über seine ersten, nachdem er getroffen worden war, wollte ich nicht nachdenken. Aber seine letzten, die mir sagten, dass ich diesem heißen Mistkerl den Arsch aufreißen sollte, weil er mich schon wieder zurückließ, das konnte ich.