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Ich sollte gehen
V ielleicht hätte ich für dich da sein sollen und wäre besser nicht gefahren.
Dennoch fahre ich nicht zurück, schicke die Bauarbeiter vom Haus weg, von dem ich mir nicht sicher bin, ob wir es gemeinsam bewohnen werden, und ziehe mir eine Arbeitshose an. Jenny, mich stört diese ganze Situation und ich möchte auch nicht mehr hier sein. Ich möchte gehen. Für immer.
Aber irgendwas hält mich auf. Fesselt mich an diesen Ort. Hindert mich daran, alles zurückzulassen und weiterzumachen.
Also nehme ich die Holzdielen und schneide sie für die neue Veranda an den Markierungen zurecht.
Es ist lange her, dass ich mich das letzte Mal handwerklich bestätigt habe. Man verlernt es aber nicht. Also mache ich da weiter, wo die Männer aufgehört haben.
Während du dich im Zimmer eingeschlossen und in Selbsthass gebadet hast, schritten die Sanierungsarbeiten zu deinem Traumhaus voran. Ich wünschte, du könntest die Arbeiten genauso wie ich verfolgen. Du bist jedoch damit beschäftigt, dich zu isolieren.
Meine Gedanken kreisen um deine kleine, trauernde Gestalt, die ich zurückgelassen habe. Ich kann dir nicht helfen, Jenny. Du bist zu stark, um meine Hilfe anzunehmen. Erst recht weiß ich nicht, was es dir bringen würde, wenn ich dir, wie Adam, den Rücken streicheln und dir beim Heulen zuhören würde. Das macht keinen Sinn. Stattdessen denke ich für uns beide. Speichere alle neuen Informationen ab und überlege mir, wie ich den Mann im Keller meine Verzweiflung dir gegenüber und meine Wut spüren lassen kann. Aber auch, wie ich das Haus schnell fertigstellen kann, weil die Sozialarbeiterin bald kommen wird.
Gerade als ich die Maschine ausschalte, fährt Greg die lange Einfahrt hoch. Ich beachte ihn nicht, während ich das Holz zur Seite lege.
»Wo sind die Handwerker?«, fragt er, als er aussteigt.
»Weg.«
Greg lehnt sich mit einem Grinsen an den Pfosten der Veranda und beobachtet mich, während ich mir das Werkzeug zurechtlege. Schließlich erzählt er mir, dass Adam und Riley dein Zimmer aufräumen und du dich darüber lustig machst. Schön, dass du dich mit meinen Freunden blendend verstehst und für mich wirklich nur noch Hass übrig hast. Ich habe die Erinnerungen vor Augen, wie du mich einmal betrachtet hast. Wie du mich früher angesehen hast. Herausfordernd, verlangend und als würde ich deine Welt alleine beherrschen. Als wäre nur ich der Mittelpunkt deines Lebens.
Selbst unter Drogen konntest du mir nicht in die Augen sehen wie früher.
Genau da fällt es mir wieder ein.
»Greg!«, unterbreche ich sein Gerede. »Keine Drogen!«
Er seufzt und schüttelt den Kopf. »Weil du wieder so einen Schwachsinn verfolgst? Denkst du nicht, dass es langsam reicht? Dass es zu viel wird?«
»Nein«, erwidere ich lapidar, während ich die Dielen ans Podest schraube.
»D! Hast du mal daran gedacht, was dann passiert?« Darauf gebe ich keine Antwort, Jenny. Denn was sollte passieren?
»Erstens, D, zweifelst du bereits. Zweitens ist das in ihrer momentanen Situation der mieseste Plan, den du je hattest. Und drittens: Hast du vielleicht auch mal an sie gedacht? Da sind noch Jey und Amy.«
Das Einzige, was mich an seinen Worten zum Nachdenken bringt, ist, dass ich Zweifel habe, Jenny. Nicht an meinem Plan, sondern an uns.
»Außerdem«, fährt er unbehelligt fort, »wie soll das funktionieren? Sie hat Schmerzen, kann nicht gehen und …«
»Sie wird irgendwann gehen können.«
»D! Sie hat heute die ersten Versuche mit der Prothese gemacht. Was stellst du dir vor? Und noch einmal zurück zu Punkt eins. Du hast Zweifel!«
Ja, Jenny, die habe ich. Es ist anscheinend noch nicht zu spät, einen Rückzieher zu machen. Aber was geschieht dann? Noch hält mich etwas. Ist es die emotionale Bindung? Die Sucht? Oder weil das, was zwischen uns einmal war, für mich das erste Mal gewesen ist.
»Was hast du nun vor?«, fragt er und diesmal kenne ich keine Antwort darauf.
»Die Veranda fertigstellen. Also hilf mir lieber, als zu prüfen, ob dich der Pfosten hält!«
Lachend kommt Greg dem nach und hält die Holzdielen fest, während ich sie befestige.
Stunden verbringen wir so und das zum größten Teil schweigend. Ich hänge meinen Gedanken an dich nach und was wir einmal hatten. Dennoch komme ich nicht zu einem Entschluss. Denn du hast recht. Du bist nicht mehr die, die du früher warst. Und mit der jetzigen Jenny kann ich nicht umgehen. Viel lieber will ich die starke, unaufhaltbare Kit zurück.
Ein Auto fährt die Einfahrt hoch und ich blicke wie Greg auf. Es ist dein Wagen und für einen kleinen Moment stockt mir der Atem, als der Camaro neben meinem Auto parkt. Ich stelle mir vor, wie du aus dem Auto steigst, und auch, wenn das nicht der Fall sein kann, schlucke ich schwer, als High Heels über den steinigen Boden knirschen und die Autotür zugeknallt wird.
Für einen kleinen Augenblick schließe ich die Augen und kann schon deinen Fliedergeruch wahrnehmen. Doch als ich sie wieder öffne, leuchten mir nicht dunkelbraune Haare entgegen, sondern lilafarbene.
»Na, ihr Hübschen. Braucht ihr nicht mal eine Auszeit?«, fragt Mila und ich lasse meinen Blick über sie wandern. Denn Jenny, sie ist übertrieben geschminkt und trägt einen Trenchcoat. Darunter erstrecken sich ihre langen Beine, die in Nylon stecken. Etwas in mir ahnt schon, was passieren wird, als sie die Finger an den Gürtel der Jacke legt und den Knoten öffnet.
»Wow«, haucht Greg, als der Stoff über ihre Schultern zu Boden gleitet und deine Schwester in einem Hauch von Nichts vor uns steht. Einem Dessous.
Ihre Brüste drücken sich gegen schwarze Spitze und Riemen überkreuzen sich entlang ihrer Rippenbögen und über ihren Bauch bis hin zu dem winzigen Höschen und enden an den Strapsen. Ein Hauch von Schwarz. Verbotenem Schwarz.
Zu lange ist es her, Jenny, dass ich dein Verlangen gespürt habe, das nun in den Augen deiner Schwester tobt.
Ich richte mich auf und sehe sie schon vor mir knien. Die Riemen an ihrem Körper, die wie eine Schlinge um ihren Hals gezogen sind und ihr die Luft nehmen. Mein Schwanz, der sich zwischen ihre prallen lila geschminkten Lippen drängt, während Greg hinter ihr kniet und sich in sie rammt.
Ich kann schon spüren, wie sie versucht, gegen die fehlende Luft zu kämpfen und um Gnade winselt, solange ich meinen Schwanz tief in ihre Kehle versenke und Greg ihr erbarmungslos auf den Hintern schlägt.
Wie er ihren Kopf an den Haaren in den Nacken zieht, sodass sie den Rücken durchdrückt und ich noch tiefer in ihre Kehle vorstoße.
Meine Finger beginnen, zu kribbeln, und selbst mein Schwanz pulsiert bereits. Die Zeit bleibt stehen. Genau, wie der Atem in meinen Lungen, als sie einen Fuß vor den anderen setzt und dieses wissende Lächeln auf ihren Lippen erscheint.
Anbetungswürdig kommt sie mit langsamen, hüftschwingenden Schritten näher und der liebe Gott weiß, wie sehr ich ihr das geben will, was sie gerade herausfordert.
»Ganz schlechte Idee«, ermahne ich mich selbst und Greg erwidert meine geflüsterten Worte nickend, was ich aus dem Augenwinkel mitbekomme.
Sie kommt mittig vor uns zum Stehen und ich atme deinen Fliedergeruch ein. Sie riecht wie du.
Und schon spüre ich dich, Jenny. Deine Hände an meiner Haut, die Fingernägel, die sich mir ins Fleisch drücken. Dein Stöhnen in meinem Ohr.
»Greg«, haucht Mila verheißungsvoll und ich spüre nur dich. Wie du dich unter mir bewegst, wie du dich windest und nach mehr bettelst. Wie deine Wände sich um meinen Schwanz zusammenziehen und du laut meinen Namen stöhnst, als ich dir befehle, zu kommen.
»Colt«, haucht sie weiter.
Genau. Colt.
Damit holt sie mich zurück in die Gegenwart, Jenny. Denn das bin ich nur noch für dich. Der Anflug meiner Begierde vergeht schnell und die Kälte bricht über mich herein.
»Ich kann euch bestimmt etwas Gutes tun, wo der Tag doch so beschissen war.« Ihre frivole Art reizt mich nicht mehr und ich schüttle den Kopf. Greg mag vielleicht weiterhin darauf anspringen, Jenny. Aber mir ist die Lust schon längst vergangen. Also ignoriere ich, dass sie ihr Gewicht verlagert, sich in eine aufreizende Pose bringt und eine Haarsträhne um ihren Finger wickelt. Ich gehe an ihr vorbei, ohne sie oder ihre leicht geöffneten vollen Lippen zu beachten, hebe ihre Jacke auf und werfe ihr sie ihr im Vorbeigehen zu. Sie fängt sie unbeholfen und ich widme mich wieder der Veranda, als ich ihr zu verstehen gebe, dass sie besser die Rückfahrt antreten sollte.
»Ich meine es doch nur gut«, widerspricht Mila empört und diese Worte bringen mich innerlich zur Weißglut. Denn wie oft hast du sie gehört? Und wie wenig kannst du ihnen Glauben schenken?
Ob Mila es gut meint oder nicht, ist egal. Denn das Resultat ist dasselbe.
»Scheiß drauf«, höre ich Greg, und als ich aufsehe, ergreift er ihre Hand und zieht sie die Veranda hinauf. Ich kann mich rechtzeitig in den Weg stellen.
»Was hast du vor?«
»Ihr Angebot annehmen, was sonst?«
»Du lässt die Finger von ihr.«
»Das ist nicht deine Sache.« Er will sich an mir vorbei ins Haus drängen, aber das kann ich nicht zulassen.
»Du wirst nicht Jennys kleine Schwester in meinem Haus ficken!«
Wir stehen uns nun Angesicht zu Angesicht, Nase an Nase gegenüber.
»Also hast du eine Entscheidung getroffen?«
Nein, Jenny. Das habe ich nicht. Aber dennoch lasse ich nicht zu, dass er deinen Zorn heraufbeschwört. Du bist wütend genug. Also bleibe ich wie ein Stein stehen.
Knurrend wendet er sich ab. Anstatt aber von Mila abzulassen und die Gefahr ernst zu nehmen, wirft er sich deine kleine Schwester über die Schulter, sodass sie erschrocken quietscht, und zeigt mir den Mittelfinger. Nur, um sie dann ins Auto zu laden und mit Vollgas davonzufahren.
Während ich dem Unvermeidlichen entgegensehe, wird mir selbst klar, dass das ein Ende haben muss, Jenny.
Ich muss eine Entscheidung treffen.