Siebenundzwanzig
Schröder.
Kurz nach Mitternacht. Er liegt lesend im Bett, den Arm angewinkelt, den Kopf in die Hand gestützt. Der Lichtkegel der kleinen Lampe über ihm schimmert auf der Glatze, dem runden, konzentrierten Gesicht.
Die Treppe hinauf ins Dachgeschoss knarrt. Albert erscheint in der Tür. Er hat geduscht, sein Haar ist noch nass, ein Handtuch schlingt sich um seine nackten Hüften.
»Ich gehe schlafen«, sagt er. »Gute Nacht.«
»Dir auch.« Schröder sieht lächelnd auf. »Träum was Schönes, Albert.«
»Was liest du da?«
Schröder legt einen Finger zwischen die Seiten, klappt das
Büchlein zu und hält es Albert entgegen. Anleitung zum Unglücklichsein
steht auf dem Umschlag.
»Ist es gut?«
»Sehr gut«, nickt Schröder. »Du solltest es lesen, wenn ich fertig bin.«
Vogelzwitschern dringt durch das geöffnete Dachfenster. Eine Motte flattert herein, torkelt wie ein betrunkener Maikäfer um die Lampe.
»Meine Probe fällt morgen aus«, sagt Albert. »Ich könnte uns was kochen.«
»Gern.« Schröders Gesicht hellt sich auf. »Ich kümmere mich um den Nachtisch. Wir können Frieda und Zorn einladen.«
»Versteh mich bitte nicht falsch.« Wasser glitzert in Alberts dunklem Haar, auf dem nackten Oberkörper. Er hat die dreißig längst überschritten, doch noch immer wirkt er wie ein schlaksiger Jüngling. »Frieda ist großartig, und Zorn zweifelsohne auch. Aber ich fürchte, er hat ein Problem mit mir, er …«
»Hör mir zu, Albert.« Schröder richtet sich auf, stopft das Kissen in den Rücken und lehnt sich an das Kopfende des Bettes. »Ich hatte dir gesagt, dass Claudius Zorn … nun ja, ziemlich eigen ist. Manchmal verhält er sich wie ein eifersüchtiges Kind.«
Albert steht unschlüssig in der Tür. Schröder sieht lächelnd zu ihm auf, die Hände über dem gestreiften Schlafanzug gefaltet.
»Hat er denn einen Grund?«, fragt Albert leise.
»Wozu?«
»Eifersüchtig zu sein.«
»Wenn, dann wäre es sein
Problem, findest du nicht?«
»Ja«, nickt Albert. »Wahrscheinlich.«
Die Motte kreist um die Lampe, bildet einen flirrenden Heiligenschein über Schröders kahlem Schädel.
»Na dann … gehe ich mal schlafen«, sagt Albert. Er sieht über die Schulter in den Flur, rührt sich aber nicht von der Stelle. »Ich …«, er räuspert sich. »Ich wollte dir …«
»Ja?«
Ihre Blicke treffen sich.
»Nichts weiter. Schlaf gut.«
»Du auch, Albert.«
Die Tür schließt sich. Alberts Schritte knarren auf der Treppe. Schröder öffnet das Buch, liest ein paar Sekunden, klappt es stirnrunzelnd wieder zu und löscht das Licht. Als er sich ausstreckt, knarrt die Matratze unter seinem Gewicht.
Der Mond scheint durch das kleine Dachfenster.
Die Motte flattert davon.