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0650, Freitag, 25. Juni 2027

Union, New Jersey

Garden State Parkway

 

Ich überschlage mich noch einmal und bleibe liegen. In meinem Kopf dröhnt es so laut, dass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Blinzelnd versuche ich, mich zu orientieren. Es riecht nach versengtem Gras, brennendem Plastik und ausgelaufenem Benzin. Mein Gesicht ist warm, und – verdammt, mir tun die Rippen weh. Dreimal schnappe ich vergeblich nach Luft, ehe ich die Schmerzen überwinde und durchatmen kann.

Irgendjemand schreit mir etwas ins Ohr. Es ist leise, doch als das Dröhnen abklingt, höre ich, dass es Hollywood ist.

„… jetzt“, sagt sie. „Wik!“

Sie redet mit mir. Verdammt auch.

„Beweg deinen Arsch, Gunny!“

Mühsam rappele ich mich auf, blicke zum Waldrand und renne los. Irgendwie beschließt mein Gehirn, dass ich dem Wald näher bin als den Fahrspuren. Ich kämpfe das Schwindelgefühl und die Übelkeit nieder, beuge mich vor und laufe im Zickzack so schnell wie möglich zu den Bäumen.

Weit entfernt heult etwas, dann prallt links von mir ein grelles Objekt auf das Gras. Erdbrocken fliegen hoch und regnen auf mich herab, während ich zum Wald renne. Ich verliere das Gleichgewicht, fange mich ab und weiche nach links aus, was mir zweifellos das Leben rettet, weil gleich darauf auch rechts von mir ein Geschoss einschlägt. Es kommt mir vor, als feuerte jemand mit einem Mörser auf mich.

Ich höre Waffen – mein Team schießt auf die Gegner – und das Klatschen, mit dem die Kugeln die Gegner treffen. Es gibt keine weiteren Explosionen in meiner Nähe. Ich erreiche mein Ziel und quetsche mich zwischen kleinen Büschen hindurch, um hinter einem Baum in Deckung zu gehen.

Sobald ich geklärt habe, wie schwer ich verletzt bin – nur ein paar Prellungen und die schlimmsten Kopfschmerzen, die je ein Mensch auf der Welt hatte –, sehe ich mich zur Interstate um und öffne den Funkkanal.

„Lagebericht.“

Ehe mir jemand antworten kann, bemerke ich schon, dass vier Teammitglieder vom feindlichen Feuer niedergehalten werden. Der Kampfbot hat seine Position neben dem BPF nicht verlassen, aber ein Spähbot nähert sich dem Team von Süden her, und die anderen beiden kümmern sich anscheinend um Bumpers Ablenkung jenseits des Mittelstreifens.

Auch der Todesengel hat vorübergehend von mir abgelassen, weil das Team ihn unter starkes Feuer genommen hat. Anscheinend versucht Bumper, den Feind mit einem altmodischen M79-Granatwerfer zu bekämpfen. Diese Waffen werden liebevoll auch „Knaller“ genannt. Er schießt die 40 x 46-mm-Ladungen so schnell auf den Todesengel ab, wie er nachladen kann. Die Treffer blühen auf dem fliegenden Feind auf und treiben ihn zum BPF zurück.

Der Spähbot und die Drohnen werden ebenfalls beschossen, auch Ghost setzt sein Gewehr ein. Zwei Kugeln prallen vom Kopf des Bots ab, dann bricht dessen Hals. Wenigstens eine gute Neuigkeit. Weniger gut ist, dass der Todesengel Bumpers Angriff ausweicht und in meine Richtung fliegt.

„Na, wunderbar.“

Ich reiße mich zusammen. Allmählich dämmert mir, dass ich mir etwas Besseres einfallen lassen muss, als in einem schmalen Waldstreifen herumzurennen. Ich bin ungefähr fünfzehn Meter von einigen Gärten entfernt, die zu einer langen Reihe von Einfamilienhäusern gehören. Der Vorort ist dicht bebaut, die Häuser stehen eng beieinander. Die Häuser und ihre unterschiedliche Innenausstattung bieten gute Deckung und gute Stellungen.

Ich trampele durch den Wald, renne durch den ersten Garten und steuere das nächste Haus an – ein einstöckiges Gebäude im Ranchstil mit vergilbten Wänden und einer angebauten Garage. Im Garten steht ein kleiner erhöhter Pool mit umlaufender Liegefläche, der schon bessere Tage gesehen hat. Als ich noch zwei Schritte vom Hintereingang der Garage entfernt bin, höre ich wieder ein schrilles Heulen. Hinter mir explodiert etwas. Die Trümmer des zerstörten Pools fliegen durch die Luft und prasseln dampfend auf das Haus herab.

Ghost hat die Waffe völlig richtig beschrieben.

Ich stolpere in die Garage und nehme mir nicht einmal die Zeit, die Tür zu schließen. Der Feind hat mich gesehen. Jetzt spielen wir Katz und Maus. Ich könnte vorne zum Garagentor wieder hinauslaufen oder mich im Haus verstecken. Da das Tor die offensichtliche Wahl ist, entscheide ich mich für das Haus.

Die Küche wurde anscheinend seit dem Bau des Hauses nicht mehr modernisiert, und die Wohnzimmermöbel sind mit durchsichtigen Planen bedeckt. Neben dem Fernseher liegt ein Stapel DVDs. Ich wusste gar nicht, dass so etwas noch in Gebrauch ist. Die oberste DVD ist Die Ritter der Kokosnuss . Ich möchte wetten, dass dieses Haus einer Oma und einem Opa mit europäischen Wurzeln gehört. Mensch, es riecht sogar nach alten Leuten, Gott hab sie selig. Die Wahrheit ist, dass ich ihnen altersmäßig vermutlich sogar recht nahe bin.

Als ich durch den Flur zur anderen Seite des Hauses laufe, wird mir bewusst, dass mich der Todesengel möglicherweise mit einer Wärmebildkamera beobachtet. Ausgeschlossen ist das jedenfalls nicht, und ich weiß immer noch nicht, wie uns die Bots und das BPF überhaupt entdeckt haben. Allerdings hatten sie uns nicht sofort bemerkt, und das ist für uns vorteilhaft. Das BPF ist vorbeigefahren und dann umgekehrt. Was sie auch benutzen, es hat Mängel. Oder der Verantwortliche war stinkfaul.

Ich bin gerade im Elternschlafzimmer am Ende des Ganges, da kracht etwas durch die Küchentür herein. Es verfolgt mich, und das ist ein gutes Zeichen. Würde es mich von außen beobachten, dann könnte es einfach meine Bewegungen beobachten und vorwegnehmen, was ich beabsichtige. Ich sperre das größte Fenster im Schlafzimmer auf und klettere hinaus, wobei ich möglichst wenig Lärm mache. Das ist schwierig, weil ich mich schnell bewege und viel Ausrüstung mitschleppe.

Ich lande in einem kleinen Beet mit sorgfältig gestutzten Büschen und ein paar Farnen. Auf der anderen Straßenseite entdecke ich eine kleine Steinmauer, die mir eine gute Deckung verspricht. Von dort aus kann ich mich auch schnell in das drei Meter dahinter liegende Haus zurückziehen. Also renne ich hinüber, solange der Feind noch in diesem Haus herumpoltert.

Blitzschnell überquere ich die Straße, gehe hinter der Mauer in Deckung und richte meine Waffe aus. Ich ziele auf das seitliche Fenster des Elternschlafzimmers und warte darauf, dass der Gegner herausklettert. In diesem Augenblick ist er verwundbar, und ich bin bereit.

Nichts geschieht. Keine Bewegung im Fenster, und …

Ich höre ein gedämpftes Heulen, dann fliegt die ganze Vorderfront des Schlafzimmers weg. Balken und Putz prasseln auf die Straße, brennende Stücke Isoliermaterial landen im Vorgarten. Anschließend tritt der Todesengel durch das rauchende Loch und bewegt den Kopf und die Waffe hin und her.

Auch wenn ich auf das Fenster gehofft hatte, jetzt kann ich den Feind deutlich erkennen und visiere ihn an.

Mit meinem SCAR gebe ich drei Schüsse auf den Helm der Gestalt ab. Die Funken, sogar im Morgenlicht sehr hell, zeigen mir, dass ich getroffen habe. Doch das Wesen bricht nicht zusammen, sondern richtet den Kopf auf mich. Eines seiner rot glühenden Augen scheint Sprünge zu haben, aber sonst ist der Helm unbeschädigt.

„Verdammt.“

Ich bin schon aufgesprungen und renne weg, als das automatische Feuer der feindlichen Waffe die Steinmauer trifft. Ein paar kleine Brocken fliegen gegen meinen Rücken, während ich zur Vordertür renne. Ich stürme hindurch und stürze drinnen im offenen Flur auf den Boden.

Im Gegensatz zu dem ersten Haus wurde dieses schöne zweistöckige Gebäude vermutlich im neunzehnten Jahrhundert errichtet, und der Bauherr hatte Geld. Die gewölbte Decke, das handgeschnitzte Treppengeländer, die Fliesen auf dem Boden sind originalgetreu erhalten und gut gepflegt.

Aber ich bin nicht hier, um das Haus zu inspizieren. Dies ist einfach der Müll, den mein Gehirn nebenbei verarbeitet, als ich an der Treppe vorbei in die geräumige Küche mit der marmornen Arbeitsfläche renne.

Jetzt explodiert die Vordertür, und Steine, Glas und Holz verteilen sich im Flur. Ich fahre herum und schieße zwei Salven auf den Todesengel ab, die seinen Kopf und den Oberkörper treffen.

Wieder heult die Waffe, was mir deutlich sagt, dass ich mich verdrücken sollte. Ich springe ins Wohnzimmer und ducke mich hinter ein Sofa, während der Schuss die Rückwand der Küche zerlegt. Nachdem ich schwer auf den Teppich geprallt bin, rolle ich mich zu einem ledernen Möbelstück ab.

Abermals höre ich das Ladegeräusch, und nun feuert der Feind ins Wohnzimmer. Auch dieses Mal kann ich mich mit einem schnellen Sprung in Sicherheit bringen. Der Fußboden explodiert. Ich selbst habe mit meinem Helm und den Schultern eine deckenhohe Glastür zerstört und bin auf die hintere Veranda gerollt. Draußen bleibe ich kurz auf dem Rücken liegen und schieße ins Haus, dann gehe ich hinter einer breiten Eiche in Deckung, die direkt vor der Veranda steht.

Kaum bin ich hinter dem Baumstamm verschwunden, da heult es schon wieder, und direkt über meinem Kopf entsteht ein Loch im Baum. Die Späne fliegen mir um die Ohren wie bei einem Häcksler. Mir dringt der Geruch von brennendem Hartholz in die Nase. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich Sehnsucht nach einem Lagerfeuer, einer Zigarre und zwei Fingerbreit Redbreast im Glas empfunden. Jetzt will ich nur noch diesen Drecksack umbringen.

Ich beuge mich zur Seite und gebe zwei weitere Salven ab, dann ziehe ich mich zurück. Gerade rechtzeitig. Der Feind schießt wieder, der zweite Schuss trifft neben dem ersten, keinen halben Meter über meinem Kopf.

Nun fängt auch noch die Eiche an, bedenklich zu knarren. Der Baum wird gleich abknicken. Vor einem DARPA-Todesengel mit einem Stormtrooperanzug habe ich natürlich Angst, aber das ist nichts gegen eine zweihundert Jahre alte Eiche, die mich zu zerquetschen droht.

Ich sehe hoch und überlege, in welche Richtung der Baum stürzen wird, doch die Blätter und Äste schwanken wild hin und her – anscheinend ist sich der Baum selbst noch nicht sicher. Ich muss es darauf ankommen lassen. Wenn ich den Feind verleiten kann, mir in die Richtung zu folgen, in die der Baum stürzen wird, kommt mir die Eiche vielleicht zu Hilfe. Und vielleicht werde ich dabei auch gleich selbst zerquetscht – du Trottel.

Aber besser dies, als von einer Strahlenkanone geröstet zu werden.

Der Baum kippt endgültig in Richtung Garten. Ich blicke über die Wiese. Offenes Gelände bis zu einem Kinderspielhaus und einer Schaukel, etwa dreißig Meter entfernt. Das Spielhaus ist anscheinend eine Sonderanfertigung − größer als normal, und sieht so stabil aus, als wäre ein Bauunternehmer beteiligt gewesen.

Pat, was hast du vor?, frage ich mich selbst. Ehe ich meine Frage beantworten kann, renne ich los. Zuerst fühlt es sich wie eine großartige Idee an. Doch sobald ich bemerke, wie über mir die Zweige wackeln, wird mir bewusst, dass es eine grässliche Idee ist − eine wirklich schreckliche, ungeheuer dumme, hirnrissige, furchtbare Idee.

Ein lautes Knacken lässt meinen Adrenalinspiegel schlagartig steigen. Das flüssige Feuer im Kreislauf treibt meine Füße schneller an, doch diese verdammte kleine Stimme der Logik sagt mir, dass ich mich furchtbar verschätzt habe. Da ich keine Ahnung habe, ob mir der Todesengel bei meinen Dummheiten wirklich folgt, feuere ich blindlings über die Schulter zwei weitere Salven ab. Nennen Sie es einen letzten Akt des Trotzes gegenüber dem Universum oder vielleicht auch einen halbherzigen Versuch, den Feind zu verleiten, mir nachzusetzen. Ich weiß es selbst nicht. Ich bin verzweifelt, und verdammt, manchmal will ich einfach auf irgendetwas schießen.

Mit rauschenden Zweigen kippt der Baum in meine Richtung. Ich könnte schwören, dass ich schon spüre, wie mich die Blätter streifen, doch ich renne unbeirrt weiter zum Spielhaus und ignoriere die Streiche, die mir mein Gehirn spielt.

Als ich vier Meter vor meinem Ziel bin, biete ich meine letzten Energien auf und hechte zur Tür. Ich weiß, das ist dumm. Ich könnte die Tür verfehlen und mir den Hals brechen. Ach, der Baum könnte das Spielhäuschen in der Mitte zerschmettern und mich zerquetschen. Trotzdem springe ich.

Endlich bin ich im Schatten und pralle gegen die Rückwand des Spielhauses. In diesem Augenblick umfangen die oberen Zweige der Eiche das kleine Haus, die Blätter rascheln laut. An drei Stellen bricht das Dach, und ein Dutzend Mal kracht es laut. Das kleine Haus wackelt hin und her, als der Stamm dicht daneben auf den Boden prallt.

Als wäre ein Gewitter blauem Himmel gewichen, hört der Tumult wieder auf.

Wieder einmal überprüfe ich, ob ich verletzt bin. Außer dem Brennen in den Schultern und Hüften, nachdem ich auf den Wohnzimmerboden und jetzt gegen die Wand des Spielhauses geprallt bin, spüre ich nichts. Ehrlich gesagt bin ich fast schockiert, dass ich noch lebe. Aber der Feind ist da draußen, und deshalb kann ich mir noch keinen Orden anheften.

Als ich die rechte Hand hebe, bemerke ich, dass ich mein SCAR verloren habe. Ich verfluche mich selbst dafür und ziehe die Glock aus dem Holster. Gott sei Dank ist die Selbstladepistole noch da, und sie scheint zu funktionieren.

Vor der Tür des Spielhauses liegen die Zweige so dicht, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob ich wieder herauskomme. Zunächst gehe ich neben der Tür in Deckung und spähe durch das Blattwerk hinaus. Halb rechne ich schon damit, dass der Feind über den umgestürzten Baum hinwegfliegt und mein Versteck in Stücke schießt, doch da bemerke ich zehn Meter entfernt eine dunkle Gestalt, die im Dickicht feststeckt.

Tja, wer hätte das gedacht, sage ich zu mir selbst.

Also ist mir der Tango tatsächlich gefolgt. Ich bin mir nicht sicher, wie ich ihn durch das dichte Unterholz erreichen kann, aber wenn ich eines aus den Filmen gelernt habe, dann ist es dies: Man lässt den Feind nicht am Boden liegen, ohne ihm zweimal auf den Kopf zu klopfen. Wie oft haben wir schon die Helden auf der Leinwand angeschrien und sie angefleht, nicht einfach wegzugehen, ohne den Gegenspieler endgültig zu erledigen? Mensch, wenn man so viel Gewalttätigkeit aufwendet, um ihn niederzustrecken, dann kann man sich selbst und alle anderen doch nicht mehr überzeugen, man sei moralisch überlegen, indem man den Wichser leben lässt, wenn er das Bewusstsein verloren hat. Erschieße den Dreckskerl, und dann erschieße ihn noch einmal, um ganz sicherzugehen. Mit einem Schachgebot gibt man sich nicht zufrieden – man will das Matt oder man spielt gar nicht erst.

Also befolge ich meinen eigenen weisen Ratschlag und klettere durch die Äste, die das Spielhaus umgeben. Ich komme nur langsam voran, und wenn ich endlich fertig bin, werde ich mit meinem Gesicht sicherlich keinen Schönheitswettbewerb mehr gewinnen, aber ich mache Fortschritte.

Dann bemerke ich, wie der Feind umhertastet.

Sehen Sie? Er ist gar nicht tot. Habe ich doch gleich gesagt.

Ich arbeite mich schneller voran und hoffe, ich erreiche ihn, ehe er sein mörderisches Gewehr findet und mich ausschaltet. Er mag eine gute Rüstung haben, aber ich glaube, drei 9-mm-Kugeln in den Halsansatz wird er nicht überleben. Ich stoße die Zweige zur Seite und zwänge mich durch Lücken, die eigentlich viel zu eng für mich sind. Die peitschenden Äste und die raschelnden Blätter machen eine Menge Lärm, aber in meinen Ohren höre ich vor allem meinen eigenen Puls. Unterdessen sucht der Gegner weiter nach seiner Waffe.

Schützend hebe ich die Hände vors Gesicht, als ich durch einen dichten Blattverhau stürze und über einige Äste steige, die dem Hauptstamm näher sind. Es ist anstrengend, aber ich muss diesen Mistkerl erreichen, ehe er wieder auf den Beinen ist.

Er ist wach und liegt auf dem Rücken. Ich bin noch fünf Meter entfernt. Ich könnte schießen, aber wenn die .308er-Kugeln auf Distanz nichts ausgerichtet haben, nützen auch die 9-mm-Kugeln nichts. Ich muss nahe an ihn heran und die Sache zu Ende bringen.

Ich bewege mich schneller und springe über einen hüfthohen dicken Ast. Der Gegner sieht mich und streckt sich nach der Waffe, die dicht vor seinen Fingerspitzen liegt. Seine Beine sind unter dem Stamm eingeklemmt.

Ich nehme die Pistole in die linke Hand, überwinde die restliche Distanz mit einem großen Sprung und lande auf der Brust des Gegners. Ein strenger Geruch schlägt mir entgegen – anscheinend ist seine Bauchhöhle verletzt. Ein Ellenbogen trifft mein linkes Ohr, und ich kann mich nicht einmal verteidigen, denn ich habe ihm den linken Unterarm unter das Kinn gepresst und drücke seinen Kopf zurück, während ich mit dem rechten Arm sein linkes Handgelenk blockiere, damit er nicht nach der verdammten Waffe greifen kann.

Wieder schlägt er seitlich gegen meinen Kopf, und ich sehe Sternchen. Mit einem Ruck überwindet er die restliche Distanz und bekommt die Waffe zu fassen. Ich versuche, die rechte Faust abzuhalten, damit er nicht mehr nach mir schlägt, und seinen linken Arm auf den Boden zu drücken, damit er mich nicht erschießt − mein Gott, dieser Gestank.

Sobald mir bewusst wird, dass dies eine Pattsituation ist, beschließe ich, mich darauf zu konzentrieren, dass er nicht die Waffe in die Hand bekommt. Mit einem Ruck drücke ich sein linkes Handgelenk auf den Boden, unterdessen verprügelt er meine rechte Seite. Ich würde ihm gern die Glock zwischen die Platten seiner Rüstung schieben, aber, nun ja, er lässt nicht zu, dass ich die Augen lange genug offen halte, um ein Ziel zu finden. Es ist, als liefe sein rechter Haken auf Autopilot. Er prügelt auf mich ein wie ein Dampfhammer. Ein Schlag ist so schlimm, dass ich meine Waffe loslassen muss, und der nächste Hieb des Gegners schleudert sie gänzlich fort.

Jetzt verzweifele ich. Ich presse ihm ein Knie in den Bauch und höre, wie er vor Schmerzen schnauft. Dann steigt wieder der widerliche Gestank auf. Ich schmettere seine Waffenhand auf den Boden, meine Hand rutscht von seinem Handgelenk ab und findet den Griff seiner Waffe. Irgendwo im Hinterkopf bemerke ich, dass seine in einem Panzerhandschuh steckende Hand ungewöhnlich ist. Er hat nicht fünf Finger wie ich, aber ich kann es nicht richtig erkennen, denn ich kämpfe um mein Leben.

Er schlägt mir immer noch die linke Körperhälfte zu Brei, und wir ringen um die Waffe. Noch einmal ramme ich ihn mit dem Knie und bekomme die Waffe etwas besser zu fassen.

Der Gegner drückt auf den Abzug – sei es reflexartig oder aus Panik –, und ich spüre einen starken Stromschlag in der Hand, der durch den ganzen Arm läuft. Es fühlt sich an, als hätte ich die 220-Volt-Leitung hinter dem Wäschetrockner kurzgeschlossen. Dann entlädt sich das Gewehr mit einem ohrenbetäubenden Knall. Das Geschoss explodiert am Stamm der Eiche, und ein Schauer aus Funken und Splittern geht auf uns nieder. Der Baum brennt.

Ich muss das jetzt zu Ende bringen.

Ein letzter Kniestoß in seinen Bauch, und er lässt die Waffe los. Endlich habe ich das Gewehr.

Ich rolle mich nach rechts ab, ziele mit der verrückten Waffe auf seinen Oberkörper und drücke auf den ungewöhnlich geformten Abzug.

Einen Moment lang schießt wieder eine Entladung durch meine Arme und sogar durch meinen ganzen Körper. Ich sehe eine Handfläche und sechs Finger, die sich zu der universellen Geste heben: Aufhören! Dann schlägt die Ladung der Waffe durch die Hand des Opfers, und sein Körper explodiert. Inigo Montoya wäre stolz auf mich gewesen.

Die Rüstung und der Helm fliegen weg und prallen wie Flipperkugeln gegen die Äste der Eiche. Ich halte mir eine Hand vor den Kopf. „Aufpassen“, sage ich zu niemand im Besonderen. Es ist eher ein Reflex, weil man viel zu oft auf mich geschossen hat, als ich mit einem Trupp auf Streife gewesen war. Als die Trümmerstücke wieder auf dem Boden liegen, ziehe ich den Arm weg und bemerke, dass das Gewehr und ich mit Blut bedeckt sind. Anscheinend fährt die Waffe gerade herunter. Eine neutrale Männerstimme sagt: „Erkannte Sprache: Englisch. Benutzer, bitte identifizieren Sie sich.“