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0900, Freitag, 25. Juni 2027

New Brunswick, New Jersey

Rutgers University

 

Es ist exakt 0900, als wir auf den Cook/Douglass Campus der Rutgers University an der George Street fahren. Die Laubbäume und die Steinbauten verbreiten eine nostalgische Atmosphäre und erwecken den Eindruck, der Besuch der staatlichen Hochschule sei teurer, als es tatsächlich der Fall ist. An dieser Stelle muss mein Loblied jedoch schon enden.

Nach den geborstenen Fenstern und den Möbeln auf den Wiesen und den verlassenen Autos zu urteilen, scheint es, als hätten die Studierenden und Lehrkräfte, die in den Sommerferien hiergeblieben sind, blitzartig das sinkende Schiff verlassen. Außerdem haben hier bereits die Plünderer zugeschlagen. Ich staune immer wieder, wie Menschen sich die Mühe machen, in einer Notlage materielle Habseligkeiten zu stehlen, obwohl es viel besser wäre, in Deckung zu gehen und ausschließlich lebenswichtige Vorräte zu horten. Verzweifelte Menschen tun verzweifelte Dinge.

Beispielsweise laufen sie über eine verbrannte Brücke zu einem alten Freund und hoffen, das Bauwerk werde das Gewicht schon noch tragen.

Tatsache ist, dass ich mich auf das Wiedersehen mit Aaron nicht freue. Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, haben wir Menschen in Leichensäcke gesteckt, und er hat nicht mit mir gesprochen. Ich bin mir sicher, dass er mir immer noch anlastet, was mit Lewis und Dr. Walker geschehen ist. Und ich kann das verstehen. Wer jemals eine Einheit kommandiert hat, die Mitglieder verloren hat, der weiß ganz genau, was es heißt, an der Spitze zu stehen. Ob man die Schuld daran trägt oder nicht, man ist auf jeden Fall derjenige, der die Hand am Ruder hat. Wenn alles richtig läuft, erntet man nicht einmal den Ruhm, und wenn es schiefläuft, bekommt man Prügel.

Ich erwarte nicht, dass Aaron mir bereitwillig verzeiht. Allerdings hoffe ich, dass er noch lebt und bereit ist, uns zu helfen. Immer vorausgesetzt natürlich, er hat etwas Nützliches beizusteuern. Falls nicht, war dies ein kurzer Umweg, der uns im Grunde nicht allzu viel Zeit gekostet hat. Doch wenn man nicht viel hat, helfen manchmal auch die kleinsten Hinweise weiter.

„Phantom Eins, hier ist Phantom Drei. Bitte kommen.“

Das ist Bumper.

„Ich höre.“

„Hast du eine Vorstellung, wohin wir uns wenden müssen?“

„Einen Moment. He, Sir Charles“, sage ich zu der Waffe auf dem Beifahrersitz. „Du hast nicht zufällig eine Karte der Rutgers University?“

Nach einer zwei Sekunden langen Pause antwortet die Waffe: „Leider nicht. Dies gehört nicht zum Datenpaket, das mir zugeteilt wurde.“

„Roger. Es war einen Versuch wert.“

„Allerdings kann ich dich zu allen Wärmesignaturen führen, die ich entdecke.“

„Hast du Wärmesensoren?“

„Unter anderem, ja. Ich muss aber warnen, dass sie je nach Entfernung und Umgebungsbedingungen manchmal falsche Werte ausgeben.“

„Roger. Dann lassen wir es mal krachen. Was meinst du?“

„Ja, altes Haus, wir lassen es krachen.“

Ich öffne den Kanal und funke Bumper an. „Anscheinend hat der Phantomlord hier ein paar erstklassige Sensoren an Bord. Ich übernehme die Führung.“

„Roger.“

„Ich muss schon sagen, hast du mir gerade einen Rufnamen zugewiesen?“, fragt Chuck über Funk. Anscheinend ist er stolz darauf. Oder ist er verstört? Ich kann es nicht recht einschätzen.

„Japp“, antworte ich ebenfalls über Funk. „Wir können später darüber diskutieren.“ Direkt und ohne Funk füge ich hinzu: „Deine britischen Vokabeln Sir und Lord und die Barone und dieser ganze Unsinn haben mich darauf gebracht. Dann können wir es auch gleich offiziell machen.“

„Ha. Ich … das berührt mich, Patrick. Ich hatte mich schon auf Team Arschfeger oder so etwas eingestellt. Aber ein richtiger Lord? Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Nur damit das klar ist, du bist kein richtiger Lord. Es ist eher ein Ehrentitel. Also lass es dir nicht zu Kopfe …“

„Alle nennen mich jetzt Lord der Gewehre“, sagt er über Funk.

„… steigen.“

„Hat er da gerade eine Anspielung auf Herr der Fliegen gemacht?“, fragt Bumper.

Ich lächle Chuck an. „Nun?“

Über den teameigenen Kanal sagt er: „Ich dachte, das sei recht gewitzt.“

„Oh, das war nicht schlecht“, räumt Bumper ein.

Als ich Chuck seinen Rufnamen gegeben habe, kam es mir vor allem darauf an, seine Widerspenstigkeit ein wenig zu dämpfen. Vielleicht hat es funktioniert. Wie sich herausstellt, finde ich das Ding jetzt umso liebenswerter. Und das Gerät wird immer schlauer.

„He“, sage ich zu Chuck. „Wenn du so einfach über Funk sprechen kannst, könntest du dann vielleicht wenigstens, ich weiß nicht, deine Sendungen verschlüsseln oder so?“ Es ist schon schlimm genug, dass er keinerlei Funkdisziplin hält. Die Tatsache, dass er unseren Standort jederzeit an den Feind übermitteln könnte, ist nicht erfreulich. Er könnte wenigstens versuchen, uns ein wenig Deckung zu verschaffen.

„Aber gewiss, Patrick. Ich habe damit sofort begonnen, nachdem du mich auf dem Garden State Parkway aus dem Fenster geworfen hast.“

„Wirklich?“

„Ja. Du wirst dich doch sicherlich erinnern, wie du mich aus deinem fahrenden Auto geworfen hast, und wie ich verletzlich, schutzlos und mutterseelenallein dort draußen lag?“

„Ich finde, du übertreibst jetzt ein wenig.“

„Für mich war es jedenfalls ein unvergessliches Erlebnis. Ich meine, hat man dich schon einmal aus einem Fahrzeug geworfen, das mehr als fünfundneunzig Stundenkilometer schnell gefahren ist? Um dich in der Blüte deines Lebens in der Einöde zurückzulassen?“

„Wenn du so fragt, japp, das ist mir schon mal passiert.“

„Genau! Und wenn es geschehen wäre, dann … warte mal, es ist dir passiert?“

Ich schnalze mit der Zunge.

„Oh, Herr im Himmel! Möchtest du darüber reden?“

„Zur Sache. Was hast du mit unserem Funkverkehr gemacht?“

„Aber selbstverständlich.“ Er schweigt einen Moment, als müsste er sich sammeln.

Was für ein dramatischer Auftritt.

„Da die Androchider eine Reihe von Technologien besitzen, mit denen sie euren Funkverkehr, sagen wir einmal, nutzen könnten, um euch in Gefahr zu bringen, habe ich mir die Freiheit genommen, eine Art Funkausfall zu simulieren, wie es der Direktive Alpha entspricht.“

Da er das alles über Funk sagt, öffne ich ebenfalls den Kanal und frage nach. „Haben das alle verstanden?“

„Roger“, bestätigen sie nacheinander.

Ich sehe Chuck mit hochgezogener Augenbraue an. „Also, das war klug von dir. Vielen Dank.“

„Gern geschehen.“

„Könntest du jetzt mit dem Scannen beginnen?“

„Bitte, das ist längst erledigt“, sagt er über Funk. „Und ich freue mich, berichten zu können, dass ich mindestens vier falsch-positive Ortungen eliminieren konnte. Außerdem habe ich, so glaube ich, den Standort deines Freundes Doctor Who ausfindig gemacht.“

„Das ging schnell. Wie sicher bist du dir, dass er es ist?“

„Ausgehend von dem, was ich von dir weiß, und was mir allgemein über akademische Titelträger bekannt ist, habe ich mehrere Individuen ausgeschlossen. Beispielsweise das Paar, das im Moment in der Hickmann Hall mit einem Koitus beschäftigt ist. Der beschleunigte Herzschlag und die Körpertemperatur der Frau legen die Vermutung nahe, dass sie sehr bald …“

„Na gut, du Spanner, erspare uns die Einzelheiten.“

„Mich würde das schon interessieren“, sagt Z Lo.

„Halt den Mund, Junge“, gebe ich zurück.

„Jawohl, Sir, halte den Mund.“

Ich schließe den Kanal und sehe Chuck an. „Sag mir einfach, wo der Doc ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit du ihn erkannt hast.“

„Meinst du den Prozentsatz meiner Gewissheit? Die Fehlerquote liegt bei 0,00001 Prozent.“

Ich runzele die Stirn. „Es reicht mir, wenn du zwischen hoch und niedrig unterscheidest.“

„In diesem Fall: hoch. Falls du mich hochheben und auf dreihundertvierundsechzig Grad zum Horizont hin ausrichten könntest, wäre es mir möglich, meine Wahrnehmungen noch weiter zu präzisieren.“

Mir liegt eine sarkastische Frage auf der Zunge, ob Chuck jetzt Aaron erschießen will. Die Waffe wäre durchaus dazu imstande. Aber falls er jemanden töten wollte, dann hätte er zuerst einen von uns Phantomen getötet. Außerdem kam mir unser ganzer Austausch über Waffen und darüber, Menschen nicht zu töten, aufrichtig vor. Japp, ich ringe immer noch mit mir. Allerdings habe ich bis jetzt überlebt, oder?

„Falls dein Schweigen mit der Befürchtung zu tun hat, ich könnte deinen Freund erschießen …“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Nun ja, dein Herz schlägt schneller, und ich habe einen Wechsel der Pupillenweite festgestellt, der für ängstliche Vorahnung spricht …“

„He, spar dir das.“

„Meinst du damit, ich soll aufhören, deine Vitalfunktionen zu überwachen?“

„Japp.“

„Aber das ist eine Grundlage meiner …“

„Egal. Lass es bleiben.“

„Äh, ja … das macht es mir aber schwer, meine Aufgabe zu erfüllen.“

„Das Leben ist kein Ponyhof. Anpassen, improvisieren, überwinden.“

„Was?“

„Lass dir was anderes einfallen.“

Er seufzt gedehnt. „Wenn du meinst.“

Ich hebe Sir Charles hoch und lege ihn quer auf das Armaturenbrett, wobei ich den Kompass an der Windschutzscheibe zu Hilfe nehme. Verdammt, ich kann nicht anders. „Erschieße ihn nicht.“

„Ich wusste es doch“, antwortet Chuck.

„Ja, schon gut.“

Zwei Sekunden später sagt Chuck: „Biege am Chemistry Drive rechts ab.“

„Hier?“

„Ja, hier. Glaubst du wirklich, es gibt auf dem Campus einen zweiten Chemistry Drive? Oder bist du nicht fähig, die Straßenschilder zu lesen, während du fährst, du Niete?“

„He“, sage ich gereizt. Ich weiß nicht, was er mir damit sagen will oder warum er auf einmal so giftig wird, aber es gefällt mir nicht. Oder vielleicht doch ein wenig. So etwas gerät jedoch leicht außer Kontrolle, wenn man nicht rechtzeitig einschreitet. Im Augenblick, während ich am Lenkrad drehe, fällt mir nichts ein außer: „Pass ja auf, Bürschchen.“

„Ich sitze nicht am Lenkrad.“

Ich will noch etwas hinzufügen, muss mich aber auf die enge Kurve konzentrieren. Vermutlich macht ihn die Ernennung zum Phantomlord übermütig. War wohl doch ein Fehler.

„Warum biegen wir ab?“, fragt Hollywood.

„Chuck sagt, er …“

„Ich habe in der Anthropologischen Abteilung des Dr. Ruth M. Adams Building jemanden geortet, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um Dr. Aaron Campbell handelt.“

„Genau“, füge ich hinzu, als er den Kanal freigibt. Dann frage ich Chuck: „Hast du die Wegweiser gelesen?“

„In der Tat. Einfachen Text zu lesen, gehört zu meinen Fähigkeiten.“

„Na gut, na gut.“ Wir halten vor einem dreistöckigen Backsteinbau, dessen Türsturz mit dem Wort ADAMS beschriftet ist. Ich fahre zur nordöstlichen Seite herum und stelle den Land Cruiser neben ein paar Bäumen ab. Dies ist kein Parkplatz, aber für den Fall, dass wir schnell fliehen müssen, ist es besser, wenn wir uns nicht zu streng an die normalen Verkehrsregeln halten. Es kommt jetzt vor allem darauf an, wo wir gute Deckung finden.

Ehe ich aussteige, greife ich hinter den Beifahrersitz und hole ein aufgerolltes Gurtband hervor. Normalerweise benutzt man es, um die Ladung zu sichern oder ein Klettergeschirr zu improvisieren.

„Was tust du da?“, fragt Chuck.

„Wie sehen deine Kondensatoren aus?“

Er zögert. „Ich weiß nicht genau, was meine Kondensatoren mit diesem Kletterdings zu tun haben.“

„Kannst du jetzt schießen?“

„Nein. Es dauert noch etwas, bis ich voll geladen bin.“

„Also bist du als Waffe wertlos.“

„Ich meine, ich würde nicht sagen, dass ich wertlos bin, aber … irgendwie schon. Es sei denn, du möchtest jemanden mit mir erschlagen. Dann wäre ich eine schöne Ergänzung für dein Arsenal.“

„Gut.“ Ich schneide ein Stück vom Gurt ab und wickle Chuck damit ein. „Bis dahin bleibst du als Navigator auf meinem Rücken.“

„Und dein SCAR hat den ganzen Spaß?“

„He, es ist doch nicht meine Schuld, dass du nicht schneller nachladen kannst.“

„Aber du hast mehrmals mit mir geschossen.“

„Das hat nichts mit deiner Ladegeschwindigkeit zu tun.“

Er seufzt. „Das ist wohl wahr.“

Nachdem ich eine Schlinge geknotet habe, steige ich aus dem Fahrzeug. Draußen schiebe ich meinen Arm und den Kopf durch die Schlinge und verankere Chuck auf meinem Rücken. „Hast du es bequem?“

„Klar. Und ich habe einen wundervollen Blick auf deinen Arsch.“

„Wie ich höre, ist er hinreißend.“

„Man hat dich angelogen.“

Ich muss unvermittelt lachen. Irgendwie mag ich diese neue Seite, die Chuck jetzt zeigt. In Maßen jedenfalls. Wenn er Humor hat, kann er doch so übel nicht sein.

Ich nehme mein SCAR und treffe mich mit den anderen Teammitgliedern. Zusammen nähern wir uns dem Eingang.

„Ist er allein da drin?“, fragt Hollywood mich.

Ehe ich antworten kann, sagt Chuck: „Positiv, Phantom Zwei. Erster Stock, in der hinteren nordwestlichen Ecke. Verstanden und Roger. Ende.“

Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.

Ich schüttele den Kopf. „Er ist aufgeregt.“

„Patrick, ich bin nicht aufgeregt. Ich stelle mich nur auf meine neue Rolle als Phantomlord ein.“

„Das war wohl ein Fehler“, flüstere ich Hollywood zu.

„Das habe ich gehört.“

„Yoshi, du bleibst bei den Fahrzeugen“, sage ich. „Ghost, du übernimmst die Rückendeckung. Bumper, Erdgeschoss. Hollywood und Z Lo kommen mit mir.“

„Und ich. Ich bin auch bei dir“, ergänzt Chuck.

„Japp. Du bist bei mir.“ Ich sehe mich um. „Es sei denn, jemand anders will ihn nehmen?“

„Er kann Mädchen durch Wände beobachten, richtig?“, fragt Z Lo.

Bumper klopft Z Lo kräftig hinten auf den Helm. „Halt den Mund, Lazlo.“

„Entschuldige.“

Ich kichere über den Wortwechsel und setze meine Einsatzmiene auf. „Zeit für OTF.“

Bumper grinst. „OTF, Leute.“

 

Das Adams Building riecht alt und muffig. Ich weiß nicht, ob es die Schaukästen voller Steine und alter Artefakte sind oder die Weltkarten und der Zeitstrahl an den Wänden, aber wenn ich nachts hier wäre, würde es mir vorkommen wie die perfekte Kulisse für einen Angriff von Mumien.

Bumper sichert den Vordereingang, Ghost huscht den Flur hinunter und wendet sich an einer Gabelung des Gangs nach rechts. Wahrscheinlich sucht er auf der Südseite nach einer auf das Dach führenden Treppe. Inzwischen biegen Hollywood, Z Lo und ich links ab und suchen eine andere Treppe, die uns zu Aarons Position bringt.

Chuck sagte zwar, es sei sonst niemand im Gebäude, doch ich halte vorsichtshalber die Waffe bereit, während ich an den Laboratorien, Wandschränken und Büros vorbeigehe. Am Ende des Flurs stoßen wir tatsächlich auf eine Treppe. Über Funk sage ich: „Wir gehen hoch.“

„Bin auf dem Dach, alles klar“, meldet Ghost. Verdammt, der Kerl ist schnell.

Hollywood baut sich unten an der Treppe auf und sieht sich nach Gefahrenquellen um. Sie signalisiert uns, dass alles sauber ist, dann springen Z Lo und ich hinauf und sichern die Absätze und die nächste Treppenflucht. Anschließend, im ersten Stock, kommt Hollywood wieder zu uns.

Laut dem allwissenden Phantomlord müsste Aaron hinter der ersten Tür auf der rechten Seite sein.

Ich ziele unentwegt auf die Tür und nicke Z Lo zu. Wir nähern uns dem Gefahrenbereich. Er ruckelt am Türgriff. Hollywood steht hinter ihm bereit.

Der Junge schüttelt langsam den Kopf. Die Tür ist von innen versperrt.

Ich zeige auf ihn und dann mit zwei Fingern auf meine Augen. Dann deute ich auf das rechteckige kleine Fenster über der Tür.

Er nickt und will hineinspähen, doch da hält Hollywood ihn auf. Sie zückt eine Puderdose, klappt den kleinen Spiegel auf und reicht ihm das Ding. Solche Eingebungen sorgen dafür, dass die Leute keine Kugel in den Kopf bekommen. Ich zeige ihr anerkennend den hochgereckten Daumen.

Z Lo dreht den Spiegel, bis er durch das Fenster spähen kann. Als er die Puderdose sinken lässt, streicht ein Sonnenstrahl über sein Auge. Er gibt mir zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.

Ich trete näher heran und spähe direkt durch das Fenster. Aaron sitzt inmitten von aufgeschlagenen Büchern und aufgestapelten Dokumenten an einem Schreibtisch − genau so, wie ich es mir gedacht habe. Das Land stürzt in eine Krise, und was tut der gute Mann? Er arbeitet. Die Heiligen mögen ihn behüten.

„Wie willst du weiter vorgehen, Guns?“, flüstert Z Lo.

Jede Wette, dass der Junge am liebsten die Tür eintreten würde. Doch nach allem, was Aaron und ich in der Antarktis erlebt haben, nehme ich an, mein alter Freund braucht nicht viel, um auszurasten.

„Wir machen es auf die altmodische Weise“, antworte ich und richte mich auf. Ich klopfe zweimal ans Fenster und rufe: „He, Aaron, hier ist Patrick.“

Z Lo sieht mich überrascht und enttäuscht an. Dann beschließt er, meinem Beispiel zu folgen, und stellt sich auf der anderen Seite neben die Tür. Hollywood bleibt ein wenig zurück. In einer Gefechtssituation würde ich nach rechts laufen, sobald die Tür aufgebrochen ist, während Z Lo sich nach links wendet und Hollywood das Zentrum übernimmt. Aber dazu wird es hier nicht kommen.

Ich winke dem Jungen, sein Tavor-Sturmgewehr sinken zu lassen. Dann rufe ich noch einmal, etwas lauter als beim ersten Mal: „Aaron, ich bins, Patrick. Mach auf.“ Als ich noch einmal durch das Fenster spähen will, zertrümmern zwei Schüsse das Glas und stanzen ein Loch in die Tür.