0923, Freitag, 25. Juni 2027
New Brunswick, New Jersey
Rutgers University, Cook/Douglass Campus
Adams Building
Als wir uns mit Ghost, Bumper und Yoshi an der Hintertür im Erdgeschoss treffen, schätze ich, dass wir noch fünfzehn Sekunden Zeit haben. Wir verlassen das Gebäude und rennen über den von Bäumen gesäumten Gehweg zu einem alten Ziegelgebäude hinüber. Auf einem Schild lese ich: „College Hall: OIT-Verwaltung“. Im Grunde könnten wir uns hier einrichten, doch das Haus steht mitten im Park, und die Feinde könnten uns leicht umzingeln. Wenn wir genug Zeit hätten, würde ich lieber zum anderen Ende der großen Wiese laufen und damit die Angriffswege des Feindes beschränken.
„Chuck, Lagebericht?“
„Möchtest du, dass ich dir die Situation schildere? Mensch, diese scharfe militärische Sprechweise gibt mir das Gefühl, bei etwas Wichtigem dabei zu sein.“
„Verdammtes Gewehr. Was machen die Feinde?“
„Schwer zu sagen. Im Augenblick betrachte ich mal wieder deinen Arsch.“
Mit gut eingeübten Bewegungen nehme ich im Laufen mein SCAR auf den Rücken und hebe Chuck, dann trete ich einen Schritt zur Seite, damit er das Gebäude hinter uns erfassen kann.
„Anscheinend dringen zwei Todesengel , wie ihr sie so theatralisch nennt, in das Gebäude ein, während drei eurer sogenannten Kampfbots das Gebäude umrunden. Ich könnte noch hinzufügen …“
„Schaffen wir es bis zur anderen Seite des Parks?“
„Also, wenn du nicht hören willst, was ich hinzuzufügen habe, warum sollte ich dann …“
„Vergiss nicht, es geht um mein Wohlbefinden.“
„Hm. Wie unbehaglich für mich. Na gut, ja, ich glaube, ihr habt reichlich Zeit, das offene Gelände zu überqueren, solange ihr im Sichtschatten des Hauses bleibt. Außerdem könnte ich meinen EMSG einsetzen, um …“
„Deinen was?“
„Meinen elektromagnetischen Störfeldgenerator, der vorübergehend ihre Fähigkeit stört, euch anzuvisieren, solange ihr dicht zusammenbleibt. Das verschafft euch noch ein wenig mehr Zeit.“
„Klar, gern.“ Ich habe keine Ahnung, was er meint, aber die Zielerfassung der Feinde zu stören, ist auf jeden Fall eine gute Idee.
Ich unterstelle, dass die anderen den Wortwechsel mitangehört haben, laufe schneller und folge dem Gehweg um das Verwaltungsgebäude herum, bis mehrere große Gebäude vor uns liegen. Die Wegweiser verraten mir, dass es links zur Kapelle geht, während sich in der Mitte eine Bibliothek befindet und rechts mehrere Wohngebäude stehen.
Die Kirche hat vermutlich die stärksten Mauern, aber ich hatte schon immer Hemmungen, den Krieg in ein Gotteshaus hineinzutragen. Sie dürfen mich ruhig altmodisch nennen. Außerdem bin ich nicht davon überzeugt, dass der Allmächtige sich über meine Berufswahl freut. Ich habe Zweifel, ob er meine Bitte um Hilfe, falls es jemals so weit kommen sollte, überhaupt erhören wird.
Allerdings teilt nicht jeder meine Überzeugungen, und der Mitstreiter, den ich gern auf dem Dach der Kapelle postieren würde, denkt vermutlich schon selbst, dass er genau dort sein möchte. Ich überlasse es wohl besser dem heiligen Petrus, uns einzuteilen, wenn wir vor der Himmelspforte stehen.
„Wir verschanzen uns in der Bibliothek“, sage ich, als wir weiterlaufen. Es ist ein bescheidenes zweistöckiges Gebäude mit guten Sichtlinien auf die große Wiese. Dann nicke ich in die Richtung der Kapelle auf der linken Seite. „Ghost, du postierst dich im Glockenturm.“
„Schon unterwegs.“
Chuck unterbricht mich. „Ghost ist dann nicht mehr gedeckt durch mein …“
„Durch dein elektronisches Verzerrungsding, verstanden.“ Ich zeige auf die vordere Seite der Bibliothek. „Bumper, nordwestliche Ecke. Z Lo, Südwesten. Hollywood und Yoshi, ihr unterstützt die beiden. Ich gehe zum Wohnhaus rechts. Ihr müsst die Kampfbots in die Todeszone vorm Haus locken, während Ghost und ich die Todesengel ausschalten.“
„Roger“, antworten sie.
„Aaron, du folgst Hollywood nach drinnen, dann setzt du dich ab und gehst ganz nach hinten. Geh in Deckung und bleibe dort, bis wir dich holen.“ Ich ziehe meine Glock und gebe sie ihm. „Zielen und abdrücken − ist nicht kompliziert.“
Er nickt, schiebt die Brille hoch und nimmt die Waffe entgegen, als hätte ich ihm eine Bombe in die Hand gedrückt. Er hat gerade mit einem Revolver eine Tür durchlöchert, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es die ersten sechs Schüsse waren, die mein Freund jemals abgefeuert hat. Ist halt nicht sein Ding.
„Zielen und abdrücken“, sage ich noch einmal, um ihn zu beruhigen.
„Zielen und abdrücken. In Ordnung, das habe ich verstanden.“
Das Team bricht die Vordertür auf, geht mit Aaron hinein und bezieht die Positionen. Ich habe Aaron und die meisten Teammitglieder vor allem deshalb in die Bibliothek geschickt, weil es dort eine Menge Barrikaden gibt, die Schüsse abhalten. Sprich, die Bücherregale. Ein fünf Zentimeter dickes Lehrbuch klingt nicht nach viel, aber wenn man mehrere davon aufstapelt, bekommt man einen schusssicheren Wall, hinter dem jeder Marine in einer Gefahrensituation gern in Deckung gehen würde. Immer vorausgesetzt, die Energiewaffen der Feinde verhalten sich wie unsere Projektilwaffen, was vermutlich gar nicht der Fall ist, wenn ich es mir recht überlege.
Mist.
Als ich im ersten Stock des Wohngebäudes an einer Treppe meine Position bezogen habe, höre ich Ghost im Funk. Hinter den Lamellen des weiß gekalkten Kirchturms kann ich gerade eben seinen Schatten erkennen.
„Fünf Tangos aus westlicher Richtung.“
Ich blicke in die angegebene Richtung und entdecke hinter dem Ziegelgebäude in der Mitte der großen Wiese eine Bewegung. Beinahe will ich allen Heiligen danken, dass Ghost das BPF mit dem Geschützturm, in dem noch der Fahrer und der Schütze sitzen, offenbar nirgends entdecken konnte. Aber jetzt ergänzt er: „BPF südlich des Adams Building.“
Das ist unerfreulich.
„Alle Posten, meldet euch“, funke ich.
„Phantom Zwei, Roger“, meldet Hollywood.
„Phantom Drei, alles klar“, antwortet Bumper.
„Geladen, entsichert und bereit zum Tanz.“ Das war Z Lo. Meinetwegen.
„Phantomwächter, Roger“, sagt Ghost.
Yoshi bildet den Abschluss: „Doc – Phantomdoc − alles klar.“
„Und der Phantomlord der kleinkarierten Besitzer ist bereit, seinen heiligen Zorn auf jene käsefressenden lächerlichen Deppen zu richten“, schreit Chuck. „God save the Queen , und wir schicken die verdammten normannischen Invasoren in den Hades! Wir furzen in eure Richtung.“
„Hör bloß auf, Charlie. Phantom Drei und Phantom Vier, warten. Phantomwächter, wir feuern erst, wenn die Bots wirklich nahe sind. Wartet auf mein Zeichen.“
„Roger“, antwortet Ghost. Auch Bumper und Yoshi bestätigen.
„Und ich?“, fragt Chuck mich direkt und ohne Funk.
„Wie viele Schüsse hast du?“
„Patrick, die Antwort auf deine Frage ist höchst komplex. Es kommt auf den Modus, auf die Feuerrate und die Ladungsgröße an. Außerdem laden meine Kondensatoren mit einer algorithmischen Kurve, die …“
„Junge, das ist gewiss alles total wichtig, aber da kommen gleich Todesengel um die Ecke. Ich muss mir sicher sein, dass wir sie ausschalten können.“
„Äh, schau mal, das Gute an deiner persönlichen superklugen ultimativen Waffe ist, dass ich, nun ja, ich bin eben superklug und ziemlich ultimativ. Also, um eine sehr kluge Person aus meinem Bekanntenkreis zu zitieren, du musst zielen und abdrücken, Patrick. Zielen und abdrücken.“
Die drei Kampfbots wandern im Osten über die Wiese und halten direkt auf die Bibliothek zu. Direkt hinter ihnen folgen die beiden Todesengel. Ich bin mir nicht sicher, wie empfindlich die Wärmesensoren der Aliens sind, aber wenn sie uns im Adams Building wahrgenommen haben, dann können sie uns wohl auch jetzt erfassen. Ich hoffe nur, dass sie sich auf die Bibliothek konzentrieren und Ghost und mich vorerst nicht berücksichtigen.
Die Todesengel gehen auf Nummer sicher. Statt offen umherzustolzieren wie der Todesengel auf dem Parkway bleiben diese hier hinter den abschirmenden Robotern in Deckung. Das ist klug. Ich frage mich, ob sie erfahren haben, dass ihr Handelsgut einen Blaster erbeutet hat.
„Lasst sie kommen“, flüstere ich, während ich durch Chucks Visier blicke. Ich sehe die groteske grüne Haut, die grünen Adern und das vertikale Maul, das aussieht wie eine Venusfliegenfalle oder so. „Nur noch ein Stückchen.“
„Soll ich jetzt schießen?“, fragt Chuck.
Erschrocken nehme ich das Auge vom Zielfernrohr. Ich blinzele zweimal und konzentriere mich wieder auf das Ziel. Wenn man noch nie eine Waffe hatte, die mit einem spricht, ist so etwas wirklich beunruhigend. „Ich sage dir Bescheid, wenn ich abdrücke. Wie findest du das, Kumpel?“
„Ich habe den Eindruck, dass du zögerst. Der Druck deines Fingers schwankt, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass du …“
„Wenn ich abdrücke, wirst du es merken.“
„Ich wollte nur helfen. Außerdem verlierst du gleich die Deckung durch mein EFSG.“
„Gut, danke.“ Ich konzentriere mich auf die hervorgehobenen Ziele im Visier. „Das Display sagt, dass ich im Hochfrequenzmodus bin. Entspricht das dem, was ich kenne?“
„Nichts an mir ähnelt irgendetwas, das du kennst, Patrick.“
„Ich …“ Ich beiße die Zähne zusammen und atme bewusst und tief durch. „Was ist eine automatische Salve mit voller Kraft und ohne Klimbim?“
„Hochfrequenz und hohe Leistung entspricht in etwa dem, was du willst.“
„In etwa?“
„Haben wir Zeit, damit ich dir all die Kostbarkeiten erkläre, die in den Nischen und Winkeln meines wundervollen Innenlebens verborgen sind?“
„Negativ.“
„Dann ist es in etwa das, was du willst.“
„Roger.“
Ich kann das Fadenkreuz immer nur einen Moment lang auf den linken Todesengel ausrichten. Die beiden Tangos sind nur manchmal zwischen den Kampfbots sichtbar, die mit schwingenden Armen und Beinen einherlaufen. Die Aliens wissen anscheinend, wo sie am besten gedeckt sind. Außerdem haben sie die Waffen nicht gehoben, was vermutlich bedeutet, dass sie uns noch nicht für eine Bedrohung halten. Das würde ihr Verhalten jedenfalls bedeuten, wenn sie sich an die menschliche Körpersprache halten. Allerdings habe ich solche Aufmärsche auch bei Gegnern auf dem Schachbrett gesehen, die sich gerade deshalb unbefangen geben, weil sie wissen, dass sie gleich furchtbar zuschlagen werden. Das macht mich sogar noch nervöser, als wenn sie mit Kanonendonner anrücken würden.
„Phantom Drei und Phantom Vier, bereit für den Angriff“, sage ich über Funk.
Die drei Bots sind fünfundsiebzig Meter entfernt und halten direkt auf die Bibliothek zu.
„Weißt du, auf eine düstere Art und Weise macht das sogar eine Menge Spaß“, sagt Chuck leise.
„Nicht jetzt.“
„Stell dir vor, was ich in meinen Memoiren schreiben könnte: SR-CHK 4110 auf Planet Erde, gefangen von einem primitiven Handelsgut, bekam von älterem Häuptling einen neuen Kriegernamen, tritt fortan auf als der legendäre Sir Charles und hilft, genau diejenige Zivilisation auszulöschen, die …“
„Feuer“, befehle ich über Funk.
Die Salven zerschmettern die Eckfenster der Bibliothek und fliegen den drei Kampfbots um die Ohren. Die Tangos taumeln zurück und heben die eigenen Waffen. In diesem Moment starten die Todesengel mit ihren Jetpacks.
„Phantomwächter, Angriff.“ Noch ehe ich selbst abdrücken kann, höre ich Ghosts Barrett knallen. Im Visier sehe ich den Einschlag als Blitz, sein Ziel auf der rechten Seite rempelt meines an. Nach der Kollision erholen sich die Tangos schnell wieder. Ghost schießt noch zweimal, ich visiere die Ziele an und drücke Chucks Abzug so fest, dass er es nie vergessen wird.
„Also, mein lieber Scholli“, sagt er.
Der Rückstoß treibt das Gewehr gegen meine Schulter, eine blaue Lichtlanze rast durch den Himmel und trifft mein Ziel in die Brust. Hingerissen und staunend sehe ich, wie der kurze Laserimpuls die grünen Panzerplatten durchdringt und den Oberkörper des Aliens überlädt. Sein ganzer Körper explodiert, und eine Hundertstelsekunde später fliegen seine Rüstungsteile den Kampfbots in den Rücken, und eine grüne Flüssigkeit sprüht hervor.
„Verdammt, Chuck“, sage ich.
„Ja, verdammt, Patrick.“
Wieder splittert Glas, weil jetzt die Bots die Vorderfront der Bibliothek beharken. Ihre Waffen sind nicht so stark wie meine, was erklärt, warum sie bei den vorherigen Begegnungen ihre Ziele nicht ganz so wirkungsvoll erledigen konnten. Das gilt allerdings nicht für den verbliebenen Todesengel. Er hat eine Waffe vom gleichen Typ wie Chuck.
Als wollte er mich daran erinnern, jagt der von Ghost bekämpfte Tango einen Energiestoß durch den Kirchturm. Der Schuss trifft die Glocke und beschädigt den Turm. Ziegelsteine und Balken platzen in einem perfekten runden Kreis hervor, und der Turm neigt sich zur Seite, während die noch stehenden Verstrebungen stöhnen. Dann kracht die Glocke im Gebäude herab und landet mit einem lauten Knall auf dem Boden. Die stützenden Balken brechen zusammen.
Mein menschlicher Instinkt sagt mir, ich müsse mich um Ghost kümmern, doch mein Marine-Kopf rät mir, zuerst den Hundesohn zu erledigen, damit der so etwas nie wieder tun kann. Ich ziele also auf jenen Tango und setze ihm Chucks Fadenkreuz auf die Brust. Der Feind ist anscheinend verletzt, aus einigen Löchern, die Ghosts .50er-Geschosse geschlagen haben, sickert eine Flüssigkeit. Als ich zum zweiten Mal auf Chucks Abzug drücke, schießt abermals eine Feuerlanze aus dem Lauf. Das typische Heulen beim Nachladen dröhnt laut in meinen Ohren, aber der Todesengel verwandelt sich in eine schillernde Dunstwolke und seine Panzerplatten fliegen in alle Richtungen.
„Phantomwächter“, rufe ich über Funk. „Melde dich.“
Hustend antwortet Ghost. „Bin noch da.“
Gleich darauf sehe ich, wie er eine kaputte Vordertür der Kapelle eintritt. Eine weiße Wolke dringt heraus, und dann folgt eine von Kopf bis Fuß verstaubte Gestalt. Ghost hat das Barrett angelegt und zielt auf den Bot auf der rechten Seite.
Der Kerl ist eine Maschine.
Als Hollywood und Yoshi zu Bumper und Z Lo stoßen, um sie zu unterstützen, ziele ich auf den Bot, der mir am nächsten ist. Im Visier sehe ich, wie mit jeder Sekunde Dutzende Kugeln gegen die magentaroten Panzerungen der Bots prallen. Wir haben dazugelernt und konzentrieren unser Feuer auf die Gelenke – besonders auf den Hals.
Ghost bricht mit dem dritten Schuss seinem Tango das Genick. Der Kerl ist wahrscheinlich nach dem Sturz noch etwas angeschlagen. Teufel, ich bin einfach nur froh, dass Ghost noch lebt. Unterdessen konzentrieren die Leute in der Bibliothek das Feuer auf den mittleren Bot. Die rechte Hüfte, die linke Schulter und der Hals gehen rasch nacheinander kaputt. Der Feind bricht hilflos zusammen.
Der Letzte gehört mir.
Als ich die Liste der Modi betrachte, bemerke ich das Wort „Disruptor“. Der Menüpunkt ist hervorgehoben.
„Gute Wahl, alter Freund“, sagt Chuck. „Aber nicht sehr originell.“
Ich verstehe nicht, was er meint, und wie dieser Modus überhaupt selektiert wurde, habe aber keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Das Fadenkreuz wandert durch das Visier, und ich habe das Gefühl, eine Art Gyroskop richtet meine Waffe in kreiselnden Bewegungen eigenständig aus, obwohl ich die Waffe in den Händen halte.
„Jetzt, Patrick“, sagt Chuck. „Jederzeit. Wann immer du …“
Ich drücke ab.
Die Waffe ruckt heftiger als beim letzten Mal, und zwischen dem Ziel und mir steht ein heller Lichtstrahl. Dann höre ich ein lautes Knacken, der Bot wird von einem blauen Licht eingehüllt und explodiert schließlich. Orangefarbene Funken und rot glühende Splitter fliegen davon, schlagen durch die Bäume und bohren sich in Autos und Gebäude.
Mit rasendem Herzen nehme ich Chuck herunter und überblicke das Schlachtfeld. „Lagebericht“, sage ich über Funk.
„Phantom Vier ist getroffen“, antwortet Hollywood.
Ehe sie den Sprechknopf wieder loslässt, höre ich Z Lo im Hintergrund rufen: „Ach Mensch, sag ihm das doch nicht!“
„Aber er wird es schaffen. Wir kümmern uns schon um ihn“, ergänzt sie.
„Roger.“
„Das waren aber krasse Schüsse“, meint Bumper.
„Danke“, antworte ich.
„Phantom Eins, ich glaube, er hat mit mir gesprochen“, schaltet sich Chuck über Funk ein, damit es alle hören können. „Und vielen Dank, Phantom Drei.“
„Aber ich dachte, Waffen töten keine Menschen“, gebe ich grinsend zu bedenken.
„Die da waren keine Menschen, Patrick. Das waren Androchider und Kampfbots. Da gibt es einen Unterschied, das musst du schon beachten. Also wirklich.“
„Ah, verstehe.“
„Und schau nicht hin, aber das BPF bewegt sich.“
Mist. Wir müssen uns ja noch mit dem Transporter befassen.
„Zehn Uhr“, sagt Ghost. „Kommt schnell näher.“
„Phantome, geht in Deckung und bereitet euch auf den Angriff vor.“
„Den überlassen wir dir“, sagt Bumper. „Viel Spaß.“
„Äh, ja. Also, was das betrifft …“, sagt Chuck.
„Was ist denn los?“, frage ich.
„Oh, nichts weiter.“
„Spucks aus, Charlie.“
„Also, wenn ich ein Arzt wäre und deine furchtbar ermüdende Vasektomie abschließen würde, dann würde ich sagen: Herzlichen Glückwunsch, Sie können jetzt so oft ohne jede Angst koitieren, wie Sie wollen. Von jetzt an verschießen Sie nur noch Platzpatronen. Niemand wird das Baby mit Ihnen in Verbindung bringen können, altes Haus.“
„Was willst du mir damit sagen?“
„Deine Waffe ist leergeschossen. Du hast keine Munition mehr. Du …“
„Ich kann nicht mehr schießen?“
„Nicht, falls du nicht sofort Zugang zu einer standardisierten, dreifach redundanten, doppelt abgeschirmten Quantenkondensatormatrix mit Wärmeableitung aus Flüssigdusiik bekommst.“
„Hundesohn.“
„Oh nein, das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“
„Ich dachte, Benutzer Acht und ich konnten jeweils ein Dutzend Schüsse abgeben, ehe du entladen warst.“
„Das ist richtig. Aber vor drei Minuten hast du um ‚Hochfrequenz und hohe Leistung‘ gebeten, was ich bestätigt habe.“
„Ich wollte doch nicht, dass du deine verdammten Batterien mit drei Schüssen leerst!“
„Das sind keine Batterien, sondern Kondensatoren, und du hättest dich genauer ausdrücken sollen.“
„Ach, hätte ich das tun sollen?“ Ich verstaue Chuck auf dem Rücken und nehme das SCAR in die Hände.
„He, was tust du da?“
Ich ignoriere ihn. Obwohl Chuck wirklich über erstaunliche Fähigkeiten verfügt, ist es sehr beruhigend, meine kampferprobte alte Waffe in den Händen zu halten, der ich trauen kann und die keine Widerworte gibt. „Anscheinend müssen wir das auf die altmodische Weise erledigen.“
„Dann bist du jetzt fertig mit mir?“
„Japp.“
„Aber ich habe doch nur …“
„Dreihundert Meter, BPF nähert sich weiter“, meldet Ghost.
„Phantomwächter, kannst du den Fahrer erledigen, wie du es schon einmal getan hast?“
„Roger. Aber nichts aus unserem Arsenal konnte den Turm ausschalten, bis du mit Sir Charles gekommen bist.“
„Na, stell dir das mal vor“, sagt Chuck.
„Dann müssen wir wohl einen anderen Weg finden.“
Ich denke an das BPF, das wir vor einer Stunde untersucht haben. Genau wie unsere gegen Minen geschützten Räumfahrzeuge in Afghanistan hat das BPF nur einen Eingang, und zwar hinten. Aus dem Crewabteil führt ein schmaler Durchgang zum Platz des Schützen.
„Phantom Drei, hast du noch etwas, das laut knallen kann?“, frage ich.
„Da würde ich doch eher auf meine Boxershorts verzichten“, antwortet Bumper.
„Will sehen“, sagt Hollywood schnell genug, ehe ich antworte.
Ich gehe nicht auf sie ein. „Dann schleichen wir zwei nach hinten herum. Alle anderen, ihr müsst den Geschützturm ablenken. Aber macht keine Dummheiten und achtet darauf, dass ihr immer gute Deckung habt. OTF?“
„OTF“, antworten sie.
Als ich die Treppe hinuntertrampele, setzt das Feuer aus der Bibliothek und der Kapelle ein. Die Kugeln prallen vorne am BPF ab. Ghost jagt mit erstaunlicher Präzision einen Schuss nach dem anderen in die keilförmige Windschutzscheibe. Anscheinend hat er sein Mojo wiedergefunden und hält hemmungslos drauf.
Unterdessen hält Bumper sein M249 in der Armbeuge und rennt auf mich zu wie ein Wide Receiver, der seinen Punkt machen will. Na ja, ein Wide Receiver, der die Größe eines Offensive Lineman hat. Gott möge denen beistehen, die sich diesem Mann in den Weg stellen. Als Bumper bei mir ankommt, drehe ich mich um und laufe neben ihm weiter. Wir nutzen die Deckung der Bäume und umrunden die Wiese auf der linken Seite.
Der Turm des BPF feuert auf die Kapelle. Anscheinend haben sie bemerkt, dass die .50er-Kugeln, die die Windschutzscheibe treffen, die größte Bedrohung darstellen. Ich zucke zusammen, als es am Gebäude laut knallt. Ein großer Teil der rechten Ecke ist in die Luft geflogen. Ich sehe mich rasch über die Schulter um und danke dem Erzengel Michael, als ich Ghost entdecke, der sich rasch von den Trümmern entfernt.
Doch das BPF hält weiter auf die Bibliothek zu. Japp, das bedeutet, dass wir nicht so weit rennen müssen, aber die Leute in dem Gebäude müssen zurückweichen und sich eine neue Deckung suchen.
„Phantom Zwei, zurückziehen“, rufe ich.
„Sind schon dabei, großer Mann“, antwortet Hollywood.
Das Barrett knallt noch einmal, dann höre ich Ghost über Funk. „Tango erledigt.“ Der Mann hat direkt neben dem Trümmerhaufen im Liegen geschossen.
Das BPF wird langsamer, allerdings hält es jetzt auf Bumper und mich zu. Es rammt einen Baum und kippelt, ehe der Baumstamm bricht und den gepanzerten Transporter passieren lässt.
„Lauf“, rufe ich Bumper zu.
Er schaltet noch einen Gang höher, und wir fliehen vor dem außer Kontrolle geratenen Schwebefahrzeug. Das BPF mäht zwei kleinere Bäume um und überquert einen Gehweg. Direkt vor ihm steht ein alter Walnussbaum.
„Da“, sage ich und zeige auf den Baum. Wenn wir den verdammten Transporter nicht einholen können, dann sollten wir lieber gleich in Deckung gehen.
Als Bumper und ich den Schatten des Walnussbaums erreichen, rammt das Fahrzeug auf der anderen Seite den breiten Stamm und kommt zum Stehen. Ich rolle mich im Gras ab und betrachte das fußballgroße Loch, das drei Meter über mir in der Windschutzscheibe klafft.
„Transporter gestoppt“, sage ich über Funk. „Gute Arbeit, Phantomwächter.“
„Roger“, sagt Ghost.
„Komm mit.“ Bumper klopft mir auf die Schulter. Ich habe keine Ahnung, wie er so schnell auf die Füße kommen konnte.
Vergessen Sie das. Ich weiß es.
Das Soldatenleben ist ein Sport für junge Männer, so war es doch schon immer. Auch wenn es gegen Aliens geht.
Grunzend richte ich mein altes Gestell auf und folge Bumper um das feindliche Fahrzeug herum. Der Schütze im Turm hat uns nicht bemerkt, denn er feuert immer noch auf die Bibliothek. Außerdem kann uns die Waffe so nahe am Fahrzeug nicht treffen.
Das Problem ist, dass wir nicht zum ungeschützten hinteren Eingang gelangen können, ohne in die Schusslinie unserer Freunde zu geraten. Zwei-zwei-drei Kugeln prallen vom gepanzerten Rumpf des BPF ab wie ein Trommelwirbel auf einer Snare Drum.
„Feuer einstellen, Feuer einstellen“, sage ich über Funk. „Freunde im Schussfeld.“
„Wir stellen das Feuer ein“, antwortet jemand. Ich kann nicht erkennen, wer es war, doch die Salven brechen ab.
„Los jetzt“, sagt Bumper.
Ich nicke ihm zu, und schon klettert er am Heck hinauf. Hier gibt es keine richtigen Stufen, er muss sich auf das Fahrzeug emporarbeiten, als wollte er eine kleine Felsklippe erklimmen. Ich warte unten und gebe ihm Deckung.
Normalerweise hätte einer von uns eine Splittergranate in die Kabine geworfen, um uns den Zugang zu erleichtern. Doch Bumper hat in dem anderen BPF das Gleiche gesehen wie ich: Das zum Turm führende Loch bietet genügend Schutz, sodass eine Granate möglicherweise nicht viel ausrichtet. Oder, was noch schlimmer ist, der Schütze igelt sich dort ein und macht es uns noch schwerer. Bumper weiß so gut wie ich, dass wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben wollen, wenn er sein hübsches Geschenk an der besten Stelle auf die Fußmatte legen will.
Vier unendlich lange Sekunden verstreichen, während das Geschütz weiter die Bibliothek eindeckt. Meine einzige Hoffnung besteht darin, dass die Leute da drin im Keller in Deckung gegangen sind.
Bumper späht zur Öffnung des Laderaums heraus und gibt mir ein Zeichen, mich zu verziehen. Er springt vom Heck herunter, landet neben mir auf dem Boden und rennt zu einem kleinen zweistöckigen Gebäude, das den Schildern nach das Graduate Music House ist.
Je weiter er rennt, desto neugieriger frage ich mich, was für eine Ladung er platziert hat.
„Wie viel hast du da reingesteckt?“
„Genug“, sagt er.
Als wir die Rückseite des kleinen Gebäudes erreichen, zieht er einen Fernzünder aus der Brusttasche. Er nickt mir zu, und ich rufe über Funk: „Es knallt gleich.“ Dann stecke ich mir die Finger in die Ohren. Nicht, dass mir das in meinem Zustand noch groß helfen würde. Ach, wem will ich eigentlich etwas vormachen – es hilft auf jeden Fall.
Bumper klappt die kleine Schutzkappe hoch und drückt mit dem Daumen auf den Knopf.
Die Explosion jagt den Geschützaufbau geradewegs nach oben wie die alten Plastikpopper, die man in den 1990er-Jahren auf den Tisch gepappt hat. Auch das BPF selbst ist stark beschädigt, im Dach klafft ein Loch mit gezackten Rändern. Die Explosion hat auch die Energieversorgung zerstört und das Fahrzeug einen Meter tief in den Boden gerammt. Obwohl ich mir die Finger in die Ohren gesteckt habe, fühlt sich mein Kopf an, als hätte mir jemand mit einem Hammer auf die Stirn geschlagen.
„Genug heißt wohl so viel wie eine Menge“, sage ich zu Bumper, als wir hinübergehen, um den Schaden zu begutachten. „Das wars.“
Er zuckt mit den Achseln und betrachtet sein Werk.
„Tango erledigt und bleibt erledigt“, melde ich über Funk. „Bericht?“
„Wir sind noch da“, antwortet Hollywood. „Phantomdoc kümmert sich um Phantom Vier. Aaron ist erschüttert, aber unversehrt.“
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen“, antworte ich leise. Ich warte auf Ghosts Meldung, die jedoch nicht kommt. Schließlich frage ich nach. „Phantomwächter, melde dich.“
„Ich bin da“, antwortet Ghost. „Ich bewundere nur den blauen Himmel.“
Oh verdammt. „Bist du getroffen worden?“
„Ich glaube ein oder zwei Ziegelsteine haben einen Annäherungsversuch gemacht. Ich habe ihnen gesagt, ich sei nicht interessiert.“
Er macht Witze, was bei Ghost kein gutes Zeichen ist. Seine langsame Sprechweise verrät mir, dass er nicht ganz bei sich ist. Blutverlust, vielleicht Knochenbrüche.
„Doc, du musst dich sofort um Ghost kümmern. Beeil dich.“
„Schon dabei.“
Bumper steckt den Kopf in das rauchende BPF, woraufhin ich ihm mit erhobenem SCAR Deckung gebe. Doch diese Explosion hat nichts und niemand überlebt, und falls doch, will ich ein Autogramm haben.
„Alles sauber“, sagt er.
„Willst du es nicht noch einmal überprüfen, um dir ganz sicher zu sein?“
Er haucht mir einen Kuss zu, und dann gehen wir zu der Kapelle.
„Sir Charles, wie geht es dir da hinten?“, frage ich.
„Ich blase Trübsal“, antwortet er.
Bumper und ich wechseln einen Blick, aber ich gehe nicht auf die Bemerkung ein.
„Müssen wir mit weiteren Besuchern rechnen?“, frage ich.
„Nein. Weit und breit ist die Luft rein.“
„Das ist gut zu hören.“
„Ja, ganz bestimmt. Nicht, dass ich dir irgendwie nützen könnte, falls noch mehr kommen sollten.“
Ich gebe mir große Mühe, nicht über Chucks melodramatischen Auftritt zu lachen. „Darf ich fragen warum?“
„Nun ja, wenn ich gewusst hätte, dass ich Energie sparen soll und dass du mich gegen diese rostige Antiquität tauschen willst, dann hätte ich nie zugelassen, dass du dich für starke Entladungen entscheidest.“
„Also“, antworte ich kichernd, „wenn es dir damit besser geht, Chuck, ich habe gar nicht mit meiner ‚Antiquität‘ geschossen.“
Er seufzt gedehnt. „Das zählt dann wohl als schwacher Trost. Aber wenn du gestorben wärst, dann hätte ich deinen Verlust mindestens eine Dreitausendstelsekunde lang beklagt. Und ehe du sagst, ich sei kalt und herzlos, musst du wissen, dass dies in ASIK-Jahren eine wirklich sehr, sehr lange Zeit ist. Vielleicht hätte ich dir sogar eine Beerdigung spendiert.“
„Ich bin gerührt.“
„Ja. Nun ja, das ist doch das Mindeste, was ich für meinen Lieblingsbenutzer tun kann.“
Ich sehe Bumper mit hochgezogener Augenbraue an. „Lieblingsbenutzer?“
„Ich meine, erzähle das jetzt bitte nicht an den Ladestationen herum oder so.“
„Das würde mir nicht im Traum einfallen, mein Junge. Danke.“
Yoshi kniet schon vor dem mit Staub bedeckten Ghost. Ich entdecke eine dunkle Lache im Schutt.
„Wie sieht es aus, Doc?“, frage ich.
Yoshi arbeitet an einer Stelle auf Ghosts Brustkorb, auch das linke Bein ist anscheinend verletzt. „Er könnte in dreißig Sekunden tot sein, also solltet ihr euch schnell verabschieden.“
Ghost runzelt träge die Stirn und sieht den Rettungsfallschirmspringer an, dann starrt er wieder zum Himmel hinauf. „Wolkenhüpfer, du bist ein lausiger Lügner.“ Er seufzt gedehnt. „Der Tod scheint alle zu finden, nur mich nicht.“
Japp. Da hat doch tatsächlich mein Herz einen Moment ausgesetzt. Trotzdem, ich kann erkennen, dass Ghost noch lange nicht über den Berg ist, weil Bumper auf der anderen Seite herumläuft und Yoshi hilft. Ich bin kein Sanitäter und hatte nie Lust, einer zu werden, denn ich war immer besser darin, den Feind bluten zu lassen. Trotzdem weiß ich natürlich, dass ein Opfer, das nicht nur einen, sondern gleich zwei Docs braucht, vorläufig keinen Marathon laufen wird.
Da sehe ich, wie Hollywood und Aaron hinter der Bibliothek hervorkommen. Z Lo folgt ihnen, er hat eine recht große Verbrennung auf der linken Schulter.
„Bei euch alles klar?“, rufe ich zu Hollywood hinüber.
Sie nickt.
Aaron hat ihr die Pistole überlassen, die ich ihm gegeben hatte.
„Du musst den Humvee holen“, weise ich sie an und nicke anschließend Z Lo zu. „Kannst du fahren?“
„Ja, Sir.“
„Dann hole meinen Land Cruiser.“
„Roger, Guns.“
Hollywood pflanzt Aaron auf eine Bank, und dann kehrt sie mit dem jungen Burschen zum Adams Building zurück. Ich richte den Blick wieder auf Ghost. Yoshi und Bumper haben inzwischen mit einem freundschaftlichen Pisswettstreit begonnen. Wenn man einen Rettungsfallschirmspringer und einen Navy Seal auf denselben Patienten loslässt, kann gar nichts anderes herauskommen.
„Ja? Und wie kommst du darauf, dass das eine gute Idee ist?“ Yoshi befragt Bumper, während sie Ghost von beiden Seiten behandeln.
„Was hat du denn für Einwände?“
Yoshi nickt in die Richtung, wo Bumper arbeitet. „Bist du etwa beim Sprengkommando und zugleich Sanitäter?“
„Meine zweite Spezialisierung“, antwortet Bumper. „Na und? Wir laufen rum und jagen Leute in die Luft, damit wir einen Grund haben, sie danach zusammenzuflicken.“
Yoshi schüttelt den Kopf. „Mann, das ist echt heftig.“
„Normalerweise nicht in Personalunion, Super Nintendo“, fügt Bumper hinzu.
„Da kann man doch nur auf komische Ideen kommen.“
Ich beuge mich vor und unterbreche die freundschaftliche Plauderei. „Kann ich helfen?“
„Du könntest mit ihm reden“, schlägt Yoshi vor.
„Reden?“ Ich zeige auf Ghost. „Mit dem da?“
„Ich habe ihm ein paar Wohlfühlpillen gegeben, vertrau mir.“
Ich nicke, weil ich so etwas schon einmal gehört habe, und knie neben Ghosts Kopf nieder. „Scharfschütze, da hast du ganz schön was angerichtet. Möglicherweise ist Gott sauer, weil du das Gotteshaus demoliert hast.“
„Ach, er ist mir sowieso noch was schuldig, das gleicht sich aus“, antwortet Ghost.
„Was meinst du damit?“
„Rachel und Savannah.“ Ghost zuckt zusammen, weil Bumper gerade etwas mit ihm macht. „Das ist er mir schuldig.“
Ich vermute, es handelt sich um zwei Familienmitglieder. Manchmal ist es gut, wenn man jemanden dazu bringt, über seine Familie zu reden. Aber wenn eine Person nicht ganz bei sich ist, dann kann die Erinnerung sie auch noch weiter zerlegen. Ich beschließe, diese Steine lieber nicht umzudrehen. „Jedenfalls hast du gute Arbeit geleistet, Bruder. Und die Jungs hier …“
„Ich war gerade von einer Streife zurückgekommen, als mich mein Vorgesetzter zu sich rief“, erzählt Ghost. Er nuschelt leicht. „Er sagte, jemand sei bei mir zu Hause eingebrochen, und sie suchten den Täter.“
Ach, zum Teufel. So viel dazu, dass ich mit dem Typ reden soll. Ich werfe Yoshi und Bumper einen Blick zu, aber sie zucken nur mit den Achseln und arbeiten weiter.
„He, warum entspannst du dich nicht und sparst dir deine …“
Ghost fällt mir ins Wort: „Sie haben ihn nie gefunden, aber mir ist es gelungen.“
Ich warte, ob er noch mehr sagen will, doch er schweigt. Ein paar Sekunden verstreichen. Yoshi und Bumper kommen anscheinend voran, die Blutungen sind allmählich gestillt.
„Danach wollte ich nur noch an Orten sein, wo es richtig kalt war“, fährt Ghost fort. „Drei Abordnungen ins Hochgebirge. Da haben sie mich dann eingesammelt.“
„Zurückgerufen?“
Ghost schüttelt den Kopf. „Die verdammten Turbanträger konnten noch nicht einmal meinen Namen richtig aussprechen. War mir aber egal.“ Wieder zuckt er zusammen und verdreht die Augen, als suchte er etwas. „Schmerzen treiben einem die Schwäche aus, und ich war ein wandelnder Toter. Stark. Ich war stark. Deshalb spielte es keine Rolle, was sie mit mir angestellt haben. Zwei Wochen. Und weißt du, was das Einzige war, das sie von mir bekommen haben?“
Er hebt die linke Hand. Ich nehme an, er will der Welt den Stinkefinger zeigen, doch er hält die Hand flach, und jetzt sehe ich den verstümmelten Ringfinger.
„Sie dachten, sie könnten sie mir wegnehmen. Mich demütigen. Aber das war mir nicht neu, wirklich nicht.“ Er hustet einmal.
„Ganz ruhig“, warnt Yoshi. „Wir sind fast fertig, Ghost.“
Bumper nickt Yoshi zu. „He, wie viel hast du ihm gegönnt?“
Der Rettungsfallschirmspringer antwortet nicht.
„Sie haben mich gezwungen, den Ring zu verschlucken.“ Ghost fasst meine Hand. „Aber Rachel war da ja schon lange tot. Und die kleine Savannah …“ Seine Augen werden glasig. „Sie hatten nichts gegen mich in der Hand. Ich war sowieso ein wandelnder Toter.“
„Wir können ihn jetzt bewegen“, sagt Yoshi.
In diesem Moment hält Dolores mit quietschenden Bremsbelägen neben uns an. Eine Sekunde später kommt Z Lo mit meinem FJ40. Vorsichtig heben wir Ghost hinten in den Humvee.
Bumper schließt die Tür und sieht mich an. „Mensch, was für ein Chaos.“
Ich hole tief Luft. „Japp.“
„Aber das erklärt eine Menge.“
„Japp.“ Ich klopfe ihm auf die Schulter. „Alles einsteigen.“
Er nickt und folgt Yoshi zu Dolores, während ich Z Lo und Aaron zu meinem Fahrzeug winke. Wir wenden und kehren zu den anderen beiden Fahrzeugen zurück, die neben dem Adams Building zwischen den Bäumen stehen.
„Wird er wieder?“, fragt Aaron nach einigen holprigen Sekunden auf der Wiese.
„Es braucht erheblich mehr, um einen Kerl wie Ghost zu erledigen“, antworte ich. „Er wird sich erholen.“
„Ein Glück.“ Aaron nickt und blickt auf seiner Seite nach draußen. „Es sah schlimm aus.“
„Ich habe nicht gesagt, dass es das nicht war.“
„Gut. In Ordnung.“
„He, Aaron, geht es dir nicht gut?“
„Doch, doch. Es ist nur … es war ein bisschen viel, das alles hier. Schon wieder. Ich dachte, das hätten wir …“
„Merk dir, was du sagen wolltest.“ Ich bremse, steige aus und gebe Befehle. „Z Lo, lass Hollywood aussteigen. Yoshi, kommst du ohne Bumper zurecht?“
Er zeigt mir vom Rücksitz, wo er neben Ghost hockt, den hochgereckten Daumen.
„Bumper und Hollywood, aufsitzen.“
„OTF“, antworten sie und rennen zum VW 181 und zum Jeep.
„Wir fahren nach Staten Island“, erkläre ich den anderen. „Ich habe eine Idee.“