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Das Hotel in Montréjeau befand sich nicht im Dorf selbst, sondern etwas außerhalb, und als der Bus eintraf, hatten die Swannies bereits das gesamte Team eingecheckt. Molly hatte erneut ein Doppelzimmer für sich. Sie machte sich kurz frisch und wollte gerade die noch nicht behandelten Fahrer zu sich rufen, als es auch schon Neuigkeiten von Greg gab.

»Tim hat eine laterale Kompressionsverletzung des Beckens erlitten, aber glücklicherweise gibt es keine inneren Blutungen und das muss zu diesem Zeitpunkt nicht operiert werden. Er hat eine Gehirnerschütterung, aber die ist nicht so dramatisch. Sobald er deswegen nicht mehr unter Beobachtung ist, werden sie den Bruch im Bein mit Schrauben fixieren. Er fällt mindestens zwei Monate aus, wird aber hoffentlich rechtzeitig für Mallorca im November wieder fit sein.«

»Das Trainingscamp«, flüsterte Mick ihr ins Ohr, dem ihr leerer Blick aufgefallen war, als das kurzfristig einberufene Meeting sich auflöste.

»Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass er nach diesem Vorfall weiter Radfahren wird?«, fragte sie mit großen Augen.

Der Swannie lachte. »Na klar, warum denn nicht? Andere Fahrer haben viel schlimmere Verletzungen erlitten und sind wieder Rennen gefahren.«

»Molly, kann ich dich kurz sprechen?« Greg winkte sie zu sich. »Tims Frau Gina fliegt hierher, sie kommt heute Abend an.« Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht, und Molly fiel auf, wie erschöpft er aussah. Es war für alle ein harter Tag gewesen. »Ich hole sie vom Flughafen ab und fahre zum Krankenhaus, damit sie Tim besuchen kann, dann bringe ich sie zusammen mit Henno ins Hotel. Ich habe nachgefragt, aber es ist kein einziges Zimmer mehr frei, und ich möchte nicht, dass sie ganz allein in einem Hotel unterkommt, wo sie niemanden kennt.«

»Sie kann selbstverständlich bei mir schlafen«, bot Molly sofort an. Die arme Frau tat ihr schrecklich leid.

»Morgen fliegt BeSpoke jemanden aus dem Hauptsitz der Firma ein, der Tims Rücktransport nach England organisieren wird. Es wäre also auch nur für eine Nacht, bis wir ihr ein Hotel in Toulouse besorgt haben.«

»Ich kann noch länger bei ihr bleiben, wenn du das möchtest. Ich muss nicht sofort nach Hause.«

Greg legte den Kopf schräg. »Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz. Gott, ich bin so müde, dass ich eine Woche durchschlafen könnte. Tatsächlich werde ich wohl genau das tun, sobald dieses verfluchte Rennen vorbei ist.«

»Ich kann bei Gina in Toulouse bleiben«, wiederholte Molly stirnrunzelnd. »So lange, wie sie mich braucht.«

»Mach dir um Gina keine Sorgen, sie ist eine toughe Lady. Außerdem wirst du hier gebraucht – es liegen immer noch fünf Renntage vor uns. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, was für erstklassige Arbeit du leistest? Die Jungs scheinen dich sehr zu mögen, und apropos mögen, Alex –«

»Was meinst du damit, dass ich hier gebraucht werde?«, unterbrach ihn Molly. »Ich dachte wir fahren alle nach Hause, jetzt da Tim …« Sie hielt plötzlich inne. »Wir brechen die Tour gar nicht ab, habe ich recht?«

»Du liebe Güte, nein! Wie kommst du denn auf so was? Das Rennen muss weitergehen, Molly. BeSpoke hat viel zu viel in das Team investiert, als dass ein Unfall sie aufhalten würde.«

»Aber wir haben keinen Mannschaftskapitän mehr, und Tim würde sicher nicht wollen, dass wir einfach so weitermachen, als sei nichts passiert.«

»Doch, genau das will er. Und was die Kapitänsrolle angeht …« Er nickte versonnen. »Wir sehen uns nach dem Abendessen.«

Völlig fassungslos ging Molly auf ihr Zimmer, um dort ein temporäres Behandlungszimmer einzurichten. Das leere zweite Bett hatte heute also doppelten Nutzen. Dennoch war sie sprachlos darüber, dass BeSpoke einfach so weitermachen wollte, als sei nichts geschehen.

Sie hatte sich mental darauf vorbereitet, früher als geplant nach England zurückzukehren. Nun musste sie sich erst wieder an die Vorstellung gewöhnen, dass sie doch noch eine Woche länger in Frankreich verbringen würde.

Mit Alex.

Sie stöpselte gerade das Ultraschallgerät ein, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Was hatte Greg gerade gesagt, als sie ihn unterbrochen hatte? Irgendetwas darüber, dass Alex sie mochte? Du lieber Himmel, ahnte Greg, dass sie in Alex verliebt war? Mal abgesehen davon, dass es gegen jede Regel war, wäre es ihr unendlich peinlich. Und wusste der Teammanager auch von Alex’ Gefühlen für sie?

Die nächsten Stunden überstand sie nur deswegen, weil sie zu beschäftigt war, um weiter darüber nachzudenken. Denn zusätzlich zu ihrer Arbeit als Physiotherapeutin musste sie einige Aufgaben von Henno übernehmen; Scheuerwunden und Furunkel an den Hinterteilen der Fahrer zu behandeln, gehörte definitiv zu den Dingen, auf die sie lieber verzichtet hätte, und sie war unendlich erleichtert, als Alex ihr – mit roten Wangen und ohne ihr in die Augen zu schauen – versicherte, in dem Bereich sei bei ihm »alles vollkommen in Ordnung, danke«. Zwei andere Teammitglieder hatten sehr zu Mollys Leidwesen leider nicht so viel Glück, sodass ihr der Appetit gründlich vergangen war, als sie sich fürs Abendessen fertig machte.

Die Stimmung beim Essen war verhalten. Es wurde kaum geredet. Mollys Blick schweifte immer wieder zum Tisch mit den Fahrern, die ohne ihren Anführer ganz verloren wirkten.

Sie hielt es immer noch für besser, alles abzubrechen und nach Hause zu fahren. Wozu sollten sie ohne Tim weitermachen?

»Alex, du übernimmst die Kapitänrolle. Elias, du wirst zweiter Mann im Team«, verkündete Chuck eine Stunde später beim Teammeeting. »Wir haben durch den Ruhetag Zeit, um uns an die neue Situation zu gewöhnen«, fuhr er fort, »und dann kommen noch drei Bergetappen. Also gut, Jungs«, er deutete auf die Mechaniker, »schätze, ihr habt noch ein wenig zu schrauben.«

Die Mechaniker zuckelten fachsimpelnd die Treppen hinunter.

»Morgen werden wir einen Trainingslauf absolvieren, dreißig Kilometer, um die Muskeln geschmeidig zu halten. Alex, ich möchte, dass du …«

Molly ließ die Worte über sich hinwegfliegen wie aufsteigende Täubchen bei einer Hochzeit. Sie sah wieder Tim vor sich, wie er gegen die Absperrung knallte, dann über sie geschleudert wurde. Sah das zerbeulte Rad auf der Straße liegen, seinen geschundenen Körper, während er viel zu lange abseits der Straße am Hang gelegen hatte, bis er endlich ins Krankenhaus transportiert werden konnte. Er musste unvorstellbare Schmerzen ausgehalten haben, und Molly wusste aus Erfahrung, dass da noch einiges mehr auf ihn zukam, bis er wieder auf dem Damm war.

Und wenn es nun Alex erwischt hätte? Wie würde sie sich fühlen, wenn er jetzt im Krankenhaus läge? Die arme Gina. Sie war bestimmt völlig am Ende. Molly schwor sich, so lange wachzubleiben, bis sie eintraf. Sie konnte bestimmt etwas Zuspruch gebrauchen.

Ein leises Klopfen weckte Molly. Verschlafen setzte sie sich auf und rieb sich die müden Augen. Sie hatte extra die Nachttischlampe angelassen, trotzdem dauerte es eine Weile, bis sie wieder wusste, wo sie war. Als es erneut klopfte, war sie mit einem Mal hellwach und stieg leicht beklommen aus dem Bett.

Draußen im Flur waren leise Stimmen zu hören. Sie öffnete die Tür und sah Greg mit einem Koffer in der Hand. Neben ihm stand eine hochschwangere und erschöpft wirkende junge Frau.

»Kommt bitte rein, du musst Gina sein«, stammelte Molly. »Wie geht es Tim? Ich meine, ich weiß, es geht ihm nicht gut, aber –«

»Ja, gar nicht gut«, unterbrach die Frau sie mit schwachem Lächeln, während Molly beiseitetrat, um sie ins Zimmer zu lassen. Greg kam mit dem Koffer hinterher.

Über Ginas Schulter hinweg sah Molly, dass Greg ihr bedeutete, nicht weiter nachzuhaken, also wechselte sie rasch das Thema. »Hast du Hunger? Soll ich uns etwas zu essen besorgen?« Sie war sich ziemlich sicher, dass es im Hotel keinen Roomservice gab, aber sie hatte noch einen geheimen Notvorrat Chips im Koffer.

Gina schüttelte den Kopf. »Nein, danke, aber eine Tasse Tee wäre schön.« Sie ließ sich auf das zweite Bett fallen.

Greg stellte den Koffer am Fußende ab und sagte: »Ich lasse euch dann mal ein wenig ausruhen. Molly fährt dich morgen früh ins Krankenhaus, dort triffst du dann auch Andrea Lesley von BeSpoke.«

Das war Molly neu. Sie war erst zweimal in Frankreich Auto gefahren, und beide Male hatte sie jemand aus dem Team begleitet. Als sie Elias vom Flughafen abgeholt hatte, war Mick mitgekommen, beim zweiten Mal war sie gemeinsam mit Alex heimlich zum Mont Saint Michel gefahren. Sie war nicht sicher, ob sie diese Fahrerfahrung erweitern wollte, und sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sie nach Toulouse kommen sollte. Sie wollte gerade vorschlagen, dass diese Andrea doch herkommen und Gina abholen könnte, doch zum Glück wurde ihr gerade noch rechtzeitig klar, wie dämlich das klingen würde.

Also brachte sie Greg zur Tür und schaltete den Wasserkocher ein, während sie überlegte, was ein unverfängliches Thema wäre.

Gina ersparte ihr den Smalltalk, indem sie direkt in Tränen ausbrach. Molly setzte sich neben ihr aufs Bett und legte ihr ein wenig unbeholfen den Arm um die Schultern, während sie sich ausweinte.

Irgendwann rückte Gina ein Stück zur Seite und wischte sich die Augen trocken. »Es tut mir leid, eigentlich bin ich nicht so eine Heulsuse«, sagte sie. »Das liegt an den Hormonen. Ich weine wegen jeder Kleinigkeit, und ich glaube, ich habe Greg damit zu Tode erschreckt.«

»Das kann doch jeder nachvollziehen«, sagte Molly. »Ich wäre auch todtraurig, wenn mein Ehemann einen schlimmen Unfall gehabt hätte. Ich weiß gar nicht, wie du das überhaupt aushältst.« Sie stand auf, um den Tee aufzubrühen.

Gina zuckte mit den Achseln. »Mir bleibt ja nichts übrig. Das gehört zum Rennradsport dazu. Und schlimme Unfälle wie der von Tim passieren glücklicherweise nicht sehr oft. Danke schön«, fügte sie hinzu, als Molly ihr die Tasse reichte.

Molly machte sich auch einen Tee und setzte sich damit auf ihr eigenes Bett. Sie nippte an dem heißen Getränk. »Wie geht es Tim?« Obwohl ihr Greg abgeraten hatte, fand sie es nur höflich nachzufragen.

»Er schläft. Sein Zustand ist stabil. Ich übersetze das so, dass die Medikamente wirken und sie sich keine drängenden Sorgen machen. Sie haben mich kurz zu ihm ins Zimmer reinschauen lassen. Henno sagt, er wird wieder. Es wird aber eine Weile dauern.« Sehr zu Mollys Überraschung breitete sich ein strahlendes Lächeln auf Ginas Gesicht aus. »Er wird also zu Hause sein, wenn das Baby kommt«, verkündete sie, »was natürlich schön ist. Nicht, dass Tim besonders glücklich darüber sein wird – er hatte gehofft, im August an der Spanienrundfahrt teilzunehmen.«

Molly konnte es nicht fassen. Dass es jemanden gab, der bereit war, die Geburt des eigenen Kindes zu verpassen!

Ihr schien das Entsetzen im Gesicht zu stehen, denn Gina fügte hinzu: »Er wäre selbstverständlich sofort nach Hause geflogen, sobald die Wehen einsetzen, aber ich wette, er hat insgeheim gehofft, dass das Baby erst in der zweiten Septemberhälfte kommt. Solltest du Kinder haben wollen, gebe ich dir den guten Rat, es im späten Januar oder Anfang Februar zu versuchen, damit das Baby im Oktober kommst.«

»Im Oktober«, wiederholte Molly ausdruckslos.

»Du weißt schon, der Monat im Rennkalender, der nicht belegt ist? Ich bin überrascht, dass dir Alex noch nichts davon erzählt hat. Da finden auch alle Hochzeiten statt. Du fängst besser schon mal mit der Planung an«, riet ihr Gina.

Molly klappte die Kinnlade herunter. »Planung?«

»Eure Hochzeit.« Gina zögerte, dann riss sie die Augen auf. »Oh, entschuldige. Nach all dem, was Tim mir erzählt hat, habe ich angenommen …« Sie wedelte mit einer Hand durch die Luft. »Ignoriere einfach, was ich gesagt habe.«

»Was hat Tim dir erzählt? Ich dachte, er sei nicht bei Bewusstsein gewesen?«

»Ja, er hat geschlafen, aber wir sprechen sonst miteinander. Nur weil er auf Tour ist, heißt das ja nicht, dass wir uns nicht jeden Abend am Telefon gute Nacht sagen können.«

»Ach so, aber was hat er denn genau gesagt?«

Gina seufzte. »Er war der Meinung, du und Alex wärt vielleicht ein Paar.«

»Wie kommt er denn darauf?«, wollte Molly wissen.

»Na, wegen Alex«, lautete Ginas knappe Antwort. Als sie sie jetzt anlächelte und der sorgenvolle Ausdruck aus ihrem Gesicht schwand, fiel Molly zum ersten Mal auf, wie hübsch die junge Frau war. »Ich finde es toll, das mit euch beiden.«

»Da ist nichts zwischen uns«, wandte Molly ein. Gina war jetzt schon die zweite Person innerhalb von vierundzwanzig Stunden, die auf dasselbe anspielte.

Ich sollte doch am besten wissen, wenn da was laufen würde, dachte Molly, und ich bin mir ziemlich sicher, dass dem nicht so ist – von der gegenseitigen Anziehung mal abgesehen. Es durfte auch gar nicht zu mehr kommen, denn in weniger als einer Woche würde sie wahrscheinlich Tausende Kilometer von Alex entfernt in ihrem eigenen Bett schlafen.

»Was hält dich denn davon ab?«, wollte Gina wissen.

»Solltest du dich nicht ausruhen?«, fragte Molly zurück.

»Ich bin zu erschöpft, um zu schlafen, auch wenn es seltsam klingt. Ein Mädelsabend wird mir guttun.«

»Wenn sich der in die Richtung entwickelt, die ich vermute, ist es um meine Ruhe geschehen«, mutmaßte Molly.

»Ich bin schwanger. Du solltest mir alle Wünsche von den Augen ablesen.«

»Du willst mich mit deiner Schwangerschaft erpressen, um mehr über mein Liebesleben zu erfahren?«

»Ha! Liebesleben! Du gibst also zu, dass hier Liebe im Spiel ist? Oh, ich denke, wir werden großartig miteinander auskommen.« Gina kicherte. »Also, was hält dich ab?«

Na gut, vielleicht war es ja doch an der Zeit, sich darüber zu unterhalten und zu erklären, warum sie keine Beziehung mit Alex eingehen konnte. Vielleicht half ihr das dabei, Ordnung in ihr eigenes Gedankenwirrwarr und Gefühlschaos zu bringen. »Du hast gewonnen«, gab sie sich geschlagen und sank in die Kissen zurück.

»Ich ziehe mir nur schnell meinen Schlafanzug an, dann kannst du mir alles erzählen«, bat Gina sie und verschwand im Bad.

Als sie wieder ins Zimmer kam, stach ihr runder Babybauch noch mehr hervor.

Molly lächelte. »Weißt du schon, was es wird?«

»Ja, ein kleiner Junge. Tim ist überglücklich. Er spricht schon davon, wie er ihn später, sobald er alt genug ist, auf Radtouren mitnimmt. Allerdings würde er das vermutlich bei einem Mädchen auch machen. Fährst du Rad?«

»Nicht wirklich.« Ihren Ausflug mit Alex behielt sie lieber für sich. »Ich hatte nur als Kind ein pinkfarbenes Rad mit Klingel und einem Körbchen. Ein richtiges Barbie-Fahrrad. Ich habe immer so getan, als sei es ein Pferd!« Molly musste lachen.

Sie sah Gina dabei zu, wie sie es sich im Bett gemütlich machte. Tims Ehefrau hatte dunkle Schatten unter den Augen und eine sorgenumwölkte Stirn.

»Ich weiß immer noch nicht, wie du das aushältst«, sagte Molly. »Mir ist eigentlich erst gestern klargeworden, wie gefährlich der Sport eigentlich ist.«

»Ja, es gibt ein Risiko, aber es ist nun mal Tims Beruf, seine Leidenschaft. Wenn ich mit ihm zusammen sein möchte, muss ich das akzeptieren. Aber du hast recht, manchmal ist es nicht leicht.« Gina blinzelte, und Molly sah, dass sie wieder kurz davor war, in Tränen auszubrechen. »Als mich Greg gestern angerufen hat, dachte ich … Ich weiß auch nicht, was ich dachte.«

Ich schon, ging es Molly durch den Kopf. Du hast gedacht, dass du ihn vielleicht für immer verlieren könntest.

»Es gehört einfach zu Tim dazu«, sagte Gina. »Und ich liebe ihn, also muss ich da irgendwie durch.«

»Verfolgst du das Rennen live im Fernsehen?«, wollte Molly wissen.

»Du lieber Himmel, nein! Ich arbeite ja selbst, außerdem glaube ich nicht, dass ich das aushalten könnte. Ich schaue mir abends immer die Highlights an. Nachdem ich mit Tim gesprochen habe und weiß, dass es ihm gutgeht. Hast du davor Angst? Dass Alex sich verletzen könnte?«

»Eigentlich habe ich darüber gar nicht nachgedacht, bis Tim den Unfall hatte«, gab Molly zu.

»Was ist es dann? Liegt es daran, dass du für das Team arbeitest?«

»Ja, damit hat es auch zu tun, wobei ich ohnehin vorhabe, nach der Tour nach Hause in meinem alten Job zurückzukehren«, sagte Molly. »Versteh mich nicht falsch, es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dauerhaft so zu leben.«

»Ich auch nicht. Ich hasse es, wochenlang aus dem Koffer leben zu müssen. Aber –«, Gina hielt eine schlanke Hand in die Höhe, »wenn du bald nicht mehr für das Team arbeitest, was hält dich dann zurück? Ich weiß, was du Alex bedeutest, Tim hat es mir verraten. Das hast du jetzt nicht von mir, aber Tim meinte, er hat ihn noch nie so verknallt erlebt. Er ist hin und weg von dir.«

»Wir kennen uns erst seit ein paar Wochen«, wandte Molly ein.

»Ich sage ja auch nicht, dass ihr morgen nach Las Vegas durchbrennen und heiraten sollt, aber wenn du euch keine Chance gibst, wirst du nie wissen, was aus euch hätte werden können.«

»Tja, genau da liegt das Problem. Wie soll denn etwas aus uns werden, wenn er nie zu Hause ist?«

»Es ist auch nicht anders, als wenn du dich in jemanden verliebst, der zur Armee geht oder auf einer Ölplattform arbeitet. Wenn du es wirklich willst, findet sich ein Weg. Liebst du ihn denn?«

Molly sah Gina entsetzt an. Dass sie ihr einfach so eine derartig gewichtige Frage stellte!

»Ich weiß nicht«, gab sie zu. »Ich mag ihn wirklich sehr, und er sieht toll aus, und ich kann mich gut mit ihm unterhalten. Aber ob es Liebe ist …«

»Hör mal, schau doch einfach, wo es hinführt. Wenn es mit euch beiden klappt, umso besser. Und wenn nicht, dann hast du es wenigstens versucht und musst dich nicht immer fragen, was hätte sein können, oder gar bereuen, dass du ihm keine Chance gegeben hast. Was hast du denn zu verlieren?«

»Mein Herz?«

»Vielleicht. Aber wenn alles gut geht, gewinnst du seins, und glaube mir: Dann hast du wirklich einen großen Schatz gefunden.«