Eine Verschwörung
Celia war nicht wirklich begeistert von dem kleinen Geschäft, das ich ihr vorgeschlagen hatte.
»Das erlaubt sie mir nie«, beschwor sie mich ein ums andere Mal. »Es wäre viel besser, wenn du sie selber fragst. Ihr Herz schmilzt ja schon dahin, wenn sie dich nur sieht.«
Das wollte ich nicht gelten lassen und ich wollte auch nichts mehr davon hören. Margarethe von Helsing mochte einen Narren an mir gefressen haben, aber das war ihr Problem und nicht meines. Celias Mutter war mir einfach unheimlich. Manchmal hatte ich das Gefühl, von all dem vielen Geld, dem ganzen Prunk und dem gigantischen Anwesen so sehr geblendet zu sein, dass ich das Wesentliche übersah. Das Wesentliche, das möglicherweise auch mich betraf. Auf jeden Fall schien es ihr außerordentlich zu gefallen, dass Celia und ich uns nun fast jeden Tag trafen, und sei es auch nur für eine halbe Stunde.
Natürlich hatten wir wieder und wieder darüber gerätselt, was es mit unseren identischen Geburtstagen auf sich haben könnte, waren aber jedesmal zu dem gleichen Ergebnis gekommen: Es musste sich um reinen Zufall handeln, der so gewöhnlich war, dass man es eigentlich schon nicht mehr Zufall nennen konnte. Jeden Tag wurden in sämtlichen Kliniken auf dieser Erde mehrere Mädchen geboren und genauso war es logischerweise auch bei uns gewesen. Wahrscheinlich existierte in dieser Stadt noch ein drittes, viertes oder fünftes Mädchen, das am selben Tag wie Celia und ich in der Uniklink das Licht der Welt erblickt hatte, und wie ich ihre Mutter einschätzte, hatte sie die allesamt bereits ausfindig gemacht. Wer weiß, vielleicht wartete Frau von Helsing ja sogar zur großen Gartenparty nächsten Monat mit einer Riesenüberraschung auf und ließ zwanzig 11-jährige Mädchen im gleichen schrägen Outfit auflaufen und neben Madonnas Tochter eine Wahnsinns-Bühnenshow bestreiten.
Celia lachte immer laut und glucksend, wenn ich ihr mit solchen Einfällen kam. »Du bist meine Rettung, Philippa, weißt du das?«, sagte sie dann. »Ich könnte mir echt in den Hintern beißen, dass ich nicht schon viel eher zu dir rübergekommen bin.«
Ich wusste, sie meinte das ehrlich. Und sie sagte es auch nicht nur deswegen, weil sie auf diese Weise Ayo öfter zu Gesicht bekam. Nein, Celia mochte mich. Und stell dir vor: Ich mochte sie auch.
Wenn wir zusammen in meinem Zimmer hockten, konnte sie sein, wie sie war. Sie musste nicht darüber nachdenken, ob sie etwas Falsches tat oder sagte, und so fiel nach und nach sämtliche Arroganz und Zickigkeit von ihr ab wie eine falsche Haut. Darunter kam ein lustiges und herzerfrischend kumpelhaftes Mädchen zum Vorschein, dessen Pagenfrisur nun nicht mehr dramatisch hin und her schwang, sondern fröhlich auf und ab hüpfte.
Selbst Nneka, die Celias entspannte Seite ja schon einmal erlebt hatte, staunte nicht schlecht über diese Verwandlung. Nur Ayo imponierte das alles leider überhaupt nicht. Dabei taten Nneka und ich alles, aber auch wirklich alles, um ihn für Celia zu begeistern. Wir luden ihn zu einem Drei-Action-Filme-hintereinander-gucken-Nachmittag ein und ließen uns von ihm Basketball beibringen, ja wir liefen sogar einen ganzen Tag in Borussia-Dortmund-Trikots rum, doch nichts von all dem änderte auch nur das Geringste an Ayos Verhalten Celia gegenüber.
»Es hilft nichts, wir brauchen einen Jungen im Team«, sagte Nneka, als wir Anfang der letzten Maiwoche an einem schrecklich verregneten Nachmittag wieder einmal in meinem Zimmer auf dem roten Sofa hockten.
»Wenn du dabei an Krister denkst …«, gab ich abwinkend zurück. »Das kannst du getrost vergessen. Den nimmt Ayo doch sowieso nicht für voll.«
»Ich denke nicht an deinen kleinen süßen Schnuckelbruder«, erwiderte Nneka.
»Sondern?«
»An deinen kleinen süßen Schnuckelprinzen«, rief sie, schlenkerte die Arme hin und her und ließ ihre Perlenarmbänder triumphierend gegeneinanderklackern.
»Jona?« Ich schüttelte den Kopf. Den wollte ich auf keinen Fall auch noch mit in unsere Verschwörungsaktion hineinziehen. Dass meine beiden neuen Freundinnen inzwischen überhaupt von ihm wussten, musste genügen.
»Nneka hat recht«, beschwor Celia mich. »Jona ist unsere letzte Rettung.«
»Du meinst, deine«, brummte ich.
»Stimmt.« Celia seufzte. »Okay, abgehakt«, meinte sie dann und richtete ihre Augen auf Nneka. »Ein neuer Plan muss her, bitte schön.«
»So was kann man doch nicht auf Knopfdruck produzieren«, entgegnete die. »So etwas braucht seine Zeit.« Und schon glitt Nneka auf den Boden und versank in eine Art Trance, indem sie im Schneidersitz mit geschlossenen Augen und weit geöffneten Armen dasaß und Botschaften aus der Geisterwelt zu empfangen versuchte, so wie ihre Großmutter in Afrika das angeblich auch immer getan hatte.
Es dauerte über eine Viertelstunde, bis sie wieder ins Hier und Jetzt zurückkam und unter herzhaftem Gähnen verkündete: »Die Geister sind genau derselben Ansicht. Jona ist der Einzige, der uns jetzt noch helfen kann.«
»Du meinst, Celia«, brummte ich.
»Ja, zum Teufel!« Nneka sprang vom Boden auf. »Denk an Limette! Denk an euren Deal!«
Mir war klar, dass ich mich nicht weiter drücken konnte. Ebenso wenig wollte ich Jona ahnungslos lassen und deshalb weihte ich ihn gleich am nächsten Tag in der Marillenstraße in unseren Plan ein. Er hörte mir aufmerksam zu, überlegte ein paar Sekunden und nickte. »Gut. Ich mach’s.«
Ich musterte ihn ungläubig und suchte den Fehler im Strickmuster, und als ich den nicht fand, stieß ich einen Freudenquietsch aus und umarmte ihn inbrünstig.
»Unter einer Bedingung«, sagte Jona.
Also doch! »Was?«
»Das heißt nicht was, sondern welche«, korrigierte er mich grinsend.
»Blödmann«, knurrte ich und stupste ihn sachte mit meiner Faust unters Kinn. »Also welche?«
»Limette bleibt hier, bis ihr diese Wohnung aufgebt.«
Jonas Stimme klang traurig und machte mir schmerzlich bewusst, was ich so erfolgreich verdrängt hatte, nämlich dass unsere schöne Zeit hier in der Marillenstraße sich allmählich dem Ende zuneigte.
»Klar«, krächzte ich. »Wir wollen Celias Mutter deswegen sowieso erst auf der Gartenparty ansprechen.«
Deswegen beinhaltete in diesem Fall übrigens nicht nur die Sache mit Limette, sondern auch noch drei weitere Punkte:
Neben der Sache mit Limette schien uns Punkt 1 mittlerweile gar nicht mehr so unrealistisch zu sein. Wie schon gesagt, war Celias Mutter nämlich außerordentlich entzückt darüber, dass ihre Tochter, Nneka und ich inzwischen so oft zusammenhingen. Es war ihr nicht einmal suspekt, dass wir uns dazu meistens im Gästehaus trafen. Na ja, sie konnte sich wohl einfach nicht vorstellen, dass dies in der Hauptsache mit Ayo zu tun hatte. Vielleicht dachte sie aber auch, dass meine Mutter – ähnlich wie sie selbst – wie ein Schießhund über uns wachen würde. Doch das war überhaupt nicht Mamas Art. Im Gegenteil, sie ließ uns gewähren und freute sich – natürlich! – ebenfalls darüber, dass wir uns auf einmal so gut verstanden.
Punkt 2 unserer Wunschliste war der haarigste und Punkt 3 ganz zweifellos der kniffligste, denn im Moment war Celia ja noch meilenweit davon entfernt, überhaupt jemals mit Ayo zusammenzukommen. Allerdings waren wir fest entschlossen, diesen Zustand zu ändern, und zwar bei einem gemeinsamen Ausflug zur Burgruine mit anschließendem Picknick im Wald.
Als Termin für dieses Ereignis hatten wir uns den ersten Samstag im Juni ausgeguckt, vorausgesetzt, das Wetter spielte mit. Und das tat es zum Glück. Der Osterhase hatte mir großzügigerweise ein neues Handy geschenkt, und so konnte ich mich problemlos mit Jona abstimmen, ohne dass meine Mutter oder meine Geschwister etwas davon spitzkriegten. Daraus, dass wir zu fünft losziehen wollten, machten wir zwar kein Geheimnis, aber die Details, über die Jona und ich mich unterhielten, waren nun wirklich nicht für die Allgemeinheit gedacht.
Allerdings konnten wir nicht verhindern, dass Frau von Helsing zumindest einen Teil der Organisation übernahm. Sie trug Nnekas Mutter auf, sich um das Essen fürs Picknick zu kümmern, und wies Papa an, sicherzustellen, dass jeder von uns mit einem technisch voll funktionsfähigen Fahrrad ausgestattet war.
Um kurz vor elf am Vormittag ging es dann endlich los. Keine Ahnung, wer von uns aufgeregter war: Celia, Nneka oder ich. Jona schien jedenfalls die Ruhe selbst zu sein und Ayo war ja ohnehin total ahnungslos. In seinem Rucksack transportierte er die Picknickdecke und das Geschirr, und in seinen Satteltaschen befand sich das Essen, von dem wir uns wahrscheinlich eine ganze Woche hätten ernähren können.
»Na, hoffentlich machst du nicht vorzeitig schlapp, so schwer wie du beladen bist«, frotzelte Nneka, die zwischen Celia und ihrem Bruder fuhr.
Ayo brummte etwas Unverständliches. Er trat ein wenig kräftiger in die Pedale, zog an Nneka und Celia vorbei und setzte sich an die Spitze.
Jona und ich folgten den dreien in geringem Abstand. Zum ersten Mal waren wir nicht in der Schule oder allein in der Marillenstraße, sondern in einer Gruppe unterwegs. Das fühlte sich ungewohnt an, gefiel mir aber sehr gut. Klar fand ich unsere geheimen Treffen in der Marillenstraße superschön, auf Dauer waren sie allerdings auch ein bisschen einsam. Gerade jetzt spürte ich, wie sehr ich die Normalität von früher vermisste. Und klar, es war toll, dass Celia, Nneka und ich inzwischen so entspannt zusammen sein konnten, das bedeutete jedoch noch lange nicht, dass ich mich in unserer neuen Wohnung wirklich zu Hause fühlte. Nach wie vor empfand ich das Ganze als einen Tick zu überkandidelt und deshalb kam ich mir dort auch noch immer wie eine Fremde vor. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass es Mama genauso ging wie mir, aber das waren wirklich nur ganz seltene Momente.
In zwei Wochen lief Papas Probezeit ab, und ich rechnete fest damit, dass er uns ein oder zwei Tage vorher zusammentrommelte, um sich darüber zu unterhalten, wie es nun weitergehen sollte.
Im Grunde war die Sache allerdings längst entschieden. Ganz sicher würde mein Vater nicht kündigen. Wir würden einen Teil unserer alten Möbel gegen die aus dem Gästehaus eintauschen und Herr Lumme würde in unsere alte Wohnung ziehen.
Mir blieb gar nichts anderes übrig, als mich damit abzufinden, und eigentlich hatte ich das auch längst getan. Einzig und allein für den Fall, dass Frau von Helsing es verbot, Limette auf dem Anwesen zu halten, plante ich einen neuen Aufstand. Aber darüber mochte ich jetzt noch nicht nachdenken.
Im Augenblick genoss ich es einfach, neben Jona herzufahren, Nneka, Celia und Ayo vor uns und über uns das klare Blau des Himmels, das nur hier und da von ein paar kleinen weißen Schönwetterwolken durchbrochen wurde.
Bis zur Ruine brauchten wir eine knappe halbe Stunde, und es stellte sich heraus, dass noch eine ganze Menge anderer Leute dieselbe Idee gehabt hatten wie wir und den herrlichen Sonnenschein für einen Spaziergang oder eine Fahrradtour nutzten.
Den Jungs zuliebe, die sich beide für alte Burgen begeisterten, stapften wir dennoch durch die schmalen Gänge, bestaunten den halb zusammengefallenen Rittersaal und blickten durch so manche Schießscharte über die Stadt und die Umgebung hinweg.
Anfangs klebte Celia an Ayo wie eine Klette, aber der wich ihr und ihren Blicken aus, als würde er Gefahr laufen, sich mit dem Pestvirus zu infizieren. Es lief nicht gut, oh nein, es lief sogar überhaupt nicht gut. Man konnte mit ansehen, wie Celias Laune von Minute zu Minute in Richtung Tiefpunkt sank, und plötzlich begann sie nicht nur Abstand von Ayo zu halten, sondern fing auch noch an zu zicken.
»Ich hab keine Lust mehr, hier rumzustiefeln«, meckerte sie. »Erstens war ich schon hundertmal an diesem Ort, und zweitens ist dies ja sowieso keine richtige Burg mehr, sondern bloß noch ein Gerippe.«
Nneka warf mir einen Alarmblick zu und reagierte sofort. Sie hakte sich bei Celia unter, zog sie von uns weg und steuerte einen der beiden noch recht gut erhaltenen Türme an.
Ayo schaute den beiden kopfschüttelnd hinterher.
»Was ist denn mit denen los?«, fragte er. »Hab ich was falsch gemacht?«
»Quatsch«, erwiderte ich. »Du kannst doch nichts dafür, dass es Celia hier nicht gefällt.«
Ayo nickte unmerklich. »Es ist ziemlich schwer, ihr etwas recht zu machen.«
»Das stimmt nicht«, verteidigte ich Celia sofort. Ich holte tief Luft und wagte einen Vorstoß. »Eigentlich muss man bloß nett zu ihr sein. Mit ihr reden … sie beachten … und so …«
»Hmmm«, machte Ayo und presste die Lippen aufeinander. Er senkte den Blick und schabte mit den Schuhsohlen über den sandigen Boden.
Jona drückte mir unmerklich seinen Ellenbogen in die Seite. Sein Atem bauschte meine Haare. »Er mag sie«, raunte er mir ins Ohr.
Ich runzelte die Stirn.
»Glaub mir. Er ist einfach bloß total unsicher.«
Okay, dachte ich. Vielleicht hat Jona recht. Er war selber ein Junge, bestimmt hatte er ein Gespür für so was.
»Ich schlage vor, ich seh mal nach den beiden«, sagte ich laut und kniff Jona unauffällig in den Arm, in der Hoffnung, dass er kapierte, was ich ihm damit signalisieren wollte. Frag ihn und gib mir ein Zeichen!
Dann stapfte ich los und erklomm die Treppe, die an der Innenwand des Turms hinaufführte.
Celia und Nneka standen auf der Plattform und diskutierten. Nneka sah etwas verärgert aus, während Celia eher frustriert wirkte.
Ich lief auf die beiden zu und schlang meine Arme um sie. »Kein Streit!«, sagte ich energisch. »Und erst recht kein Gezicke.« Ich sah Celia fest in die Augen. »Jona meint, dass Ayo dich mag.«
»Ja, verdammt!«, stöhnte Nneka. »Das sage ich ihr auch schon die ganze Zeit. Ich kenne doch meinen Bruder. Für ihn ist Celia eine Prinzessin und er selbst fühlt sich wie ihr Angestellter. Aus dieser Rolle kommt er einfach nicht raus.« Sie setzte Celia ihren Zeigefinger auf die Brust. »Und deshalb musst du auf ihn zugehen. Häng nicht an ihm rum wie ein Stück Obst, sondern rede mit ihm.«
Celia sackte regelrecht in sich zusammen. »Und worüber soll ich mit ihm reden?«, jammerte sie.
Jetzt stöhnte Nneka noch lauter. »Ich glaub’s nicht«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich glaub es einfach nicht!«
»Tja«, schnappte Celia. »Du kannst deine Klappe ja auch leicht aufreißen. Erstens bist du nicht verliebt und zweitens kennst du deinen Bruder tausendmal besser als ich.«
Sie machte Anstalten, sich loszureißen, aber das ließen wir nicht zu.
»Du bleibst jetzt hier«, knurrte ich. »Oder bildest du dir etwa ein, dass wir diesen ganzen Aufwand für nix und wieder nix betreiben? Ich habe sogar Jona mit ins Boot geholt, weil du es dir gewünscht hast. Und jetzt, da die feine Prinzessin plötzlich die Hosen voll hat, soll der ganze Hofstaat ebenfalls den Schwanz einkneifen und die ganze schöne Aktion einfach über den Jordan gehen? Nee, aber nicht mit mir!«
Celia schluckte und ihre Unterlider füllten sich mit Tränen.
Himmel noch mal, was war ich bloß für eine Arschgeige! Diese Standpauke hätte ich mir besser sparen sollen. Wahrscheinlich hatte ich damit mehr kaputt gemacht als gerettet. Aber dann sah ich das Funkeln in Nnekas Augen, und da wusste ich, dass es richtig gewesen war.
»A-aber ich bin doch keine Prinzessin«, schluchzte Celia jetzt los.
»Und warum führst du dich dann so auf, als ob du eine wärst?«, gab Nneka zurück.
»I-ich weiß nicht«, heulte Celia.
»Du bist eben total vermurkst.«
»Bin ich überhaupt nicht!«, fauchte Celia.
»Schluss jetzt!«, sagte ich energisch. »Kein Streit. Kein Gezicke.«
»Hast du einen besseren Vorschlag?«, nölte Nneka.
Und ob ich den hatte! »Wartet’s nur ab«, erwiderte ich und wandte mich der Treppe zu, wo just in diesem Moment passenderweise Jonas und Ayos Köpfe über dem Absatz auftauchten. Wahrscheinlich hatten die beiden sich bereits gefragt, wo wir so lange blieben. Jona hob unauffällig den Daumen. Sehr gut! Dann konnte ich also alles auf eine Karte setzen.
»Wir gehen jetzt da runter und sagen Ayo, dass du ihn gern hast«, sagte ich so laut, dass es für niemanden zu überhören war.
Jona grinste von einem Ohr zum anderen und Ayo wuchsen Stielaugen.
»Das überlebe ich nicht«, krächzte Celia. Sie hatte den Jungs nach wie vor den Rücken zugewandt und kaute nervös auf ihrer Unterlippe.
»Dir wird wohl kaum was anderes übrig bleiben«, meinte Nneka und grinste ebenfalls.
»Außerdem wäre es ziemlich schade«, kratzte Ayo sich aus dem Hals.
Celias Miene war anzusehen, dass sie innerlich aufschrie. Für ein paar Sekunden erstarrte sie zur Salzsäule, dann wischte sie sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. Ich löste meine Arme von ihrem Hals und Celia drehte sich langsam um. »Ayo«, hauchte sie, und das war dann so ziemlich das Letzte, was sie bis zum Abend überhaupt noch von sich gab.
In beseelter Eintracht radelten wir kurz darauf zum Wald zurück, wo wir uns eine sonnige Lichtung für unser Picknick suchten. Und dort hockten wir dann für den Rest des Tages und futterten zufrieden die vielen Köstlichkeiten, die Frau Ndiaye für uns eingepackt hatte.
Celia und Ayo sahen einander nicht an, aber immer wieder berührten sich ihre Hände, ihre Knie oder ihre Schultern. Ganz sicher würde es noch eine Weile dauern, bis sie sich von ihrem Schock erholt hatten. Aber egal, Hauptsache, unsere Mission war geglückt.
Und wie gut es tat, in aller Ruhe und ohne viel Gequassel den Tag zu genießen, war auch mal eine schöne Erfahrung.
Von nun an bekamen Nneka und ich Celia nur noch für ein paar Minuten am Tag zu Gesicht. Meistens tauchte sie am späten Nachmittag bei uns auf. Dann saßen wir Mädchen ein bisschen im Garten zusammen, doch ehe wir Celia irgendwelche Einzelheiten über den Fortschritt ihrer Beziehung mit Ayo entlocken konnten, tauchte der bereits auf, und die beiden verschwanden angeregt plaudernd irgendwo auf dem Anwesen.
»Er hängt am Fenster und lauert ihr auf«, erklärte Nneka und tippte sich an die Schläfe. »So belämmert möchte ich mal sein!«
»Sie sind eben verliebt«, sagte ich, woran ich nicht im Geringsten zweifelte, denn es stand ihnen sozusagen in Leuchtbuchstaben auf die Stirn geschrieben.
Tja, und was Jona und mich betraf, hatten unsere Klassenkameraden mittlerweile leider auch gecheckt, dass wir zusammen waren. Dabei hatten wir uns wirklich Mühe gegeben, es nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Solange wir uns auf dem Schulgelände aufhielten, liefen wir nicht Hand in Hand oder gar Arm in Arm herum. Das Gleiche galt auch für die nähere Umgebung der Schule. Trotzdem stand eines schönen Morgens Anfang Juni ein riesengroßes Philippa Y Jona an der Tafel.
All die Mädchen, die schon seit Ewigkeiten ein Auge auf Jona geworfen hatten, waren natürlich nicht gerade amüsiert darüber, dass er nun eine Freundin hatte. Aber ihr Gegaffe und Geläster kümmerte mich nicht. Mit den meisten von ihnen hatte ich ohnehin nie viel zu tun gehabt, und deshalb musste ich ihnen auch nicht erklären, was Jonas und meine Freundschaft so besonders machte.
Die einzige Reaktion, die mich interessierte, war die von Mariel, doch an der schien das Ganze inzwischen abzuperlen wie ein Wassertropfen an einer frisch polierten Glasscheibe. Ihre Gleichgültigkeit war ziemlich schwer zu ertragen, und ich musste mir eingestehen, dass ich es selbst nach so vielen Wochen noch immer nicht verwunden hatte, dass unsere Freundschaft einfach so zerbrochen war.
»Vielleicht sollte ich sie auf die Gartenparty einladen«, sagte ich zu Jona.
»Das würde ich mir gut überlegen«, riet er mir. »Womöglich kommt sie tatsächlich, und zwar um dir alles zu vermiesen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das würde sie nicht tun. Allein schon deshalb nicht, weil unsere Mütter befreundet sind.«
Letztendlich verwarf ich diese Idee aber wieder, allerdings aus einem ganz anderen Grund. Wahrscheinlich würde Mariel denken, dass ich mit dieser Party, mit der Villa und den von Helsings nur herumprahlen wollte, damit sie sah, dass ich es noch tausendmal besser getroffen hatte als sie mit ihren Barbiepuppenfreundinnen und sie daher gut daran getan hätte, mich nicht in die Wüste zu schicken.
Nein, nein – was Mariel betraf, konnte ich eigentlich nur noch auf ein drittes Wunder hoffen. Wer weiß, vielleicht war in meinem Leben ja noch Platz dafür.