Kapitel 1 – Reas
»Steh auf. Reas, steh auf.« Jemand zerrte an seiner Bettdecke, und gleißendes Sonnenlicht stach in seine Augen. »Sei keine Schande für dein Volk. Schlaf ist für Menschen. Wir Götter ruhen nicht. Zwei Welten brauchen unsere Dienste, und wenn du schon nicht bei den Menschen weilst, dann diene wenigstens unserem Volk hier in Hemera. Wie lange soll es warten, bis sein werter Prinz sich wieder zeigt?«
Reas riss seinem Bruder die Decke aus der Hand. Sein Körper, der sonst als golden schimmernder Nebel in der Götterwelt wandelte, fühlte sich schwer an, solide, beinahe wie ein Menschenkörper. Und ein Menschenkörper brauchte Ruhe. Schlaf bedeutete Vergessen. Reas wollte vergessen. »Ewig«, knurrte er. »Das Vorrecht der Götter, oder? Wer Unsterblichkeit will, muss Geduld mitbringen. Viel Geduld.« Er zog die Decke über den Kopf.
»Und die Menschen? Du missachtest die Menschenwelt Vala. Sie kann ohne die Jahreszeiten nicht existieren, und wir nicht ohne Vala. Ewig in unserer Welt Hemera zu bleiben … du weißt, dass das nicht geht.« Euros’ Stimme klang normalerweise rau und kühl wie der Herbstwind, den er brachte, doch heute schwang ein Rest Sommerwärme mit.
Reas horchte auf. »Sommer? Ist unser Bruder immer noch für dich auf Vala unterwegs?«
Euros setzte sich auf die Bettkante. »Ja. Die Sommer dauern länger, denn der Herbst muss den Winter vertreten …« Er rieb sich die Augen. »Und alles nur, weil du in deinem Elend versinkst. Du bist der Nordwind, der Bringer des Winters, die Ruhezeit, die Vala und ihre Menschen dringend brauchen. Doch du versteckst dich vor Vala und Hemera gleichermaßen.«
»Weder die Menschen- noch die Götterwelt sind auf mich angewiesen. Schau doch, wie glücklich sie über die milden Temperaturen sind. Die Erntezeit dauert länger, keiner wird mehr Opfer des Frostes …«
»Und im Sommer brennen die Felder«, seufzte Euros. »Und alles wegen eines einzelnen Mädchens.« Er schüttelte den Kopf.
»Sie war die letzte«, flüsterte Reas. »Die letzte, die mich sehen konnte. Sieben Menschenjahre lang habe ich jeden entlegenen Winkel Valas erkundet, und es gibt keinen mehr, der mich sieht. Da ist es nur vernünftig, dass ich aufgebe. Der neue Glaube vergiftet die Herzen der Menschen. Ich habe es miterlebt, Euros. Ich war da. Ich habe gespürt, wie ich … wie mein Körper seine Substanz verlor. In den Augen der Menschen sind wir Anemoi eine Fantasie, doch nicht wie früher, als Fantasie und Traum sie zu uns gebracht hatten. Wir sind zu Visionen des Schreckens geworden, und ich weigere mich, die Ängste der Menschen weiter zu schüren, indem ich sie heimsuche. Sie sind glücklicher, wenn sie glauben, dass der ›Einzige‹ das Böse besiegt, glaube mir.«
»Der ›Einzige‹!« Euros schnaubte. »Siehst du nicht die Ironie? Er war einer von uns und soll uns nun in den Seelen der Menschen auslöschen? Phobos darf nicht die Überhand gewinnen! Wo der Gott der Angst regiert, ist kein Platz für uns! Er verdreht unsere Erscheinungen, zwingt unser Handeln in einen Strudel des Verderbens … Die heißen Sommerwinde verbrennen die Ernte, die Herbststürme vernichten ganze Dörfer, der Nordwind hat sich vollständig aus Vala zurückgezogen – merkst du nicht, dass du seinen Willen ausführst?«
»Niemals!« Reas sprang auf. »Ich schütze die Menschen vor Phobos, indem ich mich selbst als Quelle der Angst aus ihrem Leben fernhalte. Erinnerst du dich nicht an Hemera, als Phobos hier lebte und wirkte? Vor den Zeiten? Hast du alles vergessen?«
»Du kannst Hemera nicht mit Vala vergleichen –«
»Und ob ich das kann. Phobos hatte Angst in den Herzen der Titanen gesät, und ist auch nur einer von ihnen noch am Leben?«
»Keiner weiß mit Sicherheit, was mit ihnen passiert ist. Sie könnten noch leben …«
»Als schwarze Schatten. Der Tod ist gnädiger.« Reas winkte ab. »Nein, Bruder. Wir dürfen Phobos nicht erlauben, erneut nach der Macht über Hemera zu greifen. Auf Vala kann er weniger Schaden anrichten. Wenn wir den Menschen keine Angst einflößen –«
»Kein Wetterchaos veranstalten, meinst du? Hast du in letzter Zeit nach Vala geschaut? Siehst du, was dort mit den Jahreszeiten geschieht?«
»Extreme hat es immer gegeben und wird es weiterhin geben. Solche Zeiten gehen vorbei.«
»Nicht, wenn Phobos die Zeiten lenkt.« Euros’ golden schimmernde Umrisse nahmen ebenfalls deutlichere Formen an. Sein Blick war finster.
»Es macht keinen Unterschied!« Wollte Euros denn nicht einsehen, dass alles in Ordnung war, solange Phobos nicht nach Hemera kam? »Ich bleibe hier. Die Menschen fürchten die Kälte des Nordwindes zu sehr. Ohne den Winter haben die Menschen weniger Angst – und Phobos weniger Macht.«
»Du verweigerst der Natur Valas die Ruhe, die sie braucht?«
Besser, als Phobos Macht zu geben! Reas zuckte mit den Schultern. »Vielleicht kann ich den Winter von hier aus regieren.«
Euros kniff die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Du weißt genau, dass das nicht geht. Niemand hat es bisher geschafft, die Jahreszeiten von Hemera aus zu kontrollieren.«
»Vielleicht hat es niemand richtig versucht.«
»Verdammt! Was bist du nur so stur! Schau uns an – wir sind nichts als goldene Schatten, ohne die Körperlichkeit, die uns die Elemente regieren lässt … Wir mögen die Jahreszeiten schaffen, doch kontrollieren können wir sie nicht von hier aus! Wir brauchen einen Elementarkörper, und den haben wir nur, wenn wir nach Vala gehen.«
»Schön! Dann gibt es eben keinen Winter! Vala wird es überleben, die Menschenwelt hat schon ganz andere Zeiten überstanden.«
»Reas!« Euros packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn. Diener eilten herbei, doch Euros brachte sie mit einem scharfen Blick zum Erstarren. Er beugte sich zu Reas und flüsterte: »Merkst du denn nicht, was hier passiert? Du lässt dich von Phobos nach Hemera bannen! Meinst du, damit wirst du dem Vergessen entgegenwirken? Wenn die Menschen nicht mehr an uns glauben, hat Phobos gewonnen! Du glaubst, Angst nährt sich von Unwettern und Hungersnöten, doch das, was in den Gedanken der Menschen passiert, ist viel mächtiger! Wenn sie ihren wildesten Albträumen folgen und nicht mehr daran glauben, dass wir vier Anemoi-Brüder als Jahreszeiten über sie wachen und in allen Zeiten treu an ihrer Seite sind, geben sie sich der Verzweiflung hin und Phobos wird siegen! Was wird passieren, wenn er ganz Vala unterworfen hat? Ich sage es dir: Seine Macht wird weiterwachsen, genährt von der Angst der Menschen, und er wird nicht vor Hemera Halt machen. Seine Verbannung aus der Götterwelt hat er nicht vergessen – und erst recht nicht vergeben. Er wird zurückkommen und sich nehmen, was wir ihm verwehrt haben. Glaubst du, wir sind immun gegen die Angst?«
Seine Augen blitzten, seine Hände zitterten. Der goldene Schimmer, der seine Formen begrenzte, wurde von schwarzen Flecken durchzogen. »Es geht schon los. Ich spüre, wie sich Angst in mir ausbreitet, und das darf nicht geschehen. Phobos
darf keine Macht über mich erlangen, sonst bin ich verloren.« Er atmete tief durch.
Euros erhob sich. Als er sprach, klang seine Stimme kalt und endgültig. »Ich gehe. Ich werde den Sommer auf Vala ablösen, bevor noch mehr Menschen den Flammen zum Opfer fallen. Ich wäre dir dankbar, wenn du dich deiner Pflicht besinnen und rechtzeitig bereitstehen würdest, um deinen Dienst an den Welten anzutreten. Hemera braucht seine Herrscher – und Vala den Winter.«
Die Diener starrten mit offenem Mund zwischen Reas und Euros hin und her. Streit zwischen Herbst und Winter – so etwas gab es nicht, weder auf Vala, noch in Hemera. Reas fühlte den bitteren Stich der Reue, doch Euros durfte nicht Recht haben. Dienst an den Welten …
Er diente, indem er nichts tat. Durch seine bloße Anwesenheit auf Vala würde er Phobos in die Hände spielen, und das durfte nicht geschehen. Dienst an den Welten …
Die Welten würden auch ohne ihn zurechtkommen. Vala hatte schon vor den Anemoi und den Menschen existiert, und Vala würde auch existieren, wenn Götter und Menschen verschwunden waren.
Aber Hemera…
Euros’ Stimme drängte in seinen Kopf. Was würde mit Hemera passieren? Wenn die Götter Vala ihrem Schicksal überließen, würde Vala dann vollständig unter Phobos’ Bann fallen? Würde ihn die Macht so weit stärken, dass er es wirklich wagen würde … Würden die Götter angreifbar sein für einen Abtrünnigen aus ihren eigenen Reihen? Er dachte an den Schatten, der Euros’ Gesicht verdunkelt hatte. Er dachte an die Leere, die seit der letzten Begegnung mit dem Mädchen von ihm selbst Besitz ergriffen hatte – hatte Euros Recht? War das Phobos’ Einfluss? War die Angst bereits bis nach Hemera vorgedrungen?
Genug. Wenn es so war, wenn Phobos wirklich nach Hemera blickte und sich nicht mit Vala zufrieden gab, oblag es den
Anemoi als Herrscherfamilie von Hemera, ihm Einhalt zu gebieten. Und das würde er nicht von seiner Bettstatt aus tun können. Er stand auf und spürte sich in die Schwere seines menschlichen Körpers ein – oder zumindest in die Erinnerung daran, die ihm geblieben war. Der Körper fühlte sich an wie ein alter Mantel, der abgetragen war, aber noch passte. Etwa dreißig Besuche hatte dieser Körper Vala abgestattet. Dreißig Mal Winter in der Menschenwelt. Mehr als sechzig Winter würden die menschenähnlichen Gebilde nicht schaffen, bald würde Reas sich nach einem neuen Körper umsehen müssen. Doch ihm waren sicher noch weitere dreißig Winter vergönnt. Dreißig Jahre.
Er musste sich wieder daran gewöhnen, in Menschenjahren zu rechnen. Denn Vala würde erneut sein Zuhause werden. Egal, ob man ihn sehen konnte oder nicht. Er dachte mit Wehmut an das Menschenmädchen, das wie alle anderen unter Phobos’ Bann geraten war. Nun, sie mochte ihn nicht sehen, aber er konnte sie mit dem ganz eigenen Zauber des Winters einhüllen. Und vielleicht … nur vielleicht …
Er schüttelte den Kopf. Es lohnte sich nicht, Hoffnungen in die Menschen zu setzen. Wenn jemand Phobos Einhalt gebieten konnte, waren das seine Brüder und er. Die Anemoi, die schon seit jeher die Geschicke von Hemera und Vala lenkten, genau wie die Prinzen der Nachbarreiche ihre Götter- und Menschenwelten regierten. Wenn Phobos Vala unter seinen Bann brachte und auch vor Hemera nicht Halt machte – was würde mit den anderen Reichen passieren? Würden sie genauso angreifbar sein?
Reas winkte einen Diener zu sich. »Sende Boten in die Nachbarreiche«, sagte er. »Zunächst nach Skalsa. Prinz Veiopatis soll wissen, was hier geschieht, und Vorkehrungen für seine Welten treffen. Bringt Kunde zurück zu uns, was auf Skalsa und Tiklis geschieht.«
Der Diener verbeugte sich. »Herr, wenn Ihr die Frage gestattet …« Das Gold seiner Schattenhülle verdunkelte sich. »Gibt es Grund zur Sorge? Glaubt Ihr, dass Phobos zurückkehren wird?«
Das tat er bereits, wenn der dunkle Schatten das bedeutete, was Reas fürchtete. »Nicht, wenn wir etwas dagegen tun können«, antwortete Reas mit fester Stimme. »Ich gehe nach Vala. Meine Brüder und ich werden einen Weg finden, Phobos Einhalt zu gebieten.«
Reas übertrat die unsichtbare Grenze zwischen den Welten und spürte, wie sich sein menschenähnlicher Körper auf Vala manifestierte. Er hielt Ausschau nach Euros, der auf Vala den Sommer abgelöst hatte. Sein Bruder stand am Rande des Marktplatzes, auf dem Reas zum letzten Mal sichtbar gewesen war. Der Herbst war spät gekommen, aber er war da. Die Bäume, die den Marktplatz säumten, warfen ihre Last ab, und Euros ließ das trockene Laub in einem sanften Reigen aufsteigen. Der Windhauch wuchs an und wandelte sich in einen Herbststurm, der Marktstände umstürzte, an Dächern riss und den Menschen ihre Kopfbedeckungen raubte. Bald konnten sie sich kaum mehr dem Sturm entgegenstemmen und suchten Zuflucht in Hauseingängen. Was war nur in Euros gefahren, dass er kurz davor stand, seine Beherrschung zu verlieren?
»Ruhig«, sagte Reas, als er neben Euros trat. Er legte die Hand auf den ausgestreckten Arm seines Bruders und spürte wild strömende Gefühle unter den dünnen Schichten des Menschenkörpers. »Wenn du deine Emotionen nicht besser kontrollierst, wirst du menschlich, und das willst du nicht, oder?«
»Du bist gekommen … Also war es nicht umsonst …« Euros blickte ihn an und in seinen Augen standen Tränen. Er blinzelte. Eine einzelne Träne löste sich und lief seine Wange herunter. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Der Sommer … er …«
Reas blickte sich um. »Wo ist unser Bruder? Wo ist Notos? Du hast ihn abgelöst, richtig? In Hemera bin ich ihm nicht begegnet, er muss noch hier sein.«
»Oh ja«, stieß Euros hervor. »Er ist in der Tat hier, auf Vala. Zumindest ein Abbild von ihm. Hätte ich ihn nur früher aufgesucht, beizeiten abgelöst, dann wäre das alles nicht passiert …«
Beklommenheit legte sich wie ein eiserner Ring um Reas’ Brust. »Was wäre nicht passiert? Euros, was ist mit Notos …« Seine menschliche Nase nahm den Geruch wahr, bevor sein Blick Euros’ ausgestrecktem Arm folgen konnte. Flammen stiegen von einem Hausdach empor, begleitet von schwarzem Rauch. An der Kante des Daches saß ein Mann mit langem, schwarzem Haar, gefährlich nah an der Absturzkante. Er hatte die Knie zur Brust gezogen und seine Arme darumgeschlungen, als müsste er sich zwingen, nicht auseinanderzubrechen. Hinter ihm stürzten die Mauern ein, und Funken stoben in einem wilden Tanz. Sie hüllten den Mann ein, doch konnten ihm nichts anhaben. Notos, der Gott der Sommerstürme, würde nicht in einem einfachen Feuer zugrunde gehen. Reas starrte seinen Bruder mit offenem Mund an. Rauch verschleierte seinen Blick. Euros schickte den Herbstwind, doch der fachte das Feuer nur an. Reas vergaß zu atmen, und erst, als seine Umgebung verschwamm, zwang er sich dazu, Luft zu holen. Der schwere Rauch, der die Luft tränkte, ließ ihn husten. »Notos«, flüsterte er. »Halte ein. Hör auf mit diesem Irrsinn!«
Er hob die Hand, und eine Wolke aus Schnee explodierte über dem Gebäude. Geschmolzene Tropfen gingen als Regen nieder, der in einer Windhose wirbelte und durch plötzliche Kälte zu Eis erstarrte. Die Kristalle mussten Notos’ menschlichem Körper schmerzen, doch er zeigte keine Regung. Die Flammen erstarben. Schneeflocken mischten sich mit Rauch zu einem grauen Nebel, den Euros mit einer flüchtigen Handbewegung
zerstreute. Reas’ Blick klammerte sich an Notos, ohne begreifen zu können, was er erfasste.
»Lass den Schnee«, murmelte Euros. »Deine Zeit ist noch nicht gekommen.«
Reas zuckte zusammen und zog das Schneegestöber zurück. Die Schneewehen, die sich bereits mannshoch an der Ruine auftürmten, schmolzen in der milden Herbstluft. Euros ließ die Schultern hängen und wandte sich Reas zu. Sein Blick war leer, doch als er Reas traf, glomm ein Funken darin. Er sah nicht so aus, als würde er aufgeben. »Phobos hat ihn. Wir müssen handeln. Jetzt.«
Was passierte hier? Reas spürte, wie das Blut sein Gesicht verließ. Seine Lippen wurden taub. Er konnte nur unter Schwierigkeiten sprechen. »Notos ist …«
»Er ist nicht mehr für uns erreichbar. Er scheint weder auf Vala noch in Hemera zu sein, es ist, als wäre er zwischen den Welten gefangen. Die Menschen würden sagen, er ist tot. Wir sehen sein Bild, seine letzte zerstörerische Tat – doch er lebt nicht unter uns. Der Sommer wird nie wieder zu uns zurückkehren. Ohne den Südwind werden die Felder nicht mehr brennen, aber –«
»– das Getreide reift nicht«, ergänzte Reas grimmig. »Die Menschen werden hungern. Dieses Jahr, und alle kommenden Jahre.«
»Außer wir finden einen Weg, Phobos aufzuhalten. Wenn er nun schon vor den Göttern keinen Halt macht …« Euros blickte Reas an, und die Hilflosigkeit in seinen Augen war unverkennbar. »Wo sollen wir beginnen?«
Reas atmete tief durch. Klare Herbstluft strömte durch den Körper, der sich mehr und mehr vertraut anfühlte. »Bei den Menschen«, sagte er. »Es muss dort beginnen, wo es aufgehört hat. Bei den Menschen.«
Er stellte sich inmitten des Marktplatzes. Die Kirche, die er bis eben ignoriert hatte, verdeckte sein Blickfeld. Zornesfalten gruben sich in seine Stirn. Das Haus des »Einzigen« verhöhnte ihn. Es zeigte ihm, wozu die Menschen imstande waren, wenn sie glaubten. Und er war das Beispiel dafür, was passierte, wenn sie den Glauben verloren. Er hob die Arme zu beiden Seiten. Wolken zogen auf und verdunkelten den Nachmittag. Eisregen ging auf das Dorf nieder, gefolgt von Hagelkörnern, die auf Faustgröße anwuchsen. Scheiben klirrten. Schnee wehte in die zerbrochenen Fenster der Kirche ein.
Reas drehte sich zu seinem Bruder um, der ihn stirnrunzelnd beobachtete. »Der Winter kommt dieses Jahr früh«, sagte er, und seine Stimme klang so kalt wie der Wind, der um die Häuserecken schnitt. »Er wird den Menschen zeigen, dass er noch existiert.«