Der wachsame Blick des Leibwächters begleitete Azetbur zur Kabine ihres Vaters; vor der Tür zögerte sie.
Es war Mittag an Bord der Kronos Eins, aber das romulanische Bier hinterließ Benommenheit in ihr. Die Tochter des Kanzlers hatte sofort ihr Quartier aufgesucht, um sich dort hinzulegen, doch schon nach kurzer Zeit erwachte sie mit klopfendem Herzen aus dem leichten Schlaf, geweckt von einer Furcht, die sie an Bord dieses Schiffes ständig begleitete. Ohne nachzudenken eilte sie zu Gorkons Kabine, gefolgt von dem stummen Gardisten, der vor ihrer eigenen Tür Wache gehalten hatte.
Azetburs Finger verharrten wenige Millimeter vor dem Melder. Sie wusste nicht, warum sie hierhergekommen war – um sich mit eigenen Augen zu vergewissern, dass er noch lebte? Während der Nächte vor dem Flug zum vereinbarten Rendezvouspunkt hatte sie kaum Ruhe gefunden, und jetzt, unter dem Einfluss des romulanischen Biers, lief sie wie ein von Albträumen verängstigtes Kind zu ihrem Vater.
Ein solches Verhalten schickte sich nicht für jemanden, der zum Hohen Rat gehörte. Azetbur spürte Verlegenheit.
Sie betätigte den Melder. Tiefe Erleichterung durchströmte sie, als sich die Tür öffnete und ihr Blick auf Gorkon fiel: Er trug jetzt nicht mehr den eindrucksvollen Ornat, sondern einen schlichten dunklen Umhang.
Bevor sie die Kabine betrat, wandte sich Azetbur dem Gardisten zu und bedeutete ihm, im Korridor zu warten. »Wo sind deine Wächter, Vater?«, fragte sie missbilligend, als sich das Schott hinter ihr schloss.
Dieser Punkt führte häufig zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen. Mit seiner eigenen Sicherheit nahm es Gorkon nicht besonders ernst, während er gleichzeitig sehr auf die seiner Tochter achtete. Er sah sich erstaunt um, als fiele ihm erst jetzt auf, dass seine Leibwächter fehlten. Die eine Hand zupfte an seinem ergrauenden Bart. Azetbur bemerkte die eingeschaltete Lampe am Schreibtisch und sah Text auf dem Monitor. Ihr Vater hatte gelesen und sich vermutlich auf die nächste Besprechung mit seinen Beratern vorbereitet. Sie war an Gorkons Zerstreutheit gewöhnt – eine direkte Folge der Konzentration, mit der er seiner Arbeit nachging.
»Fort«, antwortete er, musterte Azetbur und schien sie erst jetzt bewusst wahrzunehmen. Er lächelte. »Nach dem Genuss des Bieres sind sie nutzlos geworden. Ich nehme an, sie schlafen in ihrem Quartier oder beschäftigen sich mit Dingen, die Kriegern gebühren. Ich hielt es für besser, den Sicherheitsgeräten zu vertrauen. Komm, setz dich.« Gorkon gestikulierte. »Bist du als Ratsmitglied oder als Tochter hier?«
»Sowohl als auch«, erwiderte Azetbur und blieb auch weiterhin stehen, als der Kanzler im Sessel Platz nahm und sie ansah. »Vater …«, begann sie und unterbrach sich sofort wieder. Sie hatte gehofft, sich hier von ihrer Nervosität befreien zu können, aber jetzt fehlten ihr die Worte. »Ich bin … besorgt.«
Gorkon nickte ermutigend. Seine Aufmerksamkeit galt nun einzig und allein der Tochter; er hörte ihr mit einer beunruhigenden Intensität zu.
»Um deine Sicherheit. Erst an Bord der Enterprise wurde mir klar, wie viel Hass uns auf der Erde erwartet.«
Der Kanzler seufzte. »Er … überraschte auch mich. Natürlich wusste ich von seiner Existenz – es ist kein Geheimnis, dass sich unsere Völker seit siebzig Jahren mit Verachtung begegnen. Aber ich habe keine so offene Ablehnung erwartet.«
»Kirk«, zischte Azetbur plötzlich. »Kirk hasst uns. Ich traue ihm nicht. Vater, verzichte darauf, dich noch einmal an Bord seines Schiffes zu beamen.«
Gorkon neigte skeptisch den breiten, schnurrbärtigen Kopf. »Kirk stellt keine Gefahr dar, Zeta. Für den Hass in ihm gibt es einen klaren Grund: Captain Kruge brachte seinen Sohn um. Aber ich nehme an, er ist intelligent genug …«
»Wenn ein Klingone seinen Sohn tötete …«, stieß Azetbur mit einer Schärfe hervor, die beide verblüffte. »Warum sollte er dann nicht auch auf Vergeltung aus sein?«
»Weil er kein klingonischer Krieger ist. Das Konzept der Blutrache ist ihm fremd.«
»Ich traue ihm nicht«, beharrte Azetbur, und diesmal erklang Schmerz in ihrer Stimme. »Vater, ich fürchte um deine Sicherheit. Ich kann nicht schlafen.«
Gorkon wandte den Blick von ihr ab und schwieg eine Zeitlang. Seine Tochter wusste, dass er nun nach den richtigen Worten suchte, um nicht noch mehr Unruhe in ihr zu schaffen.
»Vielleicht ist es ganz gut so, dass wir jetzt darüber sprechen«, sagte er schließlich. »Ich glaube nicht, dass sich Kirk an mir rächen will. Zorn und Hass wohnen in ihm. Er glaubt, durch uns viel gelitten zu haben, und wahrscheinlich hat er recht.« Gorkon lächelte dünn und ironisch. »Und du hast ebenfalls recht, Tochter. Wir wissen beide, dass meine Überlebenschancen angesichts der Friedenskonferenz sehr gering sind.«
Azetbur starrte ihn erschrocken an und fühlte sich versucht, die Hand zum Herz zu heben. Stolz hinderte sie daran.
»Setz dich«, wiederholte Gorkon. Es war mehr als nur eine Bitte. Die Klingonin gehorchte und wählte den Stuhl vor ihrem Vater.
Der Blick des Kanzlers brachte Mitgefühl zum Ausdruck, und dann verhärteten sich seine Züge. »Wenn ich sterbe, musst du meine Nachfolge antreten.«
»Du wirst nicht sterben …«
»Hör mir zu!«
Der untypische Ärger Gorkons ließ Azetbur verstummen.
Er begann erneut und sprach wieder ruhig. »Zeta, ich kann von Glück sagen, dass die Krieger bisher nichts gegen mich unternahmen. Ich bin Attentaten lange genug entgangen, um den Hohen Rat von der Notwendigkeit eines Friedensvertrages zu überzeugen – das grenzt an ein Wunder, wie du weißt. Nun, natürlich haben wir umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, aber jetzt droht die Gefahr nicht nur vom Imperium. Wir müssen auch Fraktionen innerhalb der Föderation und in der romulanischen Regierung fürchten.« Gorkon lächelte schief. »Versuch mich zu verstehen, Tochter. Ist es nicht sinnvoll, für die Zukunft zu planen? Oder wäre es dir vielleicht lieber, das Imperium den Kriegstreibern im Militär zu überlassen?«
Azetbur holte tief Luft und trachtete danach, den Kummer aus sich zu verdrängen. »Es erscheint sinnvoll, für einen derartigen Notfall Vorsorge zu treffen, Kanzler. Was schlägst du vor?«
»Dass du meine Nachfolge antrittst«, betonte Gorkon noch einmal. »Es gibt sonst niemanden im Rat, dem ich vertraue, Zeta. Vielleicht abgesehen von Korrd. Aber er ist krank und zu alt.«
»Brigadegeneral Kerla …«, sagte Azetbur.
»Der Hitzkopf Kerla lässt sich zu leicht beeinflussen. Er gehört zu den Kriegern, und ich weiß noch immer nicht, wem oder was seine Loyalität gilt. Was Chang betrifft … Er ist zu schlau, als dass man ihm Vertrauen entgegenbringen könnte.« Gorkon schüttelte den Kopf. »Nein, Tochter. Nur du kommst in Frage.«
Sie lachte leise und unglücklich. »Eine Kanzlerin, Vater?«
»Ich habe das Recht, meinen Nachfolger zu bestimmen. Das klingonische Gesetz verbietet es nicht.«
»Das klingonische Gesetz geht von der Annahme aus …«
»Ein Brauch der Krieger, nicht der Klingonen. Du solltest lernen, dazwischen zu unterscheiden. Das Amt des Kanzlers wird nicht vom Militär kontrolliert. Du musst mit dem Widerstand der Krieger rechnen, aber das Volk wird dich akzeptieren.«
»Wenn du einem Attentat zum Opfer fällst … Wieso glaubst du, dass man nicht auch mich umbringt?«
»Ich habe spezielle Vereinbarungen mit anderen Mitgliedern des Hohen Rates getroffen. Sie alle legten den Eid ab, für dich einzutreten und deine Ernennung zur Kanzlerin zu unterstützen.«
»Alle?«, fragte Azetbur und spürte einen Argwohn, dessen Ursachen sie nicht zu ergründen vermochte. »Du hast mit allen Räten darüber gesprochen?«
»Ja.«
Sie stand auf. »Du wirst nicht sterben, Vater.«
»Natürlich nicht.« Gorkon lächelte, beugte sich vor und berührte seine Tochter. »Versprichst du es mir trotzdem, Zeta?«
Die Klingonin fühlte den jähen, irrationalen Zorn eines zurückgewiesenen Kindes. Sie war gekommen, um sich von ihrem Vater beruhigen und trösten zu lassen, aber er sprach nur über den Tod.
»Versprich es mir.« Gorkons Fingerkuppen strichen über Azetburs Arm.
»Du wirst nicht sterben«, erwiderte sie knapp. »Solange es dir gelingt, deine Wächter vor dem Rausch zu bewahren.« Die Klingonin verließ das Zimmer und widerstand der Versuchung, noch einmal ihren Vater anzusehen – der Anblick seines Gesichts hätte sie sicher erschüttert.
Kirk schaffte es ohne große Schwierigkeiten bis zu seinem Quartier. Die euphorisch-betäubende Wirkung des romulanischen Bieres verflüchtigte sich, wich einem unangenehmen Pochen im Kopf und einer bleiernen Schwere, die ihm Kraft aus Armen und Beinen saugte. Er fühlte sich wie jemand, der gegen eine starke Strömung schwamm. Müde nahm er auf der Bettkante Platz und rieb sich die Augen, als das Bordsignal die Zeit angab: ein Uhr nachts.
Einige Sekunden lang überlegte er, ob er sich mit Starbase Dreiundzwanzig in Verbindung setzen sollte, obwohl er schon am Nachmittag einen entsprechenden Kom-Kontakt hergestellt hatte. Er erinnerte sich an Kwan-meis freundliche und entschuldigend klingende Auskunft: noch immer keine Veränderung in Carols Zustand. Sie versprach Jim, ihm eine Nachricht zu übermitteln, wenn sich etwas Neues ergab.
In der Zwischenzeit konnte er nur warten. Und er brauchte etwas, um sich von Carol abzulenken.
»Captains Logbuch«, sagte er. »Sternzeit 9523.8. Die Enterprise hat Kanzler Gorkon und seine Eskorte zum Abendessen empfangen. Unsere Manieren ließen sehr zu wünschen übrig. Hinweis für die Kombüse: Von jetzt an wird bei diplomatischen Anlässen kein romulanisches Bier mehr serviert.«
Kirk seufzte, lehnte sich zurück und dachte nach. Einerseits schämte er sich über sein eigenes Verhalten und das der Brückenoffiziere; andererseits war er froh, dass es zu einer solchen Konfrontation gekommen war. Die Verhandlungen wurden dadurch nicht einfacher, aber der aufgestaute Zorn brauchte ein Ventil, um Platz für Vernunft zu schaffen. Außerdem: Jim hielt Gorkon für einen klugen, weisen Staatsmann; er ließ sich von den Unstimmigkeiten des vergangenen Abends bestimmt nicht daran hindern, sein Ziel zu verfolgen.
Jim gähnte, setzte den Logbucheintrag leise und schläfrig fort. »Eigentlich lag es gar nicht am Bier. Es bildete nur den Vorwand, den wir brauchten, um unserem Ärger Luft zu machen …«
Er unterbrach sich darauf erneut. Eine Zeitlang döste er – und zuckte zusammen, als das Interkom summte.
Als er die ungewöhnliche Anspannung in Spocks Stimme hörte, setzte er sich auf und schüttelte die Müdigkeit ab.
»Captain Kirk, bitte kommen Sie zur Brücke. Captain Kirk …«
Eine halbe Stunde vorher … Azetbur war gerade in ihr Quartier zurückgekehrt, als jemand den Türmelder betätigte. Das Schott glitt beiseite, und Brigadegeneral Kerla trat ein. Das dunkle Haar fiel ihm auf die Schultern, als er sich mit Rücksicht auf den Wächter förmlich verneigte.
»Rätin Azetbur«, sagte er sehr höflich. »Ich möchte eine ganz dringende Angelegenheit mit Ihnen besprechen.«
Sie schickte den Gardisten mit einem kurzen Blick in den Korridor zurück, und die Tür schloss sich hinter Kerla. Sofort veränderte sich sein Gebaren. Mit einigen langen Schritten kam er näher und streckte die Hände nach Azetbur aus.
Sie wich zurück und beobachtete, wie die dunklen Augen des Brigadegenerals im matten Licht glänzten. »Du bist noch immer betrunken«, sagte die Klingonin verächtlich.
Kerla zögerte für einen Sekundenbruchteil. In seinen Pupillen erkannte sie Verwirrung und unterdrückte Wut – er war tatsächlich betrunken, zumindest ein wenig. Aber die Wirkung des romulanischen Biers ließ nach, und wahrscheinlich hatte er sich jetzt besser unter Kontrolle als während des Abendessens an Bord der Enterprise.
»Was habe ich getan?«, fragte er.
Azetbur konnte keine Antwort darauf geben. Sie wusste nur, dass die Begegnung mit ihrem Vater gestaltlosen Zorn in ihr hinterlassen hatte. Sie zwang ihn aus ihrer Stimme und erwiderte möglichst ruhig: »Nichts. Aber du solltest dich um deine Pflichten kümmern. Warum …«
Kerla ergriff sie am Unterarm, hob ihre Hand zum Gesicht und nahm Azetburs Duft wahr. »Zeta … Ich musste dich sehen.« Er keuchte fast, als er diese Worte hervorstieß. »Ich kann nicht länger warten. Lass uns jetzt den Eid leisten.«
Azetburs Miene verfinsterte sich. Sie hatten oft darüber gesprochen, und die Klingonin lehnte immer ab, in erster Linie aus Respekt vor ihrem Vater. Kerla gefiel ihr. Er war dynamisch und stark, ein Mann der Leidenschaft und nicht des Intellekts. Damit stellte er das genaue Gegenteil von dem dar, was Gorkon sie zu schätzen gelehrt hatte – sie fand ihn und seine offene Emotionalität sehr reizvoll. Wenn sie keine Sorgen plagten, musste sie sich eingestehen, dass sie ihn ebenfalls begehrte.
Doch nach dem beunruhigenden Gespräch mit ihrem Vater erschien ihr das Anliegen des Brigadegenerals unangemessen und herzlos. Wie konnte sie an ihre eigene Zukunft denken, solange der Gorkons große Gefahr drohte? Azetbur zog die Hand zurück.
»Wie oft muss ich mich noch wiederholen, Ker …«
Seine Augen glühten, als er sich vorbeugte. »Weis mich nicht erneut zurück. Ich kann unmöglich bis nach der Konferenz warten.«
»Du musst.« Azetbur sprach nun betont kühl, um zu verdeutlichen, dass sie eine weitere Diskussion darüber ablehnte. Sie schob sich an ihm vorbei, ging zur Tür und blieb daneben stehen – Hinweis darauf, dass Kerla ihr Quartier verlassen sollte.
Er atmete schneller, schnaufte leise, zog ungläubig die dichten Brauen zusammen und beobachtete sie. Azetbur erwartete einen Wutanfall, aber Kerla beherrschte sich und musterte sie mit einer Intensität, die auf gespenstische Weise der ihres Vaters ähnelte. Schließlich seufzte er widerstrebend und näherte sich dem Schott.
Er verharrte vor ihr. »Dein Zorn gilt nicht mir«, sagte er so sanft wie noch nie zuvor. »Etwas belastet dich.«
Azetbur tastete überrascht nach ihrer Kehle. Sie starrten sich stumm an, und nach einer Weile entgegnete die Klingonin: »Ich … habe mit meinem Vater gesprochen.«
Kerla wartete und hörte aufmerksam zu.
»Wir unterhielten uns über die Zukunft.« Die Rätin flüsterte jetzt nur noch. »Ich fürchte um sein Leben, Kerla.«
»Dein Vater ist gut geschützt. Andernfalls wäre er nicht mehr am Leben.«
»Du hast den Hass an Bord der Enterprise gesehen. Es gibt viele Personen, die nicht wollen, dass Gorkon die Konferenz erreicht, die ihm den Tod wünschen …«
Kerla straffte die Gestalt. »Solange ich dazu fähig bin, werde ich ihn mit meinem Leben schützen, so wie auch dich, Zeta.«
Er griff nach ihren Armen, diesmal wesentlich behutsamer, und zog sie zu sich heran. Azetbur wich nicht fort, ließ sich umarmen und fand Trost im raschen Klopfen seines Herzens.
Spock betrachtete die täuschend friedliche Darstellung des Wandschirms: Das große Schlachtschiff Kronos Eins schwebte noch immer in unmittelbarer Nähe. Die Sorgen des Vulkaniers bezogen sich nicht mehr auf die Probleme, die nach der Konfrontation während des Abendessens an Bord der Enterprise entstehen konnten.
Derzeit befürchtete er etwas ganz anderes.
Spock stand an der wissenschaftlichen Station, beugte sich über den Sichtschlitz des Scanners und prüfte die Anzeigen zum sechsten Mal. Kurze Zeit später drehte er sich um, als die Doppeltür des Turbolifts mit einem leisen Zischen aufglitt.
»Captain.«
Kirk betrat die Brücke, sah zum Wandschirm und rieb sich die Augen. »Was ist los, Spock?«
Valeris gab den Kommandosessel frei und nahm neben Chekov Platz. Kirk blieb stehen, den Blick auf seinen Ersten Offizier gerichtet.
»Ich … weiß es nicht genau«, erwiderte der Vulkanier und überlegte, wie er seine Gewissheit zum Ausdruck bringen sollte, dass sich eine Katastrophe anbahnte. Er hielt prinzipiell nichts von Vorahnungen, doch ein besonderer Instinkt forderte ihn auf, dieser Beachtung zu schenken.
Der Captain verzog das Gesicht. »Spock, ich bin sehr müde …«
»Ich registriere starke Neutronenstrahlung, Captain.«
Der Vulkanier stellte erleichtert fest, dass Jim verstand und sich sofort von den Nachwirkungen des romulanischen Biers erholte. »Wo?« Er sah wieder zur Kronos im Projektionsfeld.
»Erstaunlicherweise scheint sie von uns zu stammen«, antwortete Spock. Es hätte ihn weniger besorgt, wenn die Strahlung von dem klingonischen Schiff ausgegangen wäre. Für plötzliche Neutronenemissionen an Bord der Enterprise gab es nur zwei Erklärungen. Erstens: Die Abschirmung des Materie-Antimaterie-Wandlers funktionierte nicht mehr richtig, wodurch die ganze Besatzung in Gefahr geriet. Und zweitens: Die Photonentorpedos wurden mit Energie beschickt und auf ein Ziel ausgerichtet.
»Von uns?«, fragte Kirk verblüfft. »Von der Enterprise?«
Spock nickte. »Ich habe im Maschinenraum nachgefragt. Alle Systeme arbeiten einwandfrei. Kein Strahlungsleck im Wandlerkern.«
Kirk schritt zur Station des Steuermanns und stützte sich an der Rückenlehne von Valeris' Sessel ab. »Wissen Sie etwas von einer Neutronenemission, Lieutenant?«
»Sir?« Die Vulkanierin drehte verwundert den Kopf.
»Irgend etwas Ungewöhnliches, Mr. Chekov?«
»Nur die Größe meines Kopfes«, stöhnte der Navigator.
»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Kirk leise.
Als er diese Worte formulierte, zuckte ein Photonentorpedo vom unteren Rand des Wandschirms und explodierte am Rumpf der Kronos. Grelles Licht gleißte.
»Zum Teufel auch, was …« Kirk schirmte die Augen ab.
Spock blinzelte und sah auf die Anzeigen seiner Konsole, um das Unmögliche festzustellen. »Wir haben auf das Schiff des Kanzlers geschossen«, sagte er düster.
Kirk wirbelte entsetzt herum. »Uhura, Überwachung aller internen und externen Kom-Frequenzen! Chekov, finden Sie heraus, was in der Waffenkontrolle geschieht!«
»Torpedoraum?«, fragte Chekov, während Valeris ruhig meldete: »Direkter Treffer.«
Uhura drehte sich zu Kirk um. »Bestätigung, Captain!«
Ein zweiter Torpedo raste aus der unteren Ecke des Wandschirms.
»Wer ist dafür verantwortlich!«, rief Kirk, als das Geschoss dem Schlachtkreuzer entgegenraste. Er versuchte, nicht zusammenzucken, als es noch einmal im Projektionsfeld blitzte.
»Die Außenhülle der Kronos bricht auf«, berichtete Spock. »Die Bordgravitation fällt aus, und das energetische Niveau des Lebenserhaltungssystems sinkt. Starke Beschädigungen des Schiffes.« Er richtete sich auf und sah den Captain an. »Jim, die Klingonen haben nicht einmal ihre Deflektoren aktiviert.«
Kirk schloss die Augen.
Einige Minuten vorher saß Gorkon in seiner Kabine an Bord der Kronos Eins, umgeben von Beratern und Sicherheitswächtern. Eine hitzige Debatte fand statt, und im Vergleich dazu wirkte die Auseinandersetzung mit den Menschen während des offiziellen Abendessens wie ein kultivierter Austausch von Höflichkeiten. Der Kanzler ließ sich kaum davon stören, dass ihm Azetbur nicht versprochen hatte, seine Nachfolge anzutreten. Er kannte sie gut – bestimmt wurde sie seinen Erwartungen gerecht. Derzeit wirkte sich bei ihr noch immer das romulanische Bier aus, und außerdem steckte sie in einem emotionalen Chaos. Wenn die Zeit kam, würde sie die richtigen Entscheidungen treffen.
Es blieb Gorkon gar nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen.
Der Kanzler schwieg und beschränkte sich darauf, den anderen zuzuhören. Er griff häufig zu dieser Strategie, um Informationen zu sammeln, ohne selbst welche preiszugeben. Die Kontroverse zwischen General Korrd sowie den beiden Brigadegenerälen Kerla und Kamerg war aufschlussreich für ihn. Diese drei Männer vertraten fast immer unterschiedliche Standpunkte, was für Gorkon bedeutete, dass sie ihm drei verschiedene Perspektiven anboten.
Chang mochte auf eine kaltblütige Weise tüchtig sein, aber als Berater nützte er dem Kanzler nur wenig. Der wortkarge Chang war viel zu schlau, um seine Meinung zu äußern, bevor er die politische Situation ausgelotet hatte. Normalerweise schloss Gorkon sowohl Chang als auch Azetbur von solchen Diskussionen aus. Seine Tochter war ihrem Vater gegenüber viel zu loyal, um offene Gespräche über umstrittene Angelegenheiten zu ermöglichen, und der Stabschef zeigte wie Gorkon die Neigung, stumm zuzuhören.
Darüber hinaus brachte Gorkon General Chang genug Misstrauen entgegen, um ihn nicht in zu viele Dinge einzuweihen.
Kerla nahm erst seit einer knappen Minute an der Diskussion teil, aber er war bereits auf den Beinen und schrie. Er wandte sich an den stillen Gorkon und gestikulierte leidenschaftlich. »Wie können wir an unserem Stolz festhalten, nachdem wir von den Menschen so sehr beleidigt worden sind? Kanzler, haben Sie nicht die empörenden Bemerkungen von Kirks Untergebenen gehört? Haben Sie nicht gehört, was der Soldat im Korridor sagte, als wir den Lift betraten? Man verachtet uns! Mir sind die Witze der Terraner zu Ohren gekommen, aber anstandshalber will ich sie hier nicht wiederholen. Die Menschen bezeichnen uns als Affen, als jene sprachlosen Primaten, von denen sie abstammen! Sie halten uns für dumme Wesen ohne Verstand und Gefühl!«
»Setzen Sie sich!«, donnerte General Korrd, und seine Stimme ließ die Wände erzittern. Er war dick und alt, aber bemerkenswert intelligent. Zwar hatte er viele Schlachten miterlebt und selbst viel Blut vergossen, aber das hinderte ihn nicht daran, über den Horizont seiner eigenen Kultur zu blicken.
Vielleicht hat Korrd so viele tapfere Krieger sterben sehen, darunter auch seine eigenen Kinder, dass er nun für den Frieden eintritt, dachte Gorkon.
Kerla nahm Platz, nicht aus Furcht vor Korrds lautstarkem Zorn, sondern aus Achtung vor den Wünschen eines Älteren.
»Er hat recht, General«, sagte Kamerg. Er war wesentlich jünger als Korrd, aber nicht so jung und heißblütig wie Kerla. »Wie sollen wir Frieden mit der Föderation schließen, wenn uns die Menschen so hassen?«
»Nicht alle Menschen hassen uns«, erwiderte Korrd. »Und es gibt noch andere Völker in der Föderation.«
Kamerg nickte nachdenklich. »Mag sein. Aber die Terraner sind der wichtigste Faktor, die treibende Kraft. Wenn sie nicht fair mit uns verhandeln, haben wir keine Hoffnung.«
»Sie vergessen die Vulkanier«, warf Korrd ein. »Aber um beim Thema zu bleiben … Haben wir nicht tausend Schimpfnamen für die Menschen? Hassen wir sie nicht ebenso sehr wie sie uns? Wir verachten ihre Schwäche und sie unsere Stärke. Derartige Gefühle gibt es auf beiden Seiten.
Versuchen Sie zu verstehen: Ihre Kultur verabscheut den Krieg. Die Terraner halten es nicht für ehrenhaft und ruhmvoll, in der Schlacht zu sterben. Sie sehen eine Verschwendung darin und kämpfen nur, wenn sie gezwungen werden, sich zu verteidigen. Und die Vulkanier greifen nicht einmal in Notwehr zu den Waffen. Wer von Klingonen getötet wird, ist nach Ansicht der Menschen ein Opfer, und wir sind seine Mörder.«
»Sie nennen uns Lügner!«, entfuhr es Kerla. Während des Wortwechsels der anderen Generäle hatte er sich kaum beherrschen können. »Ihre Medien werfen unserer Regierung vor, die Siedler von Kudao massakriert zu haben, und sie glauben uns nicht, wenn wir darauf hinweisen, dass Renegaten hinter dem Angriff stecken. Kanzler, bitte gestatten Sie mir, ganz offen zu sprechen.«
Korrd bedachte Gorkon mit einem amüsierten, schwer geprüften Blick und schien ihm darin mitteilen zu wollen: Ich habe nicht den Eindruck, dass er sich bisher zurückgehalten hat. Der Kanzler empfing die stumme Botschaft, reagierte jedoch nicht darauf.
»Ich beschwöre Sie …«, fuhr Kerla fort. »Streben Sie keinen Frieden mehr mit den Menschen an. Wir müssen unsere Beziehungen zu den Romulanern verbessern. Gemeinsam sind wir stark genug, um die Föderation in die Knie zu zwingen!«
Korrd zischte abfällig. »Den Romulanern stehen nicht so umfangreiche Ressourcen zur Verfügung wie der Föderation. Hören Sie auf, mit Ihren Drüsen zu denken, Kerla. Selbst ein Bündnis mit dem Reich ermöglicht uns keinen Sieg über die Föderation. Und die Romulaner mögen uns ebenso wenig wie die Menschen.«
»Aber sie wissen wenigstens, was Kriegerehre bedeutet«, entgegnete Kerla trotzig.
Der alte Korrd kniff die Augen zusammen und rülpste laut, um zu zeigen, was er von dieser Beleidigung hielt.
Kerla sprang wieder auf und sah Gorkon an. »Kanzler, im Gegensatz zu General Korrd glaube ich, dass uns ein Bündnis mit dem romulanischen Reich in die Lage versetzt, die Föderation zu besiegen. Anschließend beanspruchen wir die Ressourcen für uns selbst. Noch haben wir Zeit genug.«
»Ich verstehe«, sagte Gorkon langsam. »Hat Chang darüber mit Ihnen gesprochen?«
In Kerlas Augen funkelte es. »Ich bin durchaus imstande, mir eine eigene Meinung zu bilden.« Steif nahm er Haltung an. »Mit Ihrer Erlaubnis, Kanzler …«
Gorkon nickte.
Kerla ging wütend hinaus, und das lange Haar folgte ihm wie ein Schweif.
Gorkon seufzte, als sich das Schott hinter dem jungen Klingonen schloss. Er vertraute Kerla, wie allen seinen Beratern – mit Vorbehalt. Der Brigadegeneral war dem Kanzler treu ergeben, aber er konnte dazu verleitet werden, Gorkon zu verraten, wenn er zu der Überzeugung gelangte, dass es dem Wohl des Imperiums diente. Gorkon wusste um die wachsende Unzufriedenheit im Militär angesichts der neuen Friedensbemühungen. Aus diesem Grund hatte er die Sicherheitsmaßnahmen für sich selbst und seine Tochter verstärkt, obwohl er wusste, dass es keine absolute Sicherheit gab. Nur ein sehr törichter Regierungschef begriff nicht, dass er von seinem eigenen Leibwächter ebenso ermordet werden konnte wie von einem bekannten Feind.
Er drehte den Kopf und merkte, dass Korrd ihn musterte. Der ältere Klingone legte die Hände auf seinen weit vorgewölbten Bauch und knurrte leise. Ach, die Jugend …
Kamerg schüttelte den Kopf. »Der Brigadegeneral ist ein Narr.«
»Der Brigadegeneral ist noch jung«, entschuldigte Korrd die Unhöflichkeit Kerlas. »Er glaubt, die Kriegerehre besteht nur aus einfachen, klaren Entscheidungen, die keinen Platz für Zweifel lassen. Auch ich habe das Universum einmal durch einen romantischen Filter gesehen.«
»Kerla steht nicht allein«, sagte Gorkon behutsam. »Andere vertreten die gleiche Ansicht – Leute mit viel größerer militärischer Macht.« Er nannte weder Einzelheiten noch die Namen der Personen, die er einer Verschwörung verdächtigte. Er hatte keine Bedenken, mit Korrd und Kamerg darüber zu sprechen, aber er bezweifelte die Loyalität der Sicherheitswächter. Vermutlich war mindestens einer von ihnen ein Spion.
Korrds trübe Augen glänzten. Er nickte verständnisvoll und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Gorkon bekam keine Gelegenheit, die Worte zu hören. Von einer Sekunde zur anderen neigte sich die Achse des Raums um neunzig Grad, und die Backbordwand verwandelte sich in den Boden. Der Kanzler befand sich plötzlich inmitten eines Gewirrs aus Armen, Beinen und Einrichtungsgegenständen. Bernsteinfarbenes Alarmlicht pulsierte.
Das Bewegungsmoment schleuderte Gorkon an die Wand und presste ihm die Luft aus den Lungen. Für einen Augenblick kippte das Schiff zur Seite, richtete sich dann mit einem dumpfen Knirschen auf. Der Kanzler fiel zum kalten Metallboden zurück und spürte Korrds weichen Körper unter sich.
Er wusste, was geschehen war, noch bevor ihn der General darauf hinwies.
»Jemand hat das Feuer auf uns eröffnet!«, brüllte Korrd. Fast im gleichen Augenblick erschütterte ein zweiter Treffer das Schiff.
Gorkon wurde erneut vom Boden gerissen, doch diesmal spürte er eine sonderbare Gewichtslosigkeit. Er prallte nicht etwa an die Wand, sondern hing schwerelos in der Kabine. Um ihn herum stiegen Stühle, Berater und Soldaten empor. Der Kanzler begriff seine Hilflosigkeit, und er beobachtete das Geschehen mit der Ruhe eines Mannes, der um die Unvermeidlichkeit des Todes weiß. Die Wächter ruderten mit den Armen und trachteten vergeblich danach, ihre fortschwebenden Waffen zu ergreifen.
»Der Gravitationsgenerator!«, rief jemand hinter Gorkon.
»Die Enterprise!«, donnerte Kamerg in ohnmächtigem Zorn.
»Nein«, flüsterte der Kanzler. Er kannte Spock und vertraute ihm völlig, mehr als seinen eigenen Leuten, und instinktiv erweiterte er dieses Vertrauen auf den Kommandanten der Enterprise. Kirk hatte guten Grund, um zu hassen, aber im Gegensatz zu Kerlas Behauptungen war er ein Mensch, der die Kriegerehre verstand – auch wenn er nichts vom Töten hielt. Kirk würde seine Pflicht so gut wie möglich erfüllen, ungeachtet der persönlichen Gefühle.
Nein, er trug bestimmt keine Verantwortung für den Angriff.
Hinter der Tür fauchten Strahlwaffen. Schreie erklangen.
Azetbur, dachte Gorkon erschrocken. Wenn sie mich ermorden, bringen sie auch meine Tochter um. Ich muss sie warnen … Er ignorierte den Schwindel, streckte die Arme aus und bemühte sich, irgendwo Halt zu finden. Die anderen Männer im Zimmer verstanden offenbar, was sich nun anbahnte: Verzweifelt versuchten sie, sich vom Kanzler zu entfernen.
Erneut entluden sich Phaser im Korridor, und jemand stöhnte. Die Geräusche kamen näher.
Gorkon schwamm durch die Luft und schob sich an schwebenden Sesseln vorbei. Der Abstand zum Interkom-Anschluss an der Wand schrumpfte allmählich. Selbst wenn es ihm nicht gelang, Azetbur zu retten … Er sehnte sich danach, ihre Stimme zu hören, noch ein letztes Mal mit ihr zu sprechen …
Ein neuerlicher, gequält klingender Schrei. Das Schott glitt auf, und eine Leiche flog herein, gefolgt von Blut, das im pulsierenden bernsteinfarbenen Alarmlicht violett wirkte. Gorkon sah einen abgetrennten Arm, der eine eigene Blutspur hinter sich herzog, gegen seinen früheren Eigentümer stieß, den Weg fortsetzte und die entsetzten klingonischen Beobachter erreichte.
Zwei Starfleet-Angehörige standen im offenen Zugang. Sie trugen dicke Gravitationsstiefel und hielten schussbereite Blaster in den Händen.
Rechts und links neben Gorkon hoben Sicherheitswächter ihre Strahler und versuchten unbeholfen, auf die Eindringlinge zu zielen.
Kamerg hatte inzwischen das Interkom erreicht und stellte einen Kom-Kontakt zur Brücke her. »Enterprise-Offiziere sind gekommen, um den Kanzler zu erschießen! Enterprise … Kirk …«
Nein!, riefen Gorkons Gedanken. Die Angreifer stammen nicht von der Enterprise. Kirk trifft keine Schuld. Jemand anders ist hierfür verantwortlich.
Die Männer in den Starfleet-Uniformen schossen auf die Wächter. Sie benutzten keine in der Föderation gebräuchlichen Standard-Strahler, sondern verbotene Brandphaser, die weitaus mehr Schmerzen verursachten. Ihre Entladungen kochten durch Fleisch und Knochen.
Blut spritzte. Gorkon schloss die Augen, als die Leiche eines Wächters an ihm vorbeischwebte.
Azetbur, dachte er verzweifelt und hoffte, dass er sich ihr allein mit Willenskraft mitteilen konnte. Setz meine Arbeit fort, Tochter.
Er hob die Lider wieder und begegnete ruhig dem Blick seiner Mörder. Er wollte ihnen sagen, dass ihr Täuschungsmanöver nicht funktionieren würde; er wusste, dass sie nicht von der Enterprise kamen.
Aber es blieb ihm keine Zeit. Eine der beiden Gestalten feuerte. Gorkon krümmte sich zusammen, als ihn heiße Agonie von der Brust bis zum Unterleib verbrannte, doch er schrie nicht. Statt dessen seufzte er und dachte an Azetbur, bevor er sich der ihm entgegenflutenden Dunkelheit hingab.