Kapitel 5

 

An Bord der Enterprise starrten Kirk und seine bestürzte Brückencrew auf den Wandschirm. Das Projektionsfeld zeigte einen wütenden Chang, hinter dem bernsteinfarbenes Licht glühte; der Klingone schrie etwas in seiner Sprache.

Nach einigen Sekunden wurde der Schirm dunkel.

Uhura hielt sich das Kom-Modul ans Ohr, als sie zum Befehlsstand sah. »Er wirft uns einen schamlosen, hinterhältigen Angriff vor.«

»Wir haben nicht auf die Kronos geschossen«, sagte Kirk.

»Da muss ich Ihnen widersprechen, Captain«, erklang Spocks Stimme von der wissenschaftlichen Station. »Die Computeraufzeichnungen bestätigen, dass zwei Photonentorpedos von uns abgefeuert wurden.«

Valeris blickte auf ihre Konsole. »Captain, der Schlachtkreuzer dreht bei!«

Sie betätigte eine Taste. Die Kronos auf dem Wandschirm rotierte langsam und richtete ihren Bug auf die Enterprise.

Spock beugte sich über den Sichtschlitz des Scanners. »Bestätigung. Die Klingonen bereiten ihre Waffensysteme vor.«

Chekov wandte sich an Kirk. »Deflektoren aktivieren, Captain?«

Jims Aufmerksamkeit galt noch immer dem großen Schirm. Die Situation erschien ihm absurd. Sein Schiff konnte unmöglich auf die Kronos geschossen haben – es sei denn, es gab Saboteure an Bord.

Kwan-mei Suarez' Worte hallten bedeutungslos hinter Kirks Stirn wider: Die Phaserstrahlen kamen aus dem Nichts …

Derzeit war Chang nicht bereit, auf die Stimme der Vernunft zu hören. Kirk musste etwas Drastisches entscheiden, um die Klingonen davon zu überzeugen, dass er nicht befohlen hatte, die Kronos unter Beschuss zu nehmen.

»Captain.« In Valeris' Stimme vibrierte unvulkanische Nervosität. »Unsere Schilde …«

Kirk musterte sie gelassen. »Uhura«, sagte er und hielt dabei den Blick der Vulkanierin fest. »Signalisieren Sie unsere Kapitulation.«

Uhura drehte den Kopf und starrte Kirk groß an. »Captain …«

Er presste die Lippen zusammen. »Wir kapitulieren.«

Die dunkelhäutige Frau konzentrierte sich wieder auf ihr Pult und drückte einige Tasten.

»Captain!«, protestierte Chekov. »Wenn die Kronos auf uns schießt, während wir nicht von den Deflektoren geschützt sind …«

Kirk schaltete den Kommunikator in der Armlehne des Kommandosessels ein. »Waffenkontrolle! Haben wir die beiden Torpedos abgefeuert?«

»Negativ, Captain«, tönte Scotts Stimme aus dem Lautsprecher. »Nach der Bestandsliste zu urteilen, sind wir noch immer voll bestückt.«

Jim spürte geringfügige Erleichterung. Wenigstens war sein Schiff nicht für die Beschädigungen des Schlachtkreuzers verantwortlich. Aber wie sollte er Chang davon überzeugen?

Spock prüfte die auf den Sichtschirmen der wissenschaftlichen Station angezeigten Daten. »Der Computer bestätigt noch einmal, Captain. Wir haben zwei Photonentorpedos eingesetzt.«

»Deaktivieren Sie unsere Waffensysteme«, wies Kirk den Chefingenieur an.

Er hörte, wie Scott nach Luft schnappte. »Captain, wenn …«

»Waffensysteme deaktivieren, Mr. Scott. Keine Energie in die Akkumulatoren. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Mister?«

»Aye, Sir«, erwiderte Scott widerstrebend.

Kirk schloss den Kanal und hielt den Atem an.

Komm schon, Chang. Wir sind völlig wehrlos.

Nichts geschah.

Spock sah einmal mehr in den Sichtschlitz des Scanners. »Die Klingonen scheinen nicht zu beabsichtigen, das Feuer auf uns zu eröffnen, Captain.«

Kirk zuckte fast zusammen, als sich hinter ihm der Turbolift öffnete und wieder schloss. McCoy trat neben den Kommandosessel und hielt eine Medo-Tasche in der Hand.

»Was geht hier vor?«

»Das würde ich ebenfalls gern wissen«, antwortete Kirk. »Uhura?«

»Dort drüben herrscht ein ziemliches Durcheinander, Sir. Entladungen von Handphasern, Schreie …«

»Ich beame mich an Bord der Kronos.« Jim stand auf und blickte zum Ersten Offizier. »Sie haben das Kommando, Spock.«

Der Vulkanier trat vor den Turbolift und versperrte ihm den Weg.

»Meine Initiative brachte Sie in diese Situation, Captain. Lassen Sie mich gehen.«

Kirk schüttelte den Kopf. »Nein. Als Captain muss ich die Klingonen davon zu überzeugen, dass ich nicht den Befehl gegeben habe, auf die Kronos zu schießen. Ihre Präsenz würde nicht genügen.«

Spock zögerte unsicher, und Jim fuhr fort: »Außerdem: Sie müssen mich aus dieser Sache herausholen, wenn etwas schiefgeht. In der Zwischenzeit …« Er senkte die Stimme. »Versuchen wir, so kurz vor dem galaktischen Frieden keinen interstellaren Krieg auszulösen.«

Der Vulkanier nickte, und Kirk sah so etwas wie Dankbarkeit in seinen Augen. Überraschenderweise klopfte ihm Spock einmal kurz auf den Rücken. »Vielleicht haben Sie recht, Captain.«

Kirk musterte ihn verwirrt, und wenige Sekunden später sagte McCoy in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ: »Ich komme mit. Vielleicht braucht man drüben einen Arzt.«

Kirk verzichtete auf Einwände. »Kündigen Sie uns an, Uhura. Und weisen Sie darauf hin, dass wir unbewaffnet sind.«

 

General Chang verließ die Brücke der Kronos Eins und hangelte sich an Schottgriffen durch den Korridor. Über ihm schwebten Opfer des Angriffs unter wachsenden Lachen aus violettem Blut.

Er war versucht gewesen, das Feuer auf die Enterprise zu eröffnen, aber er hatte sich beherrscht. Als er nun die Toten sah – einige von ihnen gute Offiziere, die er schon seit Jahren kannte und respektierte –, biss er die Zähne zusammen und schwor Kirk Rache.

Bald. Sehr bald. Aber er sah keine Ehre darin, auf ein Schiff zu schießen, dessen Kommandant kapituliert hatte.

Chang verharrte an der Tür von Kanzler Gorkons Quartier. Hier gab es noch viel mehr Blut, und der Anblick war ebenso grässlich wie die Bilder vom Kudao-Massaker: Körperlose Köpfe, Gliedmaßen und ein halb verbrannter Torso drifteten durch den Ozean des Todes. Nur das Ächzen der Verwundeten störte die Stille.

Chang wich nicht vor der grauenhaften Szene zurück. Als Krieger hatte er schon vor langer Zeit gelernt, den Preis der Schlacht zu akzeptieren. Doch hierfür, so versprach er sich grimmig, würde Kirk mit seinem Leben bezahlen.

Mitten in dem See aus Blut schwebte Gorkon, wie ein Ertrunkener mit dem Gesicht nach unten. Er lebte noch; violette Flüssigkeit quoll ihm nach wie vor über die Brust und den einen Arm, sammelte sich über dem Kopf. Chang rief seinen Namen und versuchte, ihn zu erreichen, wodurch er fast den Halt am Schott verlor. Andere hörten ihn und kamen, um zu helfen. Chang schrie sie an, doch ihre Versuche, Gorkon in den Korridor zu ziehen, schlugen fehl.

Das Licht flackerte, und einen Sekundenbruchteil später fühlte sich der klingonische General von einer unsichtbaren Faust gepackt – der Gravitationsgenerator funktionierte wieder und schuf ein künstliches Schwerkraftfeld im Schlachtkreuzer. Chang fiel auf die Knie und duckte sich, als es Leichen und Blut regnete.

 

Einige Sekunden vor der Reaktivierung des Gravitationsgenerators schrie Azetbur zornig, als ihre Hände durch leere Luft strichen.

So sehr sie sich auch bemühte: Die glatte Metalldecke über ihr blieb nah und gleichzeitig unerreichbar fern. Sie konnte sich nirgends festhalten, hatte keine Möglichkeit, ihre Bewegungsrichtung zu kontrollieren.

Im Korridor befanden sich Mörder und brachten nun ihren Vater um. Azetbur hörte die gedämpften Schreie der Sterbenden; sicher dauerte es nicht mehr lange, bis sie an die Reihe kam.

Dieser Gedanke weckte weder Furcht noch Wut in ihr, veranlasste sie auch nicht dazu, ihre Versuche mit erneuerter Kraft fortzusetzen. Sie wollte ihr Quartier nur verlassen, um Gorkon aufzusuchen und gemeinsam mit ihm zu sterben, um ihm zu versichern, dass es immer ihre Absicht gewesen war, seinen Wünschen zu entsprechen, seine Nachfolge anzutreten.

Sie hatte sich von Kerlas Versprechen beruhigen lassen – und gewusst, dass er es gar nicht einhalten konnte. Wie sollte er jetzt ihren Vater schützen, obgleich er ebenso hilflos war wie alle anderen? Es handelte sich nicht um das heimliche Attentat eines Ratsmitglieds an Bord der Kronos – Kerla hätte vielleicht eine Möglichkeit gefunden, so etwas zu verhindern.

Nein, das Chaos in der Kronos ging auf die Aktion eines feindlichen Schiffes zurück. Azetbur dachte an eine romulanische Kriegsschwalbe, die sowohl den klingonischen Schlachtkreuzer als auch die Enterprise vernichtete, um dann ins Reich zurückzukehren – in der Hoffnung, einen Krieg zwischen Imperium und Föderation provoziert zu haben.

Oder ließ sich Captain Kirk von blindem Hass dazu hinreißen, einfach so auf Klingonen zu schießen? Gorkon hätte das sicher für unmöglich gehalten.

Du bist zu vertrauensselig, Vater

Azetbur traute Kirk nicht, aber sie hatte mehr Verschlagenheit von ihm erwartet, keinen direkten Angriff.

Ganz plötzlich entstand wieder ein Schwerkraftfeld, und die Klingonin stürzte wie ein Stein zu Boden. Sie schenkte den überall herunterfallenden Gegenständen keine Beachtung, stand auf und wankte in den Korridor.

Ihr Leibwächter hatte seinen Posten an der Tür verlassen. Azetbur lief durch den Gang und fand den Gardisten nach einigen Metern: tot, der Leib von Phaserwunden entstellt, sein Blut an Wänden und Decke.

Die Tochter des Kanzlers erlaubte sich nicht, auf diesen Anblick zu reagieren. Sie eilte weiter, stolperte über die Leichen von Personen, die sie gekannt hatte, über abgetrennte Gliedmaßen, deren frühere Eigentümer sie nicht mehr identifizieren konnte. Schließlich gelangte sie zur Kabine ihres Vaters.

Das Schott war geöffnet, und dahinter schien ein regelrechtes Gemetzel stattgefunden zu haben. Wohin Azetbur auch blickte: überall starrte sie auf Tote und Blut. Nur zwei Offiziere standen in dem Zimmer. Als sie die junge Klingonin bemerkten, traten sie beiseite. Daraufhin sah Azetbur Chang und Kerla, die sich über den reglosen Gorkon beugten.

Sie schrie, spürte dabei mehr Wut als Kummer und stürmte zu ihrem Vater. Seine Wunden sah sie nicht, nur das Blut – und eine Brust, die sich langsam hob und senkte.

Chang und Kerla wichen zurück und erlaubten es ihr, den schlaffen, aber immer noch warmen Gorkon zu umarmen. Changs Miene zeigte Hass angesichts der jüngsten Ereignisse; in Kerlas Augen leuchtete der gleiche Zorn wie in Azetburs Pupillen.

»Wo ist der Arzt?«, fragte sie den General.

»Tot«, erwiderte Chang bitter. »Und die Krankenstation wurde zerstört. Wir suchen nach jemandem, der den Kanzler behandeln kann, aber bisher haben wir keinen Überlebenden mit den notwendigen medizinischen Kenntnissen gefunden …«

Gorkon bewegte sich und seufzte leise. Seine Tochter stöhnte, wiegte ihn sanft hin und her.

»Vater«, hauchte sie. »Ich trete deine Nachfolge an. Das schwöre ich dir. Ich bin bereit, deine Nachfolgerin zu sein. Aber du darfst jetzt nicht sterben …«

Es rasselte im Lautsprecher des Interkoms. Chang ging zu dem Anschluss, nahm eine Mitteilung entgegen, kehrte zurück und hockte sich nieder.

»Kirk ist hierher unterwegs. Angeblich hat die Enterprise nicht angegriffen und möchte uns helfen. Er bringt einen Arzt mit.«

»Die Enterprise ist unbeschädigt?«, fragte Azetbur. »Wer hat dann auf uns geschossen?«

»Kirk lügt«, erwiderte Chang grimmig. »Wir haben unsere Sensoren nicht auf sein Schiff gerichtet – niemand rechnete mit einem Angriff unserer Eskorte! Aber es gab keine anderen Raumschiffe in diesem Quadranten, und die Flugbahn der Photonentorpedos schließt jeden Zweifel aus. Die Enterprise hat auf uns gefeuert.«

Kerla stand wütend auf. »Kirk soll ruhig kommen! Ich kümmere mich um ihn!«

»Nein«, widersprach Azetbur. Verzweiflung verlieh ihrer Stimme einen schrillen Klang. »Wenn Kirk wirklich einen Arzt mitbringt … Mein Vater braucht dringend medizinische Hilfe. Anschließend ziehen wir sie zur Rechenschaft.«

Chang und Kerla zögerten kurz, und dann nickte der General. Kerla brummte widerstrebend. »Ich bin gleich wieder da«, zischte er und verließ die Kabine.

Gorkon stöhnte, aber seine Augen blieben geschlossen. Azetbur hielt ihn auch weiterhin eng umschlungen und fühlte, wie ihr sein Blut über die Arme rann.

»Warum?«, flüsterte sie und beugte sich zu ihrem Vater hinab. »Warum haben sie mich nicht getötet? Warum lassen sie mich leben?«

Chang wandte sich ab.

 

Grelles Licht erfüllte den Transporterraum der Kronos, und Jim Kirk beobachtete aus zusammengekniffenen Augen die nahen Phaser – sie waren auf tödliche Emissionen justiert. Vorsichtig hob er die Hände, um zu zeigen, dass er keine Waffen trug. Weder er noch McCoy rührten sich, als die Klingonen sie durchsuchten.

Brigadegeneral Kerla kam herein und machte nun kein Hehl mehr aus seiner Verachtung.

»Sind Sie übergeschnappt?«, fragte er. Nur wenige Zentimeter trennten sein Gesicht von dem des Starfleet-Captains. »Haben Sie den Verstand verloren? Erst Ihr Angriff auf uns, und dann lassen Sie sich an Bord beamen …«

»Ich versichere Ihnen, dass ich nicht verstehe, was geschehen ist«, erwiderte Kirk ernst. »Ich habe nicht den Befehl gegeben, das Feuer auf die Kronos zu eröffnen.«

»Wir sind hier, um Ihnen zu helfen«, fügte McCoy hinzu und deutete auf seine Medo-Tasche, deren Inhalt gerade von einem misstrauischen Klingonen untersucht wurde.

»Wie schlimm war es für Sie?«, erkundigte sich Kirk. »Haben Sie Opfer zu beklagen?«

Kerla zitterte vor Zorn, setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich dann anders und bedachte die beiden Menschen mit einem durchdringenden Blick. Es brodelte noch immer Wut in ihm, als er sagte: »Folgen Sie mir.«

Er führte Kirk, McCoy und zwei Wächter in den Korridor. Schon nach wenigen Schritten sah Jim rötlich-violettes Blut an den Wänden, der Decke und auf dem Boden. Er schnappte unwillkürlich nach Luft. Kerla drehte den Kopf und musterte die beiden Starfleet-Offiziere, als sie an mehreren Leichen vorbeikamen.

»Aber was … Wer …« brachte Kirk hervor. Er wollte einfach nicht glauben, was sich seinen Blicken darbot. »Wie konnte so etwas passieren?«

Kerla schwieg und ging weiter. Jim folgte ihm erschüttert und trat über reglose Körper hinweg, während McCoy mit seinem Tricorder nach Lebenszeichen Ausschau hielt.

Nach einer Weile erreichten sie das Quartier des Kanzlers, und dort erwartete sie eine grässliche Szene. Überall lagen Leichen oder Teile davon, und alles war blutverschmiert.

Mitten im Zimmer hockte Chang neben Azetbur, die ihren Vater umarmte. Kummervoll und stumm sah sie zu Kerla auf und starrte die Menschen an. Der Brigadegeneral eilte zu ihr.

»Kanzler Gorkon!« McCoy riss die Augen auf. »Jim, er lebt noch!«

Chang erhob sich.

»Mein Gott«, hauchte Kirk. »Was ist geschehen?«

In Changs Augen gleißte es. »Sie wissen genau Bescheid.«

»Was ist geschehen?«, wiederholte der Captain.

»Sie haben unser Gravitationsfeld mit einem direkten Torpedotreffer zerstört. Anschließend beamten sich zwei Ihrer Besatzungsmitglieder mit magnetischen Stiefeln an Bord und stellten das hier an!« Chang deutete auf die Toten, auf Azetbur und Gorkon. »Es gibt Zeugen dafür!«

Kirk erbleichte und drehte sich um.

»Jim?« McCoy versuchte, sich aus dem Griff der Sicherheitswächter zu befreien und Gorkon zu erreichen.

»Er ist Arzt!«, stieß Jim hervor. »Er will ihm helfen …«

»Wie soll ich Ihnen jetzt vertrauen?«, erwiderte Chang.

McCoy übertönte ihn. »Haben Sie jemanden, der ihn behandeln kann?«

»Unser Bordarzt kam bei dem Angriff ums Leben, und die Krankenstation wurde zerstört!«, donnerte der General.

»Dann überlassen Sie Gorkon mir!«

Chang warf Azetbur und ihrem Vater einen unsicheren Blick zu, bevor er den Wächtern widerstrebend zunickte.

McCoy lief zu Gorkon und zeigte auf einen nahen Konferenztisch. »Ich brauche Licht. Können wir ihn auf den Tisch legen?«

Die Klingonen hoben den Kanzler vorsichtig hoch und trugen ihn zum Tisch. Kirk stand zwischen Azetbur und McCoy, dicht neben Gorkons Kopf. Deutlich sah er die Wunden des Mannes, und es erschien ihm unglaublich, dass er noch lebte. Die Brandspur des Phaserstrahls reichte von der Brust bis zum Unterleib.

General Chang blieb in unmittelbarer Nähe McCoys, als der Arzt Gorkon mit dem Tricorder untersuchte, dann einen akustischen Stimulator hervorholte und versuchte, die tiefen Risse im Leib des Kanzlers zu schließen. Azetburs Vaters bewegte sich und stöhnte. »Halt ihn fest, Jim«, sagte McCoy. Er klang ruhig, doch seine Hände zitterten.

Kirk beugte sich vor, drückte vorsichtig Gorkons Arme nach unten und spürte Blut an den Fingern. Es war ihm sehr schwer gefallen, die Klingonen an Bord der Enterprise zu empfangen, aber er hatte nichts gegen den Kanzler. Er mochte und respektierte ihn sogar, begriff nun, dass er es mit seinen Friedensabsichten ernst meinte – was man sicher nicht von allen Klingonen in diesem Raum behaupten konnte. Gorkon hatte den Weitblick, über die klingonische Tradition hinauszusehen. Wenn er jetzt starb …

»Herr im Himmel«, flüsterte McCoy. »Was auch immer in seinen Adern fließt – er hat eine Menge davon verloren.«

Kirk starrte in Gorkons Gesicht und erinnerte sich an bronzefarbene Wangen, die nun aschfahl wirkten. Panik quoll in ihm empor, und er sah Pille an. »Schaffst du es?«

»Jim …«, erwiderte der Arzt gequält. »Ich kenne nicht einmal seine Anatomie.« Die Verzweiflung in ihm wuchs, als er mit dem Stimulator erneut über Gorkons Torso strich. Dann sah er Kirk an und schüttelte den Kopf.

»Die Wunden schließen sich nicht.«

Der Kanzler ächzte leise, hob die Arme und tastete nach Kirks Hand.

»Sie bringen ihn um!«, zischte Kerla neben McCoy.

Chang näherte sich dem Arzt.

Jim hielt ihn zurück. »Nein!«

Gorkon stöhnte noch einmal und blieb dann still. Sein Griff lockerte sich, und die Hände sanken nach unten.

»Kanzler!«, platzte es aus McCoy heraus. »Hören Sie mich? Kanzler!«

Gorkon reagierte nicht.

»Vater!«, rief Azetbur.

McCoy riss den Kragen des Sterbenden auf.

»Pille …?« Jim glaubte zu beobachten, wie die letzte Friedenschance der Menschheit schwand.

»Offenbar ein Herzstillstand«, sagte McCoy gepresst. »Komm schon, verdammt!«, fluchte er und schlug auf Gorkons Brust.

Der Kanzler öffnete die Augen und sah zu Kirk auf.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er leise.

Jim erinnerte sich, wie er Spock geantwortet hatte, die Klingonen seien Tiere und man solle sie ruhig sterben lassen.

Nein, ertönte es hinter seiner Stirn. Auf diese Weise darf es nicht enden.

Die Augen des Kanzlers trübten sich, und seine Züge erschlafften.

Besorgt blickte Kirk zu McCoy. Der Arzt betrachtete ungläubig den roten Indikator auf seinem Medo-Scanner.

»Er ist tot«, raunte er erschüttert.

Jim trat zu ihm und nahm McCoy beiseite, während Azetbur die Arme um ihren Vater schlang.

Chang wandte sich an die beiden Menschen, und sein Gesicht brachte grimmigen Triumph zum Ausdruck. »Ich berufe mich auf den Artikel eins acht vier des Interstellaren Rechts und stelle Sie hiermit beide unter Arrest. Die Anklage lautet auf Ermordung des imperialen Kanzlers.« Er winkte die Wächter näher.

»Mein Erster Medo-Offizier hat gerade versucht, ihm das Leben zu retten!«, erwiderte Kirk, und sein Zorn bezog sich auf McCoy, den es immer bestürzte, einen Patienten zu verlieren, ganz gleich, wie hoffnungslos die Situation sein mochte.

Chang fauchte den Sicherheitswächtern einen Befehl zu.

Jim war viel zu verblüfft, um Widerstand zu leisten, als die Klingonen ihn und McCoy fortführten.

 

Azetbur wiegte ihren toten Vater wie ein Kind.

Während seines Lebens war er klug genug gewesen, um nur einigen wenigen Personen zu vertrauen: seiner verstorbenen Frau, der Tochter und General Korrd. Unglücklicherweise hatte er auch James Kirk vertraut und diesen Fehler nun mit dem Tod bezahlt.

Die jüngsten Ereignisse ergaben kaum einen Sinn für Azetbur: Trauer hinderte sie daran, klar zu denken. Sie wusste nur, dass ihr Vater ohne den Trost des Wissens gestorben war, dass sie seine Nachfolge antreten, sein Friedenswerk fortsetzen würde.

Selbst in der Ruhe des Todes zeigten sich Erschöpfung und Anspannung in Gorkons Gesicht. Azetbur wischte diese Spuren sanft fort und zuckte zusammen, als Kerlas Hände am Kopf ihres Vaters erschienen.

Chang sank neben ihnen auf die Knie, streckte die Daumen und hob vorsichtig die Lider des Kanzlers.

Ein dumpfes Knurren entrang sich Kerlas Kehle.

»Nein!« Azetbur stieß die Hände fort. Sie wusste, was die beiden Männer beabsichtigten – sie wollten Gorkon als Krieger ins Jenseits schicken, mit einem Schrei, der ihn den Toten ankündigte.

Kerla und Chang musterten sie verwirrt.

»Nein«, wiederholte sie fest. »Mein Vater strebte den Frieden an und war kein Krieger. Ich kenne seine Wünsche. Er kam hierher, um die bisherige Tradition zu beenden, nicht um sie fortzusetzen.«

Kerla gestikulierte wütend und schien die Zeremonie ohne Azetburs Erlaubnis durchführen zu wollen, doch Chang hob den Arm.

»Respektieren Sie ihre Entscheidung«, sagte er leise, stand auf und bedeutete Kerla, seinem Beispiel zu folgen.

Der jüngere Klingone erhob sich und trat zurück, während es in seinen Augen blitzte. Changs kühle Miene verriet tiefen Hass.

Sie ließen Gorkons Tochter allein. Azetbur umarmte auch weiterhin ihren Vater und flüsterte ihm Versprechungen zu.