Kapitel 13

 

»Worauf warten die Klingonen?«, murmelte Kirk, kniff die Augen zusammen und starrte einmal mehr auf den Wandschirm, der nach wie vor leeren Raum zeigte. Seine Hoffnung, die geschmeidigen, vertrauten Konturen der Excelsior zu sehen, ließ allmählich nach. Es fiel Jim sehr schwer, die derzeitige Ereignislosigkeit zu ertragen; er hätte einen weiteren Angriff fast als Erleichterung empfunden.

»Wahrscheinlich versuchen sie festzustellen, warum wir uns zurückziehen«, antwortete Spock ruhig. »Sie fragen sich vermutlich, ob wir sie geortet haben.«

Kirk zuckte zusammen, als Changs raue Stimme aus dem Kom-Lautsprecher drang. »Ich sehe Sie, Kirk.«

Der Captain warf einen raschen, sinnlosen Blick zum Projektionsfeld. »Chang …«

Der Klingone sprach in einem spöttischen, ironischen Tonfall. »Seien Sie ehrlich, Captain. Von Krieger zu Krieger: Ist es Ihnen so nicht lieber? So wie es sein sollte? Kein Frieden, solange wir leben. ›Erneut zum Angriff, liebe Freunde …‹«

Vor Gorkons Tod wäre ich vielleicht der gleichen Meinung gewesen, dachte Jim beschämt. Er sah zu Uhura, aber sie schüttelte den Kopf – die Signale konnten nicht angepeilt werden.

Kirk schaltete das Interkom ein. »Unsere Zeit ist vorbei, Chang. Die Geschichte steht nicht still – auch nicht für Leute wie uns.«

Der Klingone gab keine Antwort. Kirk versteifte sich unwillkürlich und erwartete die Explosion eines Photonentorpedos. »Chang …?«

»Etwas Göttliches bestimmt unseren Weg, Kirk. Wir müssen ihm folgen, ob es uns gefällt oder nicht …«

Auf dem Wandschirm blitzte es auf, und helles Licht raste der Enterprise entgegen.

»Detonation steht unmittelbar bevor«, sagte Chekov gepresst, und einen Sekundenbruchteil später schüttelte sich das Schiff. Kirk schloss die Hände fester um die Armlehnen.

Ein interner Kom-Kanal übertrug die klagende Stimme des Chefingenieurs. »Wenn's so weitergeht, geraten wir in arge Bedrängnis.«

Scott unterbrach die Verbindung sofort wieder; offenbar hatte er zuviel zu tun, um weitere Worte zu verlieren.

»Zum Teufel, Sulu, wo bleiben Sie?«, brachte Kirk zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, leise genug, damit ihn Chang nicht hörte.

»›Vor allem dies‹, Kirk«, zitierte der klingonische General bedrohlich sanft. »›Dem eignen Selbst sei treu!‹«

Die Enterprise erbebte erneut.

 

Tief im klingonischen Raum zitterte die Excelsior, als breche sie langsam auseinander. Sulu versuchte, die Kiefermuskeln zu entspannen, damit seine Zähne nicht mehr klapperten; der Befehlsstand unter ihm vibrierte heftig.

Die Chefingenieurin der Excelsior hatte sich gerade per Interkom gemeldet und beschwert. Sie war halb Ukrainerin und halb Bengalin, sprach mit einem Akzent, den Sulu nicht zu identifizieren vermochte und der keine Ähnlichkeiten mit Schottisch aufwies. Aber ihr Tonfall erinnerte ihn stark an Montgomery Scott und seine ›armen Maschinen‹.

Sulu dankte ihr für den Bericht, schaltete ab und wandte sich an den Steuermann.

»Sind wir in Reichweite?«

»Noch nicht, Captain«, erwiderte Lojur und hielt den Blick seiner dunklen Augen auf den Wandschirm gerichtet.

»Schneller, schneller!«, raunte Sulu. Kirk hatte Khitomer vor einigen Minuten erreicht. Mit jeder weiteren Sekunde wuchs die Gefahr, die sowohl der Enterprise als auch der Friedenskonferenz drohte. Er stellte sich vor, Kirks Schiff als verbranntes Wrack vorzufinden, Chaos und Tod am planetaren Tagungsort. »Erhöhen Sie die Geschwindigkeit auf …«

Lojur drehte sich erschrocken um. »Dann platzt die Excelsior auseinander!«

»Soll sie platzen!«, befahl Sulu.

Lojur riss furchterfüllt die Augen auf und gehorchte.

 

Admiral Cartwright versuchte, ruhig und gelassen zu wirken, als er beobachtete, wie sich der klingonische Attentäter durch die Menge schob. Die übrigen Konferenzteilnehmer hörten höflich Kanzlerin Azetbur zu. »Viele Leute haben über die Motive meines Vaters spekuliert.« Die Klingonin legte eine kräftige und doch zarte Hand aufs Rednerpult. »Manche bezeichneten ihn als Idealisten mit unrealistischen Vorstellungen. Andere glaubten, ihm sei überhaupt keine andere Wahl geblieben; sie sahen einen pragmatischen Technokraten in ihm, der versuchte, die Folgen einer katastrophalen Situation zu mildern.«

Azetbur legte eine kurze Pause ein, hob den Kopf und blickte über die vielen Delegierten hinweg zu einem fernen, nur für sie sichtbaren Licht. »Große Männer sind selten nur gut. Die Wahrheit ist: Mein Vater war beides, Pragmatiker ebenso wie Idealist. Wenn Praxis nicht explodiert wäre, hätte sein Idealismus vielleicht nie einen Ausdruck gefunden. Und meiner ebenso wenig.

Wir sind ein stolzes Volk. Ich bin hier, weil wir auch weiterhin stolz sein wollen.« Ihre Miene wurde grimmiger. »Wenn wir keinen Krieg führen können … so wollen wir Frieden schließen …«

Cartwright lauschte hingerissen, von Azetburs Charisma ebenso beeindruckt wie der Rest des Publikums. Rein persönlich hatte er nichts gegen diese junge Frau. Sie war sogar recht attraktiv, auf eine vulgäre klingonische Art und Weise. Zweifellos besaß sie eine gewisse Würde – eine majestätische Ausstrahlung –, an der es vielen Klingonen mangelte.

Fast bedauerte er ihren nahen Tod. Doch sie musste sterben; so war es für alle am besten.

Cartwright neigte den Kopf ein wenig zur Seite und sah, wie der Attentäter den Weg fortsetzte.

 

Jim Kirk beugte sich vor, als wieder ein Photonentorpedo über den Wandschirm raste.

»Volle Impulskraft voraus!«, rief er Chekov zu.

Die Enterprise sprang durch den Weltraum, und der Torpedo raste dicht an ihr vorbei.

Kirk erlaubte sich ein schiefes Lächeln, doch die Anspannung verharrte in ihm. Noch immer kein Zeichen von Sulu. Vielleicht war sein Schiff geortet und zerstört worden, als es in den klingonischen Raum vorstieß. Aber Jim bezweifelte es – er kannte die Excelsior und ihren Captain zu gut.

Changs Stimme schien von den Wänden widerzuhallen, und Kirk hörte das süffisante Lächeln darin. »›Wenn ihr Tränen habt, seid nun bereit, sie zu vergießen.‹«

Kirk hatte mit seiner Taktik, die Klingonen zu einer Verfolgung zu veranlassen, ein wenig Zeit gewonnen, aber die Entscheidung rückte immer näher. Bestimmt war der Schlachtkreuzer schon wieder im Anflug, und es blieben nur wenige Sekunden. Jim sah zu Uhura, als Chang theatralisch fragte: »Wie lange schwebt eine Leiche im All, bevor sie verfault?«

»Sorgen Sie dafür, dass er auch weiterhin spricht«, murmelte Spock.

Aber Uhura schüttelte den Kopf. »Das getarnte Schiff ist zu schnell für eine exakte Lokalisierung.«

»›Feiern hat ein Ende nun‹, Kirk.«

Jim starrte ins Projektionsfeld und runzelte die Stirn.

»Was ist mit Wärmestrahlung?«, fragte Uhura. Sie suchte noch immer nach einer Lösung.

»Infrarote Emissionen lassen sich nicht aus größerer Entfernung feststellen«, entgegnete der Captain. »Bei diesem Schlachtkreuzer versagen alle Sondierungsmethoden.«

»Schade, dass wir ihn nicht riechen können.« McCoy seufzte.

Chekov drehte sich niedergeschlagen und resigniert um. »Im Weltraum nützt einem die Nase herzlich wenig.«

Changs Stimme erklang noch immer aus dem Kom-Lautsprecher. Sie stellte Kirks Nerven auf eine harte Probe, aber er musste zugeben, dass der klingonische General ein guter Shakespeare-Schauspieler geworden wäre.

»›Ob's edler, im Gemüt die Pfeil' und Schleudern des übermächt'gen Schicksals dulden oder, sich waffnend gegen eine See von Plagen …‹«

»Wirklich bedauerlich, dass Bluthunde nicht zur Standard-Ausrüstung von Starfleet-Schiffen gehören«, murmelte Kirk – und hielt sich an den Armlehnen fest, als wieder ein Photonentorpedo an den Schilden der Enterprise explodierte.

Dampf zischte aus der Decke, als die Dichtungen der Klimaanlage nachgaben. Der Captain sah nach oben, lehnte sich im Kommandosessel zurück und wusste, dass ein Ausfall des Lebenserhaltungssystems drohte.

Spock setzte das Gespräch ungerührt fort. »Ich glaube nicht, dass sich Starfleet ein Dilemma dieser Art vorstellen konnte.«

Uhura schürzte skeptisch die Lippen. »Wie wär's, wenn wir dem Oberkommando der Flotte einen Brief schreiben?«

»Wir sollten ihn vorausdatieren.« Der Interkom übertrug Scotts Stimme aus dem Maschinenraum.

Die Enterprise schlingerte, als destruktive Energie an den Deflektoren waberte.

Diesmal gelang es Kirk, im Kommandosessel zu bleiben. Er beobachtete, wie sich Spock über den Sichtschlitz des Scanners beugte, die Stirn runzelte und dann nachdenklich die Augen zusammenkniff. Hoffnung regte sich in ihm.

Inspiration. Vielleicht hatte der Vulkanier irgend etwas gefunden …

»›Hat ein Klingone Hände nicht, Organe … Stimmungen, Leidenschaften?‹« intonierte Chang unterdessen. »›Kitzel uns; lachen wir nicht? Stich uns; bluten wir nicht? Hintergehe uns – suchen wir keine Rache?‹«

»Captain«, sagte Spock. »Die Sensoren orten geringfügige Plasmaspuren.«

Kirk wandte sich zu seinem Ersten Offizier um. Auch Pille bemerkte den Gesichtsausdruck des Vulkaniers und hörte erwartungsvoll zu.

Spock sprach so leise, dass ihn Chang und die übrigen Klingonen nicht hören konnten. »Während der Kreuzer mit Impulskraft fliegt, verbraucht er ebensoviel Treibstoff wie andere Schiffe. Das Abfallprodukt bezeichnen wir als Plasma. Den klingonischen Namen dafür kenne ich nicht, aber es handelt sich in jedem Fall um ionisiertes Gas. Um mit aktivierter Tarnvorrichtung zu feuern, sind enorme Energiemengen erforderlich. Vielleicht muss das energetische Niveau des Tarnfelds zumindest ein wenig gesenkt werden, um die Waffensysteme einzusetzen …«

»Eine Erklärung für die Plasmaspuren«, sagte Kirk.

»Genau. Möglicherweise sind die Klingonen nicht in der Lage, ihr Impulstriebwerk vollständig abzuschirmen. Eine genaue Zielerfassung dürfte trotzdem sehr schwierig sein.«

Die Andeutung eines Lächelns umspielte Jims Lippen. »Die mobilen Geräte im wissenschaftlichen Laboratorium, für Atmosphäreanalysen …«

Spock nickte. Der Arzt riss die Augen auf, als er erst den Vulkanier musterte und dann Kirk.

»Oh, ich verstehe«, brummte er und lachte humorlos. »Ziemlich komplizierte Arbeit – und Scotty hat im Maschinenraum alle Hände voll zu tun.« Er ging zum Turbolift. »Zum ersten Mal operiere ich einen Photonentorpedo. Nun, man lernt nie aus …«

Spock sah den Captain an und folgte McCoy, als Jim nickte. »Vielleicht brauchen Sie Hilfe, Doktor.«

Die Tür des Lifts öffnete sich, und Leonard warf dem Vulkanier einen verschmitzten Blick zu. »Faszinierend …«

Sie betraten die Transportkapsel, und eine Sekunde später schüttelte sich das Schiff.

Kirk starrte mit erneuerter Hoffnung zum Wandschirm. Wenn die Schilde der Enterprise noch etwas länger hielten, gab es eine Chance … »Mr. Chekov, verringern Sie die Geschwindigkeit. Gegenwärtigen Kurs halten. Normalschub, ein Viertel Impulskraft.«

»Aye, Sir«, bestätigte der Navigator. »Normalschub …«

 

Als McCoy zusammen mit Spock zum wissenschaftlichen Laboratorium lief, verstand er plötzlich Jim Kirks Erregung in gefährlichen Situationen.

Normalerweise wäre Leonard viel zu entsetzt gewesen, um sich irgendwie nützlich zu machen – obgleich er oft dem Tod gegenübergestanden hatte. Doch jetzt durchflutete ihn neue Kraft, und er freute sich darauf, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, einen aktiven Beitrag zu leisten, um Schiff und Crew zu retten.

Vielleicht lag es daran, dass dies seine letzte Chance war.

Lächerlich, fuhr es ihm durch den Sinn. Er hatte sich auf die Pensionierung gefreut, auf eine Freizeit, die er ganz nach Belieben nutzen konnte. Er erinnerte sich daran, auf Rura Penthe mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Kummer hatte ihn erfüllt, als er daran dachte, dass es keine Möglichkeit mehr für ihn gab, Joanna und seine Enkel zu besuchen. Er wollte nicht mehr kreuz und quer durch die Galaxis fliegen und auf Starfleets Geheiß den Hals riskieren …

Doch als er nun zu Spock sah, spürte McCoy, wie seine Augen feucht wurden. Der Vulkanier und er hatten viele haarsträubende Abenteuer hinter sich und auch ihr Bewusstsein geteilt. Im ganzen Universum gab es niemanden, der ihn, Leonard, so gut kannte – nicht einmal Jim oder seine eigene Tochter.

McCoy blinzelte und räusperte sich, als sie das Laboratorium erreichten. Er überließ es Spock, die Instrumente zu suchen. Das Gedächtnis des Ersten Offiziers war weitaus besser, und er bewegte sich mit größerer Zielstrebigkeit. Während der vergangenen zwanzig Jahre schien Spock kaum gealtert zu sein: Das dunkle Haar des Ersten Offiziers wies keine einzige silberne Strähne auf, während Leonard – und auch Jim – allmählich ergrauten.

Wie mochte es dem Vulkanier in einem Jahrhundert ergehen, wenn er mit dem Tod aller seiner Freunde fertig werden musste?

Zum Teufel dachte McCoy, als er einmal mehr Tränen spürte. Das hat er eben davon, sich mit uns Menschen herumzutreiben …

Spock fand einen der schweren Sensoren und hob ihn so mühelos, als sei er federleicht. Doch aufgrund der Größe war das Gerät unhandlich und sperrig. McCoy fasste mit an, um es auszubalancieren, doch der Vulkanier trug das ganze Gewicht.

Leonards Herz klopfte aufgeregt, aber er fühlte keine Furcht, nur intensive Freude darüber, dass er zusammen mit Spock, hier an Bord der Enterprise, unmittelbaren Einfluss auf die Zukunft ausübte. Er wollte, dass dieser Augenblick ewig dauerte. Und selbst wenn er plötzlich mit dem Tod endete, so gab es daran nichts auszusetzen.

Kein Wunder, dass Kirk einmal geschworen hatte, sein Schiff nie aufzugeben …

»Spock«, keuchte McCoy, als sie mit dem großen Sensor durch den vibrierenden Korridor eilten. »Ich weiß, dass es unglaublich klingt, aber … In gewisser Weise werde ich dies vermissen.«

Der Vulkanier musterte ihn kurz, und für einen Sekundenbruchteil glaubte Leonard, in seinen Zügen so etwas wie wehmütige Melancholie zu erkennen. Dann wölbte Spock eine Braue. »Ich nehme an, Sie meinen nicht diese besondere Situation.«

McCoy stöhnte mit gespieltem Ärger. »Ich wette, Sie wären lieber im Bett gestanden.«

Die Braue des Ersten Offiziers stieg noch höher. »Ich sehe keinen Sinn darin, im Bett zu stehen, Doktor. Vulkanier legen sich hin, um zu schlafen.«

McCoy verstand zunächst nicht, und dann begriff er: Die Anspannung hatte ihn veranlasst, einen grammatikalisch falschen, umgangssprachlichen Ausdruck zu verwenden, den er aus seiner Kindheit kannte. Alle Jungen in der Nachbarschaft hatten von »im Bett stehen« gesprochen und meinten damit »im Bett bleiben

Scharfe Worte prickelten ihm auf der Zunge. Na schön, ich habe mir einen verbalen Schnitzer geleistet. Müssen Sie denn alles so verdammt wörtlich verstehen?

Dann bemerkte er das Glitzern in den vulkanischen Augen.

»Spock …«, brachte er erstaunt hervor. »Das war tatsächlich witzig

»Wir legen uns wirklich hin, um zu schlafen«, betonte Spock mit völlig ausdrucksloser Miene, doch das Funkeln in den Pupillen blieb.

Der Korridor neigte sich jäh zur Seite. Das Gewicht des Sensors verlagerte sich zu McCoy und riss ihn fast von den Beinen.

Changs Stimme tönte aus den Kom-Lautsprechern. »›Ich bin so beständig wie der Polarstern …‹«

»Wenn er doch endlich die Klappe halten würde …«, brummte McCoy, als Spock den Sensor festhielt und es ihm erlaubte, das Gleichgewicht wiederzufinden.

 

Scott meldete sich per Interkom, und Kirk hörte ernst zu. »Captain, viel mehr können wir nicht einstecken. Die Schilde werden schwächer.«

»Schadensbericht«, sagte Jim und behielt den Wandschirm im Auge.

»Strukturelle Instabilität im primären Rumpf«, berichtete Uhura ruhig. »Es drohen Lecks, wenn …«

Sie unterbrach sich, und Kirk vernahm das Lächeln in ihrer Stimme, ohne es zu sehen. Der Captain grinste und genoss den Anblick im Projektionsfeld.

»Nachricht von Captain Sulu, Sir: ›Die Kavallerie ist hier.‹«

Während die prächtige, wunderschöne Excelsior auf dem Wandschirm größer wurde, drang erneut Changs Stimme aus dem Kom-Lautsprecher der Brücke. »Nun denn … ›Begonnen hat das Spiel.‹«

Ein Torpedo blitzte, raste der Excelsior entgegen und explodierte an ihren Deflektoren, ohne Schaden anzurichten.

»›Zur Vernichtung ruft! Und gebt frei die Schrecken des Krieges.‹«

Kirk schickte Sulu ein stummes Dankgebet. Laut sagte er: »Halten Sie unsere Schilde stabil, Mr. Scott. Feuerbereitschaft …« Er drückte eine Taste. »Pille …?«

 

Der letzte Treffer ließ die Wände des Torpedoraums erbeben. Spock justierte den Ionensensor, während McCoy begann, hastig eine Öffnung in den Kopf des Photonentorpedos zu bohren.

»Pille …«, hörte er Kirk. »Wann seid ihr endlich fertig?«

»Warum habe ich den Mund so voll genommen?«, brummte McCoy.

Spock beendete seine Arbeit, sah auf und stellte fest, dass die Nervosität des Arztes wuchs. Dieser schuf eine Öffnung, die groß genug war, um den Sensor aufzunehmen, doch seine Hände zitterten immer mehr.

Spock hoffte, dass er in einem aufmunternden Tonfall sprach, als er sagte: »Beruhigen Sie sich, Doktor. Die Operation ist fast beendet.«

McCoy drehte den Kopf, lächelte schief und nickte. Innerhalb weniger Sekunden entstand ein Loch mit den richtigen Maßen. Spock hob den Sensor, und der Arzt half ihm dabei, das Gerät in den Torpedokopf zu schieben.

Der Erste Offizier empfand es als seltsam. Er arbeitete mit diesem Menschen so gut zusammen, dass er ihm vertrauter erschien als ein anderer Vulkanier.

In Valeris' verdrehter Philosophie fehlte nicht eine gewisse Logik. Spock wollte nun einen ganz bestimmten Klingonen umbringen, so wie vor ihm die junge Vulkanierin. Er tötete, um den Frieden zu ermöglichen.

Aber er zerstörte die Zerstörer. Valeris hatte getötet, um einen Krieg auszulösen. Ihm ging es darum, den Frieden zu schützen.

Spock brauchte nicht zu überlegen, welche Bemühungen logischer waren.

McCoy befestigte den Sensor, richtete sich auf und nickte zufrieden. »Danke, Schwester. Alles klar, Jim. Es kann losgehen.«

Spock und er sprangen beiseite, als sich der Torpedo in Bewegung setzte und ins Katapult glitt. »Schade, dass wir uns ausgerechnet jetzt in den Ruhestand zurückziehen. Ich habe gerade damit begonnen, Sie zu verstehen, Spock.«

Der Vulkanier gestattete sich ein inneres Lächeln. »Sie haben zwar mein Bewusstsein getragen, aber …«

Die Erschütterungen einer Explosion warfen sie beide zu Boden.

 

Auf der Brücke wurde Kirk aus dem Kommandosessel geschleudert. Er stemmte sich hoch, ignorierte die Schmerzen und wusste nur, dass dieser Treffer schlimmer gewesen war als alle anderen. Vermutlich hatten sich breite Lücken in den Deflektoren der Enterprise gebildet.

Und in dem Fall …

»Uhura …«, schnaufte er, stützte sich am Befehlsstand ab und sah zur Kommunikationsstation.

Einige Sekunden lang blieb der Sitz davor leer. Dann bemerkte er eine schmale, dunkle Hand, die nach der Armlehne tastete.

Kirk trat an sich aufrichtenden Brückenoffizieren vorbei und half Uhura in ihren Sessel. Sie holte tief Luft und nickte dankbar.

»Captain …«, sagte Chekov, als Kirk zu seinem eigenen Platz zurückkehrte. Der Navigator saß wieder an der Konsole und beantwortete die Frage auf Jims Lippen. »Die Schilde sind zusammengebrochen, Sir«, verkündete er düster.

Kirk verlor keine Zeit. »Feuer!«

Chekov betätigte die Taste, noch bevor Jims Befehl verklang.

Auf dem Wandschirm gleißte ein Torpedo, und diesmal stammte er von der Enterprise. Jim hielt den Atem an und beobachtete, wie das Geschoss in einem weiten, unsicheren Bogen flog. Bis zur letzten Sekunde konnten sie nicht sicher sein, ob es das Ziel fand …

 

Im Kontrollraum der Dakronh lächelte Chang über den kläglichen Versuch der Enterprise, blind zu feuern. Sie stellte keine Gefahr dar. Der klingonische General sah nicht einmal einen Grund, die Deflektoren des Schlachtkreuzers zu aktivieren. Wenn ihm überhaupt etwas Sorgen bereitete, so bezogen sie sich auf das andere Schiff, die Excelsior. Es mochte schneller sein und über stärkere Schilde verfügen, aber Chang wusste, dass es keine Chance gegen seine Dakronh hatte. Er brauchte nur Geduld und ein wenig Schläue.

Daran mangelte es ihm nicht.

Seine Bewunderung für die Menschen wuchs – sie schlossen sich zusammen, obgleich ihre Lage aussichtslos war. Er respektierte den Captain der Excelsior, der seinem früheren Kommandanten in einer so gefährlichen Situation helfen wollte. Chang konnte Kirk auch nicht seine Sturheit vorwerfen, die kleinen Tricks, mit denen er Zeit zu gewinnen suchte, zum Beispiel den verzweifelten Einsatz dieses Photonentorpedos. Solche Verhaltensweisen waren auch eines klingonischen Kriegers würdig.

Deshalb beeilte sich Chang nicht, die beiden Föderationsschiffe zu vernichten. Statt dessen ermöglichte er es ihnen, die Schlacht ebenso zu genießen wie er selbst. Als der Torpedo immer wieder den Kurs endete und ziellos durch die Leere sauste, lachte er leise vor sich hin. Kirk war ein sehr unterhaltsamer Gegner.

Der Torpedo flog eine letzte Schleife und hielt dann direkt auf die Dakronh zu.

Chang hob eine Braue und brummte ungläubig. Reiner Zufall, weiter nichts. Der Schlachtkreuzer konnte unmöglich geortet werden. Bestimmt standen weitere Kurswechsel des Geschosses bevor …

Der Kanonier drehte sich aufgeregt um. »Das Ding nähert sich uns, General!«

»Ausweichmanöver«, erwiderte Chang gelassen, obwohl seine Unruhe zunahm. »Impulskraft.«

Der Steuermann gehorchte. Der Kanonier seufzte laut, als die Dakronh dem Torpedo knapp entging.

Das Geschoss setzte den Flug in einem weiteren Bogen fort und raste erneut dem getarnten Schlachtkreuzer entgegen.

Chang riss verblüfft die Augen auf.

»Der Photonentorpedo folgt uns!«, entfuhr es dem Kanonier.

»›Sein oder Nichtsein …‹«, flüsterte der General fasziniert und konnte nicht fassen, was ihm der Wandschirm zeigte.

Diese Worte besiegelten seinen Tod. Es war zu spät, als er den Mund öffnete, um die Aktivierung der Deflektoren zu befehlen.

 

Sulu jubelte, als er beobachtete, wie die Enterprise einen Volltreffer erzielte. Das klingonische Schiff im großen Projektionsfeld auf der Excelsior-Brücke drehte sich um die eigene Achse. Flammen leckten aus der an mehreren Stellen geborstenen Außenhülle, und Trümmerstücke segelten davon, als die überlebenden Klingonen an Bord versuchten, die Fluglage des Kreuzers zu stabilisieren.

»Zielerfassung auf das Zentrum der Explosion – Feuer!«, sagte Sulu. Ein Teil von ihm war erstaunt von der dummen Überheblichkeit des klingonischen Kommandanten: Der imperiale Raumer hatte sich nicht einmal mit Schilden geschützt.

 

»Deflektoren ein!«, donnerte Chang, als die Dakronh erneut getroffen wurde. Funken stoben aus der Navigationskonsole, und der Steuermann schrie, hob die Hände vors Gesicht. Beißender, erstickender Rauch wehte durch den Kontrollraum.

»Unsere Schilde sind stark beschädigt!«, rief der Kanonier, um das Krachen zu übertönen. »Sie halten nicht stand.«

»Sind wir nach wie vor getarnt? Können wir manövrieren?«

»Ja. Wir haben noch etwas Impulskraft.«

Chang kniff das unbedeckte tränende Auge zusammen, starrte zum Wandschirm und beobachtete, wie die Enterprise und Excelsior erneut in Gefechtsposition gingen. Die Dakronh vervollständigte das fatale Dreieck.

Er hielt es für sinnlos, mit dem Schicksal zu hadern, und es war nicht unehrenhaft, von Männern wie Kirk besiegt zu werden. Chang schloss das Auge und lächelte, als die beiden Föderationsschiffe feuerten.

Um ihn herum verwandelte sich die Brücke in ein Chaos aus Flammen und den Schreien der Sterbenden.

 

Der klingonische Attentäter benutzte einen kleinen Aufzug und erreichte eine leere Nische, von der aus man das Rednerpult sehen konnte. Hier war er bis zur entscheidenden Sekunde vor den Blicken des Publikums geschützt.

Er setzte sich, öffnete die Reisetasche und begann damit, eine extra für diesen Zweck konstruierte Waffe zusammenzusetzen. Die Sicherheitsscanner hatten ihre einzelnen Bestandteile mit den Komponenten einer harmlosen Datentafel verwechselt – eine visuelle Inspektion wäre nötig gewesen, um sie zu identifizieren. Der Attentäter lächelte, als er daran dachte, mit welcher Mühelosigkeit er die Kontrollen eigentlich passiert hatte.

Montiert stellte der Phaser eine sehr gefährliche Waffe dar. Ihre Reichweite war viermal so groß wie die eines normalen Starfleet-Phasers, und hinzu kam eine doppelte Zielgenauigkeit.

Der Klingone beendete seine Vorbereitungen, richtete den Strahler auf die gegenüberliegende Wand und ließ ihn dann wieder sinken.

Er hatte noch nie zuvor getötet – jedenfalls keine Personen, die er ganz deutlich sah –, aber es lagen mehrere Einsätze als Waffenoffizier unweit der Grenze zwischen Föderation und Imperium hinter ihm, und daher kannte er die Disziplin des militärischen Dienstes. Seine Hände zitterten nicht. Er erinnerte sich an Freunde, die vom Feind getötet worden waren; das genügte ihm.

Unten klatschten die Delegierten, als Azetbur ihre Ansprache beendete. Der Attentäter stand auf, hob die Waffe und rückte die Kanzlerin ins elektronische Fadenkreuz. Dann lächelte er, als Präsident Ra-ghoratrei neben die Klingonin trat.

Wenige Sekunden später gesellte sich ihnen auch Konteradmiral Smillie hinzu, und daraufhin krümmte sich der Finger des Attentäters fester um den Abzug. Jetzt brauchte er nur noch etwas mehr Druck auszuüben …

 

Jim Kirk materialisierte im Konferenzsaal, lief durch den Mittelgang und stürmte zu Azetbur, Ra-ghoratrei und Admiral Smillie.

Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, ungeschützt. Jeden Augenblick rechnete er mit einem tödlichen Phaserstrahl, abgefeuert von einem Verschwörer, Sicherheitswächter oder zornigen Klingonen … Aber es blieb ihm nicht genug Zeit, um Furcht zu empfinden; er musste den ihm folgenden Besatzungsmitgliedern vertrauen.

»Mr. President!«, rief Kirk.

Ra-ghoratrei drehte sich überrascht um und starrte ihn verblüfft ein. Ein perfektes Ziel, dachte Jim. Eine Frau und zwei Männer, die Macht verkörperten und dicht beieinander standen …

Er sprang an den Wächtern vorbei aufs Podium, stieß Ra-ghoratrei zu Boden und bemerkte dabei zwei Dinge: die Bestürzung in Azetburs Gesicht und das Fauchen einer Phaserentladung, die seinen Kopf nur um wenige Millimeter verfehlte.

Panik und Zorn breiteten sich im Saal aus. Dutzende von Delegierten versuchten, nach draußen zu entkommen. Jim sah auf, als er Admiral Cartwrights wütende Stimme hörte.

»Verhaften Sie diese Männer!«

Die Menge am Rednerpult teilte sich und offenbarte Spock, der vor Cartwright stehenblieb. Sein Tonfall klang eisiger als jemals zuvor, als er sagte: »Verhaften Sie sich selbst, Admiral.«

Er trat beiseite und gab den Blick auf Valeris frei, die Handschellen trug.

McCoy kam näher und starrte Cartwright zornig an. »Wir haben ein volles Geständnis.«

Sie zuckten zusammen, als ein Phaserstrahl zischte. Scott hatte geschossen, und Kirk blickte in die entsprechende Richtung, zu einer glasumschlossenen Nische, in der ein Attentäter hockte. Der Klingone schrie, tastete nach seinem verbrannten Gesicht, fiel durch die Scheibe und stürzte auf den Boden des Saals.

Cartwright, Botschafter Nanclus und einige Offiziere stoben davon. Sulu materialisierte rechtzeitig genug, um mehrere Fliehende mit seiner Waffe zurückzutreiben. Am anderen Ende des großen Raums versuchte McCoy, die Verschwörer zu stellen – mit der energischen Unterstützung Brigadegeneral Kerlas, wie Kirk erfreut feststellte.

Ra-ghoratrei und Azetbur standen auf; Sicherheitswächter umringten sie. Der Föderationspräsident richtete einen ungläubigen Blick auf Jim.

In Azetburs Augen glitzerte es kühl. »Was hat dies zu bedeuten?«

Kirk breitete die Arme aus, um zu zeigen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Er warf den Wächtern ein schiefes, argwöhnisches Lächeln zu und wandte sich dann wieder an die Klingonin. »Es geht um die Zukunft, Kanzlerin. Manche Leute glauben, Zukunft sei das Ende von Geschichte.«

Er zögerte kurz, um einen Blickkontakt mit dem romulanischen Botschafter Nanclus herzustellen; Sicherheitsbeauftragte der Föderation hielten ihn fest. »Aber unser Vorrat an Geschichte hat sich noch nicht erschöpft.«

Erneut sah er Azetbur an. »Ihr Vater hat Hamlet zitiert und bezeichnete die Zukunft als ›unerforschtes Land‹.« Er unterbrach sich abrupt, als Spock mit Valeris kam.

»Ich dachte immer, Hamlet meinte damit den Tod«, sagte der Vulkanier.

Kirk nickte. »Gorkon hielt das ›unerforschte Land‹ für etwas anderes – für eine andere Art von Leben. Manchmal wecken Veränderungen Furcht.« Eine kurze Pause. »Bei mir war das der Fall.« Er drehte den Kopf und fing Valeris' Blick ein. »Es gibt da eine alte terranische Redensart: Es fällt schwer, über den eigenen Schatten zu springen.«

Die Vulkanierin senkte den Kopf, und Jim glaubte zunächst, Tränen in ihren Augen zusehen – bestimmt täuschte er sich.

Jim musterte die Kanzlerin. »Erst durch den Tod Ihres Vaters begriff ich, wie sehr ich mich geirrt habe. Ich bin gekommen, damit die Mörder vor Gericht gestellt werden können – und um sicherzustellen, dass Ihr Vater nicht umsonst gestorben ist, dass die Friedenskonferenz stattfindet.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Ich trauere mit Ihnen, wie die Vulkanier sagen …«

Einige Sekunden lang blieb Azetburs Miene finster und undeutbar, doch dann erhellte sie sich langsam und strahlte regelrecht. Kirk hatte nie zuvor ein schöneres Gesicht gesehen, ob klingonisch, vulkanisch, romulanisch oder menschlich.

»Sie rechtfertigen das Vertrauen meines Vaters«, sagte Azetbur sanft.

Jims Stimme schwankte leicht, als er antwortete: »Und Sie das meines Sohnes.«

Später wusste er nicht mehr, wer als erster vortrat, Klingonin oder Mensch. Es spielte auch gar keine Rolle. Azetbur und Kirk teilten Kummer und Freude mit einer Umarmung, ohne den donnernden Applaus des Publikums zu hören.