Kapitel 18
Lena fuhr mit beiden Händen über Jess’ Rücken nach unten und zog das Handtuch hoch, um den Rest ihres Körpers zu bedecken. Nach einer Stunde Haut einölen, Muskeln kneten und Triggerpunkte finden, war Jess immer noch so steif und voller Knoten wie die Kiefern beim Strandhaus. Lena hatte jeden ihrer Tricks und Kniffe ausprobiert, aber nichts war genug, um Jess zu entspannen. Sie hätte Jess’ Angebot nie angenommen, wenn sie geahnt hätte, wie unangenehm das für sie war.
Sie erinnerte sich gerade noch rechtzeitig an ihre Klientin, um ein Seufzen zu unterdrücken und ein Lächeln aufzusetzen. »Denk immer an ein Laken oder Handtuch nach der Massage. Außer ihr findet eine andere Methode, um warm zu bleiben.«
Patty kicherte, wie sie es schon den ganzen Abend gemacht hatte. Vielleicht hatte sich Jess wegen dieses Geräusches nicht entspannen können. »Danke dir, Lena. Und dir auch.« Sie tätschelte ungelenk Jess’ Schulter. »Ich wasche meine Hände und ziehe mich um.«
Lenas Finger brannten darauf, durch Jess’ verwuschelte Haare zu fahren, aber das wäre höchst unangemessen. Sie trat an die Kopfseite des Massagetisches und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe zu gelangen. »Danke. Ist alles okay?«
Jess hob ihr Gesicht aus der Kopfstütze und schaute Lena an. »Klar. Alles ist super.« Aber ihre Augen hatten die Farbe einer stürmischen See angenommen und feine Fältchen zeigten ihre Anspannung und straften den fröhlichen Tonfall Lügen.
Pattys Kichern kündigte an, dass sie sich fertig umgezogen hatte, und Lena stand auf, um sie hinauszubringen. Sie konnte es nicht erwarten, zu Jess zurückzukommen. Vielleicht konnte sie ihr doch noch helfen, die Verspannungen loszuwerden.
Als sie das Zimmer wieder betrat, hatte Jess ihr Kinn auf die Arme gebettet. »Deine Geduld ist beeindruckend.«
»Nur weil ich ihr dieselben Techniken ungefähr eine Million Mal gezeigt habe? War das zu unangenehm?« Lena hob ein Handtuch auf, das auf den Boden gefallen war, und faltete es ordentlich zusammen. Es musste nicht gefaltet werden, da es gleich in der Wäsche landen würde, aber es half ihr, den Blick von Jess’ Schultern abzulenken, von ihren nackten, wohlgeformten Schultern, die im Kerzenlicht fast golden glänzten.
»Nein, das war okay. Aber ich hoffe für ihre Partnerin, dass sie ein bisschen mehr Engagement bei der Massage zeigt. Manchmal habe ich ihre Berührung kaum gespürt.« Jess stöhnte. »Und dieses andauernde Kichern.«
»Sie war nervös. Man fasst schließlich nicht jeden Tag fremde, nackte Frauen an.«
Jess lächelte. »Du bist zu nett. Bist du nervös, wenn du diese Stunden gibst?«
»Nein.« Das war keine Lüge. Normalerweise war sie es nicht. Aber heute war sie nervös gewesen, nur nicht aus dem Grund, den Jess andeutete. Es hatte sie aus der Bahn geworfen, dass Jess keine Fremde war. Es war ihr egal, irgendwelche zufälligen Menschen anzufassen, das machte nichts mit ihr. Aber zu wissen, dass die Frau auf dem Tisch sie vor drei Tagen leidenschaftlich geküsst hatte, war etwas komplett anderes. Und das war der Grund, warum sie die Handtücher aus dem Badezimmer nehmen und die Waschmaschine starten sollte, um Jess Zeit zu geben, sich anzuziehen.
Stattdessen legte sie das gefaltete Handtuch auf den kleinen Ablagetisch und trat näher. »Es tut mir leid, dass die Massage nicht entspannend war. Lass es mich wiedergutmachen.« Sie hielt eine Flasche Massageöl hoch und hob die Augenbrauen.
Irgendetwas flackerte in Jess’ Augen. Zögern? Interesse? Die Spiegelung des Kerzenlichts?
Was auch immer es war, es hypnotisierte Lena und füllte sie mit Energie. Sie konnte nicht warten, diese mit Jess zu teilen.
Mit einem entschiedenen Nicken ließ Jess ihren Kopf zurück auf die dafür vorgesehene Stütze sinken und schob beide Arme neben ihren Körper unter das Handtuch.
Lena stellte sich an ihre Seite und zog langsam das Handtuch nach unten. Makellose Haut bedeckte die gespannten Muskeln. »Wenn du aufhören willst, sag mir das. Jederzeit.« Sie goss eine großzügige Portion Öl in ihre linke Hand und stellte die Flasche zur Seite.
Als das Öl langsam in ihrer Hand warm wurde und der Duft von Jasmin und Orangen aufstieg, tröpfelte sie es auf Jess’ Wirbelsäule. Tropfen für Tropfen bewegte sie sich von dem Gebiet zwischen den Schulterblättern zu der Mulde im unteren Rückenbereich. Gänsehaut folgte ihr.
»Zu kalt?« Lena legte ihre freie Hand auf Jess’ Rücken. Die Haut war warm unter ihrer Handfläche. Und unglaublich weich. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken.
»Nein.« Jess’ Stimme wurde durch die Kopfstütze gedämpft und die Muskeln vibrierten unter Lenas Berührung.
Mit einer lang gezogenen Bewegung beider Hände verteilte Lena das Öl entlang Jess’ Wirbelsäule, über ihre Schulterblätter und wieder nach unten, bis sowohl ihre Hände als auch Jess’ Haut aufgewärmt waren.
Die Muskeln härteten sich unter ihren Fingerspitzen, aber nach ein paar Wiederholungen ließ Jess los und Lena war in der Lage, die Problembereiche von der allgemeinen Anspannung zu unterscheiden. Das Gebiet zwischen ihren Schulterblättern und dem Nacken schrie geradezu nach Lenas Aufmerksamkeit. Sie konzentrierte sich auf die festen Stränge und harten Knoten und rief sich jede Technik ins Gedächtnis, die sie jemals gelernt hatte, um sie zu lockern.
Immer wenn ein Gebiet sich von Felsen in Butter verwandelte, ging sie zum nächsten über. Mit jeder Minute stieg ihr Stolz auf ihre Leistung. Sie schaffte das, absolut professionell. Es ging nur darum, Jess beim Entspannen zu helfen. Haut war nur Haut und die Frau unter ihren Fingern bestand auch nur aus Muskeln und Sehnen.
Sie strich mit dem Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand nach oben, ein Finger auf jeder Seite der Wirbelsäule, entlang Jess’ elegantem Nacken, bis sie den Haaransatz erreichte. Die kurzen Haare waren in dem warmen Raum noch dunkler und lockiger geworden. Lena spreizte ihre Finger und fuhr durch die seidigen Strähnen. Ihre Fingerspitzen streiften Jess’ Kopfhaut.
Jess stöhnte und die Vibration verursachte ein Kribbeln in Lenas Hand.
Sie biss sich auf die Lippe, um ihr eigenes Stöhnen zu unterdrücken, und strich erneut mit der Hand durch die Haare. Lenas Knie wurden weich bei Jess’ Reaktion. Das war kein bisschen professionell, aber sie konnte einfach nicht widerstehen. Sie nahm ihre zweite Hand und massierte sanft Jess’ Kopfhaut und löste damit mehr Stöhnen aus.
Die Haut hinter Jess’ Ohr war verführerisch zart. Lena streichelte den Bereich mit der Spitze ihres Zeigefingers, dann fuhr sie über das Ohrläppchen. Kaum spürbare Einsenkungen deuteten alte Ohrlöcher an.
Jess neigte den Kopf zur Seite, als ob sie zu mehr einladen wollte. So sexy.
Und Lena wollte ihre Erkundung fortsetzen, Lippen zu den Fingern hinzunehmen, sich an Jess’ Rücken pressen und sich im sinnlichen Gleiten der Körper verlieren.
Und deswegen tat sie es nicht. Jess hatte einer Massage zugestimmt. Nicht einer Verführung. Sie hatte klargestellt, dass sie, egal welche Anziehungskraft zwischen ihnen herrschte, kein Interesse daran hatte, weiter zu gehen.
Lena auch nicht − zumindest wusste sie das intellektuell. Aber gerade jetzt, da der Duft von Jasmin, Orange und Jess ihre Nase kitzelte und sie eine Hand in Jess’ Haaren vergraben hatte und mit der anderen an ihrem Ohr spielte, konnte sie sich nicht daran erinnern, warum mehr zu wollen, eine schlechte Idee war.
Mit der letzten Spur Entschlossenheit und Verstand zog sie die Hände zurück. »Es tut mir leid.« Sie richtete sich auf und legte das Handtuch wieder über Jess, wobei sie bewusst darauf achtete, dass sie keine Haut berührte. »Du kannst dich anziehen gehen.«
Sie floh ins Badezimmer und wusch ihre Hände in kaltem Wasser, so kalt wie es nur ging. Und wusch ihr Gesicht. Am liebsten hätte sie ihren Kopf auch untergetaucht.
Was verdammt noch mal war gerade passiert? Während der ersten Massage hatte Jess ihre Reaktionen kontrolliert. Nicht, dass die Berührung von Wie-hieß-sie-noch irgendetwas bei ihr ausgelöst hätte. Aber jetzt?
Jetzt war sie unter Lenas geschickten Händen geradezu in den Tisch geschmolzen. Ihre Muskeln hatten die Verspannung der letzten Tage verloren und andere Körperteile hatten ebenfalls reagiert. Ein komplett unangemessenes Feuer hatte angefangen zu lodern und jede Berührung hatte die Flammen angefacht. Und als Lena ihre Haare gestreichelt hatte, ihr Ohr … War das Teil einer normalen Massage? Es hatte sich mehr wie eine Liebkosung angefühlt. Bei dem Gedanken lief ein Zittern durch ihren Körper.
Sie war nicht daran gewöhnt, mit solcher Vertraulichkeit umzugehen. Oder Verführung? In der Vergangenheit war es meistens sie gewesen, die körperlichen Kontakt initiiert hatte. Und meistens reichte es Jess, ihre Partnerin zu befriedigen, zu wissen, dass sie ihr etwas Besonderes gab − sie brauchte nichts im Ausgleich dafür.
Jess drehte sich auf dem schmalen Tisch auf die Seite und setzte sich auf. Ihre Füße verhedderten sich in dem Handtuch, als sie versuchte, bedeckt zu bleiben. Sie sortierte schnell ihre Beine und zog die weiße Baumwolle über ihre Brust, bevor Lena zurückkam. Lena musste nicht Jess’ weichen Bauch und ihre Brüste sehen, die sich immer noch ein oder zwei Nummern zu groß anfühlten. Sie wusste sehr wohl die Anziehungskraft von großen Brüsten und der weiblichen Rundungen von Bauch und Hüften zu schätzen − aber vorzugsweise an anderen Frauen. Das hier fühlte sich nicht mehr wie ihr eigener Körper an.
Wen interessiert das? Reiß dich zusammen und zieh dich an. Sie stand vorsichtig auf und erwartete, dass ihre Knie nachgeben würden. Aber sie hielten und die Energie, die sie durchströmte, war mehr als genug, um sie aufrecht zu halten und zum Badezimmer zu befördern. Dort hatte sie ihre Kleidung gelassen und die brauchte sie jetzt dringend. Sie öffnete die Tür und erstarrte.
Lena war im Bad und umklammerte das Waschbecken. Sie drehte sich zur Tür und sah Jess mit großen Augen an. Ihre Haare waren verwuschelt, als ob sie mit ihren Händen mehrfach durchgefahren war.
Eine Welle der Erregung traf Jess und ihre Fingerspitzen kribbelten vor Verlangen, ihre Finger in Lenas Haare zu graben, zu tun, was Lena mit ihr getan hatte. Sie wollte die Führung übernehmen, hören wie Lena stöhnte und seufzte, sehen wie sie sich wand, sie fühlen lassen, was Jess fühlte.
Wortlos trat sie ins Badezimmer und umschloss Lenas Gesicht mit einer Hand, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Langsam kam sie näher, Zentimeter um Zentimeter, bis sich ihre Atemluft vermischte. Sie ließ Lena ausreichend Zeit, zu protestieren oder zurückzuweichen.
Das tat sie nicht. Lenas Augenlider flatterten, schlossen sich aber nicht. Ihre Pupillen weiteten sich und sie atmete schneller.
Lächelnd beugte sich Jess vor, um sie zu küssen und sie mit all ihrem Geschick zu überwältigen und ihr zu zeigen, dass Lena nicht diejenige war, die hier das Sagen hatte.
Ihre Lippen trafen sich in einem harten Kuss, voller Leidenschaft und Hitze. Für einen Moment wunderte sie sich, dass ihre Zähne nicht aneinanderstießen. Aber sie passten perfekt zusammen, so als hätten sie sich schon tausendmal geküsst.
Schnell war es nicht mehr genug. Sie brauchte mehr und trat zwischen Lenas Beine, drückte sie dabei gegen das Waschbecken. Eine Hand hielt Lenas Kopf, die andere fand ihren Weg um Lenas Taille zu ihrem Rücken und presste sie noch enger an sich. Schob sich unter ihr hautenges T-Shirt. Streichelte ihre seidenweiche Haut.
Ein lautes Stöhnen vibrierte durch den Kuss.
Jess zog ihren Kopf zurück und schnappte nach Luft. Hatte sie gestöhnt? Oder Lena?
Wen kümmerte das jetzt?
Sie beugte sich erneut nach vorn. Diesmal küsste und knabberte sie sich ihren Weg von Lenas Mund zu ihrem Hals.
Lenas Puls raste unter ihren Lippen und ihre Haut war fieberhaft heiß. Ihre Hände umklammerten Jess’ Schultern und zogen sie näher.
Durch die dünnen Schichten von Handtuch und T-Shirt berührten sich ihre Brüste. Die Reibung ließ Jess’ Nippel hart werden. Ihre Beine zitterten, als die Erregung von den festen Spitzen direkt zu ihrer Klitoris schoss.
Es war schon so lange, so verdammt lange her, seit sie sich so gefühlt hatte.
Und sie wollte mehr. Mehr Reibung, mehr Nähe, mehr Haut. Mehr Lena.
Sie küsste Lenas Kinn entlang bis zu ihrem Ohrläppchen.
Einladend neigte Lena ihren Kopf zur Seite.
Wie konnte Haut nur so zart sein? Jess knabberte an dem Ohrläppchen und als Lena stöhnte, saugte sie es zwischen ihre Lippen.
Lenas Finger klammerten sich an Jess’ Schultern, als wären sie die einzige Stütze, die sie aufrecht hielt. Sie wand sich und ihre Körper berührten sich der ganzen Länge nach.
»Ich will …« Unsicher, was sie wirklich wollte, küsste Jess den Bereich hinter Lenas Ohr, um Zeit zu gewinnen. Sie suchte nach der Stelle, die ihr Innerstes hatte schmelzen lassen, als Lena sie dort liebkost hatte.
Als sie diese fand, sog Lena scharf den Atem ein. »Ja.« Ihre Stimme war heiser.
Jess lehnte sich zurück, um ihr in die Augen zu sehen. So sehr sie das auch wollte, sie musste sicherstellen, dass sie im selben Boot saßen. »Ich kann dir nichts bieten außer Sex.«
Sie fand nichts als Erregung und Offenheit in Lenas Blick. Ihre Augen waren klar und hatten die Farbe von frischem Grün im Frühling angenommen.
»Sex.« Lena nickte und lächelte verschmitzt. »Und Spaß. Das will ich auch. Ich erwarte nichts anderes und kann auch selbst nicht mehr anbieten.«
»Spaß. Perfekt.« Und das wäre es auch, bis auf den kleinen Funken Enttäuschung, der sich in Jess’ Magengrube regte. Entschlossen trat sie ihn aus, bevor er zu etwas Größerem werden konnte. Sex, Spaß, keine Verpflichtungen − das war es, was sie wollte. Und heute Nacht würde sie genau das genießen. »Schlafzimmer?«
Lena fuhr mit ihrer Hand Jess’ Arm hinab und nahm ihre Hand. »Sollten wir nicht über Risiken sprechen?«
Oh. Als Ärztin hätte sie auch ohne Hinweis daran denken sollen. »Entschuldige, ja. Es ist schon eine Zeit her, dass …« Jess schluckte. Lena brauchte das jetzt nicht zu wissen. »Ich wurde während der Schwangerschaft auf alles Erdenkliche getestet.«
»Ich bin ebenfalls getestet. Es ist bei mir auch eine Weile her.« Lenas Hand war warm und fest in ihrer. »Müssen wir noch über etwas anderes sprechen?«
Als Jess den Kopf schüttelte, führte Lena sie die paar Schritte zu dem kleinen Schlafzimmer, ohne ihre Hand loszulassen. Die Atmosphäre war seltsam intim und das flackernde Kerzenlicht im Wohnzimmer verstärkte diesen Eindruck.
Das französische Bett war ordentlich gemacht und auf dem Nachttisch lag nur ein Notizbuch mit Stift neben einer kleinen Lampe. Lena griff danach.
Bevor sie diese anschalten konnte, drückte Jess ihre Hand. »Nicht.« Sie schloss die Tür mit einem leichten Fußtritt. In der plötzlichen Dunkelheit konnte sie sich nur noch an ihren verschlungenen Händen orientieren.
Jess trat näher, bis sie direkt vor Lena stand. Warme Luft liebkoste ihre Lippen. Sie beugte sich vor, hielt sich aber zurück, bevor sie sich berührten. Es war noch nicht der Zeitpunkt für einen Kuss.
Ein Stöhnen entfuhr Lena und sie griff mit beiden Händen nach Jess’ Hüften.
O nein, noch nicht. Jess fing die Hände ein und führte sie zurück an Lenas Seiten, dann griff sie nach dem Saum des T-Shirts. Lena protestierte nicht, als Jess es ganz langsam hochzog. Jess strich mit den Handrücken über die zarte Haut am Bauch und entlockte Lena ein weiteres Stöhnen. Als sie den BH erreichte, lenkte sie ihre Hände nach außen und streifte die weiche Baumwolle nur mit den Fingerspitzen. Sie wollte so sehr die verlockenden Rundungen erkunden. Geduld.
Lena schnappte nach Luft und wand sich. Kam sie näher?
»Geduld«, wiederholte Jess laut und schluckte. Warum war ihre Stimme plötzlich so heiser?
Lena hielt still und atmete tief ein.
Jess unterdrückte ein Stöhnen und zog rasch Lenas Shirt über ihren Kopf, bevor sie es auf den Boden fallen ließ. Das Nächste, was verschwinden musste, war die Yogahose. Jess hakte beide Daumen in den breiten Bund und zog daran. Sie folgte der Hose nach unten und befreite erst den einen, dann den anderen Fuß aus den engen Bündchen. Auf ihrem Weg nach oben ließ sie beide Hände über die Außenseiten von Lenas Beinen gleiten.
Die schlanken Muskeln waren voller Spannung. Die Kraft in diesen Beinen war so sexy. Das Bild, wie sie um Jess’ Taille geschlungen waren, erschien in ihren Gedanken und sie verlor das Gleichgewicht beim Aufrichten. Sie umklammerte Lenas Hintern, um sich abzustützen, damit sie nicht mit dem Gesicht voran in Lenas Schoß fiel.
Der intensive Duft von Lenas Erregung schaltete ihren Verstand aus und sie überließ sich ihren Instinkten. Jess stöhnte und zog Lenas Unterhose hinunter, ohne auf Material oder Form zu achten. Sie mussten einfach weg.
Jess stand wieder auf, diesmal schnell, mit einem Ziel. Mit beiden Händen griff sie hinter Lenas Rücken und tastete nach dem BH-Verschluss.
»Leg dich hin.« Jess schluckte zweimal, dann öffnete sie das Handtuch, das sie noch immer trug, und ließ es auf den Boden gleiten.
Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt. Das fahle Licht des Mondes, der durch das Fenster schien, war genug, um graue Umrisse zu erkennen.
Lena hatte sich auf dem Rücken ausgestreckt, den Oberkörper auf ihre Ellenbogen gestützt. Konnte Sie Jess’ Körper erkennen? Oder ihre Silhouette?
Jess verdrängte den Gedanken. Das war nicht wichtig. Es war nur Sex und sie hatte das Sagen.
Sie setzte sich neben Lena auf das Bett. Mit ihrer rechten Hand streichelte sie entlang der weiblichen Rundung der Hüfte bis zu Lenas Bauch. Muskeln kontrahierten unter ihren Fingerspitzen und für eine Sekunde bedauerte sie, dass sie nicht mehr Details erkennen konnte. Sie pausierte die Entdeckungsreise ihrer Hand auf Lenas Brustbein. »Leg dich hin.« Diesmal flüsterte sie.
Als Lena ihren Oberkörper auf die Matratze absenkte, setzte Jess ihre Erkundung fort. Nach oben, an der sexy Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen vorbei, zu ihrem Hals. Lena neigte ihren Kopf nach hinten und öffnete sich ihr komplett.
Diese Geste des Vertrauens stahl Jess fast den Atem. Sie streckte sich auf der Seite neben Lena aus, sodass ein Arm frei blieb, um sich zu bewegen, Lena zu berühren. Sie streifte Lenas Brüste.
»Ja.« Lena neigte sich ihrer Hand entgegen, als Jess ihre Brust umschloss. »Mehr.«
Oh, ja. Jess stimmte voll und ganz zu. Sie wollte auch mehr und jetzt war es an der Zeit, es sich zu nehmen. Sie erkundete die zarte Haut mit ihren Fingern und als sie sich der raueren Bereich um Lenas Nippel näherte, wurde er hart. Jess schnippte ihren Daumen sanft darüber.
Lena stöhnte, drehte sich auf die Seite und presste ihre Brust noch weiter in Jess’ Hand.
Jess neigte ihren Kopf, um die andere Brust zu küssen und lecken, bis sich dieser Nippel ebenfalls härtete. Ihr wurde ganz heiß angesichts von Lenas schneller Reaktion und ihre eigenen Nippel zogen sich erwartungsvoll zusammen. Statt sich auf das Gefühl einzulassen, konzentrierte sie sich voll und ganz auf Lenas Brüste. Sie massierte die Spitze zwischen Zeigefinger und Daumen, während sie Küsse am Brustansatz verteilte. Sie verlor sich im sinnlichen Gefühl unter ihren Fingerspitzen und im salzigen Geschmack der Haut. Schauer liefen ihr den Rücken hinab.
Warte. Sie erstarrte. Keine Schauer. Lenas Hand.
Lenas Hand, die eigentlich auf der Matratze sein sollte und nicht auf ihr.
Anscheinend war ihr Unbehagen offensichtlich, da Lena aufhörte, sie zu streicheln. »Stimmt etwas nicht?«
Überraschenderweise fühlte sich alles ganz richtig an, sogar Lenas ungeplante Berührung. Zumindest auf ihrem Rücken. Jess war sich immer noch nicht so sicher, ob sie ihr andere Körperregionen anvertrauen konnte. »Nein. Alles in Ordnung.«
Sie entspannte sich und es schien zu funktionieren, da Lena ihre Liebkosung mit einer Hand wieder aufnahm. Im Gegensatz zu der Massage vorher war ihre Berührung sanft wie eine Brise, die sonnengewärmte Haut kühlte. Ihre andere Hand wanderte höher und verfing sich in Jess’ Haaren, lenkte Jess’ Kopf zurück zu Lenas Brust.
Es war, als wären Lenas Finger mit Strom aufgeladen. Zwischen Kopfhaut und Rücken prickelte alles.
Jess widersetzte sich der sanften Führung nicht, aber nur, weil sie es auch wollte. Dass sie unter Lenas Berührung das Gefühl hatte, zu schmelzen, hatte damit nichts zu tun. Nein, sie hatte immer noch alles unter Kontrolle.
Lenas Körper unter ihr – weich und fest, kurvig und schlank und so perfekt empfindsam für ihre Berührungen – ließ sie alles vergessen.
Jess küsste und saugte und knabberte und leckte jeden Zentimeter von Lenas Brüsten, bis sie atemlos war. Diesmal war es ihr nicht peinlich, nach Luft zu schnappen. Dann küsste sie einen Pfad weiter nach unten, über ihren flachen Bauch, und ließ ihre Hände die Konturen von Lenas Hüften erforschen.
»Jess …« Lenas Hände hielten ihren Kopf fest, um sie entweder zu ermutigen oder aufzuhalten.
Der leichte Zug an den Haaren war nicht schmerzhaft, aber er reichte aus, um sie innehalten zu lassen. Jess sah auf, auch wenn sie keine Details von Lenas Gesichtsausdruck erkennen konnte. »Lass mich dich kosten.« Jess lief bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammen.
Lena stöhnte und ihre Bauchmuskeln vibrierten sanft unter Jess. »Aber ich habe mich nicht vorbereitet. Ich habe nicht damit gerechnet …«
»Du musst nichts vorbereiten, zumindest nicht meinetwegen.« Langsam streichelte Jess mit einem Finger von der perfekten Wölbung von Lenas Hüftknochen zur Mitte, bis sie kurze Locken erreichte, die schon weich vor Feuchtigkeit waren. »Bitte.«
»Oh, ja.« Lena lockerte ihren Griff, ließ aber die Finger behutsam in Jess’ Haaren ruhen.
Mehr Ermunterung brauchte Jess nicht. Sie glitt schnell nach unten und ignorierte dabei das sinnliche Gefühl von zarter Haut an ihrer eigenen. Wenn sie nachgab und diese Berührung erforschte, würde sie die Beherrschung verlieren, mit der sie ihre eigene Erregung im Zaum hielt, und am Ende die Kontrolle aufgeben.
Der Duft von Lenas Erregung stieg ihr in die Nase und Jess atmete tief ein. Es war schon so lange her, dass sie die Erregung einer Frau gerochen hatte, aber war der Geruch jemals so sexy gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern und irgendwie war es ihr auch egal. Das Bedürfnis, Lena zu kosten, überwältigte Jess fast. Sie positionierte sich zwischen Lenas Beinen, bevor sie diese mit ihren Schultern sanft auseinanderdrückte. Sie schob die feinen Locken mit ihren Fingern vorsichtig zur Seite, beugte sich tiefer und fuhr dann mit ihrer Zunge entlang Lenas Schamlippen bis zu ihrer Öffnung. Ihr wurde schwindelig angesichts der Kombination aus seidenweicher Haut und Lenas Vertrauen.
Lena stöhnte erneut und ihre Beinmuskeln spannten sich an. Ihre Kraft so direkt und unmittelbar zu spüren, um ihre Schultern herum, war noch viel besser als die Vision, die Jess von ihnen um ihre Taille gehabt hatte.
Mit der nächsten Bewegung ihrer Zunge erforschte Jess Lenas Klitoris. Dieser sagenhafte, intime Moment war der Augenblick, an dem sie aufhörte, zu denken und zu analysieren, und ihren Sinnen endgültig die Oberhand überließ.
Lenas Laute und Bewegungen und der erneute Griff in Jess’ Haaren reichten, um sie zu leiten.
Dieses eine Mal brauchte sie keinen Plan. Sie folgte ihren Instinkten. Ihr einziges Ziel war es, Lenas Vergnügen zu steigern, bis diese keuchte und sich wand und sich mit einem letzten lang gezogenen Stöhnen gegen Jess’ Mund presste.
Jess ruhte mit ihrem Kopf auf Lenas Bauch. Sie brauchte einen Moment, um selbst wieder zu Atem zu kommen und ihre Sinne zu ordnen. Erst jetzt nahm sie das pulsierende Ziehen zwischen ihren eigenen Beinen wahr. Sie führte ihre Hand nach unten. Ein paar wenige gezielte Bewegungen reichten und ihr eigener Orgasmus löste ihre Anspannung. Jess biss sich auf die Lippe, um ihr Stöhnen zu unterdrücken.
Die Finger, die entspannt mit ihren Haaren spielten, erstarrten. »Jess?« Die Frage hinter dem geflüsterten Namen war schmerzhaft offensichtlich.
Willst du nicht, dass ich dich berühre? Lenas Stimme hallte in ihrem Kopf, als hätte sie die Worte laut ausgesprochen.
Jess’ Wangen glühten und sie war dankbar, dass die Dunkelheit dies verbarg. Aber sie hatte sich noch nie dumm gestellt und würde jetzt nicht damit anfangen. Sie rollte auf die Seite und rutschte nach oben, bis sie Kopf an Kopf mit Lena lag. »Ich … Normalerweise …« Sie schätzte Direktheit und Ehrlichkeit. Ihr Problem war, dass sie nicht viel Erfahrung damit hatte, offen über sich und ihre Gefühle oder Bedürfnisse zu sprechen. Die Frauen, mit denen sie zusammen gewesen war, hatten Jess nur allzu gern die Führung überlassen. »Du brauchst nicht … Es ist besser so. Ich liebe es, Freude zu schenken.« Das war natürlich nicht die ganze Wahrheit. Mit der richtigen Partnerin genoss Jess es, berührt zu werden und die Kontrolle aufzugeben. Aber es war eine Ewigkeit her, seit Jess jemanden so gut gekannt hatte, dass sie der Person wirklich vertraute. Und sie würde es heute Nacht nicht genießen können, mit ihrem veränderten Körper, der alle Attraktivität verloren hatte.
Eine federleichte Berührung an ihrer Wange überraschte Jess, aber sie schaffte es, nicht zurückzuzucken.
»Danke für die Erklärung. Ich genieße es auch zu geben, sehr sogar, aber das soll uns beiden Spaß machen. Wenn du nicht willst, respektiere ich das.« Lena strich eine Haarsträhne hinter Jess’ Ohr.
Wieso war Lena so auf ihre Haare fokussiert? Die Berührung machte Jess beinah schwach und sie bedauerte fast die Unterhaltung, die sie gerade geführt hatten. Sie sollte wirklich besser gehen, bevor die Kombination aus tollem Sex und weiteren Liebkosungen ihr Gehirn vollständig benebelte und sie noch in eine schnurrende Katze verwandelte.
»Danke. Für alles.« Sie küsste Lenas Lippen ein letztes Mal, aber nur ganz sanft, um sich vor jeglicher Versuchung zu schützen. Dann stand sie auf. »Bis morgen.«
Rasch verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich, bevor Lena im Licht des Wohnzimmers mehr als nur einen kurzen Blick auf Jess’ Körper erhaschen konnte.
Nachdem sie sich im Badezimmer angezogen hatte, sah sie auf die geschlossene Schlafzimmertür und seufzte. Der Drang, zurückzugehen und sich anzukuscheln, war überwältigend. Seit wann fühlte sie sich nach Sex so … bedürftig?
Mit einem Seufzer blies Jess die flackernden Kerzen aus und verließ das Gartenhaus.
Jetzt musste sie nur herausfinden, wie sie sich an ihrer Mutter vorbeischleichen konnte, um zu duschen, bevor sie das Babyphon von ihr holte.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren wollte Lena einfach die Decke über den Kopf ziehen, als ihre innere Uhr sie aufweckte. Nicht weil das Bett so bequem war und insbesondere nicht, weil es noch nach Sex roch, sondern weil sie Jess nicht begegnen wollte.
Widerstrebend stand Lena auf und ging in die Dusche. Der Stapel benutzter Handtücher im Bad und der unaufgeräumte Massagetisch weckten Erinnerungen an die Ereignisse des gestrigen Tages. Nicht, dass sie welche brauchte. Die angenehme Entspannung hatte ihren Körper noch nicht verlassen.
Der Sex war großartig gewesen. Jess war auf sie eingegangen, überraschend zärtlich und doch bestimmt, und der Orgasmus hatte sie überwältigt. Es war schon so lange her, dass sie durch den Mund einer anderen Frau gekommen war.
Danach hatte Lena sich allerdings im Bett hin und her gewälzt. Ihr Verstand war zu aufgekratzt zum Schlafen gewesen und ihre Gedanken waren ziellos gekreist, während ihr Körper nichts mehr wollte, als dem schönen Entspannungsgefühl nachzuspüren. Irgendwann hatte sie sich gezwungen, aufzustehen, um wenigstens die Kerzen auszupusten. Dass Jess so fürsorglich gewesen war, diese zu löschen, hatte Lena noch mehr gerührt. Sie war ins Bett zurückgekrochen und hatte intensiv darüber nachgedacht, was geschehen war − und was nicht.
Es wäre ihr lieber gewesen, Jess zu sehen und ebenfalls zu berühren, aber sie spürte, dass Jess ihre Gründe hatte, dies nicht zuzulassen, und das war auch okay. Wenn sie in einer Beziehung wären, würde sie gern mit Jess daran arbeiten − wenn sie das wollte − aber das waren sie nicht. Und das war auch gut so. Nicht nur gut; es war, was sie wollte. Oder etwa nicht?
Lena war keine Tagträumerin, die an ein Happy End glaubte, nur weil sich die Prinzessin mit der Dienstmagd im Heu vergnügt hatte. Sie lachte. Jess würde eine so schlechte Prinzessin abgeben.
Sie hatte wirklich angefangen, Jess als Mensch zu mögen, als sie einen Blick auf die komplexe und oft liebevolle Person unter der rauen Schale werfen durfte. Und sie war sich nicht sicher, in welche Richtung sich ihre beginnende Freundschaft ab jetzt entwickeln würde. Würden sie peinlich berührt auseinanderdriften oder würden sie sich näherkommen? Vielleicht würden sie den Sex wiederholen, so als Freunde mit gewissen Vorzügen. Wenn das geschah, würde Lena die notwendige Grenze zwischen Freundschaft und Beziehung ziehen können?
Sie hatte über die Jahre eine paar solcher Freundinnen gehabt, aber noch nie jemanden, der derart mit allen Aspekten ihres Lebens verknüpft war, von ihrer morgendlichen Tai-Chi-Routine, über ihre Arbeit mit Jess’ Mutter, bis hin zu ihrer Wohnung. Vertraute sie Jess, sie nicht zu verletzen? Und schlimmer: Wenn sie eine Gelegenheit erhielt, den Abend zu wiederholen, kümmerte es sie, ob sie verletzt wurde oder nicht?
Lena drehte das kalte Wasser auf und spülte die Seife ab. Jetzt war kein guter Zeitpunkt für Träumereien.
Der Morgen war angenehm mild, obwohl die Sonne gerade erst den Horizont streifte. Eine lächelnde Jess wartete am Rande der Rasenfläche auf Lena. Ihre Begrüßung war so offen und ehrlich, als hätte sie keinerlei Sorgen, aber die dunklen Augenringe deuteten an, dass Lena nicht die Einzige gewesen war, die Schlaf verloren hatte.
Natürlich konnte auch Ella der Grund dafür gewesen sein, aber Lena vermutete etwas anderes. Sie schämte sich ein wenig, dass sie es genoss, nicht die Einzige zu sein, die die Geschehnisse der Nacht nicht unberührt gelassen hatten. Sie wollte über die Konsequenzen ihrer gemeinsamen Aktivität reden, aber das konnte bis nach dem Tai-Chi warten. Etwas Routine und Zeit zum Ausbalancieren der Gefühle und Gedanken war für sie beide wichtig. Lena grüßte mit einem Lächeln zurück und begann ihre Aufwärmübungen.
Nach der Session war Jess die Erste, die etwas sagte. »Können wir uns einen Augenblick unterhalten?«
Obwohl die Worte klassischerweise eine Abfuhr einleiteten, spürte Lena keine negativen Schwingungen. »Klar. Willst du auf der Veranda einen Tee mit mir trinken?« Die Veranda des Gartenhauses war winzig im Vergleich zur Terrasse des Haupthauses, aber sie bot Privatsphäre.
Jess nickte und folgte ihr schweigend. Sie setzte sich auf einen der alten Gartenstühle, die Lena in Maggies Lager gefunden hatte, und streckte ihre Beine aus.
Zwei Tassen grünen Tees zuzubereiten, kostete nicht viel Mühe, aber Lena hielt ihre Gedanken bewusst auf die Handgriffe in der Küche gerichtet und nicht auf die Frau, die draußen wartete. Als sie die Tassen auf die Veranda trug, hatte Jess die Augen geschlossen und ihren Kopf der Morgensonne entgegengeneigt.
Ihr Mund formte ein entspanntes Halblächeln und die üblichen Fältchen um ihre Augen und zwischen den Augenbrauen waren verschwunden.
Lena stellte die Tassen auf den kleinen Tisch und setzte sich. Sie zwirbelte den Faden des Teebeutels um ihren Finger und ließ den Beutel in der Tasse auf und ab schwingen.
Jess öffnete ihre Augen, bevor Lena ein Gesprächsanfang einfiel. Heute schienen sie fast hellblau im Morgenlicht.
Für eine Sekunde bedauerte Lena, dass sie gestern Nacht nicht auf wenigstens ein bisschen Licht bestanden hatte. Sie hätte so gern Jess’ ausdrucksstarke Augen betrachtet, während sie sich geliebt hatten − Moment. Sex. Während sie Sex hatten. Sie setzte sich aufrechter hin. »Worüber willst du sprechen?«
Jess ahmte ihre Haltung nach. »Es tut mir leid, dass ich gestern so abrupt gegangen bin, und ich wollte klären, ob alles zwischen uns in Ordnung ist. Ich weiß, ich habe das schon gesagt, aber …« Sie errötete, wich aber Lenas Blick nicht aus. Jetzt waren die Fältchen wieder zurückgekehrt. »Ich habe letzte Nacht sehr genossen, aber das darf sich nicht zu einer Beziehung entwickeln. Mein Leben dreht sich um Ella und darum, wieder gesund zu werden und zurück zur Arbeit zu gehen. Eine Beziehung steht nicht auf dem Plan und ich will dir nichts vormachen.« Sie stöhnte und rieb ihre Augen mit beiden Händen. »Es tut mir leid. Das ist anmaßend. Du hast nicht die geringste Andeutung gemacht, dass du mehr willst, und warum solltest du? Ich habe nichts zu bieten.«
Lenas erster Instinkt war, Jess zu trösten. Sie wollte ihre Hand ausstrecken und Jess berühren, ihr sagen, was sie alles zu bieten hatte, wenn sie es nur zulassen würde. Stattdessen zog sie den Teebeutel aus der Tasse und quetschte ihn aus. Die heiße Flüssigkeit brannte ausreichend stark auf ihren Fingern, um diesen ersten Impuls zu blockieren. »Das ist in Ordnung, Jess. Ich habe gestern Abend auch genossen, aber ich habe meine eigenen Gründe, warum ich mich nicht auf eine Beziehung einlassen kann.«
»Wirklich?« Jess musterte sie mit einem Blick, in dem noch etliche weitere Fragen lauerten.
Lena wusste nicht, was diese unausgesprochenen Fragen waren. Wollte Jess ihre Gründe wissen? Sie war sich nicht sicher, ob sie zugeben wollte, was ihr am meisten Angst machte, deshalb ging sie nur auf das ein, was Jess ausgesprochen hatte. »Wirklich. Aber ich hoffe, dass wir trotzdem Freunde bleiben können. Ich mag unsere Gespräche und würde es bedauern, falls wir uns unwohl fühlen, wenn wir einander im Haus deiner Mutter begegnen. Außerdem brauche ich unsere Spaziergänge, um fit zu bleiben, seitdem ich meinen Kellnerinnenjob aufgegeben habe.«
»Och nö, du bist fit genug. Das kann ich bestätigen.« Jess zwinkerte grinsend.
»Aha. Wir haben also die unbehagliche Morgen-danach-Phase überwunden und sind zur Neckerei-Phase übergegangen? Das ging ja schnell.« Lena lehnte sich zurück, als der letzte Rest Anspannung sie verließ. Vielleicht hatte der Abend ihre Freundschaft doch nicht ruiniert.