Kapitel 11
Robin trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und trat das Gaspedal fester durch. Durch ihren spontanen Besuch bei den Artons war sie eine Viertelstunde zu spät dran und sie sehnte sich danach, ihren Sohn in die Arme zu schließen – sein kleiner Körper war eine sichtbare Erinnerung daran, dass Gott inmitten von Schmerz Glück bringen konnte.
Sie schnallte sich ab und hielt am Straßenrand. Der Geruch von gebackenen Äpfeln und Calebs Gesang begrüßten sie, als sie Lindas Haus betrat. Und die Crocs ihres Sohnes, die ordentlich auf einer bunten und ansonsten leeren Fußmatte standen. Ein Beweis dafür, dass die anderen beiden Kinder rechtzeitig abgeholt worden waren.
Mütterversagen.
Sie zog ihre Schuhe aus und ging die Treppe zum Wohnzimmer hoch, in dem Linda mit Fingerfarben gemalte Bilder über den Fernseher hängte und die zweite Stimme zu Caleb summte, der eine noch etwas schiefe Version von »Old MacDonald Had a Farm« sang. Er saß mit nacktem Oberkörper auf dem Sofa und ließ die Beine baumeln, während er im Takt mit dem Kopf wippte. Kaum hatte sie den Kopf über das Geländer gestreckt, strahlte er sie an. Das war die beste Begrüßung, die es gab.
Linda wandte sich um.
»Tut mir leid, dass ich so spät dran bin«, sagte Robin.
»Kein Problem.« Linda schaltete die Musik aus. »Ich habe Caleb ein Tuch umgebunden, bevor wir mit dem Malen angefangen haben, aber er hat trotzdem ein bisschen Farbe auf dem Hemdkragen gehabt. Und ein bisschen auf seinem Gips. Den Fleck auf dem Hemd habe ich ausgewaschen, aber er wollte es nicht wieder anziehen. Er sagte, dann würde er schmelzen.«
Caleb hielt seinen verletzten Arm hoch und zeigte ihr einen leuchtend orangefarbenen Klecks auf dem knallblauen Gips. »Ich habe einen Mama-Tiger und einen Caleb-Tiger gemalt.«
Robin betrachtete die Bilder, die an der Wand ausgestellt waren. Das von Caleb hing in der Mitte – zwei orangefarbene Kleckse mit langen Schwänzen – einer größer als der andere, kein Papa-Tiger in Sicht. »Sieht aus, als hätten wir hier einen vielversprechenden Nachwuchskünstler.« Sie drückte ihm einen Kuss aufs Haar und schob ihn zur Treppe. »Tut mir wirklich leid, dass es so spät geworden ist.«
Linda machte ein wegwerfende Handbewegung. »Macht nichts, Robin. Du hast viel um die Ohren.«
Alleinerziehende Mutter sein. Eine Hilfsorganisation retten. Ein Café, das rote Zahlen schrieb. Und einen Geschäftsmann, der ganz erpicht darauf war, dieses Café abzureißen. Robin hätte gerne gewusst, was Linda von Ian hielt. Beim offenen Treff hatte sie gesehen, wie die beiden sich unterhalten hatten. Aber sie traute sich nicht, das Thema anzusprechen. Lindas Meinung war ihr wichtig und Robin war sich nicht sicher, ob sie es verkraften könnte, wenn sie die Dinge ebenso sah wie Cecile. Caleb ließ sich auf die unterste Stufe fallen und schob die Füße in seine Crocs – wieder einmal falsch herum.
»Jed Johnson war heute Morgen im Café«, sagte Robin.
Linda überreichte ihr Calebs John-Deere-T-Shirt, ordentlich zusammengefaltet und noch warm vom Trockner. »Das ist eine gute Nachricht.«
»Ich glaube, er wird zu unserem nächsten Treffen kommen. Und ich soll dir sagen, dass ihm dein Auflauf sehr gutgetan hat.«
»Schön, dass ich helfen konnte.«
Robin wusste genau, was Linda meinte. Und genau das war der Grund, warum Robin vor zwei Jahren die Trauergruppe gegründet hatte. Caleb lief noch einmal die Treppe hoch und schlang seine Arme um Linda, als Robins Handy klingelte. Sie winkte zum Abschied und trat dann mit ihrem Sohn in den Sonnenschein hinaus. Er hüpfte zum Auto, während sie in ihrer Handtasche nach dem Handy kramte. Als sie den Namen auf dem Display sah, wurde ihre Laune gleich besser. »Hallo, Dad.«
»Na, Liebes, wie geht es dir?«
Caleb kletterte in seinen Kindersitz und schnallte sich selbst an. Robin schob sich hinters Lenkrad und lauschte, bis sie das Klicken seines Sicherheitsgurtes hörte. »Es könnte besser sein.«
»Oh-oh. Läuft es mit dem Café nicht so gut?«
»Nicht so richtig.« Sie schob den Schlüssel ins Zündschloss. »Ein Stadtplaner will Willow Tree kaufen, damit er an der Uferpromenade Eigentumswohnungen bauen kann.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich. Und er ist unglaublich nervig. Ich sage ihm, dass ich nicht verkaufen werde, und er sieht mich an, als wüsste er es besser.« Das schwere Gefühl in ihren Gliedern, seit sie den Juwelierladen verlassen hatte, kam wieder auf. »Er kann mich doch nicht zwingen zu verkaufen, oder?«
»Ich wüsste nicht, wie. Du hast schließlich keine Schulden.« Dad zögerte. »Wie hartnäckig ist er denn?«
Sie sah Ian vor sich. Sein David-Beckham-Look, seine maßgeschneiderten Klamotten. Wie er alle um den Finger zu wickeln schien, die ihm begegneten, selbst die Menschen, die seinem Charme eigentlich widerstehen müssten – zum Beispiel Amanda und Joe. »Ungefähr so hartnäckig wie ein Gebrauchtwagenhändler.«
Dad stieß ein kurzes »Hm« aus.
Robin legte den Gang ein und fuhr los.
»Hast du mit ihm über sein Angebot gesprochen?«, fragte ihr Vater.
Die Frage machte sie sprachlos.
»Robin?«
»Hast du das wirklich gerade gesagt?«
»Ich denke gerade als dein Anwalt, Liebling. Und als dein Anwalt muss ich das fragen. Wenn du dir sein Angebot anhörst, könnte es dann vielleicht sein, dass du Interesse hast?«
»Natürlich habe ich kein Interesse.«
»Die verschiedenen Möglichkeiten zu betrachten, bedeutet nicht, dass du verkaufen musst.«
»Wenn ich mir die Möglichkeiten ansehe, zerreißt Ian McKay mich wie ein hungriger Piranha. Und ich werde sowieso nicht verkaufen.« Robin runzelte die Stirn. Ausgerechnet er müsste das doch verstehen.
»Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende darüber reden?«
»An diesem Wochenende?«
»Ich überlege, mich in den Flieger zu setzen. Es ist viel zu lange her, dass ich meinen Enkel gesehen habe.«
»Im Ernst?« Sie hielt an einem Stoppschild und winkte einen anderen Wagen durch. »Du kommst nach Peaks?«
»Es sei denn, du hast andere Pläne.«
»Nur das Picknick, aber da kannst du ja mitkommen.« Die Vorfreude nahm ihr das mulmige Gefühl, das sie im Bauch spürte. Da der jüngste Price-Bruder Gavin zu einem Fotoshooting musste und der älteste der Brüder bei seiner Arbeit in Arizona unabkömmlich war, könnte Dads Anwesenheit bei ihrem jährlichen Familienpicknick wenigstens einen Teil der Lücke schließen. Seitdem Robin die Prices kannte, wurde immer Ende Mai ein Picknick veranstaltet. Wenn Micahs Eltern aus Arizona kamen und ihr Dad aus Ohio einflog, würde es vielleicht doch ein richtiges Familienfest werden. Sie gab Gas und überquerte die Kreuzung. »Caleb wird ganz aus dem Häuschen sein.«
Auf dem Rücksitz spitzte ihr Sohn die Ohren.
Sie zwinkerte ihm im Rückspiegel zu.
»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich Donna gerne mitbringen.«
»Donna?«
»Sie hat dich seit Thanksgiving nicht mehr gesehen.«
»Das ist das einzige Mal, dass sie mich gesehen hat, Dad.«
»Ich würde sie wirklich gerne mitbringen.«
Ihre Vorfreude legte sich, als sie an das letzte Thanksgiving zurückdachte. Dad hatte Donna als eine Freundin vorgestellt. Sie war sogar beim Essen dabei gewesen. Robin hatte die beiden den ganzen Abend über beobachtet, um zu sehen, ob Donna und ihn mehr als nur eine platonische Freundschaft verband. Sie hatte nichts gefunden. »Ist das nicht ein bisschen unangenehm, Dad? Donna nach Iowa zu fliegen? Du willst doch keinen falschen Eindruck erwecken.«
»Donna ist mir wichtig.«
Nachdem sie sechzehn Jahre lang mit ihrem Dad allein gewesen war, lösten seine Worte etwas in ihr aus – eine Sehnsucht, die sie gar nicht empfinden wollte. Ihr Verstand forderte sie auf, das Gespräch schnell zu beenden, bevor er etwas sagen konnte, was diese Gefühle noch verstärkte, aber da war es schon zu spät.
»Ich liebe sie, Kleines.«
* * *
Die Sonne schien Robin auf den Kopf, als sie die Wagentür zuknallte und Calebs Hand nahm.
»Was hast du, Mommy?«, fragte er, während er sich bemühte, mit ihren langen Schritten mitzuhalten.
Das Gras flüsterte im Wind, immer und immer wieder. »Ich liebe sie. Ich liebe sie.« Robin beschleunigte ihre Schritte noch mehr, bis Caleb rennen musste, aber sie blieb erst stehen, als die vertraute Weide vor ihnen auftauchte, die sich über den kleinen Teich neigte, als wollte sie im Wasser ihr Spiegelbild begutachten. Robin ging auf den Baum zu, lehnte sich an den dicken Stamm und ging in die Hocke.
Caleb legte seine warmen Hände um ihr Gesicht. »Bist du traurig?«
Sie legte ihre Hände auf seine. »Ich musste nur unserer Weide einen Besuch abstatten, Kumpel.« Mit einem Nicken deutete sie auf den Teich, eine Atempause für den kleinen Fluss Feather Creek, der sich durch die Stadt wand und einem alten asphaltierten Fahrradweg Gesellschaft leistete. »Willst du Steine werfen?«
»Können wir auch in den Park gehen?«
Um die Ecke gab es einen kleinen Spielplatz mit einer Schaukel und einer Rutsche. Es war derselbe Spielplatz, zu dem Bethany und sie gegangen waren, als sie zwölf Jahre alt gewesen waren. Nicht zu weit entfernt von dem Haus, in dem Robins Mutter gestorben war. Nach all den Jahren sah sie immer noch die Damastkissen auf dem Bett ihrer Eltern vor sich. Die Reihe Fläschchen mit Tabletten, die wie Soldaten mit weißen Helmen auf der Kommode aufgereiht gestanden hatten. Die kühle Tapete mit dem Blauregenmuster im Flur, während Dad »Fly Me to the Moon« sang, Moms Kopf auf seinem Schoß. Selbst zum Schluss, als Mom kaum noch die Augen offen halten konnte, hatte sie über den schiefen Gesang lachen müssen.
»Klar können wir.« Robin legte eine Hand um Calebs Kinn und fuhr mit dem Daumen über seine Wange. »Gib Mommy nur eine Minute Zeit.«
Er nickte und lief ein paar Schritte weiter, um Steinchen und Kiesel zu suchen, die er ins Wasser werfen konnte. Robin sank weiter an dem Baumstamm hinunter und setzte sich auf das kühle, schattige Gras. Sie atmete lange aus und stützte die Ellbogen auf die Knie, während sie an das kommende Wochenende dachte. Würde Dad Donnas Hand halten? Würde er sie mit der gleichen Liebe ansehen, mit der er Mom so viele Jahre lang überschüttet hatte? Würde die Sehnsucht in Robins Bauch wachsen?
Sie lehnte den Kopf an den Baum.
Immer wenn jemand eine Bemerkung darüber machte, dass sie Single war, verwies sie auf ihren Vater. Seine langjährige Liebe zu ihrer Mom war etwas, das Robin stets getröstet hatte. Aber jetzt, nach all diesen Jahren, liebte er eine andere Frau. Ein Schmerz, den sie lange nicht gefühlt hatte, legte sich um ihr Herz, und sie bekam ein solches Heimweh, dass sie kaum noch atmen konnte.
Warum jetzt, Herr? Der Kummer sollte doch eigentlich auch mal aufhören.
Hatte sie nicht genug getrauert? Warum kam dieses Gefühl jetzt zurück nach dem Geständnis von Dad? Robin drehte an ihrem Ehering und zog ihn vom Finger. Sie legte ihn sich auf die Handfläche, als könnte sie die Last des Todes loswerden, indem sie Micahs Geschenk vom Finger nahm.
Ein lautes Planschen riss sie aus ihren Gedanken. Caleb sprang auf Zehenspitzen auf und ab, eine kleine Faust in die Luft gereckt. Der Baldachin der Trauerweide raschelte im Wind, ein hypnotisches Wiegenlied, das nicht zu dem chaotischen Durcheinander in Robins Innerem passte. Mit diesem Baum war so viel Lachen verbunden. So viel Schmerz. Er war der Ort, zu dem sie geflüchtet war, als der Hirntumor ihre Mutter gepackt hatte. Manchmal allein. Manchmal mit Bethany. Sie hatten sich wie Tarzan an die Zweige gehängt, und Robin hatte sich jedes Mal etwas gewünscht. Es war eine einfache Bitte gewesen, dass der Krebs verschwinden möge. Und später, als der Krebs gesiegt hatte und Mom nicht mehr lebte, hatte Robin unter dem Baldachin gesessen und ihrer Trauer freien Lauf gelassen. Sie hatte die Trauer durch ihren Körper schwingen lassen wie die hängenden Äste der Weide.
Jahre später war sie am Tag vor ihrer Hochzeit mit Micah hergekommen, und er hatte sie unter dem Baum im Arm gehalten, während sie seinem Herzschlag gelauscht und von ihrer gemeinsamen Zukunft geträumt hatte. Kein einziges Mal hatte sie das hier geträumt.
Robin seufzte. An den meisten Tagen kam sie mit der Einsamkeit gut klar. An den meisten Tagen musste sie nur eine Sonate spielen, ihren Sohn in den Arm nehmen oder jemandem mit einem Blech Karamellschnitten eine Freude machen, dann legte sich der Kummer wieder. Aber manchmal, so wie jetzt – während sie dabei zusah, wie Caleb sich abmühte, mit seinem gesunden Arm einen großen Stein hochzuheben, und sein Ächzen zu ihr herüberdrang –, war ihre Einsamkeit zu groß, als dass sie alleine damit fertigwerden konnte.
Sie stieß sachte mit dem Hinterkopf an den Baumstamm. Warum musste Micah sterben? Warum war das Leben ohne ihn so schwer? Warum kehrte der Kummer jetzt zurück?
Die Warums kamen ohne Vorwarnung. Sie kamen ohne Antworten. Ohne eine Lösung.
Mir fehlt eine Mutter, Herr. Und mir fehlt ein Partner.
Robin schloss die Augen und schwelgte in den Erinnerungen – Micahs starke Arme, die sie hielten. Der Duft seines Rasierwassers, der sich auf den Kragen seiner Arbeitshemden gelegt hatte. Sein dichtes Haar, das sie so gern verwuschelte. Die Wärme seiner Haut, wenn sie sich an einem entspannten Samstagmorgen liebten. Seine Küsse. Sein Lachen. Seine tiefe Stimme. Es war mehr als vier Jahre her, seit sie etwas davon erlebt hatte, aber in Zeiten wie diesen waren die Erinnerungen so klar und deutlich, dass sie das Gefühl hatte, als könnte sie sie mit Händen greifen.
Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Das war doch albern. Die Schwierigkeiten mit dem Café waren schuld. Alles war in Ordnung gewesen, bis Ian McKay auf der Bildfläche erschienen war. Sein unwillkommenes Auftauchen störte den Rhythmus ihres Lebens wie eine schlecht platzierte Note mitten in einem Lied, und so fühlte sie sich mehr denn je wie eine Israelitin auf dem Weg durch die Wüste. Denn wo war Gott bei all dem?
Du willst doch, dass ich für das Café kämpfe, nicht wahr, Herr?
Robin versuchte, sich ein Leben ohne Willow Tree vorzustellen, aber der Gedanke hinterließ ein riesiges Loch in ihrem Herzen. Sie liebte es, Polizeichef Bergman und seiner Frau jedes Jahr zum Valentinstag roten Kakao mit Schlagsahne zu servieren. Sie war gerne am dritten Donnerstag im Monat Gastgeberin des Buchklubs. Es machte ihr einen riesen Spaß, den Frauen, die sich jeden Montagnachmittag zur Bibelstunde trafen, Kaffee zu bringen, und sie liebte es, jeden Samstagabend für die Crammers Klavier zu spielen. Irgendwie hatte sie einen in die Jahre gekommen Blumenladen in den Traum verwandelt, den Micah und sie vor so langer Zeit gehabt hatten. Sie hatte den Ort wieder zum Leben erweckt und war dabei selbst wieder zum Leben erweckt worden. Das konnte sie doch jetzt nicht aufgeben.
Robin stand auf und klopfte sich ein paar Grashalme von ihrer Jeans. Dann schob sie sich den Ring wieder an den Finger, nahm einen glatten Stein und ließ ihn über die Teichoberfläche hüpfen. Nach zwei armseligen Hüpfern versank er im Wasser.
Caleb sah sie erstaunt an, dann nahm er einen kleineren Stein und machte ihr den Wurf nach, aber der Kiesel tauchte dicht am Ufer ins Wasser und verschwand. Mit einem Stirnrunzeln betrachtete er die Ringe, die der Stein auf dem Teich zog.
»Du lernst das schon noch, Kumpel. Das liegt dir im Blut. Dein Dad war der Beste darin, Steine hüpfen zu lassen.«
Er lächelte, als wüsste er das. Als könnte er sich daran erinnern.
»Komm. Wir gehen in den Park.«
Sie hielten sich an den Händen und ließen die Arme schwingen, während sie den Fahrradweg entlanggingen.
»Grandpa kommt zu Besuch«, sagte sie.
Ein breites Lächeln trat auf sein Gesicht, sodass alle seine Milchzähne zu sehen waren. »Opa!«
»Erinnerst du dich an Miss Donna?«
Er zog die Nase kraus. November war für einen Dreijährigen lange her.
»Sie war an Thanksgiving bei Opa. Sie kommt auch mit.«
»Warum?«
»Opa und sie sind befreundet.«
»Warum?«
Robin kaute auf ihrer Unterlippe. »Na ja, Opa hat Miss Donna lieb.«
»Und hat sie Opa auch lieb?«
Robin blieb stehen und das Armschwingen stoppte ebenfalls. Sie sah ihren Sohn an. »Ich glaube, sie hat ihn total gern.«
Die Furche auf seiner Stirn wurde tiefer. »Magst du auch jemanden total gern?«
»Ich mag dich total gern.« Sie tippte auf seine Nase und kitzelte ihn dann am Bauch. »Es gibt niemanden auf der Welt, den ich so gern mag wie dich.«
Er kicherte und schmiegte sich an sie. Sie kitzelte ihn am Bauch und sein Lachen war Balsam für ihre angeschlagene Seele. Erschöpft ließen sie sich zu Boden fallen und Caleb rang keuchend nach Luft. Robin hörte auf, ihn zu kitzeln, und nahm ihn in die Arme.
»Ich habe dich lieb.« Seine Worte rochen nach Hotdog und Ketchup.
»Ich habe dich auch lieb, Knuddelmaus.«
»Mommy?«
»Ja?«
Er legte die Hände auf ihre Wangen, seine Nase nur wenige Zentimeter von ihrer entfernt, und sah sie ganz ernst an. So wie sie ihn ansah, wenn sie mit ihm über Fremde redete. »Bekomme ich bald einen neuen Daddy?«
Seine unschuldige Frage fühlte sich an wie Stacheldraht. Sie riss und kratzte. »Willst du denn einen neuen Daddy?«
Calebs heftiges Nicken brach Robin das Herz. Es brach um Micahs willen, weil sein Sohn ihn nicht kannte. Und es brach um Calebs willen, weil sie nicht wusste, ob sie ihm jemals würde geben können, was er wollte.