Detective Inspector Elliot Mead lenkte den Streifenwagen durch den dichten Londoner Nachmittagsverkehr. Decker saß auf dem Beifahrersitz, das Handy in der Hand. Callies besorgte Stimme ertönte für alle hörbar aus dem Lautsprecher.
„Ich hätte Martin nicht verraten sollen, dass Sie die Uhr haben“, sagte sie. „Ich fand es schon seltsam, dass er danach gefragt hat, aber ich hätte nie gedacht, dass er so etwas tun würde. Ich fühle mich schrecklich. Wenn Mina etwas zustößt, ist das meine Schuld.“
„Das konnten Sie nicht wissen“, erklärte Decker. Er schaute aus dem Fenster und beobachtete die vorbeiziehenden Gebäude. Sie bewegten sich frustrierend langsam, auch wenn das Blaulicht eingeschaltet war. Die Leute brauchten zu lange, um auszuweichen. Wäre er nicht in einem Verhörraum gewesen ohne sein Telefon bei der Hand, hätte Decker Minas Anruf entgegennehmen und ihr klarmachen können, dass sie nicht allein zu Martins Wohnung aufbrechen sollte. „Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie seine Adresse für uns ausfindig gemacht haben.“
„Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“ Callies Stimme brach. Sie klang den Tränen nahe. „Glauben Sie wirklich, dass Martin ein Serienmörder ist?“
„Es sieht ganz danach aus“, antwortete Decker. „Aber das werden wir schon bald herausfinden. Ich hoffe nur, dass er Mina nichts angetan hat.“
„Er ist im Besitz des Messers des Rippers. Gestern Abend war es noch hier, als ich das Büro verlassen habe, und jetzt ist es weg. Der Einzige, der es genommen haben könnte, ist Martin.“ Callie klang niedergeschlagen. „Er ist besessen von Jack the Ripper. Er hat mich praktisch angefleht, ihn die Gegenstände im Versteck des Rippers katalogisieren zu lassen. Ich hätte nie gedacht, dass seine dunkle Besessenheit tödlich enden würde.“
„Wir wissen nicht, ob das schon passiert ist.“ Decker hoffte inständig, dass alles nur ein großes Missverständnis war und es Mina gut ging, und sie in Martins Wohnung gerade neu entdeckte Beweise begutachtete. „Vergessen Sie nicht, dass der Ripper auch da draußen ist.“
„Das beruhigt mich nicht gerade“, sagte Callie. „Martin hat nach der Uhr gefragt. Ich habe sie ihm gegenüber nie erwähnt und ich bin sicher, dass es auch sonst niemand getan hat. Ich glaube auch nicht, dass er etwas darüber im Internet herausgefunden haben kann. Das könnte er nur wissen, wenn er tatsächlich mit dem Ripper zusammenarbeiten würde.“
„Ziehen wir keine voreiligen Schlüsse“, meinte Decker, obwohl ihm klar war, dass sie recht haben musste. „Bleiben Sie einfach in der Nähe Ihres Handys, und ich rufe Sie an, sobald wir Mina gefunden haben.“
„Bitte tun Sie das“, erwiderte Callie. „Ich warte darauf.“
Decker legte auf und blickte nach hinten zu Colum, der auf dem Rücksitz saß. „Ich wünschte, wir hätten ein paar Waffen, um da reinzugehen. Ich gehe nicht gerne unbewaffnet in eine unbekannte Situation.“
„Ich auch nicht“, gab Colum zu. „Aber wir haben keine andere Wahl. Wenn wir Zugang zur Waffenkammer im Kofferraum meines Land Rovers hätten, dann wäre mir wohler.“
„Mit diesen Waffen wären wir nie nach England gekommen.“
„Ich wüsste nicht, warum nicht. Die Waffen befinden sich in einem speziell abgeschirmten Fach. Sie werden nicht von Röntgenstrahlen oder Metalldetektoren erfasst. Noch nie hat irgendjemand sie gefunden.“
„Das Risiko war es nicht wert“, sagte Decker. „Außerdem ging es mit dem Flugzeug schneller.“
„Waffen?“ Mead warf Decker einen Seitenblick zu. „Will ich das wirklich wissen?“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass Jack the Ripper nicht tot ist.“ Mead richtete seinen Blick auf die Straße, aber sein Gesicht spiegelte Ungläubigkeit wider.
„Ich weiß, es klingt verrückt, aber es ist die Wahrheit“, antwortete Decker. Sie hatten den Detective Inspector informiert, als sie vor dem Polizeirevier gestanden und auf einen Constable gewartet hatten, der den Wagen vorbeibrachte. DI Mead hatte sie angeschaut, als wären sie verrückt. Aber egal, was er dachte, er hatte den Befehl, ihnen zu helfen. Mead glaubte ihnen wahrscheinlich kein einziges Wort, aber das war auch egal. Er würde seinen Beweis noch früh genug bekommen, wenn sie Abraham Turner gefunden hatten. In der Zwischenzeit sorgte sich Decker einzig und allein um die Sicherheit von Mina.
Sie näherten sich jetzt dem Universitätsgelände. Der Detective schaltete das Blaulicht und das Martinshorn aus. „So verraten wir nicht, dass wir da sind“, erklärte er, als sie in die Straße einbogen, in der sich Martin Slades Studentenwohnheim befand.
„Gute Idee“, sagte Decker.
Sie fuhren ein Stück die Straße hinunter und hielten an. Decker öffnete seine Tür und sprang förmlich heraus, weil er Mina unbedingt erreichen wollte. Die anderen schlossen sich ihm an und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Wohnblock und in den dritten Stock. Als sie dort angekommen waren, stand die Tür von Martin Slade einen Spalt offen.
Decker und Colum tauschten einen Blick aus.
Detective Inspector Mead streckte die Hand aus, drückte die Tür auf und ließ sie leise nach innen aufschwingen.
Der Flur dahinter war in Dunkelheit getaucht.
Sie zögerten und fragten sich, ob jemand aus der Dunkelheit heraustreten würde, aber die Luft war rein.
Decker tat einen zaghaften Schritt über die Schwelle und sah sich die Türen zu seiner Rechten und Linken an. Die eine führte in ein Schlafzimmer. Es war leer. Die andere führte in eine Küche, in der sich Pfannen in der Spüle stapelten. Die Luft, die hierher wehte, war übelriechend und schwer.
Colum trat hinter Decker ein, während der Detective das Schlusslicht bildete.
In der ganzen Wohnung war es unheimlich still. Nur das rhythmische Brummen des Kühlschranks durchbrach die Stille. Decker spürte, wie sich sein Magen vor Angst zusammenzog. Wortlos wies er sie mit einer Hand an, weiterzugehen, während er mit der anderen sein Handy hochhielt, um notfalls die Taschenlampe einzuschalten.
Sie gingen an der Küche und dem Schlafzimmer vorbei auf eine Tür am Ende des Flurs zu. Dies war das Wohnzimmer. Wie der Rest der Wohnung lag auch hier tiefe Dunkelheit wie eine schwere Decke über dem Raum.
Decker betrat das Zimmer und bemerkte die schweren Vorhänge, die vor das Fenster gezogen waren, um das Licht zu verdrängen.
In der Dunkelheit sah er eine Gestalt in der Mitte des Raumes sitzen, die sich nicht bewegte.
Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
Er richtete sein Handy auf die Gestalt, hoffte inständig, dass es nicht Minas verstümmelte Leiche zeigen würde, und schaltete die Taschenlampe ein.