Ich musste wohl eine masochistische Ader haben, denn ich liebte es offenbar, mich selbst zu quälen.
Jede Woche ging ich die Listen der Restaurants durch, die zum Verkauf standen, so wie leer stehende Objekte, auf der Suche nach irgendetwas, das meinem Budget entsprach und einigermaßen eingerichtet war, damit ich nicht bei null anfangen musste.
Und jede Woche gab es ein paar Läden im Umkreis von einhundert Meilen, die das Potenzial hätten, aber keiner fühlte sich richtig an.
Ich hatte noch keine genaue Vorstellung von einem Konzept meines Restaurants, ich wusste nur, ich wollte eines Tages meinen eigenen Laden haben und hoffte, dass es nicht mehr allzu lange dauerte bis dahin.
Es war nicht so, dass ich die Aushilfsjobs nicht mochte, die mir Alpha zu mieten vermittelte, denn so war das nicht. In den zwei Jahren bei der Agentur hatte ich im Catering gearbeitet, als Konditor, als Chefkoch in einem Casino und hatte zahllose andere interessante Jobs, die mit Essen zu tun hatten.
Und bei jedem dieser Jobs hatte ich etwas über Essen und über meine Interessen dazugelernt. Das Problem war nur, dass meine Interessen eben immer mehr wurden, was es für mich umso schwieriger machte, mich auf einen Bereich zu konzentrieren. Aber ich hatte das Gefühl, ich würde es schon merken, wenn ich den richtigen Laden gefunden hätte.
Also suchte ich weiter.
Gerade, als ich die Adresse einer Toast Bar in mein Handy eingeben wollte, um sie mir genauer anzusehen, bekam ich eine Nachricht aus dem Büro von Tucker. Hättest du Interesse an einer längerfristigen Stellung als Chefkoch?
Ich war einverstanden mit einer Stelle für ein bis zwei Monate, aber ich wollte nichts annehmen, was sich mit meinen eigenen Plänen nicht vereinbaren ließ. Was meinst du mit längerfristig?
Drei Monate zunächst. Der neue Besitzer ist am Absaufen und braucht dringend Unterstützung. Wenn du danach die Biege machen willst, helfen wir dir, einen Nachfolger zu finden und anzulernen.
Das war länger, als ich mich festlegen wollte, aber es gefiel mir nicht, dass ein neuer Geschäftsinhaber alles verlieren sollte, wofür er hart gearbeitet hatte, nur weil es vielleicht nicht mein Traumjob war. Ja, ist gut, mache ich. Wann soll ich anfangen?
Wenn du da jetzt hinfahren könntest, würde er dir wahrscheinlich ewig dankbar sein. Er will eigentlich am Samstag eröffnen, hat aber keine Ahnung, wie er bis dahin vorbereitet sein soll.
Heute Abend schon? Verdammt. Ich hatte nichts Besseres zu tun, es wäre also kein Problem, aber es kam so plötzlich. Andererseits war Samstag schon in drei Tagen, wenn ich das hinkriegen wollte, dann musste ich mich auch am Riemen reißen. Ja, schick mir die Adresse und den Namen des Kunden. Ich mache mich in einer halben Stunde auf den Weg.
Ich machte mir nicht die Mühe, nach der Bezahlung zu fragen, denn ich wusste, es würde gut bezahlt werden. Alpha zu mieten nahmen keine Aufträge im Niedriglohnsektor an. Wir waren eine Agentur nur für die besten Alphas. Und selbst wenn die Arbeit leicht war, war die vertraglich festgelegte Bezahlung immer sehr großzügig. Die Premiumleistungen kamen mit der Gewähr, dass die Alphas gebunden und gründlich überprüft worden waren, um sexuelle Übergriffe zu vermeiden. Nicht alle Agenturen boten solche Garantien, weshalb Kunden und Unternehmen gern das Doppelte oder Dreifache bezahlten, um sicher sein zu können, dass ihnen nichts passierte.
Nach diesem Auftrag würde ich bestimmt genug Geld auf die Seite gelegt haben, um mutig genug zu sein, die Aushilfsjobs zu kündigen und meinen eigenen Traum zu verwirklichen, was auch immer das letztendlich sein würde.
Ich stellte mein Handy in die Ladestation, um es für den Abend ausreichend zu laden, dann lief ich die Treppe hinauf, um schnell unter die Dusche zu gehen. Hygiene war eine Besessenheit von mir, ich würde niemals in einer neuen Küche auftauchen mit auch nur einem einzigen Schweißtropfen auf meiner Haut. Während der Arbeit schwitzte ich reichlich, es war also undenkbar, schon mit einem Schweißfilm auf der Haut anzufangen.
Sobald ich sauber war und meine Lieblingschefkochhose und ein T-Shirt angezogen hatte, nahm ich mein Handy und machte mich auf den Weg zum Restaurant. Ohne nennenswerte Erwartungen nahm ich einfach jede neue Information auf, wenn sie sich mir bot. Aber als ich auf den Parkplatz des Marcoʼs bog, einem der ältesten Restaurants für Hausmannskost im ganzen Bezirk, war ich doch einigermaßen schockiert.
Warum hatte Marco den Laden verkauft? Er war seit Jahrzehnten eine Hausnummer in der Stadt, vielleicht war er in den Ruhestand gegangen. Aber es erstaunte mich doch sehr, dass er den neuen Besitzer und all seine treuen Kunden ohne eine vernünftige Übergabe zurückgelassen hatte. Ich war Marco in all den Jahren nur wenige Male begegnet, aber er war ein guter Mann, der seine Kunden liebte wie die eigene Familie und der jeden Abend Essen für die örtlichen Notunterkünfte für Omegas spendete.
Er war die Art Chef und Geschäftsführer, wie ich eines Tages auch einer sein wollte.
Ich stellte den Wagen ab und nahm meine Tasche. Manche Leute hatten immer eine Tasche mit Geld und Ausweis bei sich. Ich aber nicht. In meiner Tasche befanden sich Messer, meine bevorzugte Bratpfanne, ein kleiner Brenner und verschiedene andere Küchengeräte, auf die ich mich stets verließ, wenn es ums Kochen ging.
Ich hatte sogar meine erste Schürze als Glücksbringer in einer Seitentasche dabei.
Mit meiner Ausrüstung in der Hand trat ich vor die Tür des Restaurants, das ich früher einige Male besucht hatte, und klopfte. Laut Schild an der Tür war wegen eines Trauerfalls geschlossen und ein Gefühl von Traurigkeit überkam mich.
War Marco gestorben? Das würde den plötzlichen Besitzerwechsel erklären. Ich hoffte einfach, der neue Chef würde mit ähnlicher Hingabe einen Ort erschaffen, an dem Familien auch in den kommenden Generationen sich zu traditionellen Gerichten einfinden und verwöhnen lassen konnten.
Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, aber als ein süßer Omega aus der Küche zur Tür gelaufen kam, kam mir der Gedanke, dass das hier vielleicht gar nicht so übel werden würde.