E nde August gehörte von jeher zu den schönsten Zeiten auf Sylt, denn diese Tage verströmten sanften Inselzauber und wärmten Haut, Seele und Herz. Die weißen und pinkfarbenen Heckenrosen standen noch in voller Blüte, und die ersten Hagebuttenfrüchte röteten sich prall in der Spätsommersonne, umrahmt von Blattwerk, grünen Kronen gleich. Alles schien träge zurückgenommen, ein wenig verlangsamt, bis Wind aufkam und die Wattewolken so schnell über den Himmel trieb, als hätte er es ganz besonders eilig.

An solchen Tagen nutzten die Kitesurfer die stürmische Brandung für kühne Luftsprünge über der Nordsee, ihre bunten Segel tupften bunte Farbkleckse auf den hohen, weiten Himmel des Lister Königshafens und anderer Surf-Spots. Flauschige Hundeohren wippten fröhlich im Wind, feuchte Hundenasen bohrten sich in den Sand, um alles zu erschnüffeln, was es zu erschnüffeln gab. Und das war viel, denn jeder Sommer hatte seine eigene Geschichte – erst recht auf Sylt. Auf dem pudrig weißen Sand der Strände von der Südspitze Hörnums über das noble Kampen bis zum Sylter Ellenbogen hatten sich während der sonnigen Monate zahllose Dinge ereignet, auf welche diejenigen, die sie erlebt hatten, später mit Freude, Trauer oder Amüsiertheit zurückblickten. Dem einen war der saftige Matjes von einer hungrigen Möwe aus dem Fischbrötchen geklaut worden, jemand anders hatte den spektakulärsten Sonnenuntergang seines Lebens bestaunt und dabei das Salz auf der Haut und den Wind in den Haaren gespürt.

Herzen fanden sich, Herzen brachen, genau wie die Wellen an den Buhnen, die dem Küstenschutz dienten. Die Leuchtfeuer der Insel schickten ihre blinkenden Signale über das Wattenmeer, der Hörnumer Leuchtturm zwinkerte Föhr schelmisch zu, wo die Menschen am Deich von Utersum standen und sich fragten, ob das Eiland auf der rechten Seite ihres Blickfelds Amrum war oder vielleicht doch eher Sylt.

Die Insel der Schönen und Reichen scherte sich nicht wirklich um diejenigen, die kamen, um die Uwe-Düne zu besteigen, die Tetrapoden Hörnums zu umrunden, Strandkorbpartys zu feiern, Austern in List zu verspeisen oder Champagner im legendären Restaurant Sansibar zu schlürfen. Es war ihr egal, ob sich manche an Afrika erinnert fühlten, wenn sie entlang des Morsum-Kliffs spazieren gingen, köstlichen Ziegenkäse in Keitum kauften oder befanden, dass die im Wind stehenden Reisenden Riesen in Westerland nicht hübsch genug waren, um Touristen am Bahnhof gebührend in Empfang zu nehmen.

Die Insel war einfach da und wurde immer schlanker oder auch kurzfristig üppiger, wenn Sand durch Rohre gepumpt und an die Strände gespült wurde, die in hundert Jahren vielleicht nur noch eine Erinnerung auf historischen Landkarten sein würden. Doch Sylt nahm dies alles gelassen, denn dieses Kleinod im Wattenmeer war ein kleiner Teil des großen Ganzen – und ein Ort, an dem Menschen wohnten, die liebten, lachten und lebten. So wie die vier Freundinnen Bea, Vero, Lissy und Nele vom Keitumer Buchcafé Büchernest …