Ich beobachtete Gobi vom Busfenster aus. Sie war damit beschäftigt, die Reste des Kebabs zu fressen, die vom Barbecue übrig geblieben waren. Nurali dirigierte die Helfer, die gerade die letzten Läufer in den anderen Bus verfrachtet hatten. Gobi hielt inne. Sie blickte sich um. Ging es um mich, oder merkte sie, dass etwas nicht stimmte? Der Motor des Busses sprang an. Gobi schreckte ein wenig zusammen, dann lief sie auf und ab. Es sah aus wie kürzlich, als ich umgekehrt war, um sie über den Fluss zu tragen. Sie hielt Ausschau nach etwas, nach jemandem – nach mir. Sie hatte den Schwanz eingeklemmt und die Ohren angelegt. Ich verspürte das unbezwingbare Bedürfnis, meine schmerzenden Knochen aus dem Sitz zu erheben, aus dem Bus zu steigen und sie in die Arme zu nehmen.
Das ist doch lächerlich, sagte ich mir. Ich fühlte mich wie ein Daddy, der sein Kind an dessen ersten Schultag im Schulgebäude verschwinden sieht.
Der Bus fuhr an. Ich sah noch, wie Nurali den Hund zu sich rief, ihm ein wenig Fleisch gab und den Mopp aus Fell wuschelte, der wie ein Vogelnest auf Gobis Kopf saß …
Ich lehnte mich auf meinem Sitz zurück und versuchte, an etwas anderes zu denken. An irgendetwas anderes.
Die Busfahrt zurück nach Hami hätte nicht unterschiedlicher sein können zu der Fahrt von dort zum Startpunkt eine Woche zuvor. Damals saß ich nur da und wechselte ein paar Worte mit meinem Nachbarn. Ich war zunehmend genervt von dem Geschnatter gewesen, das die Macau-Boys hinter mir veranstalteten. Ich hatte mich umgedreht und gehofft, dass sie den Wink verstanden und mal die Klappe hielten.
Auf dem Rückweg nach Hami hätte ich viel darum gegeben, in der Nähe dieser Jungs zu sitzen und sie lachen und quatschen zu hören. Die Ablenkung wäre mir willkommen. Leider saßen die drei in einem anderen Bus. Meine Mitfahrer hatte infolge des Rennens, des Essens beim Barbecue und des Biers die Schläfrigkeit überkommen, und es herrschte Stille. Ich war allein und meinen Gedanken überlassen.
Was war so schlimm daran? Ich hatte keine Ahnung, wieso ich mich jetzt so fühlte. Es war ja kein endgültiger Abschied. In ein paar Stunden würde ich Gobi wiedersehen.
Der Plan war der: Nurali, die Lady, die mich im Sandsturm derart hatte abblitzen lassen, sollte mit Gobi zurück nach Hami fahren, wo es ein festliches Abschlussdinner gab und wo ich mich von dem Hund gebührend verabschieden konnte. Danach würde sie Gobi mit nach Ürümqi nehmen, während ich auf meinem Rückflug nach Edinburgh war. Von dort aus wollte ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit Gobi mit dem Flugzeug zu uns kommen konnte, um ein neues Leben mit Lucja, mir und Lara, unserer Katze, im Vereinigten Königreich zu beginnen.
Wie lange würde es bis dahin dauern? Ich wusste es nicht.
Wie viel würde das kosten? Keine Ahnung.
Würde Nurali sich um sie kümmern? Ganz bestimmt. Das war etwas, worauf ich mich verließ. Nurali mochte ja mir gegenüber ein bisschen abweisend gewesen sein, als unser Camp auseinanderflog, aber ich hatte mitbekommen, wie sie mit den Leuten umsprang und ihre Sache im Griff hatte. Sie war zupackend, und ich möchte behaupten, dass das gesamte Gobi-Rennen ohne sie nie hätte stattfinden können. Nebenbei hatte ich bemerkt, wie sie Gobi die Woche über immer Leckereien zusteckte. Daher wusste ich, dass sie eine Schwäche für den Hund hatte. Gobi würde es bei ihr gut haben, da war ich mir sicher … So sicher, wie ich mir war, dass ich Gobi nach Hause bringen würde und wenn es mich tausend Pfund und einen oder zwei Monate Zeit kostete.
Versammle eine Horde Langläufer, die eine Woche lang weder geduscht noch sich gewaschen noch ihre Kleidung gewechselt hatten, während sie sich schwitzend den Weg durch eine Wüste bahnten, und es riecht nicht gut. Pferche sie dann in einen heißen Bus, und die Luft darin wird so unerträglich, wie du es dir nicht vorstellen kannst.
Sobald wir in Hami angekommen waren, sehnte ich mich verzweifelt nach einer Dusche. Ich säuberte mich, ruhte ein wenig aus und stellte mir vor, wie ich Nurali und Gobi am Abend beim Dinner traf.
Als ich am Restaurant ankam, war mir, als vermisste ich Gobi schon, obwohl es erst einige Stunden waren. Nebenbei – ich hatte sie nur draußen im Freien und im Zelt erlebt. Wie würde sie in einer Stadt mit Straßen, Verkehr, Restaurants und Hotels zurechtkommen?
Mir wurde klar, wie wenig ich über sie wusste. Wo hatte sie gelebt, bevor sie sich uns Läufern anschloss? War sie jemals in einem Haus gewesen? Wie würde sie darauf reagieren, von Zeit zu Zeit eingeschlossen zu sein? Wie alt war sie? Und die womöglich wichtigste Frage von allen: Mochte sie Katzen?
So viel war in der Woche des Rennens passiert, aber davor lagen Monate, vielleicht sogar Jahre in Gobis Leben, die mir immer ein Rätsel bleiben würden. Ich habe ihr beim Spielen zugesehen, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, und ich war mir ziemlich sicher, dass sie jünger als ein oder zwei Jahre war. Was vor unserem Zusammentreffen mit ihr geschehen war, darüber war ich vollkommen ahnungslos. Sollte sie misshandelt worden sein, hatte sie keine Narben zurückbehalten, und ganz sicher gab es keine Verletzungen, die sie daran hinderten, insgesamt siebenundsiebzig Meilen zu laufen. War sie ausgerissen? Verloren gegangen? Gab es da draußen bei der Sanddüne am Rande der Wüste irgendwo einen Besitzer, der traurig war, weil ihm sein kleiner Hund abhandengekommen war?
Jeder, den ich darauf ansprach, meinte, das sei unwahrscheinlich. Gobi war nicht der einzige Hund, den ich während des Laufs gesehen hatte. Und selbst die wenigen Stunden, die ich in Ürümqi und Hami verbrachte, zeigten mir, dass es in beiden Städten Tausende von ihnen geben musste, die durch die Straßen streunten.
Im Restaurant schaute ich mich nach Nurali und Gobi um, konnte aber weder von der einen noch von der anderen eine Spur entdecken. Von den freiwilligen Helfern war auch niemand da. Nur die Organisatoren des Marathons. Ich spürte eine von ihnen auf und fragte nach Nurali.
»Ich dachte, es war vorgesehen, dass sie kommt und Gobi mitbringt«, sagte ich.
Die Frau schien verwirrt. »Nein, es war nie die Rede davon, dass sie hierherkommt. Sie hat da draußen am Ziel zu viel zu tun.«
»Kommt sie denn morgen, bevor wir abfahren?«
»Ich wüsste nicht, warum sie das sollte.«
Ernüchtert ging ich davon.
Es machte mir zu schaffen, dass ich Gobi nicht sehen und mich ordentlich von ihr verabschieden konnte. Und es ärgerte mich auch, dass der Plan, den wir ausgeheckt hatten, nicht befolgt wurde. Hatte etwas mit der Übersetzung nicht gestimmt? War jetzt schon was schiefgegangen? War mit Gobi alles in Ordnung?
Am meisten irritierte mich, dass ich merkte, wie sich deshalb Stress bei mir aufbaute. Zum Teil wollte ich das tun, was ich normalerweise nach einem Rennen tue, und mich für ein paar Wochen aus allem ausklinken – aus der Diät, dem Laufen, dem Zwang, mich vollständig auf ein einziges Ziel zu fokussieren. Ich wollte entspannen und mich um nichts kümmern.
Aber das war überhaupt nicht drin. Natürlich kümmerte ich mich. Mein Beschützerinstinkt Gobi gegenüber ließ sich nicht einfach ausknipsen.
Die meiste Zeit während der Preisverleihung war ich gedanklich gar nicht richtig anwesend. Als jedoch Brett die Bühne bestieg, um seine Medaille für den dritten Platz entgegenzunehmen, hörte ich genau hin. Brett hielt eine kurze, aber markante Ansprache: »Was ich gern noch sagen würde, ist dies: Vor jedem, der sein Rennen geopfert hat, um anderen zu helfen, ziehe ich den Hut. Das zeigt, was es für großartige Menschen auf dieser Welt gibt.«
Das hätte ich auch nicht besser ausdrücken können. Ich war in der Lage gewesen, etwas zu tun, um Tommy zu helfen, doch ich war beileibe nicht der Einzige. Filippo hatte ebenfalls seinen Lauf unterbrochen, und es gab noch weitere Läufer, die das Wohl eines anderen vor die eigenen Interessen gestellt hatten. Die Beispiele reichten von den Macau-Boys, die gut aufeinander aufgepasst hatten, bis zu denen, die sich am ersten Tag noch als komplett Fremde gegenüberstanden und sich dann gegenseitig immer wieder aufmunterten. Das gehört zu den Dingen, die ich bei solchen Veranstaltungen am meisten liebe. Du puschst dich an die Grenzen deiner physischen Leistungsfähigkeit und schließt dabei ein paar der besten Freundschaften deines Lebens.
Von alldem hatte ich natürlich keine Ahnung, als ich mich für meinen ersten Etappen-Ultramarathon anmeldete. Tatsächlich war ich nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt bis an die Startlinie schaffen würde, geschweige denn, ob ich imstande wäre, den Lauf zu Ende zu bringen.
Es passierte um Weihnachten 2012 herum. Lucjas Geburtstag ist am 23. Dezember, und in den Monaten zuvor hatte sie schon davon gesprochen, dass sie vom einfachen Marathon wegkommen und etwas Härteres in Angriff nehmen wollte. Also kaufte ich einen wunderschönen großformatigen Bildband mit dem Titel Die härtesten Ausdauer-Wettkämpfe der Welt. Ich hatte in dem Buch geblättert, bevor ich es in Geschenkpapier einpackte, und staunte über Wettbewerbe wie den Marathon Des Sables, den Yukon Arctic Ultra und die Yak Attack in Nepal, angepriesen als das höchste – und ich vermute auch das gefährlichste – Radrennen der Welt.
Das war vor meiner Teilnahme an jenem Halbmarathon, bei dem ich mich vollkommen verausgabt hatte, um meinen Freund zu schlagen und gegen ihn eine Einladung zum Essen zu gewinnen. So war ich der festen Überzeugung, dass jede Einzelne der Veranstaltungen in diesem Buch weit über meinen Horizont hinausging. Und doch dachte ich, es müsste ein Spaß sein, davon zu träumen, eines Tages an einer von ihnen teilzunehmen – vielleicht mal in zehn Jahren. Und weil es dann so feierlich war, eine offene Flasche Champagner neben uns stand und ich mich in Hochstimmung befand, während ich zuschaute, wie Lucja das Buch auspackte, sprach ich die schicksalhaften Worte.
»Welche Seite auch immer du jetzt aufschlägst, das soll das sein, wo wir zusammen hingehen.«
Ich lehnte mich zurück, trank einen Schluck und sah, wie Lucja große Augen machte, als sie den Einband erblickte.
»Wow«, sagte sie und betrachtete das Buch von vorn und hinten. »Das ist ja unglaublich.«
Sie schloss die Augen, schlug auf gut Glück das Buch auf und starrte gebannt auf die Seite.
Stille. Ich sah, wie sie jedes Detail sorgfältig in sich aufnahm.
»Nun, Dion, wie es aussieht, werden wir beide den Kalahari-Extremmarathon laufen.«
»Was zum Teufel ist das denn?«
Ohne den Blick vom Buch zu wenden, nannte sie die brutalen Fakten: »Im Nordwesten von Südafrika, nahe der Grenze zu Namibia … läuft man einhundertfünfunddreißig Meilen … sechs Etappen an sieben Tagen … die Temperaturen liegen bei knapp fünfzig Grad … sein Essen trägt man selbst im Gepäck … Wasser gibt es zu festen Zeiten … und – es geht durch die Wüste.«
Ich musste mir meine Antwort gut überlegen. Es war schließlich ihr Geburtstag, und ich wollte, dass sie sich über das Geschenk freute.
»Keine Chance.«
»Was?« Sie hob den Kopf und sah mich an. »Ich finde, das klingt ziemlich gut.«
»Hör zu, Lucja, es ist ganz unmöglich, dass wir das machen. Was ist, wenn einem von uns etwas passiert? Und was heißt das, dass man sein Essen selbst dabeihaben muss? Bekommt man da gar nichts? Wie soll das überhaupt gehen?«
Sie schaute wieder in das Buch, blätterte ein paar Seiten um und schob es dann zu mir herüber. Darauf zog sie ihr iPad heraus. Ich blickte starr auf die Seiten, und das Grauen überkam mich.
»Hier sind eine ganze Reihe von Blogs vom Rennen letzten Sommer auf dieser Website«, sagte Lucja. »Und hier gibt es auch eine Facebook-Seite … und eine Kontaktadresse.«
Ich bremste sie. »Lucja, da steht, es kostet zweitausend Pfund pro Person. Den Flug nicht gerechnet.«
»Na und?«
»Davon könnten wir uns einen schönen Urlaub irgendwo in der Sonne machen. Warum sollten wir so etwas Bescheuertes tun, wie durch eine Wüste zu laufen?«
Lucja sah mich scharf an. Es war derselbe Blick, mit dem sie mich angesehen hatte, als ich in Neuseeland auf der Couch lag und sie mich zu diesem Lauf herausforderte. Mir wurde klar, es war einer dieser Wendepunkte in unserem Leben.
»Du hast gesagt, wir machen das, Dion. Also machen wir das.«
Ich streckte die Waffen, denn ich konnte mir vorstellen, dass meine Weigerung sie nur noch bestärkte. Ich redete nicht mehr darüber und setzte darauf, dass sie das Ganze vergessen hatte, sobald Weihnachten vorüber war.
Damit lag ich schief. Nach Weihnachten war Lucja entschlossener denn je. Da das Rennen schon in zehn Monaten stattfinden sollte, fühlte sie sich auch noch veranlasst, sich zu beeilen. Sie kontaktierte den Repräsentanten des Rennens, lud das Anmeldeformular herunter und erklärte mir, dass sie mit ihren Vorbereitungen fertig sei.
Es war meine letzte Chance, sie davon abzuhalten, und ich brachte das beste Argument vor, das mir in ihrem Fall einfiel.
»Wie kannst du da hingehen, ohne eine Dusche zu haben. Was ist mit deinem Haar, deinen Nägeln?«
»Mir völlig egal. Das stört mich nicht. Auf einer der Etappen kreuzt der Orange River. Da kann ich an dem Tag die Haare waschen.«
Ich versuchte es mit einer anderen Angriffslinie. »Johannesburg hat die höchste Mordrate aller Metropolen der Welt. Möchtest du wirklich in so eine Stadt fliegen und von da auch wieder zurück?«
»Dion, ich mach das. Kommst du nun mit?«
Ich dachte einen Augenblick nach.
»Wir müssen uns unsere ganzen Pfunde von Weihnachten abtrainieren.«
Sie schaute mich nur an.
Es war die Originalszene aus Neuseeland. Ich wusste, dass ich sie nicht aufhalten konnte – und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Ich habe Lucjas Mut und ihre Begeisterung immer geliebt, und mir war bewusst, wie viel schöner mein Leben geworden war, seit wir uns kannten. Außerdem wollte ich, dass ihr da unten nichts passierte, und sei es um den Preis, dass ich so etwas Absurdes tat wie durch die Kalahari-Wüste zu laufen.
»Okay«, sagte ich. »Ich bin dabei.«
Seit der ersten Nacht, die ich in Ürümqi verbracht hatte, hatte ich nicht mehr mit Lucja gesprochen. Einige der Läufer hatten fünfzig Dollar dafür gezahlt, um E-Mails verschicken oder Blogs während des Laufs posten zu können. Ich nicht. Ich wollte mich nicht ablenken lassen und wusste, dass Lucja in der Lage war, die Website der Marathon-Organisation aufzurufen, um sich täglich über meine Zeiten und meine Platzierung auf dem Laufenden zu halten. So kam es, dass ich sie in Hami nach der Preisverteilung schließlich anrief, nachdem wir länger als eine Woche voneinander getrennt gewesen waren.
Ich war in der Tat etwas nervös. Ich musste ihr auf irgendeine Weise eröffnen, dass ich einen streunenden chinesischen Hund mitbringen wollte, der bei uns leben sollte. Wir hatten seit Curtly, dem Bernhardiner, keinen Hund mehr gehabt. Wir hatten beide schwer daran zu tragen, als er starb, und es gab zwischen uns ein stillschweigendes Übereinkommen, dass keiner von uns diese Trauer noch einmal durchmachen musste.
Als ich die Nummer wählte, ging ich im Geiste erneut durch, was ich sagen wollte. Ist das nicht großartig, dass ich Zweiter geworden bin? Und dann ist da was ganz Komisches passiert. Ein kleiner Hund hat mich dabei begleitet, und ich frage mich, wie es wäre, wenn ich ihn mit nach Hause bringe.
Wenn ich Lucja auf meine Seite bekam, wusste ich, dass das klappen würde. Wenn nicht, würde es wesentlich schwieriger werden, Gobi nach Hause zu bekommen, als ich gedacht hatte.
Das Telefon klingelte, und ich atmete einmal tief durch.
Noch bevor ich Hallo sagen konnte, ergriff Lucja das Wort.
»Wie geht’s Gobi?«
Ich war verdutzt. »Du weißt von Gobi?«
»Yeah! Viele von den anderen Teilnehmern haben sie in ihrem Blog erwähnt. Und sie hat es sogar in die offiziellen Rennergebnisse geschafft. Sie ist doch ein entzückendes kleines Ding, nicht wahr?«
»Ja, das ist sie. Ich wollte mit dir da über etwas reden …«
»Du bringst sie mit, ja? Gleich, als ich von ihr gehört habe, wusste ich, dass du das willst.«
Nachdem ich eine Woche lang weit entfernt von Städten und Zivilisation gewesen war, schwirrte mir auf dem Transfer vom Bahnhof in Ürümqi zum Flughafen der Kopf. Ich hatte ganz vergessen, wie überfüllt die Stadt war und wie unmöglich es war, mich verständlich zu machen. Selbst so etwas Einfaches wie das Check-in für meinen Rückflug, auf dem ich zweimal umsteigen musste, dauerte dreimal länger, als es sollte. Wo immer ich hinging, traf ich auf Menschenmassen, und jede Amtsperson beäugte mich mit schlecht verhohlenem Misstrauen.
Ich erinnerte mich, weshalb ich mir geschworen hatte, nie wieder nach China zu kommen.
Hatte meine Bekanntschaft mit Gobi etwas daran geändert? Vielleicht. Dieser Marathon hatte mir mein bisher bestes Ergebnis eingetragen. Und er hatte mich mit Gobi zusammengeführt. Dennoch konnte ich es mir kaum vorstellen, hierher zurückzukommen. Ohne die geringsten Kenntnisse der Sprache war es nahezu unmöglich, etwas zu erreichen.
Als ich mich dem Gate für meinen Flug nach Peking näherte, erblickte ich die Rennorganisatoren, die darauf warteten, an Bord gelassen zu werden.
Ich wusste, dass die Chefin der Organisation Interesse für Gobi gezeigt hatte, und wollte mich vergewissern, dass sie das nicht vergaß, sobald die Veranstaltung für sie abgeschlossen war. Ich dankte ihr, dass sie in Nurali jemanden gefunden hatte, der sich um den Hund kümmerte, während ich nach Hause musste, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Sie gab mir ihre geschäftliche Visitenkarte. »Es war fantastisch zu beobachten, wie die Geschichte zwischen Ihnen und Gobi Gestalt annahm. Wenn wir irgendwie helfen können, werden wir es tun.«
Erst, als ich an Bord ging, fiel mir auf, dass ich die Chefin gar nicht gefragt hatte, wieso Nurali am Abend der Preisverleihung nicht erschienen war. Aber es war wohl, weil ich nicht aufdringlich sein oder als jemand erscheinen wollte, der lästig wird. Ich hatte darauf vertraut, dass Nurali gut auf Gobi aufpassen würde, doch kannte ich sie überhaupt so gut? Warum war sie nicht nach Hami gekommen? War es wirklich nur ein Kommunikationsproblem, oder war es ein Anzeichen dafür, dass die Dinge nicht so glatt laufen sollten?
Mach dich nicht verrückt, sagte ich mir. Schlaf darüber. Am nächsten Morgen sehen die Dinge immer besser aus.