Karina
November 2006
Normalerweise treffen wir uns nicht im Haus an der Ecke, aber diesmal hat er mir erzählt, dass er sturmfreie Bude hat. Olivia ist auf Konzertreise in Wien, und alle anderen sind unterwegs. Ich mag es, mit ihm dort zu sein, es fühlt sich so … verboten an. Natürlich bin ich auch sonst hin und wieder da und hänge mit Sasha und Ellen ab – sofern sie sich dazu herablassen, mich ebenfalls einzuladen. Das hat eine ureigene Spannung, besonders wenn er auch da ist: zu wissen, dass ich Teile des Hauses gesehen hab, die Ellen nicht kennt; in der Küche beiläufig an ihm vorbeizuschlendern; einen Blick von ihm aufzufangen, von dem ich weiß, dass er nur für mich bestimmt ist.
Als ich vorhin dort war, drückte er mich rücklings auf den Küchentisch, noch bevor wir uns geküsst oder auch nur ein Wort gewechselt hatten. Die Tischkante bohrte sich mir in den Rücken. Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen, aber sein Blick war auf das Geschirrregal mit der wilden Sammlung aus Teebechern und Familienfotos gerichtet.
Ich hab ihm gesagt, dass er mir wehtut, aber es war, als könnte er mich gar nicht hören. Mein Kopf schlug mit jedem Stoß auf dem Tisch auf, immer an ein und derselben Stelle – jedes Mal tat es ein bisschen mehr weh, und ich fing an, mich nur mehr auf diesen einen Punkt zu konzentrieren, ich versuchte, mir einzureden, dass es nicht ewig dauern würde, dass er bald fertig wäre und dann mein Kopf nicht mehr wehtäte. Ich versuchte, mich im Geiste in einen Moment vorzuversetzen, in dem das hier nicht mehr passieren würde. Irgendwann war es vorbei, er wischte sich beiläufig mit einem Küchentuch ab, ich zog meinen Slip wieder hoch, schob mir den Rock zurecht und tastete mit den Fingerspitzen vorsichtig über meinen Hinterkopf.
Noch währenddessen hatte es sich irgendwie angefühlt, als würde er mich vergewaltigen; im Nachhinein kam mir das dann aber lächerlich vor. Er ist schließlich mein Freund. Wir hatten auch zuvor schon häufiger Sex. Wie konnte das also eine Vergewaltigung sein? Außerdem war er hinterher ganz normal, unterhielt sich mit mir darüber, was er noch vorhatte, über einen Film, den er sich angesehen hatte, über Sasha.
Ich nehme an, so ist er manchmal eben. Beim nächsten Mal versuche ich einfach, es ein bisschen mehr zu genießen.