Karina
Dezember 2006
Heute Nachmittag wollte er von mir, dass ich so etwas Schreckliches mache, dass ich mich zum ersten Mal überhaupt zu einem Nein durchgerungen habe. Er meinte, das wäre sein Weihnachtsgeschenk. Ich habe ihm noch nie einen Wunsch ausgeschlagen, und jetzt weiß ich auch, warum. Er drehte mich von sich weg, und eine entsetzliche Sekunde lang befürchtete ich, dass er es trotzdem machen würde, mein ganzer Körper stählte sich bereits dagegen. Doch dann zog er mir bloß das Oberteil hoch, und ich spürte einen brennenden Schmerz. Ich wollte schreien, allerdings hatte er damit gerechnet und hielt mir den Mund zu.
»Denk nicht mal darüber nach!«, befahl er mir.
Erst im nächsten Moment stieg mir der ekelhaft süßliche Geruch verbrannten Fleisches in die Nase, und mir dämmerte, dass er seine Zigarette auf meinem Rücken ausgedrückt hatte. Ich starrte einen Bleistiftschmierer an der Wand an, der aussah wie ein fliegender Vogel. Von dem bitteren Geruch, der von seiner Hand ausging, wurde mir übel, aber ich riss mich zusammen.
»Und das erzählst du auch niemandem«, fuhr er fort. »Vergiss nicht, dass ich dich auf Video habe. Ein Klick, und jeder weiß, was für eine Schlampe du bist – inklusive deiner Mutter.«
Ich taumelte aus dem Zimmer direkt rüber ins Bad und schloss hinter mir ab. Behutsam hob ich das Oberteil an und starrte das wutrote Brandmal an – den perfekt runden Kreis auf meinem Rücken. Im Spiegel konnte ich mir nicht mal mehr in die Augen sehen, also klappte ich den Klodeckel runter und ließ mich darauf nieder. In meiner Tasche – die ich immer noch über der Schulter trug – steckte eine halb volle Wodkaflasche. Ich nahm sie raus und trank einen Schluck. Dann noch einen. Mir fiel einfach nichts anderes ein, womit ich den Schmerz hätte bekämpfen können. Ich wusste, er würde im Schlafzimmer auf mich warten. Sonst war niemand im Haus, keiner würde mich schreien hören.
Ich schob mir die Tasche unter den Arm und schloss so lautlos wie möglich die Tür wieder auf. Dann schlich ich auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem über den Flur. Die Treppe hinunter. Nur nicht auf die vierte Stufe treten, die knarzte. An der Tür schlüpfte ich in meine Schuhe, band sie nicht mal mehr zu, sondern schnappte mir nur meinen Mantel vom Haken. Dann trat ich hinaus an die eisige Luft und zog leise die Tür hinter mir zu.
Ich weiß, dass er sich hierfür rächen wird. Ich wünschte mir nur, ich wüsste, auf welche Weise.