Zum Sprung ansetzen
An diesem Morgen kam Matt eine halbe Stunde zu spät aufs Revier. Er war bei Roman zu Hause vorbeigefahren, weil er sich einfach nicht fernhalten konnte. Roman war nicht da gewesen und auf der Wache war er auch nicht. Als Matt Leesa fragte, ob sie was von ihm gehört hatte, starrte sie ihn nur ausdruckslos an.
Na schön. Wenn Roman ihn nicht sehen und nicht mit ihm reden wollte, dann würde er wohl einfach warten müssen. Matt wollte sowieso noch einige Nachforschungen anstellen.
Der General hatte ihm einen Link zu einer mit einem Passwort geschützten Webseite geschickt, auf der das ganze Personal in der Kompanie B der Army nach Nachname und Jahr geordnet aufgeführt war. Sein Vater hatte recht, Roman Charsguard stand nicht auf der Liste und auch sonst niemand mit dem Nachnamen Charsguard.
War es möglich, dass seine Militärakte verloren gegangen war oder aus Sicherheitsgründen geheim gehalten wurde? Es fiel ihm schwer, sich irgendeinen Grund dafür auszumalen, wenn es nicht gerade ein supergeheimer Spionageeinsatz gewesen war. Aber Roman war Deputy in Mad Creek. So seltsam Mad Creek auch war, Matt bezweifelte stark, dass die CIA oder das FBI oder sonst irgendjemand sich die Mühe machen würde, hier einen Spion einzuschleusen.
Matt las sich die Namen in den Jahren, in denen Roman gedient haben könnte, noch einmal durch. Ein Name fiel ihm ins Auge – Sergeant James Pattson, im Kampf gefallen.
Das war der Mann, den Roman erwähnt hatte, sein bester Freund. Woher sollte Roman diesen Namen kennen, wenn er nie in diesem Bataillon gedient hatte? Fuck. Er musste einfach mit Roman reden. Wo zum Teufel war er nur?
Es klopfte an seiner Tür. Matt warf einen Blick auf die Uhr. Ja. Es war fast halb zehn. Zeit, sich auf seinen Observierungsposten zu begeben. Würde Roman dort sein?
Er öffnete die Tür und stand Sheriff Beaufort gegenüber, der nicht glücklich aussah. Beaufort trat in Matts Büro, sodass er Matt in den Raum zurücktrieb. Matt runzelte die Stirn. »Was kann ich für Sie tun, Sheriff? Geht es um unsere Verdächtigen?«
»Nein. Sie haben gestern im Diner gegessen und den restlichen Abend in ihrer Hütte verbracht. Ein paar Prostituierte sind von Fresno hergefahren und es klingt, als hätten sie sich furchtbar amüsiert. Sie schlafen alle noch ihren Rausch aus. Bisher gab es keine Anzeichen für Aktivität.«
Matt nickte. »Wahrscheinlich werden sie dann heute erst später zum Standort der Farm fahren.«
Lance sah aus, als würde er sich unwohl fühlen. Angespannt tippte er mit den Fingern auf Romans Schreibtisch. »Uh, Roman hat sich heute krankgemeldet. Also… möchten Sie, dass Sie jemand auf die Anhöhe begleitet? Charlie ist noch auf die Autos angesetzt, aber ich könnte mich Ihnen einen Teil des Tages anschließen.«
Roman hatte sich krankgemeldet? Das gefiel Matt nicht. Überhaupt nicht. Er versuchte, eine neutrale Miene zu bewahren. »Nein, ich komme schon zurecht. Wenn ich etwas brauche, melde ich mich über Funk.«
Beaufort nickte. Er sah aus, als wollte er gehen, dann hielt er inne. Seine Finger tippten weiterhin auf Romans Tischplatte. Tipp. Tipp.
»Deputy Charsguard. Roman… Er ist der beste Officer, den ich jemals hatte. Er ist ein guter Mann.«
Der Boden unter Matts Füßen wankte und er wurde von Übelkeit überrollt. Beaufort wusste Bescheid. Gottverdammt. Matt kam sich wie ein Idiot vor. Aber zumindest war Beaufort schwul. Während er also – zu Recht – Matts Professionalität bemängeln könnte, weil er sich auf einen Kollegen eingelassen hatte, wäre seine Homosexualität wenigstens kein Thema.
Matt nickte. »Deputy Charsguard war mir eine große Hilfe, seit ich hier eingetroffen bin. Ich bezweifle, dass wir diese Farm ohne ihn gefunden hätten.« Matt wollte noch mehr sagen. Roman war unermüdlich gewesen – hatte mit Matt jeden Tag die Wälder durchkämmt, mit anscheinend unerschöpflicher Ausdauer, und dann samstags noch Vollzeit für Beaufort gearbeitet.
Matts Magen krampfte sich vor Schuldgefühlen zusammen, als er sich an all diese Stunden erinnerte.
Gib mir einen Grund, dir zu glauben.
Ich dachte, das hätte ich schon.
»Roman…« Beaufort räusperte sich. »… Er, äh, er hat eine Menge durchgemacht. Und er hat nicht viel Erfahrung, ähm, im Umgang mit Menschen.« Beaufort betrachtete intensiv den Teppich und auf seinen Wangen zeigten sich zwei hellrote Flecken.
Oh Gott, das war das Großer-Bruder-Gespräch. Wie… unfassbar unangenehm.
»Ja. Hm, hören Sie, ich mach mich mal lieber auf den Weg. Ich halte euch auf dem Laufenden und sage Bescheid, was sich auf dem Gelände tut. Danke, Sheriff.«
Matt schnappte sich seine Jacke und floh. Er fragte sich, ob Beaufort bereits wusste, dass Matt es hinbekommen hatte, Roman zu verletzen, und – falls ja – wo er wohl Matts Leiche verstecken würde.
Während er den Berg hinauf zu der illegalen Marihuana-Farm fuhr, grübelte Matt weiter, wo Roman sein könnte. Warum war er verschwunden? Warum ging er nicht an sein Handy? Er hat eine Menge durchgemacht. Scheiße. Heute Abend. Bestimmt war Roman heute Abend zu Hause. Wenn sich herausstellte, dass es eine vernünftige Erklärung dafür gab, warum sein Name in den Aufzeichnungen nicht auftauchte, und Matt zu Kreuze kriechen musste, dann würde er es tun.
Bei Gott, hoffentlich gab es einen verdammt guten Grund für ihn, zu Kreuze zu kriechen.
***
Sich an diesem Abend mit Roman auszusprechen, erwies sich als unmöglich.
An diesem Nachmittag lag Matt von den Bäumen verborgen auf dem Hügelkamm über der illegalen Farm. Wie üblich schoss er Fotos mit seinem Fernobjektiv. Und wie üblich wurden diese Fotos via Satellit direkt an das Büro der DEA geschickt.
Auf dem Gelände war nicht viel los. Nach der großen Pflanzaktion am Tag zuvor tauchten heute nur zwei der Bodyguard-Typen und der dunkelhaarige Kerl auf, der von der Drogenbehörde als Rufus Weaser identifiziert worden war. Sie blieben ein paar Stunden, sahen nach den Pflanzen und legten ein paar Bewässerungsleitungen, bevor sie wieder verschwanden.
Matt gab es über Funk durch, als sie wegfuhren, und Beaufort übernahm die Beschattung. Doch der recht ruhige Tag fand um 16:05 Uhr ein Ende. Matt war zu seinem Auto zurückgewandert und sah, dass er einen Anruf von Dixon aus der Zentrale verpasst hatte. Der Empfang war im Wald im besten Fall unbeständig. Er lehnte sich gegen seinen Wagen und rief seinen Boss zurück.
»Wir sind bereit zuzuschlagen. Der Zugriff wird morgen bei Tagesanbruch an ihrer Hütte erfolgen.«
»Was? Meinen Sie das ernst? Ich dachte, sie hätten gesagt, es würde noch eine Weile dauern.«
»Ja, nun, die Rechtsabteilung ist der Meinung, dass Sie genügend Beweise gesammelt haben – gute Arbeit, Barclay, besonders bei den Fotos. Sie konnten sie vergrößern und alle Pflanzen, die angebaut wurden, als Cannabis bestätigen, und die Farm befindet sich auf öffentlichem Boden, deshalb ist der Anwalt zufrieden. Auf dem Gelände werden wir noch jede Menge belastender Beweise finden.«
»Das sind tolle Neuigkeiten.«
»Der Gouverneur hat den Einsatz bereits genehmigt und im Zeitplan des SWAT ist noch etwas Platz. Deshalb will der lokale Einsatzleiter die Chance nutzen und zuschlagen.«
Heilige Scheiße. Das passierte wirklich. Wenn man Matt fragte, waren das gute Neuigkeiten. Zum Teufel, es waren fabelhafte Neuigkeiten. Es bestand immer das Risiko, dass etwas schiefging und die Verdächtigen sich aus dem Staub machten. Matt wäre erleichtert, wenn diese spezielle Operation vorbei war und die Männer hinter Gittern saßen.
Vielleicht kann ich dann einfach wieder mit Roman zusammen auf Streife gehen. Das klang so verdammt klasse. Doch Matt war sich nicht sicher, ob sie zu dieser unkomplizierten Zeit zurückkehren konnten. Allein der Gedanke an Roman sorgte dafür, dass sich alles in ihm zusammenkrampfte, sodass er keine Luft mehr bekam. Er schob die Gedanken weg. Er hatte Arbeit zu erledigen.
»Okay«, sagte er zu Dixon. »Welche Rolle werde ich bei diesem Zugriff spielen? Soll ich am Einsatzort zu Ihnen stoßen? Wollen Sie Beaufort auch involvieren?«
»Ja, ich möchte Sie dort haben, aber ich werde den Einsatz leiten. Sie müssen bestätigen, dass alle Verdächtigen in Gewahrsam genommen wurden. Und Sie können die Suche auf dem Gelände koordinieren, sobald es geräumt ist. Ich rufe Beaufort an, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen, was wir vorhaben, aber diese Razzia steht komplett unter der Leitung der DEA.«
»Klingt gut.«
»Oh, und ich werde eine Fallakte brauchen, die übergeben werden kann. Bringen Sie eine ausgedruckte Kopie mit.«
»Natürlich.«
»Wir richten uns außer Sichtweite der Hütte am Piney Top Drive ein. Treffen Sie uns um 0500 dort.«
»Bis dann.«
Matt legte auf und sein ganzer Körper summte vor Aufregung. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Scheiße, das Ganze würde in etwas mehr als zwölf Stunden stattfinden. Sein erster Impuls war, Roman anzurufen und ihm Bescheid zu sagen, dass ihre Arbeit endlich Früchte trug. Doch er hatte ihm schon ein halbes Dutzend Nachrichten hinterlassen und Roman hatte sich nicht zurückgemeldet.
Langsam machte ihn das wahnsinnig. Er wollte mit Roman reden. Bestimmt war diese Sache mit seinem Dad nicht so schlimm, dass Roman und er jetzt einfach fertig miteinander waren, dass das das Ende ihrer gemeinsamen Geschichte war. Das konnte er nicht glauben. Aber mit jeder Stunde, die ohne ein Wort von Roman verging, fühlte Matt sich schlechter.
Verdammt, er musste sich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Er musste die Akte zusammenstellen und mit Beaufort reden. Er musste einen klaren Kopf bewahren und sein Privatleben hintanstellen. Das war das Erste, was man bei den Marines lernte, denn wenn man abgelenkt war, konnten Menschen zu Schaden kommen.
Matt schloss die Augen, atmete tief durch und gab sich die größte Mühe es beiseitezuschieben. Es gab eine Operation zu planen. Er stieg in sein Auto und machte sich schnell auf den Weg nach Mad Creek.
***
Colin wurde weit nach Mittag vom Dröhnen eines Baggers geweckt. Es dauerte ein paar Minuten, bis er kapierte, dass sich der Bulldozer nur in seinem Kopf befand. Verfluchter Tequila. Das war Teufelszeug.
Er rollte sich aus dem Bett und nahm eine kalte Dusche in der Hoffnung, seinem Kreislauf so auf die Sprünge zu helfen. Der Badezimmerspiegel zeigte, dass er beschissen aussah. Er hatte Ringe unter den Augen und zwei große dunkelrote Knutschflecken auf dem Hals. Der Anblick Letzterer brachte ihn allerdings zum Lächeln. Die Mädchen von gestern Abend waren heiß gewesen und seine Mannschaft hatte sich gefreut. Man musste den Jungs ab und zu erlauben, ein bisschen Dampf abzulassen, und sie hatten eine Menge zu feiern. Deputy Roman Arschgesicht war nicht noch mal aufgetaucht und die örtliche Polizei hatte sich seitdem nicht mehr um sie geschert. Colin hatte drei unterschiedliche Männer und eine Frau auf dem Revier ein und aus gehen sehen – er hatte es beobachtet, wann immer er in Daisy's Diner gesessen hatte. Aber sie hatten ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt und an ihrem Standort hatte er nie jemanden gesehen. Zum Teufel, sie waren so tief im Nirgendwo, dass er bezweifelte, dass Kojoten sie aufspüren könnten.
Wenn man hinzunahm, dass sie die Pflanzen in dieser Woche in die Erde gebracht hatten, war Colin zufrieden. Es lief alles gut. So gut tatsächlich, dass er überlegte zu expandieren und das Anbaugebiet zu erweitern. Die große Frage war, ob er den Wald um ihren derzeitigen Standort weiter roden oder eine zweite Farm aufbauen sollte. Selbst mit ihren Tarnplanen barg ein größeres Gelände das Risiko, auf Satellitenbildern entdeckt zu werden. Andererseits würden zwei Standorte mehr Arbeit bedeuten. Oh, die schwierigen Entscheidungen der Reichen und nicht besonders Berühmten.
Er ignorierte Jaycee, die Prostituierte mit den pinken Haaren, die auf der Couch pennte, und schnappte sich seine Schlüssel. Er würde in die Stadt fahren, sich ein schönes ausgedehntes Frühstück gönnen, mit Daisy flirten und seine Optionen abwägen. Rufie, Sam und Xerses waren heute auf der Farm, brauchten ihn dort aber nicht. Außerdem musste er noch ein Päckchen vom Postamt abholen.
»Hi, Colin!« Daisy brachte eine Speisekarte zu ihm an den Tisch. Sie versuchte zu lächeln, doch ihre Lippen zitterten.
»Hallo, Süße. Wie geht es dir heute?« Colin wurde nie müde, Daisy um den Finger zu wickeln. Er spielte hier auf lange Sicht.
»Gut.« Daisy nickte, doch ihr Kopf hüpfte zu hektisch auf und ab, als dass es natürlich gewesen wäre.
»Was ist los? Du wirkst nervös.«
»Ich? Nervös?« Daisy kicherte. »Hm-hm. Nee. Ich doch nicht. Also, möchtest du Mittag- oder Abendessen?«
Colin warf einen Blick auf sein Handydisplay. Es war fast 16 Uhr. Fuck. Er hatte den ganzen verdammten Tag verloren. »Hähnchensandwich und Fritten, Süße.«
»Na klar!« Sie eilte davon, ohne zu fragen, ob er noch etwas dazu haben wollte. Als sie zurückkam, stellte sie eine Cola auf den Tisch – das Übliche –, lächelte wieder nervös und verschwand wieder in der Küche.
Wie auch immer. Vielleicht hatte sie persönliche Probleme. Das war nicht Colins Problem. Er nippte an seiner Cola und beobachtete die Polizeiwache auf der anderen Straßenseite.
Rufies Aussage nach könnte jeder winzige Setzling, den sie gepflanzt hatten, zu einer Pflanze heranwachsen, von der sich knapp ein Kilo Gras gewinnen ließ. Wenn man von einem Straßenverkaufswert von 2500 bis 3500 Dollar pro halbem Kilo ausging – und Colin besaß die Verbindungen in L.A., um den höheren Preis bezahlt zu bekommen –, bedeutete das, dass er aus dem, was er schon angepflanzt hatte, 14 bis 20 Millionen Dollar machen konnte.
Was ein verdammt großer Haufen Geld war für einen Jungen aus Ohio, von dem Castingagenten nichts hatten wissen wollen. Fick dich, Tom Cruise. Aber worauf Colin wirklich seine Hoffnungen setzte, war die Legalisierung von Marihuana. Reich und respektabel zu sein – das war das ultimative Ziel. Er wollte in eine Position kommen, in der niemand ihm mehr etwas davon wegnehmen konnte. Mit dem Geld, das er in diesem Jahr verdienen würde, könnte er ein großes Grundstück kaufen, ein paar Beamten schmieren, um an eine Lizenz zu kommen, und vielleicht seine eigene riesige, protzige Hütte bauen. Dann, wenn der Gesetzgeber endlich den Hintern hochbekommen hatte, wäre er bereit, das Zeug in großem Stil anzubauen. Das wäre ein guter…
Aus dem Revier gegenüber trat ein Mann, den Colin schon mal gesehen hatte. Es war Sheriff Beaufort. Er trug eine zu enge Uniform und sah auf unerträgliche Weise gut aus, als käme er direkt aus einem Casting für die Rolle eines Arschloch-Cops. Aber das war okay. Der Sheriff konnte ruhig durch die Stadt fahren, mit seiner Sonnenbrille cool aussehen und mit den Einheimischen plaudern. Colin war es scheißegal, solange er ihm nicht in die Quere kam.
Neben dem Sheriff lief ein trottelig wirkender Deputy mit dem originellen Namen Charlie Smith. Der Kerl war spindeldürr und schien nur aus schlaksigen Gliedmaßen und einer großen Nase zu bestehen. Und dann war da noch der Typ von der DEA, Matt Barclay. Der machte Colin am meisten Sorgen. Aber der Wald da draußen war verdammt riesig und dank ihrer Tarnung wären sie aus der Luft schwer ausfindig zu machen, außer man wusste, wo man suchen musste.
Der Sheriff trat an die Fahrertür seines Wagens und blickte dann direkt zum Diner, direkt zu Colin, der in einer Nische am Fenster saß. Beaufort grinste ihn an, dann stieg er in seinen SUV und fuhr davon.
Colin runzelte die Stirn.
»Willst du noch eine Cola?«, fragte Daisy, als sie einen Teller vor ihm abstellte.
»Ja, danke, Süße.«
Daisy nahm sein Glas mit, während Colin über dieses Grinsen nachdachte. Er hatte den Sheriff nie persönlich kennengelernt und Beaufort wusste sicher nicht, wer er war. Colin sah sich im Diner um, konnte aber niemanden sonst entdecken, an den das Grinsen gerichtet gewesen sein könnte. Vielleicht hatte Daisy hinter ihm gestanden oder so.
Colin aß auf, legte ein paar Scheine auf den Tisch und brach auf, um noch aufs Postamt zu kommen, bevor sie um fünf zumachten.
Fred Beagle, der Typ, der das Postamt leitete, war damit beschäftigt, etwa 40 Millionen Pakete für eine ältere Dame zu wiegen. Okay, es waren nur vier, aber es war trotzdem nervig. Colin hielt sich im Hintergrund und betrachtete das Schwarze Brett.
Meine Güte. Kleinstädte. Es gab Aushänge für Kurse in Englisch, Lesen und Schreiben, Finanzgrundlagen, Fahrstunden und Körperpflege, die an verschiedenen Abenden unter der Woche stattfanden. Es gab Seelsorgetreffen und Kochkurse. Es gab eine Mitbewohnersuche und Jobausschreibungen. Alles strahlte eine seltsame Intimität aus, als würden sich in der Stadt alle untereinander kennen. Die meisten Aushänge waren handgeschrieben und verwiesen wurde auf Vornamen, wie zum Beispiel bei Lily zu Hause oder sprecht Gus an .
Colin schüttelte verwundert, aber auch amüsiert den Kopf. In diesem Moment erregte Fred Beagles durchdringende Stimme seine Aufmerksamkeit. Er hatte langatmig auf die Dame mit den Paketen eingeredet, seit Colin die Post betreten hatte, doch plötzlich ließen seine Worte Colins Alarmglocken schrillen.
»… gleich morgen früh. Vor Sonnenaufgang. Ist das nicht aufregend? Lance meinte, wir werden nicht gebraucht, aber Mensch, wie haben diese Typen seit Wochen beobachtet und ich würde so gern einen großen SWAT-Einsatz in echt miterleben! Du nicht auch? Hinter dieser Hütte am Piney Top erstreckt sich ein ganzer Wald und ich könnte mich dorthin schleichen, um es aus einem Versteck zwischen den Bäumen aus zu beobachten. Was meinst du? Ist das eine schlechte Idee? Sie würden nichts bemerken, besonders wenn wir unsere Fellanzüge tragen.«
»Ich weiß nicht, Fred«, sagte die Frau skeptisch. »Es könnte zu einer Schießerei kommen. Du willst doch nicht von einem Querschläger getroffen werden. Wenn Lance sagt, dass wir uns raushalten sollen…«
Kälte breitete sich in Colins Adern aus, die wie eine eiskalte Woge des Grauens von seinem Scheitel durch seinen gesamten Körper raste.
Er zog den Kopf ein und stahl sich klammheimlich aus dem Postamt. Lässig lief er zu seinem Auto, obwohl er eigentlich rennen wollte. Er umklammerte das Handy in seiner Tasche und wählte, als er auf die Main Street abbog.
»Rufie? Alle sollen ihre Ärsche zurück in die Hütte schwingen, und zwar jetzt . Wir haben ein Problem.«