8. Kapitel

Als Pia in den Besprechungsraum zurückkehrte, sah Alva Dohrmann ein bisschen gesünder und wohler aus als noch vor zwanzig Minuten. Die Wirkung von frischer Landluft war eben nicht zu unterschätzen. Sie nahmen wieder Platz, und Pia schaltete erneut das Aufnahmegerät ein. Sie fragte nach den Geschehnissen des Morgens.

Sie sei erst spät aufgewacht, berichtete Frau Dohrmann. Gegen halb neun. Sie erzählte, dass die Vermieterin sie in einem Brief gebeten hatte, täglich die Fische im Gartenteich zu füttern. »Ich war etwas sauer deswegen. Das war so nicht abgesprochen«, erklärte sie missmutig. »Aber ich konnte die Tiere ja schlecht verhungern lassen …«

»Haben Sie den Brief noch?«, hakte Pia nach.

»Ja, wieso? Er muss noch auf dem Küchentisch liegen.«

»Den brauchen wir«, sagte Pia zu Jansen.

»Okay …«, antwortete er gedehnt und notierte es sich.

Alva Dohrmann erzählte ihnen etwas langatmig, dass sie sich angezogen habe und gleich als Erstes zum Teich gegangen sei. Um es hinter sich zu bringen, wie sie hinzufügte. Sie hatte im Anschluss mit ihrem Wagen zum Bäcker fahren wollen, um sich Brötchen für ihr Frühstück zu besorgen.

»Beschreiben Sie bitte, wie Sie den Toten gefunden haben«, forderte Pia sie auf.

»Ich bin also so um kurz vor neun Uhr runter zum Teich gegangen. Das Fischfutter hatte ich aus der Küche mitgenommen. Ich habe die Fische gefüttert und sie ein bisschen beobachtet, und dann wollte ich wieder hinaufgehen. Es war matschig am Teichufer, deswegen dachte ich, ich gehe mal andersherum. Da habe ich einen Fußabdruck gesehen, der nicht von mir war. Zu groß, ein anderes Profil, und er war frisch. Ich würde schätzen, dass der Schuh mindestens Größe 45 hatte. Ich war mir sicher, dass der Abdruck am Abend zuvor nicht dort gewesen war. Das hat mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt.«

»Wieso?«, fragte Pia in neutralem Ton.

Alva Dohrmann riss die Augen auf. »Weil es beweist, dass ich mich nicht getäuscht habe. Gestern Nacht war wirklich jemand auf dem Grundstück! Vorher dachte ich, dass ich mir das alles nur eingebildet habe.«

»Ich verstehe. Und dann?«

»Mir fiel etwas Dunkles unter dem Gebüsch auf. Zuerst sah es aus wie ein Maulwurfshügel, aber dann wurde mir klar, dass es ein großer Schuh ist. Ein Männerschuh.«

»Was taten Sie?«

»Ich bin hingegangen. Und da habe ich ihn gesehen. Einen Toten mit einer großen Wunde am Kopf … Es war schrecklich!«

»Sind Sie näher herangetreten?«

»Nein! Ich glaube nicht. Mir wurde schwindelig. Ich ging in die Hocke, um nicht umzufallen.«

»Haben Sie sich übergeben?«

»Nein, ich denke nicht.«

Pias Blick wanderte zu den Sprenkeln auf der Jacke und den Hosenbeinen der Frau. Alva Dohrmann sah an sich hinunter und rieb an einem winzigen Fleck. »Die Spurensicherungsleute sagen, jemand habe sich neben der Leiche erbrochen«, erklärte Pia.

»Wirklich? Kann sein, dass mir doch schlecht geworden ist«, räumte Alva Dohrmann verunsichert ein. »Mir war schwindelig, und alles war wie verschwommen.«

Pia warf Holger Jansen einen raschen Blick zu. Es wurde gerade interessant, und sie wollte, dass er diese Aussage ebenso aufmerksam verfolgte wie sie. Zwei Leute bekamen mehr mit als einer. »Bitte überlegen Sie noch einmal, wie es genau war«, bat sie die Zeugin.

»Mir ist wohl doch schlecht geworden. Ich hatte schreckliche Angst. Da habe ich das mit den Augen des Mannes gesehen …«

»Was meinen Sie damit?«

»Da waren so große Blätter aus dem Teich drauf. Ich konnte seine Augen nicht sehen. Es war gruselig, zusammen mit der offenen Stelle an seinem Kopf. Das vergesse ich nie!«

Pia nickte. »Kannten Sie den Mann? Sind Sie ihm vorher vielleicht schon einmal begegnet?«

Alva Dohrmann riss die Augen auf. »Nein! Wieso sollte ich?«

»Es könnte doch sein.«

»Ich kenne im Ort niemanden. Ich bin im Urlaub hier.«

»Das erste Mal?«

»Nein.«

»Wann zuletzt?«

»Als Kind. So mit acht Jahren. Mit meinen Eltern …«

»Ich verstehe.«

»Sind wir jetzt fertig?« Alva Dohrmann rutschte mit dem Stuhl zurück, als wollte sie sich erheben, traute sich aber nicht.

»Für heute sind wir fertig«, bestätigte Pia. »Ich habe jedoch noch eine Bitte an Sie. Eigentlich zwei.«

Die Frau sah Hilfe suchend zu Pias Kollegen.

»Erstens möchte ich, dass Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt ein Foto von dem Toten anschauen, das wir Ihnen zeigen werden. Sie konnten ihn wegen der Blätter auf seinem Gesicht ja nur schlecht erkennen.«

»Wenn es unbedingt sein muss. Und zweitens?«

»Bleiben Sie bitte vor Ort. Wenigstens noch bis übermorgen. Sie haben ja Urlaub.«

»Ich kann das nicht … Nicht in diesem Haus!«

»Ich sagte nur: ›vor Ort‹.«

»Aber wo soll ich denn hin?«, fuhr die Frau Pia nervös an.

»Hier gibt es doch Hotels und Pensionen wie Sand am Meer. Sie dürfen sogar auf Staatskosten übernachten, wenn es nicht gerade eine Fünf-Sterne-Unterkunft sein muss.« Das Angebot bedeutete zwar, dass sie sich weit aus dem Fenster lehnte, aber es war notwendig.

Holger Jansen räusperte sich. Pia blickte ihn an. »Das könnte allerdings tatsächlich schwierig werden. Soweit ich informiert bin, ist an der Küste alles so gut wie ausgebucht. Bei dem tollen Wetter …«

Pia seufzte.

»Dann kann ich also nach Hause fahren?«, vergewisserte sich Alva Dohrmann erleichtert.

»Nein.«

»Sie können mich doch nicht hier festhalten!«

»Dann erzählen Sie mir, was wirklich unten am Teich passiert ist.«

»Ich habe Ihnen schon alles gesagt.«

»Nein, ich denke, da fehlt noch etwas.«

Frau Dohrmann schniefte. Ihr Gesicht sah nun allerdings eher wütend als traurig aus. Eine interessante Veränderung, fand Pia.

»Na gut. Ich bleibe noch ein paar Tage hier. Was soll’s? Dann bin ich wenigstens an der Ostsee. Ich finde schon irgendeine Unterkunft«, sagte sie im Märtyrerton.

»Ich kann Ihnen vielleicht helfen«, warf Holger Jansen ein. »Eine Bekannte von mir vermietet Fremdenzimmer in Stüvensee.«

»Das klingt doch gut«, bemerkte Pia. »Würdest du das bitte abklären? Und dann Frau Dohrmann dabei helfen, ihr Gepäck zu holen, und sie dann auch dorthin begleiten?«

Ein zufriedener Ausdruck huschte über Jansens Gesicht. »Aber immer doch, Frau Hauptkommissarin!«

Pia sah den beiden gedankenverloren nach. Sie fragte sich, ob es richtig gewesen war, Alva Dohrmann derart nachdrücklich zu raten, vor Ort zu bleiben. Die Frau schien keinerlei Verbindung zu dem Opfer oder sonst wem in Stüvensee zu haben.

Doch ein paar kleinere Details ihrer Aussage machten Pia misstrauisch: Warum hatte sie nicht gleich gesagt, dass sie sich am Tatort übergeben hatte? Hatte sie es tatsächlich vergessen? Und sie war ihren eigenen Angaben zufolge morgens um neun Uhr hinunter zum Teich gegangen. Sie hatte die Fische gefüttert und angeblich gleich darauf die Leiche entdeckt. Warum war ihr Anruf bei der Einsatzleitstelle erst um 9.34 Uhr erfolgt?

Eine Frau in einem weißen Kittel stand im Personalraum am Fenster und sah hinaus. Auf dem Tisch neben ihr lagen Schachteln mit Kanülen und Mullbinden. Eine der Schubladen in einem hellgrauen Unterschrank an der Rückseite des Raumes stand offen.

»Frau Peters?«

Sie drehte sich zu Broders um. Er schätzte sie auf knapp einen Meter siebzig, mollig, aber gut proportioniert. Ihr hellbraunes Haar war auf dem Oberkopf zu einem Knoten gebunden, der ihn an Witwe Bolte in Max und Moritz erinnerte. Doch im Gegensatz zu der Kinderbuchfigur war sie recht jung, etwa Mitte zwanzig. Ihre Haut leuchtete hell und durchscheinend wie Magermilch; ihre hellblauen Augen waren gerötet, als hätte sie gerade geweint.

»Ja, das bin ich. Sie sind bestimmt von der Polizei.« Das war leicht ersichtlich, denn Dana Bremer in ihrer Uniform schob sich hinter Broders in den kleinen Raum.

»Kriminalhauptkommissar Broders und meine Kollegin Polizeiobermeisterin Dana Bremer aus Stüvensee, die Sie sicher kennen. Sie wissen schon, weshalb wir hier sind?«

»Wegen meines Onkels. Er ist tot.«

»Hallo, Rosina«, sagte Dana Bremer mitfühlend. »Das mit deinem Onkel tut mir sehr leid.«

»Setzen Sie sich doch bitte, Frau Peters«, forderte Broders sie auf. »Zunächst einmal auch mein Beileid zum Tod Ihres … Onkels?«

Rosina Peters ließ sich gehorsam auf einen Stuhl sinken. »Ja. Burkhard ist mein einziger lebender Verwandter. Der Bruder meiner Mutter.«

»Wer hat Ihnen von seinem Tod erzählt?«

»Ein Patient aus Stüvensee. So etwas spricht sich hier schnell rum.« Rosina Peters legte den Kopf schräg. »Sagen Sie, hat er … gelitten?«

»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Dana Bremer etwas zu schnell.

»Dürfen wir Ihnen hier ein paar Fragen stellen, Frau Peters, oder möchten Sie das lieber etwas später auf der Polizeistation in Stüvensee erledigen?«, erkundigte sich Broders.

»Das ist selbstverständlich eine reine Formsache«, ergänzte Dana Bremer.

Broders warf ihr einen kritischen Blick zu. Weshalb sich so weit aus dem Fenster lehnen mit Versprechungen, die sich womöglich nicht bewahrheiteten? In diesem Stadium einer Ermittlung war nichts sicher. Und das sollten Polizisten immer im Hinterkopf behalten.

»Ich weiß nicht recht.« Rosina Peters blickte Hilfe suchend zur Tür.

»Ich fange einfach mal an zu fragen, und wenn es Ihnen zu viel wird, können wir jederzeit unterbrechen«, schlug Broders vor.

Sie nickte mit Blick auf ihre Hände, die schlaff auf dem Tisch lagen. Kinderhände, weich, mit kurzen Fingern und Grübchen auf den Handrücken. Keine Ringe.

Broders ließ sich ihren vollständigen Namen, das Geburtsdatum und ihre Adresse nennen.

Sie leierte das Gewünschte herunter. »Ich wohne bei meinem Onkel. Er hat ein recht großes Haus in Stüvensee. Also, aber ich weiß nicht … Wohnte, muss ich jetzt wohl sagen.« Sie schluchzte auf.

»Ganz ruhig, Rosina«, ließ Dana Bremer sich vernehmen. »Wir haben Zeit.«

»Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Onkel?«, hakte Broders nach.

»Normal. Im Grunde war er immer gut zu mir. Seit dem Tod meiner Mutter habe ich ja nur noch ihn.«

Eine interessante Formulierung. Broders beließ es erst mal dabei. »Wann haben Sie Ihren Onkel zuletzt gesehen?«

Sie krauste die Stirn. »Gestern Morgen, als ich zur Arbeit gefahren bin. Er stieg gerade in sein Auto, und ich habe mein Fahrrad aus dem Schuppen geholt.«

»Haben Sie da miteinander gesprochen? Wissen Sie, was seine Pläne für den Tag waren?«

»Nein.« Als niemand etwas dazu sagte, ergänzte sie widerstrebend: »Wir wünschten uns nur einen guten Morgen, und das war’s. Ich war spät dran. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich ihn …«, sie schluchzte erneut auf, »… niemals wiedersehen würde.«

»Nein, das konntest du wirklich nicht.« Dana Bremers Worte brachten die Tränen zum Fließen. Broders reichte der Arzthelferin ein Paket Papiertaschentücher. »Sagen Sie, hatte Ihr Onkel Feinde?«

Sie öffnete mit zittrigen Fingern die Plastikverpackung. »Nein, das glaube ich nicht.«

»Hatte Herr Schönfeld Streit mit jemandem? Hegte jemand irgendeinen Groll gegen ihn?«, ergänzte er die Frage.

»Nicht, dass ich wüsste.« Rosina putzte sich kräftig die Nase.

»Immerhin war er der Bürgermeister, nicht wahr? Da kann es schon mal Konflikte geben.«

»Davon weiß ich doch nichts. Politik interessiert mich nicht«, kam es von Rosina Peters. Es klang beinahe trotzig.

»Wo waren Sie zwischen sieben Uhr gestern Abend und sieben Uhr heute Morgen, Frau Peters?« Er fasste den Zeitraum absichtlich weit. Broders vermutete, dass Rosina die Antwort nicht allzu schwerfallen dürfte.

Doch wider Erwarten kam eine Gegenfrage: »Warum ist das wichtig? Muss ich dazu schon etwas sagen?«

Broders richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Möchten Sie lieber einen Anwalt kontaktieren?«, fragte er gespannt.

»Dana?«, wandte die Arzthelferin sich Hilfe suchend an Broders’ Kollegin.

»Wir wollen doch nur herausfinden, was passiert ist.« Dana Bremer lächelte beruhigend.

»Es ist aber anders, als es sich anhört«, erklärte Rosina.

»Wir werden das berücksichtigen.« Broders sah ihr in die weit aufgerissenen Augen. »Also: Wo waren Sie?«

»Er heißt Fabian. Fabian Ruschke. Er wohnt auch in Stüvensee. Er züchtet Hunde, wissen Sie? Kooikerhondjes.«

»Sie waren gestern bei Herrn Ruschke?«, vergewisserte sich Broders.

»Ich hatte ihn nach der Arbeit zufällig getroffen, und er hat mir erzählt, dass es bei einer seiner Hündinnen jetzt jeden Augenblick so weit sei, dass sie wirft. Zum ersten Mal! Yara ist mein Liebling. Ich habe ihn gefragt, ob ich dabei sein darf. Und er hatte nichts dagegen. Das war alles.«

»Um wie viel Uhr waren Sie bei ihm?«

»Ich kam so gegen acht, würde ich sagen. Ich musste vorher noch ein paar Dinge bei mir in der Wohnung erledigen. Auf dem Weg dorthin habe ich übrigens noch Herrn Bruhns getroffen«, ergänzte sie eifrig. »Das ist der Mann meiner Chefin. Der kann das wahrscheinlich bestätigen.«

Interessant, dass sie das anführte. »Wie lange waren Sie bei Herrn Ruschke?«

»Es hat etwas gedauert, bis Yara endlich geworfen hat. Eine Weile sah es sogar so aus, als würde das in der Nacht nichts mehr werden mit dem gesamten Wurf. Aber gegen eins hatte sie dann fünf süße kleine Welpen geboren.« Rosina Peters’ Blick wurde weich.

»Um wie viel Uhr sind Sie nach Hause gefahren?«

Sie errötete. »So gegen zwei. Wir haben hinterher noch auf die Geburt der Kleinen angestoßen. Ich hatte den Wein dafür mitgebracht.«

»Sie waren den ganzen Abend dort? Oder sind Sie zwischendurch vielleicht einmal weggegangen?«

»Nein. Ich habe mich nicht von der Stelle gerührt. Ich wollte die Geburt auf keinen Fall verpassen. Und Fabian würde sowieso keine seiner Hündinnen in so einer Situation allein lassen.«

»Vielen Dank, Frau Peters. Das hilft uns weiter.« Wie es aussah, hatte sie ein Alibi. Es sei denn, der Rechtsmediziner hielt einen deutlich späteren Todeszeitpunkt als Mitternacht für möglich. Rosina Peters’ Lebensumstände beschäftigten Broders trotzdem. »Warum wohnen Sie eigentlich bei Ihrem Onkel?«, fragte er, während er schon so tat, als räumte er seine Sachen zusammen. »Hat das einen besonderen Grund?«

»Er hat einfach so viel Platz in seinem Haus«, antwortete die junge Frau. »Da falle ich nicht ins Gewicht.« Sie lachte verunsichert auf.

»Und Sie haben keine weiteren Verwandten, Sie beide?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Also sind Sie auch die Erbin?«

Die Arzthelferin fasste sich in Brusthöhe an den Kittel. »Mein Herz klopft so schnell«, wisperte sie. »Mir geht’s irgendwie nicht so gut.«

»Okay. Das ist nur die Anspannung. Atmen Sie ruhig ein und aus.« Broders erhob sich, um eingreifen zu können, falls die Frau ihnen vom Stuhl fiel.

Dana Bremer sprang auf und lief hinaus. Kurz darauf stürmte eine Frau von Anfang, Mitte vierzig, ebenfalls mit einem wehenden weißen Kittel bekleidet, herein. Sie beugte sich zu Rosina runter und maß mit zusammengezogenen Augenbrauen deren Puls. Dann fühlte sie ihre Stirn, hob ihr Kinn und sah ihr prüfend ins Gesicht. Anschließend legte sie ihr eine Blutdruckmanschette an. »Hundertzehn zu neunzig«, sagte sie schließlich.

»Dann ist ja alles in Ordnung. Es geht auch schon wieder«, meinte die Arzthelferin verlegen. »Danke, Vicky!«

Die Ärztin richtete sich auf und stemmte die Hände in die Taille. »Ich würde sagen, die Befragung ist hiermit beendet.« Sie musterte Broders mit zusammengepressten Lippen, eine steile Falte zwischen den Brauen. Das Missfallen stand ihr ins Gesicht geschrieben.

»Wir wollten Frau Peters nicht aufregen«, erwiderte Broders nüchtern. »Aber in Anbetracht ihrer Verfassung ist es wohl besser, die Vernehmung zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.« Er sah an Frau Dr. Bruhns vorbei auf Rosina Peters, um ihr zu verdeutlichen, dass das Thema damit nicht erledigt war. Einerseits hatte ihr Anfall echt gewirkt, andererseits war er zu einem merkwürdigen Zeitpunkt erfolgt.

»Ich begreife wirklich nicht, wie man eine Angehörige nach einer plötzlichen Todesnachricht derart drangsalieren kann!« Dann wandte sich Viktoria Bruhns an ihre Mitarbeiterin: »Fühlst du dich wirklich besser, Rosina? Willst du nicht lieber für heute Schluss machen und nach Hause gehen?«

»Wir könnten dich dorthin mitnehmen«, schlug Dana Bremer vor. »Wir kommen ja in Stüvensee an deinem Haus vorbei.«

»Nein, ich will nicht nach Hause«, antwortete Rosina Peters. »Ich bin lieber hier und arbeite.«