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Mortlake, westlich von London,
zweite Novemberwoche 1577

Vier Nächte später überrascht John Dee sich selbst, denn er träumt weder von Kometen noch von Schüssen aus Feuerwaffen oder von Mitteilungen des Erzengels Michael, sondern von Flüssen, Ufern, Rinnsalen, Wehren und Schleusen. Auch Dämme und Wassermühlen tauchen auf. Beim Aufwachen wundert er sich über all diese Visionen und wünscht sich, er würde mehr von jenen goldenen Momenten im Kabinettszimmer des Whitehall Palace träumen, als er endlich mit dem Erzengel in Verbindung stand. Doch ihm ist klar, dass es keinen Zweck hat, mit seinem Unterbewusstsein zu debattieren. Darum trägt er diese Visionen in sein Traumtagebuch ein und interpretiert sie als Hinweis darauf, dass seine Gaben und Talente von ihrer wahren Bestimmung ferngehalten werden und eine fremde Macht seine Fähigkeiten für ihre eigenen Zwecke benutzt.

Doch wer oder was ist diese Macht? Und was bezweckt sie?

Dies zu erraten ist im Grunde nicht schwer: Sir William Cecil, Francis Walsingham, Sir Christopher Hatton … sie alle bemühen sich zu verhindern, dass er die Königin – seine Bess – trifft.

Seit dem Auftauchen des Kometen und dieser Mitteilung des Erzengels Michael ist eine Begegnung mit ihr allerdings nur umso dringlicher geworden. All seine Erkenntnisse, all die Jahre, in denen er über die wirre Esoterik der Steganographia von Johannes Trithemius nachgrübelte, sich durch das dreifache Dickicht der De Occulta Philosophia von Agrippa von Nettersheim schlug und auch über Paracelsus’ schier unzugänglicher Astronomia Magna brütete, haben ihn gelehrt, dass solche Zeichen kein bloßer Zufall sind. Sie haben eine Bedeutung. Sie weisen auf etwas hin.

Und das kann nur eines sein: der Beginn eines letzten großen Zeitalters, in dem die Welt endlich unter einer mächtigen Herrscherin vereint sein wird – Königin Elizabeth von England. Um das zum Wohl der ganzen Menschheit zu erreichen, muss sie damit beginnen, ihr verlorenes Reich, Artus’ verlorenes Reich, zurückzuerobern. Anfangen muss sie mit den Niederlanden, genauer gesagt mit den Provinzen Holland und Zeeland, und natürlich auch mit der Picardie in Nordfrankreich. Außerdem muss sie die Welt auf ihre Ahnenreihe hinweisen, die belegt, dass sie die rechtmäßige Erbin der Throne von Kastilien, Aragón und Jerusalem ist. Und diese Titel machen sie zur legitimen Herrscherin der gesamten übrigen Welt. Die letzte Herrscherin, die über die ganze Welt regiert. Die letzte Herrscherin, die über das letzte Imperium gebietet. Über das Britische Weltreich.

Natürlich hat Dee Elizabeth schon einmal davon erzählt, mehrmals sogar, doch ihre Antwort hing jedes Mal davon ab, welchem Höfling sie gerade ihr Ohr schenkte. Wenn es Cecil, Dudley oder Walsingham war, hat sie sich enthusiastischer gezeigt, war es dagegen der Neue, dieser Sir Christopher Hatton, musste Dee sich ihren Hohn gefallen lassen und ist wütend geworden.

Aber nichts von alldem ist jetzt noch wichtig. Der Große Komet und die Tatsache, dass der Erzengel zu ihm gesprochen hat, wenn auch nur kurz, können nur eines bedeuten: Die letzte Stunde hat geschlagen. Elizabeth kann nicht länger warten.

Er muss sofort zu ihr. Er muss es ihr sagen.

Er schlägt sein Traumtagebuch zu und hält noch einen Moment lang inne, um durch die offene Tür hinüber in die Werkstatt zu spähen, wo sein alchemistischer Assistent, Roger Cooke, einen winzigen Zinnoberkristall auf einen Spatel schiebt und über das letzte Glasfläschchen hält, das aus Dees Zeit in Löwen stammt. Es ist sein Lieblingsstück und zugleich sein einziger Pelikan. Den Namen hat es bekommen, weil es an die Gestalt dieses Vogels erinnert, wenn er mit gesenktem Schnabel im Wasser steht und sich anschickt, sich in die Brust zu stechen, um dann das eigene Blut aufzusaugen und an seine Küken zu verfüttern.

Dees »Pelikan« befindet sich über einem Schmelztiegel, in dem ein mit Lammfett getränktes Stück Holzkohle brennt. Die Flamme ist gelb und raucht, aber sie brennt stetig. Unterdessen blubbert der Inhalt des Fläschchens vor sich hin. Dee hat den Stöpsel abgenommen, sodass Dampf entweichen kann. Der Zinnober oder die Messerspitze müssen stetes feucht sein, damit das sorgfältig abgemessene Metall nicht herunterrutschen und verloren gehen kann.

Sei vorsichtig, flüstert Dee leise vor sich hin. Komm bloß nicht mit dem Glas an den Tiegel, sonst

Doch schon geschieht seinem Assistenten just dieses Missgeschick, und an der Wand des Pelikans entsteht, begleitet von einem winzigen, hohen Ping, ein feiner Riss.

Cooke blickt auf, und ihre Blicke begegnen sich. Der Assistent legt den Spatel ab, geht zur Tür und schlägt sie dem im Nachbarraum stehenden Dee praktisch ins Gesicht.

Gut. So bleibt es ihm wenigstens erspart zu sehen, wie das Fläschchen ausgeleert und gleich all den anderen Gläsern, die Cooke im Laufe der Jahre zerschlagen hat, weggeworfen wird.

Ihm fällt wieder ein, was Dudley seinerzeit über den Holländer Cornelius de Lannoy gesagt hat, dem die Königin so viel Geld gegeben hatte. Wenn Dee sich richtig erinnert, hatte de Lannoy edelste Waren von den besten niederländischen Glasmachern, allesamt herrlich klar geblasen, sodass man die sich darin abspielenden alchemistischen Vorgänge auf das Genaueste beobachten konnte. Sie waren allem, was die Engländer bisher fertiggebracht haben, turmhoch überlegen. Er selbst ist wiederholt unter gewaltigem Zeit- und Geldaufwand in die Niederlande gereist, um sich dort mit Nachschub einzudecken.

Kann es am Ende sein, dass Teile seiner Sammlung noch im Somerset House oder im Tower herumstehen? Freilich dürften solche Dinge dort keine lange Lebensdauer haben. Wie auch immer, er wird sich bei der Königin danach erkundigen.

Er sucht gerade nach seinem Mantel, als seine Mutter mit sechs in einem heißen Tontopf gegarten Eiern hereinkommt.

»Du musst frühstücken«, verkündet sie.

Er lächelt sie an und setzt sich gehorsam an den Tisch. Aufmerksam von ihr beobachtet, taucht er den Löffel in das erste Ei. Der Dotter ist von einem kräftigen Gelb.

Sie blinzelt mit kurzsichtigen Augen in seine Richtung.

»Ich wusste doch, dass du bald Gold findest, John«, sagt sie mit einem fast zahnlosen Lächeln.

Ob sie scherzt oder es ernst meint, ist nicht klar. So wie die Zeit ihr die Zähne geraubt hat, hat sie auch ihrem Verstand übel mitgespielt, und oft ergibt ihr Gebrabbel keinen Sinn.

»Diesmal nicht, Mutter«, gibt John zu. »Vielleicht beim nächsten Versuch.«

»Das ist die richtige Einstellung. Du gibst nie auf. Wie dein Vater.«

Doch im Moment hat er alles nur noch satt. Vor allem diesen schrecklichen Geldmangel. Das Leben wäre wirklich um so viel leichter, wenn er nur einen kleinen Goldbarren herbeizaubern könnte. Dann könnte er sich vielleicht sogar einen Wahrsagekristall leisten, wie dieser fette Betrüger Nostradamus einen besaß. Vor Kurzem hat er einen gesehen, der genau das Richtige für ihn wäre. Bei einem Goldschmied in Cheapside war das – ein wahres Prachtexemplar, wie es ihm noch nie unter die Augen gekommen ist. Allerdings kostet das Stück acht Pfund, und wie soll er acht Pfund auftreiben?

»Neulich waren diese Männer wieder da«, erzählt ihm seine Mutter. »Die mit dem Hund, weißt du noch?«

John glaubt sich zu erinnern. Bob und Bill. Bill und Bob. Die Schuldeneintreiber.

»Haben sie gesagt, was sie wollten?«

»Sie wollten Geld für Bücher einsammeln.« Erneut schenkt sie ihm dieses Lächeln. Ihr Gaumen ist so pinkfarben wie der eines Säuglings und ihr Lächeln bezaubernd. John fragt sich, was »Geld für Bücher einsammeln« ihrer Meinung nach bedeutet.

»Wollten sie Geld für einen Buchhändler einsammeln?«

Sie nickt und lächelt ihn an. »Wie ich es gesagt habe, mein Lieber.«

»Und haben sie dir auch mitgeteilt, wann sie zurückkommen?«

»Heute Morgen, haben sie gesagt.«

Tatsächlich ist just in diesem Augenblick ein Hämmern an der Haustür zu vernehmen.

»Das werden sie sein.«

Dee legt ihr die Hand auf den Arm.

»Lass mich gehen«, flüstert er.

Er nimmt an, dass nur einer von ihnen an der Tür stehen wird, während der andere, derjenige mit dem Hund, in den Garten gelaufen sein dürfte, um Dee den Weg zum Fluss zu versperren. Es wird etwas unangenehm sein, aber wenn er schnell ist … Schon jagt er die Treppe hinauf zurück in seine Schlafkammer und stemmt sich durch das Mansardenfenster. Irgendwie hat er das Gefühl, genauso flink zu sein wie der Affe, den Bess einst hatte.

Dann landet er schwankend auf dem Dach und klettert sogleich noch höher hinauf. Unter seinen Füßen liegt jetzt das Labor, über dem er zum Schutz vor Bränden Ziegel angebracht hat. Einen Moment später packen seine Hände den First. Seine Zähne klappern, und Tauben flattern auf, doch er lässt nicht los.

Im nächsten Augenblick krabbelt er ganz zum First hinauf. Oben schwingt er ein Bein auf die andere Seite und robbt sitzend weiter. Von hier aus führt das Dach in Richtung der Mauer, die sein Grundstück von Thomas Digges’ Kräutergarten trennt.

»Seid Ihr das da oben, Dr. Dee?«

Die Stimme gehört Roger Cooke, der gerade vom Plumpsklo zurückkehrt.

Dee hält sich den Zeigefinger an die Lippen. Cooke mag zwar etwas begriffsstutzig sein, ist aber nicht völlig blöde. Außerdem weiß er aus bitterer Erfahrung – wenn seine Entlohnung ausblieb – von den etwas unregelmäßigen Einkünften seines Dienstherrn.

Unten donnern gerade wieder Bills oder Bobs Fäuste gegen die Tür.

»Wir wissen, dass Ihr da drin seid, Dee!«

»Er ist nicht da!«, ruft jetzt Cooke. »Er ist in Wales!«

»Ganz richtig!«, bestätigt seine Mutter. »Ich habe ihm gerade sein Frühstück gebracht. Sechs Eier. Und bis auf eines hat er alle gegessen!«

»Seid Ihr das, Mrs. Dee?«, fragt Bill oder Bob. »Möchtet Ihr uns vielleicht ins Haus lassen, damit wir diese Eier sehen können?«

Dee bleibt nicht mehr viel Zeit. Eilig rafft er seinen Umhang bis zur Hüfte und fragt sich einmal mehr, warum er ihn überhaupt trägt, wo doch ein Wams und eine Kniebundhose so viel praktischer wären. Dann richtet er sich ganz oben auf dem Dachfirst auf und blickt sich kurz um. Es ist einer jener trügerischen Herbsttage mit viel Sonnenschein und milder Luft, die einem vorgaukeln, der Winter könnte erträglich werden. Von seiner Warte aus kann Dee den größten Teil von Mortlake sehen: die sich um den Turm der St.-Mary’s-Kirche scharenden Hausdächer und den von Wehren und Reusen gesäumten Fluss. Eine Sekunde lang überlegt er, ob es diese Aussicht war, auf die ihn sein Traum hinweisen wollte.

Zu spät bemerkt er, dass er nun seinerseits ins Blickfeld von Bill oder Bob geraten ist. Jedenfalls fängt unten ein Mann an zu rufen und zu gestikulieren, und der verdammte Hund bellt wie wild, begierig darauf, endlich wieder Dees Handgelenk zwischen die Fänge zu bekommen – beim letzten Mal mussten sie aufgestemmt werden. Zum Glück trägt Dee seine weichen Schuhe, die ihm auf der Dachschräge einen gewissen Halt geben und es ihm sogar ermöglichen, einen kurzen Anlauf zu nehmen. Vom tiefsten Punkt des Dachs aus sind es aber immer noch zwei Mannshöhen bis zum Boden hinunter. Doch weiter vorne steht eine Esche, auf deren Ast Digges als Kind immer hinüber zu Dees Garten geklettert ist, wenn er ihm bei der Arbeit zuschauen wollte.

Dee springt. Kurz fliegt er durch die Luft, scheinbar schwerelos.

Wie ein Engel, denkt er, allerdings einer, der in schwarze Wolle gehüllt ist.

Er schwebt über die Steinmauer hinweg, dann wird der Flug zum Sturz. Seine Handflächen rutschen über den rauen Ast der Esche, doch zum Glück gelingt es ihm gerade noch, sich daran festzukrallen. Es gibt einen gewaltigen Ruck, der ihm beinah die Schultern auskugelt. Der Ast zittert und biegt sich immer tiefer durch. Dee sinkt noch etwa sechs Fuß, bis das Holz bricht und er – mehr oder weniger anmutig – in einem Beet Winterzwiebeln landet.

»Ach, Dr. Dee! John!«, ruft Thomas Digges, der einen Spaten in den Händen hält und gerade damit beschäftigt ist, ein Beet anzulegen.

Dee rappelt sich auf.

»Gott möge dir einen schönen Tag schenken, Thomas«, erwidert er in einem Tonfall, als wäre nichts geschehen. »Hast du es schon gehört? Die Königin ist gerettet! Die Attentäter haben auf die falsche Kutsche geschossen!«

Digges antwortet mit einem breiten Grinsen. Er hat es schon erfahren. Sein hübsches Gesicht erstrahlt im warmen Licht der Spätherbstsonne. Doch hinter Dees Schultern, auf der anderen Seite der Mauer, ertönt ein Geräusch, das sich anhört, als würden die Hühner auseinanderstieben.

»Dee?«, weht eine Stimme zu ihnen herüber. »Ihr könnt nicht ewig davonlaufen. Wir holen uns heute die Proben, es sei denn, Ihr erstattet Master Inglestone in der Gutherons Lane die ausstehenden zwei Pfund, sechs Schilling und acht Pence.«

»Der Buchhändler?«, fragt Digges.

»Ein Missverständnis«, erklärt Dee mit einer wegwerfenden Geste.

»Schon wieder?«

»Schon wieder.«

»Und welche Proben?«, bohrt Digges nach.

»Hoffentlich die von Frobisher«, antwortet Dee.

Vielleicht haben die zwei ja mehr Glück bei der Goldsuche als er.

»Kann ich dir heute auf irgendeine Weise behilflich sein, John?«, fragt Digges.

»Ein Mantel wäre gewiss von Nutzen, Thomas, wenn du denn einen hast. Und vielleicht ein bisschen Kleingeld?«

Thomas Digges leiht Dee einen Mantel und ein paar Pennys, und nach einer kurzen Diskussion über die Bedeutung des Großen Kometen, die ohne Ergebnis bleibt, verlässt Dee das Anwesen seines Freundes durch das Seitentor, hinter dem ein bei Kuhhirten und deren Schützlingen sehr beliebter rutschiger Pfad zur Themse hinunterführt.

»Wohin gehst du jetzt?«, will Digges zum Abschluss noch wissen.

»Zur Königin.«

»In dieser Aufmachung?«

»Sie hat mich schon in schlechteren Kleidern gesehen.«

Digges weiß, dass Dee und die Königin eine gewisse Zeit gemeinsam im Tower verbracht haben. Vielleicht will er dennoch die eine oder andere Frage dazu stellen, doch er kommt nicht mehr dazu, da in diesem Augenblick am Fluss unten eine Jolle herantreibt und auf das Ufer zuhält, um Dee aufzulesen. Dieser zieht sich rasch die Schuhe aus, damit sie nicht nass werden, und klettert in das Boot. Darin sitzt kein anderer als Jiggins, der darauf brennt, Einzelheiten über den Anschlag auf die Königin zu erfahren und über den Großen Kometen zu diskutieren, der seiner Meinung nach das Ende der Welt ankündigt.

Dee widerspricht ihm.

»Aber denkt doch nur an diesen Jungen in Lincoln«, entgegnet Jiggins. »Das Baby, das mit dem Gesicht einer Ente geboren wurde.«

»Warum ist es immer eine Ente?«, will Dee wissen.

Der Bursche gibt verärgert auf. Wie er das sieht, kann man mit Dr. John Dee kein vernünftiges Gespräch führen. So verläuft der Rest der Fahrt bis auf das Knarren der Ruder in den Dollen und das Klatschen des stinkenden Flusswassers gegen das kleine Boot in völliger Stille.

Auf der Themse herrscht an diesem Morgen reger Verkehr, doch Dee nimmt jedes Boot, das unterwegs ist, genau unter die Lupe – auch diejenigen, die vor Hammersmith und dem alten Bischofspalast in Fulham liegen, um Passagiere an Bord zu nehmen. Als sie um die Kurve fahren und sich nordostwärts halten, wird der Fluss breiter, und prompt sticht Dee eine kleine königliche Barge ins Auge, die gegen die Strömung direkt auf sie zuhält.

Doch nicht etwa die Königin selbst, oder?

Nein. Nur ein Mitglied ihres Hofstaats, das in offizieller Mission unterwegs ist und von einem halben Dutzend behelmten Hellebardisten begleitet wird. Dee beobachtet sie im Vorbeifahren.

Bob und Bill kommen ihm in den Sinn, die jetzt wohl gerade Frobishers Proben fortschaffen. Was, wenn sie tatsächlich Gold entdecken? Er wünscht ihnen viel Glück.

Die Wachmänner am alten Watergate mustern ihn skeptisch.

»Ihr seid nie und nimmer Dr. Dee«, sagen sie. Und: »Was, der Dr. Dee?« Und schließlich: »Na gut, dann zeigt uns eine Kostprobe von Eurer Magie.«

Derjenige, der um eine Kostprobe bittet, ist der jüngste und närrischste der Männer, und die anderen entfernen sich vorsichtshalber ein wenig. Dee möchte gerne glauben, dass sein Ruf als Magier auf seine Tage in Cambridge zurückgeht, als es ihm gelang, den Eindruck zu erwecken, er könne einen mannsgroßen, goldbemalten Käfer fliegen lassen. Doch natürlich weiß er auch, dass über ihn gemunkelt wurde, er könne Dämonen heraufbeschwören und sei der beste Freund von Höllenhunden. Seine Rivalen, wie zum Beispiel dieser holländische Betrüger Lannoy, verweisen mit Vorliebe auf seine Verhaftung 1555 und auf den Umstand, dass im Jahr darauf einer der Söhne seines Anklägers erblindete und der andere starb.

Die Nachricht von seiner Ankunft verbreitet sich von unten nach oben in der Hierarchie, vom Wachhäuschen zu immer prächtiger werdenden Räumen. Schließlich erreicht ihn aus einem weit entfernten Privatgemach die Kunde, dass die Königin ihn in ihrer Bibliothek empfangen wird – ein Ort, den er gut kennt, aber nicht mag, weil es dort nur eine Tür gibt. Da man ihm nicht zutraut, dass er allein dorthin findet, führen ihn vier streng dreinblickende Soldaten zu einem Raum, in dem er von einem äußerst elegant gekleideten Diener in Empfang genommen wird, der bestürzt auf Dees schlecht sitzenden Mantel und die mit Schlamm bespritzten Schuhe starrt.

»In Mortlake tragen wir solche Sachen«, erklärt Dee dem Mann ungerührt.

»Aber … Ihre Majestät …«

»Hat ihn schon in schlimmerem Zustand gesehen. Komm rein, John.«

In Kleidern aus heller Seide steht sie in der Mitte des düsteren Raumes, in dessen Nischen sich links und rechts mit Büchern beladene Regale bis zur Decke türmen. Flankiert wird sie von zwei Dee nicht bekannten Hofdamen. Sie wirken, als wären sie allzeit bereit, die Königin aufzufangen, und tatsächlich sieht sie nicht so aus, als hätte sie sich bereits von den Strapazen auf der Straße erholt. Oder aber vielleicht leidet sie an einer langwierigen Krankheit. Wie auch immer, Dee vollführt seine tiefe Verbeugung, und sie streckt ihm ihre behandschuhte Hand zum Kuss entgegen.

»Bitte, John, können wir …?«

Sie deutet auf einen Tisch und eine Bank in einer der Nischen, in der – halb verborgen und mit dem Rücken zum Fenster – ausgerechnet Sir Christopher Hatton steht, edel herausstaffiert mit blutrotem Samt und einer leuchtend gelben Halskrause. Sein Bart glänzt von Öl.

»Hatton«, ächzt Dee.

»Für Euch immer noch Sir Christopher, Dr. Dee.«

»Oh, ja, ja.«

Mit einer wegwerfenden Handbewegung dreht Dee sich wieder zur Königin um, die sich in einem gewissen Abstand niedergelassen hat, als wollte sie auf einen inneren Widerstand hinweisen. Heute wirkt sie besonders zerbrechlich, fast durchsichtig, wie feinstes chinesisches Porzellan, wenn es gegen die Sonne gehalten wird.

»Bess …«

»John.« In ihren Augen blitzt Stahl auf. »Bitte nenn mich nicht so.«

»Es tut mir leid, Eure Majestät. Bitte vergebt mir.« Er verbeugt sich erneut. Aus den Augenwinkeln sieht er, dass Hatton sich anschickt, etwas zu sagen, doch Dee kommt ihm zuvor. »Aber ich habe einen Vorschlag, Eure Majestät. Einen Plan. Einen Plan, um den Anschlägen auf Euer Leben ein für alle Mal ein Ende zu berei…«

»Ihre Majestät ist für Euer Geschwätz von einem Weltuntergang nicht zu haben«, fällt Hatton ihm ins Wort.

Dee ignoriert ihn, die Königin ebenso.

»Sprich weiter«, ermuntert sie Dee.

»Die Wahrheit, Eure Majestät …«, fährt Dee fort. »Die Wahrheit ist doch, dass in der ganzen christlichen Welt Millionen von rechtschaffenen Männern und Frauen sich damit begnügen, ihre Schafe zu hüten, ihre Kinder aufzuziehen und ihrem Liebchen bei Sonnenuntergang ein Lied vorzusingen. Doch unter den vielen Tugendhaften gibt es überall auch einige wenige Böse – ob in London, Madrid, Rom, Paris oder Prag –, die sich nicht damit zufriedengeben, ihre Tage in von Gott geschenkter Harmonie zu verbringen, sondern in einem fort neue Intrigen schmieden, um sich zu bereichern und sich noch mehr Macht, Ansehen und Besitztümer zu verschaffen, ohne auf die Kosten zu achten, die das für die Ehrenhaften in Hinsicht auf Gesundheit, Wohlstand und persönliches Glück bedeutet.«

»Pff!«, schnaubt Hatton. »Eine hübsche Ansprache. Und doch nichts als leeres Geschwätz.«

Aber da die Königin sich nicht von ihm abwendet, fährt Dee, trotz aller Verunsicherung, fort.

»Die bösen Kräfte schrecken vor nichts zurück, wenn es darum geht, ihre Ziele zu erreichen, egal wie tief sie dabei sinken. Ihr Lieblingstrick besteht darin, dem Tugendhaften vorzugaukeln, sein Nachbar sei sein ärgster Feind und wolle ihm Böses. Um die Guten zu verwirren, peitschen sie sie mit Hetztiraden auf, entfesseln Angst und rasenden Hass. Sie spalten, um zu herrschen. Sie stellen Heere auf, entsenden Flotten und beschwören die Inquisition herauf.«

»So war es schon immer, John«, murmelt die Königin. »Oder?«

»Aber das heißt nicht, dass es für immer so sein sollte.«

Die Königin und Hatton wechseln einen Blick. Sie wissen, dass Dee von Männern – und Frauen – wie ihnen beiden spricht.

»Was schlägst du also vor?«, fragt die Königin.

»Dass wir nicht gegen Spanien kämpfen. Dass wir nicht gegen das Kaiserreich kämpfen. Dass wir nicht einmal gegen Katholiken kämpfen. Sondern dass wir vielmehr in unserem täglichen Tun ihrem König, ihrem Herrscher, ihrem Papst zuwiderhandeln.«

»Ich bin nicht bereit, den Tod von Prinzen zu befehlen, John. Das weißt du genau.«

Das weiß er in der Tat.

»Es tut mir leid, Eure Majestät. Mir geht es aber gar nicht darum, sie körperlich zu bekämpfen. Vielmehr sollten wir sie geistig besiegen.«

Das bringt ihm ein weiteres Pff von Hatton ein.

»Geistig?«, fragt die Königin.

»Wir benutzen ihre Gier und ihren Ehrgeiz, um sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.«

»Und wie stellt Ihr Euch das vor?«, faucht Hatton. »Denkt Ihr an Eure magischen Pulver? Oder wollt Ihr sie bei den Engeln anschwärzen? Oder habt Ihr womöglich vor, sie mit einem Eurer fliegenden goldenen Riesenkäfer einzuschüchtern? Gott bewahre! Eure Majestät, dieser Mann ist ein Possenreißer!«

Dee wird immer klarer, dass er Hatton nicht ausstehen kann. Er spürt aber auch, dass es gar nicht so wichtig ist, welche Vorstellung dieser Mann von ihm hat. Unwillkürlich muss er grinsen.

»Nein, Eure Majestät«, sagt er. »Wir benutzen die Wissenschaft.«

»Wissenschaft, dass ich nicht lache!«

»Sir Christopher«, knurrt die Königin.

Hatton verneigt sich und verstummt.

»Was schlägst du vor, John?«

Dee holt tief Luft.

»Es gibt ein Buch – oder eher ein Manuskript –, das so geheim ist, dass es keinen Namen hat.«

Dann berichtet er ihnen von diesem Werk, von dem er gehört hat. Davon, dass es in einer höchst ungewöhnlichen Geheimschrift verfasst und mit überaus erstaunlichen Illustrationen gespickt sein soll. Und davon, dass es den Schlüssel zur geheimnisvollen Sprache der Engel enthalte, deren Kenntnis es den Eingeweihten erlaube, nicht nur die wahre Natur der von Gott verborgenen Struktur der weltlichen und himmlischen Sphären zu begreifen, sondern auch die Gedanken aller Menschen, wer immer und wo immer sie sein mögen, zu lesen – und zu beeinflussen.

»Wenn dieses Buch in unseren Besitz gelangt«, verkündet er, »wird England nicht nur für alle Zeiten erhalten bleiben, sondern darüber hinaus den Lauf der Geschichte verändern.«

Beide starren ihn skeptisch an.

»Wo soll dieses Buch sein?«, fragt Hatton.

»Irgendwo in Polen.«

»Irgendwo in Polen?« Hatton lacht. »Wisst Ihr, wie groß Polen ist, Dee?«

»Und wie viel wird dieses Unterfangen kosten?«, setzt Ihre Majestät hinzu. In Geldfragen ist sie natürlich stets überaus vorsichtig.

»Ich werde mein Möglichstes tun, um es zu beschaffen«, verspricht Dee.

Dennoch zögert die Königin.

»Wie auch immer«, ergänzt Dee. »Es geht nicht darum, dass wir das Buch haben. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass jeder weiß, dass es existiert.«

»Und ist das so?«, fragt die Königin. »Ich meine, existiert es?«

»Ich bin mir nicht sicher«, räumt Dee ein.

»Verdammt noch mal, Dee!«, flucht Hatton.

»Verdammt noch mal, Dr. Dee!«, korrigiert ihn Dee.

»Dr. Dee!« Hatton lacht abfällig. »Wir sind im Belagerungszustand und werden von allen Seiten bedrängt. Da kann Ihre Majestät es sich nicht leisten, auch nur einen Mann zu erübrigen, damit er durch Europa zieht und nach irgendwelchen Büchern sucht, die vielleicht existieren, vielleicht aber auch nicht. Nicht einmal auf Euch kann sie verzichten!«

Elizabeth hebt die Hand. »Ihr überschreitet Eure Kompetenzen, Sir Christopher!«

Hatton neigt den Kopf, und Dee schweigt. Er kann hören, wie schnell der Atem der Königin geht. Schließlich ergreift sie wieder das Wort.

»Es geht nicht darum, dass Wir nicht einmal auf dich verzichten können, John. Es ist vielmehr so, dass gerade du es bist, auf den Wir in gar keinem Fall verzichten können. Ohne dich an Unserer Seite, können Wir nicht ruhig schlafen.«

»Aber, Eure Majestät, ich kann doch nicht tatenlos herumstehen, wenn gewisse Leute Eure Ermordung pla…«

»Aber Ihr werdet ja nicht tatenlos herumstehen, Dee«, unterbricht ihn Hatton. »Das ist ja der Grund, warum wir nach Euch geschickt haben. Wir haben eine Aufgabe für Euch. Wir bedürfen Eurer … besonderen Talente.«

Dee will schon aufbegehren und die anderen darauf hinweisen, dass es seine Idee war, Ihre Majestät aufzusuchen, doch dann bleibt er stumm, denn plötzlich spürt er in seinem tiefsten Inneren einen Stich. Er empfindet einen starken, fast unwiderstehlichen Drang zu helfen, mahnt sich aber zugleich zur Vorsicht: Als er zuletzt von einem Mitglied des Kronrats um Hilfe gebeten wurde, hätte das beinahe zu seinem Tod im Sand unterhalb des Mont Saint Michel geführt.

Darum richtet er seine nächste Frage an die Königin, nicht an Hatton.

»Wie kann ich Euch von Nutzen sein, Eure Majestät?«

Er nimmt an, dass sie dank ihrer früheren Freundschaft über seine Gaben Bescheid weiß und ihn dazu aufrufen wird, auf sein schier unermessliches Wissen nicht nur über die Bewegungen der Planeten, Monde und Sterne, sondern auch über die Mitteilungen der Engel zurückzugreifen. Oder wird es um seine Fähigkeit gehen, die Zukunft vorauszusagen?

Doch sie schwankt und fasst sich mit einer Hand an den Bauch, während ihr Gesicht einen graugrünen Ton annimmt.

»Sagt Ihr es ihm bitte, Sir Christopher.«

Hatton presst die Fingerkuppen aneinander. »Ihre Majestät hatte einen Traum.«

Einen Traum. Träume sind eines der Themen, denen Dees besonderes Interesse gilt.

»Fahrt fort«, sagt er.

Er brennt darauf, von der Vision der Königin zu erfahren, so wie er ihr auch unbedingt von seiner erzählen möchte: von Flüssen, Wassermühlen, Schleusen, Dämmen, aber auch von Umwegen, Blockaden und ungenutztem Potenzial. Doch Elizabeth schaut ihn nicht an. Stattdessen huscht ihr Blick durch den Raum, als suche sie nach irgendetwas, worauf es sich gemütlich ruhen lässt.

»Ihre Majestät hat von einem Griechischen Feuer geträumt«, antwortet Hatton anstelle der Königin, und sein Tonfall wirkt spöttisch.

Unwillkürlich fragt Dee sich, ob dieser Mann auch so sprechen würde, wenn Elizabeth bei bester Gesundheit wäre.

Er macht ein skeptisches Gesicht.

»Griechisches Feuer?« Sonst nichts? Er ist enttäuscht.

»Richtig«, bestätigt Hatton. »Griechisches Feuer, eines, das nie ausgeht. Ihre Majestät hat davon geträumt, dass unsere Kriegsflotte davon Gebrauch macht, um die Spanier zu schlagen. In diesem Traum wurden die spanischen Schiffe in Brand gesetzt und alle Soldaten an Bord in die Hölle befördert.«

Was ist das für eine Frau, die so etwas träumt?, sinniert Dee.

Offenbar eine, die gerade erst ein Attentat überlebt hat. Eine, die sich permanent sorgen und grämen muss.

»Ein Griechisches Feuer wäre da in der Tat genau das Richtige«, bestätigt er.

»Was wisst Ihr darüber, Dr. Dee?« Hatton spricht immer noch in demselben höhnischen Tonfall, und Dee fragt sich erneut nach dem Grund dafür.

»Nun«, meint er achselzuckend, »irgendwann vor dem Fall von Jerusalem wurde es von im heutigen Syrien lebenden Juden erfunden. Später nutzten es auch die Byzantiner, um sich zu Wasser und zu Lande gegen die Türken zu verteidigen. Es ist eine Flüssigkeit, die – wenn sie erst einmal entzündet ist – alles, was sie berührt, in Brand setzt: Holz, Wasser, Haut. Das Feuer lässt sich nicht löschen, es sei denn, man erstickt es mit Sand oder verwendet alten Urin, glaube ich. Die Flüssigkeit wird mithilfe eines Schlauchs und einer Pumpe verspritzt, aber warum beides nicht Feuer fängt, ist mir bis heute ein Rätsel. Die Formel dafür ist schon in der Zeit der Byzantiner verloren gegangen, und seitdem ist es niemandem mehr gelungen, sie wieder aufzuschreiben. Selbst denjenigen nicht, die Vorräte davon aufbewahren konnten.«

Hatton wirft der Königin einen verschwörerischen Blick zu. Zwar geht sie nicht darauf ein, doch Dee riecht den Braten sofort: Hatton will Dees Fähigkeiten für eine obskure alchemistische Untersuchung benutzen, deren Ziel es wäre, Griechisches Feuer zu erschaffen. Eine Substanz, die nicht dazu geeignet ist, ein neues goldenes Zeitalter der paradiesischen Unschuld herbeizuführen, sondern vielmehr dazu, Menschen bei lebendigem Leibe zu grillen.

Schon ermatten seine Lebensgeister wieder.

»Griechisches Feuer ist nicht der Weg, um die Spanier zu besiegen«, wiederholt er.

»Aber was ist mit dem Traum Ihrer Majestät?«, fragt Hatton mit tückischem Unterton. »Daran werdet Ihr doch sicher nicht zweifeln.«

Dee setzt dazu an, die Bedeutung ihres Traums infrage zu stellen, weiß aber plötzlich nicht, wo er anfangen soll. Der Raum, der ohnehin schon im Dunkeln lag, wirkt jetzt, da Dees erhabene Visionen verblassen, noch düsterer.

»Aber ich habe weder die richtigen chemischen Stoffe noch die nötigen Werkzeuge und auch nicht die geeigneten Fläschchen.« Der zerborstene Pelikan kommt ihm in den Sinn. »Auch gibt es in meiner Werkstatt keinen … keinen Feuerschutz.«

Er denkt an seine mit wertvollen Manuskripten gefüllte Bibliothek, mindestens viertausend Bücher in der wohl größten Sammlung Englands, allesamt in den letzten zehn Jahren mühevoll und zu ruinösen Preisen erworben. Man stelle sich vor, im Raum direkt daneben würde Roger Cooke – der liebe, arme und ungeschickte Kerl – mit Feuer herumhantieren!

»Nein«, sagt er bestimmt. »Ich kann und werde keine Methode ausarbeiten, mit der man Menschen bei lebendigem Leib verbrennen kann – selbst wenn es Spanier sind.«

»John«, beginnt die Königin mit zittriger Stimme, »halte dir doch nur vor Augen, was sie Uns in den letzten Tagen angetan haben. Mörder haben sie auf Uns losgelassen! Stell dir vor, was fünftausend spanische Haudegen, die in Suffolk landen, mit ihren Spießen anrichten könnten. Wir – die du angeblich liebst – bitten dich, diesem Land – das du angeblich ebenfalls liebst – zu helfen und unsere Fortschritte zu sichern, die wir in sämtlichen Wissenschaften gemacht haben, ob Geometrie, Astronomie, Astrologie oder in der Religion. Willst du wirklich, dass wir in die alten Zeiten zurückfallen? Dass wir Bilder anbeten? Dass wir von Mönchen angelogen werden? Dass der Bischof von Rom über uns herrscht? Dass aller Fortschritt verloren geht? Dass unsere Aufklärung, für die du in unermüdlicher Arbeit mit deinen Beiträgen zur Naturphilosophie gesorgt hast, von einem spanischen Prinzen ausgelöscht wird? Dass wir alle unter das Joch der Inquisition gezwungen werden?«

Bevor Dee antworten kann, packt die Königin plötzlich die Armlehnen ihres Stuhls und schnellt hoch. Dee und Hatton erheben sich ebenfalls.

»Eure Majestät?«

Ihre Miene verrät Panik, als hätte sie etwas gehört, was ihnen entgangen ist. Wie herbeigezaubert stehen nun auch ihre Hofdamen bei ihr. Von ihnen umringt, verschwindet sie im Nu durch eine Dee bis dahin unbekannte Tür in der Holzvertäfelung hinter ihr, und die Damen geben Hatton – und vor allem Dee – mit einem bösen Funkeln zu verstehen, dass sie ihr nicht folgen dürfen.

Die zwei Männer bleiben zurück. Für einen Moment herrscht Stille, in der sich beide fragen, ob Elizabeth noch einmal zu ihnen zurückkehren wird.

Schließlich bricht Hatton das Schweigen.

»Sollen wir?« Er deutet auf die Stühle.

»Ich glaube nicht, dass es noch viel zu sagen gibt, oder?«

Hatton nickt. »Schön, dass wir einer Meinung sind. Stellt doch eine Liste mit all den Dingen zusammen, die Ihr aus Eurer Werkstatt und Eurem Haus braucht – ein neues Hemd zum Beispiel wäre nicht fehl am Platz. Ich werde alles besorgen und zu Euch bringen lassen.«

»Besorgen? Aber ich brauche doch nichts. Ich gehe jetzt nach Hause und ziehe mir ein frisches Hemd an oder nicht.«

Hatton antwortet mit einem hässlichen Lächeln. »Ich weiß, dass Ihre Majestät ihren Wunsch in eine Frage gekleidet hat, aber jetzt sage ich Euch Folgendes: Sie hat mir diesen Auftrag erteilt, und ich werde dafür sorgen, dass er erledigt wird. Wenn Ihr damit nicht einverstanden seid und Euch weigert, mir zu helfen, lasse ich Euch auf der Stelle wegen verbotener Hexerei verhaften. Dann kommt Ihr in den Tower, wo Ihr Euch entweder fügen oder sterben werdet.«