Etwas Warmes, Feuchtes schob sich in Silas Hand, schnuffelte und quiekte. Sie setzte sich auf. »Kopernikus! Geht es dir gut?« Sie drückte das Minischweinchen an sich, um sowohl sich selbst als auch Kopernikus zu trösten. Ihre Augen hatten sich etwas an die Dunkelheit gewöhnt. Dennoch blieb es zu finster, um viel erkennen zu können. Nur durch die Öffnung, durch die sie gefallen war, drang Licht herein. Am Rand des Lochs hingen Wurzeln, Spinnweben und Blätter, von denen einige mit ihr heruntergesegelt waren. Sila sah Klinkersteine, dieselben roten Ziegelsteine, aus denen der Wickenhof aufgebaut war. Anscheinend hatte sie ein paar davon losgetreten und war mit ihnen zusammen abgestürzt. Einige lagen um sie herum, und einen spürte sie schmerzhaft unter ihrem Hintern. Sila zog ihr Halstuch vor die Nase, um den staubig-modrigen Geruch zu dämpfen, und stand vorsichtig auf. Kopernikus drückte sich an ihre Beine. Ihm war das alles ebenso unheimlich wie ihr.
Der Raum, in den sie gefallen war, war groß genug, dass sie bequem darin stehen konnte. Wenn sie die Augen zusammenkniff, erahnte sie eine Kuppel. Es lagen keine anderen Trümmer um sie herum, soweit sie sehen konnte. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass sie keine Kettenreaktion ausgelöst hatte und nicht noch mehr einstürzen würde, bevor sie hier herauskam. Kopernikus hatte sich von ihrer Seite gelöst und lief irgendwohin. Sie hörte ihn scharren, ein Stück über ihr. Langsam ging sie ein paar Schritte in seine Richtung und stellte fest, dass hier eine Treppe gewesen war. Auf die war sie gefallen und dann heruntergerollt. Die Treppe war mit Erde bedeckt, und nur die Kanten der Stufen ragten noch heraus. Kopernikus grub daran herum, als wollte er die Stufen freischarren.
»Gute Idee«, sagte Sila.
Sie holte sich einen der abgestürzten Backsteine und räumte damit die Erde von den Stufen. Dann stieg Sila hinauf. Es schien eine Art Schleuse zu sein, die in den tiefer gelegenen Kuppelraum führte, ein kleiner Tunnel mit einem gewölbten Dach, durch das sie gefallen war. Am oberen Ende der Stufen griff sie in trockene Efeuranken. Ihr Herz klopfte: Hier musste doch eine Tür sein! Sie schlug mit den Fäusten gegen die Wand, und tatsächlich, es hörte sich an wie Holz. Aber es klang viel zu dumpf. Sila konnte sich denken, warum. Auf der anderen Seite war Erde. Wie oft war sie mit Lisann bei Schnee diesen Hügel hinaufgeklettert und hinuntergerutscht, und manchmal hatten sie sich auch im Sommer durch das verfilzte Gestrüpp gekämpft. Da war keine Tür sichtbar gewesen. Die musste schon sehr lange verschüttet sein.
Sila schlug mit dem Backstein dagegen und hörte ein Splittern, doch es führte zu nichts. Sie versuchte, Ruhe zu bewahren. Wenn sie hier unten rief, würde sie kein Mensch hören. Wenigstens wurde der modrige Geruch langsam besser, weil frische Luft durch das Loch eindrang. Jetzt erst fiel ihr ein, dass sie ihr Handy in der Tasche hatte. Mit zitternden Fingern entsperrte sie es und wollte Lisanns Nummer wählen. Doch sie hätte es sich denken können. Kein Empfang hier unten. Das war oben schon schwierig genug hier.
Panik stieg in ihr auf. Zu sehr erinnerte sie die Situation an damals. Gefangen in der dunklen, kalten Trommel, die bei der geringsten Berührung ein lautes metallenes Geräusch von sich gab, obwohl Sila doch ganz ruhig sein musste. Zusammengerollt hatte sie darin gesessen und gewusst: Sie durfte sich nicht rühren, damit die Volkspolizisten nichts von ihrer Gegenwart merkten, wenn sie den Lastwagen anhielten. Und später irgendwann die Grenzer, die das ganze Auto auseinandernahmen und sie nicht finden durften, auf gar keinen Fall, sie nicht und Dorothea nicht und Daniela nicht, weil sie sonst alle ins Gefängnis kamen. Jedenfalls ihre Mutter und Daniela. Sie selbst würde in einem Heim landen und ihre Mutter nie wiedersehen und zu schrecklichen fremden Leuten kommen, die sie genau so erziehen würden, wie der Staat es wollte. Sie wusste nicht, wer der Staat war, aber es klang furchtbar. Also musste sie sich zusammenrollen und nicht denken und nicht niesen und nicht husten und sich nicht räuspern und vor allem keine Angst bekommen, weil man dann lauter atmete, das hatte man ihr erklärt.
Aber sie hatte Angst, immer mehr, und die Zeit verging nicht, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie hier alle sterben würden. Begraben waren sie ja eigentlich schon, in runden metallenen Särgen.
Jetzt saß sie nach so vielen Jahren wieder in einem dunklen, runden Raum und bekam vor Beklemmung kaum Luft.
Kopernikus drängte sich wieder gegen sie, als würde er ihre Furcht spüren. Sila versuchte, sich zusammenzunehmen. Das war Jahrzehnte her, und sie kauerte nicht in einer Waschmaschinentrommel in einem Lastwagen. Sie konnte sich bewegen, sie konnte atmen, und sie war noch nicht einmal allein. Sie hatte Schwein.
Sila grinste schief, atmete tief durch und schaltete die Taschenlampenfunktion ihres Handys ein. Warum war sie nur so kopflos durch das Dickicht gerannt?
Wandas Worte von früher fielen ihr wieder ein: Ein Fehler ist wie eine geheimnisvolle Tür, die man nie gefunden hätte, wenn man den Fehler nicht gemacht hätte. Man weiß nie, was für ein Abenteuer oder ein Geschenk dahinter wartet. Deshalb sollte man sich vor Fehlern nie fürchten.
Sehr kräftig war das Licht nicht. Ihr Akku war nur ein Drittel geladen. Sie musste sparsam damit sein.
Das Loch, durch das sie gefallen war, war wahrscheinlich einer dicken Wurzel geschuldet, die sich durch einen Ritz im Mauerwerk gearbeitet hatte. Sila konnte sie sehen, ein Teil davon hing jetzt durch das Loch herunter.
Als sie die Efeuranken an der ehemaligen Tür beiseiteschob, sah sie, dass dahinter tatsächlich verrottendes Holz war. Sie fand sogar die Türklinke. Aber die ließ sich nicht bewegen, und durch das Loch, das sie mit dem Ziegelstein geschlagen hatte, rieselte Erde. Als sie versuchte, den Finger hineinzustecken, stellte sie fest, dass sie sich auf diesem Weg bestimmt nicht würde befreien können.
Blieb die Öffnung nach oben. Sie würde eine Leiter oder etwas Ähnliches finden müssen. Oder vielleicht konnte sie eine Botschaft schreiben und hinauswerfen. Allerdings kam ihr dieser Gedanke ziemlich albern vor. Wer sollte hier herumlaufen und nach einem Zettel suchen, der um einen Stein gewickelt war? Sicher würde Lisann sie irgendwann vermissen, aber das konnte Tage dauern.
Sila stieg die Treppe vorsichtig wieder hinunter und leuchtete nach oben in die Kuppel. Die wirkte relativ sauber und zum Glück vor allem durchaus stabil.
Langsam dämmerte Sila, wo sie war. Dies musste einst ein Eiskeller gewesen sein, vor sehr langer Zeit. Das gab es in Brandenburg auf alten Höfen ab und an noch. Aus der Zeit, ehe es Kühlschränke gab. Damals hatte man hier im Winter Eis eingelagert und auf diese Weise einige Lebensmittel den ganzen Sommer kühl gehalten. Selbst in Berlin gab es noch einen in Dahlem, der als Fledermausversteck erhalten wurde.
Sila war sich sicher, dass nicht einmal Wanda davon gewusst hatte. Sie ließ den Lichtkegel an den Wänden herunterwandern und dann über den Boden. Ja, dort in der Mitte war eine Vertiefung, das musste die Eisgrube gewesen sein! Da durfte sie nicht hineinfallen. Vorsichtig bewegte sie sich außen herum. Da hinten stand etwas. Kisten? Nein, es waren ein Tisch und ein Stuhl. Zwei Stühle sogar, stellte Sila fest, als sie sich vorsichtig heranwagte. Sie rüttelte an dem Stuhl, drückte auf die Sitzfläche. Eine dicke Schicht Staub lag darauf, aber ansonsten schien er gut erhalten zu sein. Es roch zwar modrig hier unten, aber es war doch erstaunlich trocken.
Auf dem Tisch lag der Stahlhelm eines Soldaten. In dem schmalen Lichtkegel warf er einen seltsamen Schatten. Daneben standen ein Glas, ein Teller mit einer rostigen Gabel darauf und eine Flasche. Es war eine Rotweinflasche mit einem Korken darin, und als Sila sie antippte, sah sie, dass unten noch ein Rest Flüssigkeit darin war. Sie fröstelte.
Es wirkte, als wäre hier jemand in großer Eile aufgebrochen. Nur wann, um Himmels willen? Sie fühlte sich beinahe, als hätte sie ein Grab geschändet. Einen Schritt weiter stolperte sie über etwas Weiches und schrie auf. Kopernikus stob erschrocken davon. Es waren die Reste einer Matratze, vermutete Sila, als sie sich fing und das Gebilde näher betrachtete. Eine Matratze, in der die Mäuse gewesen waren und die Motten. Zwischen den Fäden von etwas, das wahrscheinlich einmal eine Wolldecke auf der Matratze gewesen war, fand Sila einen Sack aus Segeltuch, einen selbstgenähten Rucksack wahrscheinlich, denn er hatte unbeholfen mit Leder besetzte Tragriemen. Das Segeltuch war angeschimmelt, aber es wies nur an der Klappe ein kleines Loch auf.
Sila zögerte, aber dann konnte sie ihre Neugier nicht zurückhalten. Schließlich war sie auf der Suche nach etwas Brauchbarem. Sie öffnete die Klappe und leuchtete in den Rucksack hinein. Ein Heft, an dem ein Bleistift in einer Schlaufe steckte, sah aus, als wäre es in aller Eile oben hineingesteckt worden. Darunter eine Blechbüchse, leer bis auf einen abgenutzten Radiergummi. Sicher wurde das Heft eigentlich darin aufbewahrt. Ein langes Stück Schnur war noch im Rucksack, ordentlich aufgerollt, und ein kleines Etui mit einer Nagelschere und einer Nagelfeile darin. Sila starrte darauf und fühlte, wie sich die Haare auf ihren Armen aufstellten. Was war das für ein Mensch gewesen, der Soldat, dem dieser Rucksack gehört hatte? Den er nicht mehr hatte mitnehmen können, weil er schnell flüchten musste, gefangen genommen worden war oder ihm etwas Schlimmeres passiert war. Jemand, der bei all seinen furchtbaren Erlebnissen noch auf seine Nägel achtete? Wahrscheinlich hatte er beides eher als Werkzeug in Notlagen benutzt. Die Spitze der Feile war ein wenig abgebrochen. Sila wagte nicht, das Heft aufzuschlagen. Gewiss war es privat. Aber die Schnur, die Schnur würde sie sich nehmen müssen.
Sie prüfte noch einmal beide Stühle. Sie waren stabil.
»Also, Kopernikus, versuchen wir es!«
Sie musste das Restlicht ihres Akkus ausnutzen.
Mit Hilfe der heruntergefallenen Backsteine baute sie aus der Treppenstufe unter dem Loch eine sichere Plattform. Dann stellte sie den einen Stuhl darauf und vergewisserte sich, dass er sicher stand und nicht wackelte. Jetzt war er zu hoch für sie, um drauf zu klettern, doch sie band den zweiten Stuhl an mehreren Stellen fest mit Schnur so daran, dass dieser tiefer stand und außerdem dem ersten Stuhl zusätzliche Stabilität verlieh. Jetzt hatte sie eine behelfsmäßige Treppe, von deren oberen Stufe aus sie das Loch erreichen und sich mit Hilfe der Wurzel würde hochziehen können. Vorausgesetzt, diese hielt.
Aber was, wenn nicht? Und was war mit Kopernikus? Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie ihn in den Rucksack stecken und ihn aufsetzen sollte, aber dann würden sie beide nicht durch das Loch passen, und außerdem wog auch ein Minischwein etwas. Das würde die Wurzel sicher nicht aushalten.
Ihn allein hier unten lassen, bis sie eine Leiter geholt hatte, wollte sie auf keinen Fall. Was, wenn er in die Eisgrube stürzte? Außerdem würde er schreckliche Angst haben.
Ihr fiel etwas ein. Sie würde doch einen Zettel aus dem Heft benötigen.
Der Himmel über dem Loch färbte sich rötlich. Bald würde es dunkel werden. Sie musste sich beeilen.
Behutsam nahm Sila das Heft aus dem Rucksack. Sie konnte erkennen, dass einige Seiten beschrieben waren. … aussichtslos. Ich muss morgen trotzdem zurück zu meiner Einheit. Anna …, entzifferte sie unwillkürlich, doch es war zu dunkel, um weiterzulesen. Sie schlug die letzte Seite auf. Ja, die war leer. Vorsichtig riss sie ein Stück ab und schrieb darauf: Lisann, Hilfe! Bin in ein Loch im Schlittenhügel gefallen.
Den Zettel faltete sie um ihr Halstuch und band es Kopernikus um. Er schüttelte sich empört, beruhigte sich aber gleich wieder und sah sie mit einem Blick an, der wohl so viel hieß wie: »Also gut, wenn es unbedingt sein muss!«
Sila wollte das Heft zurücklegen, dann zögerte sie. Das Loch war jetzt offen. Was, wenn es heute Nacht regnete und Wasser eindrang? Kurzentschlossen steckte sie das Heft in ihre hintere Hosentasche. Dann nahm sie Kopernikus auf den Arm und stieg vorsichtig auf den ersten, dann auf den zweiten Stuhl. Er stand sicher, auch jetzt noch, mit ihr und Kopernikus obendrauf. Wenn sie die Arme ganz hoch streckte, würde sie Kopernikus durch das Loch schubsen können.
Sie nahm alle Kraft zusammen und versuchte es. Das Minischwein quiekte empört. Für einen Moment verdunkelte der kleine Körper die eindringende Helligkeit, dann war er hindurch. Sila hatte es geschafft und stellte sich erleichtert vor, wie Kopernikus davonstob. Wohin, wusste sie allerdings nicht. Sie hoffte, dass er wenigstens zurück zu Curie laufen würde. Oder, noch besser, zu Martin und Lisann, wo er sich ja auch auskannte und es gewohnt war, Leckerbissen zu bekommen.
Aber darauf wollte sie nicht warten. Verzagt betrachtete sie das Loch. Es lag doch höher, als sie gedacht hatte. Sie stieg noch einmal herunter und erhöhte die Stuhlplattform mit vier Backsteinen. Jetzt. Jetzt könnte sie es schaffen! Sie griff nach der Wurzel, drückte sich ab, stützte sich für einen Augenblick mit dem rechten Fuß auf die Lehne des Stuhls. Der kippte weg, aber der kleine zusätzliche Abstoß hatte genügt. Sila gelang es, sich mit aller Kraft bäuchlings aus dem Loch zu ziehen. Sie blieb liegen, um zu verschnaufen.
Die Wurzel war halb abgebrochen, aber der unsichere Halt hatte ausgereicht.
Als sie sich gefangen hatte, rappelte sie sich auf und ging Kopernikus suchen. Hoffentlich war er vor Schreck nicht weit fortgerannt und auf die Straße geraten! Doch zu ihrer Erleichterung hörte sie die Schweine schon von weitem quieken, anscheinend in gegenseitiger Wiedersehensfreude. Noch bevor sie die beiden sah, kam ihr Lisann entgegengerannt, das Halstuch in der Hand.
»Sila, was ein Glück! Ist dir was passiert? Bist du in Ordnung? Ich wollte dich gerade besuchen, da rannte mir Kopernikus über den Weg. Ich wollte dich gerade retten!«
Sie klopfte hektisch an Sila herum. Sila sah an sich herunter und stellte jetzt erst fest, wie schmutzig sie war.
»Danke. Sehr nett von dir. Aber ich habe mich schon selbst gerettet. Alles ist gut! Nichts passiert. Obwohl, ein ganz schöner Schreck war es doch«, gab sie zu. Jetzt, da sie wieder den Himmel über sich und frische Luft um sich hatte, wurde sie plötzlich ganz zittrig. »Ich glaube, ich muss mich mal hinsetzen.«
Lisann hakte sie stützend unter. »Nicht hier«, sagte sie bestimmt. »Die Schweine sind wieder eingesperrt, und du schaffst es noch bis zum Haus. Du brauchst eine warme Jacke und etwas zu trinken. Komm.«
Auf der Bank lehnte Sila sich zurück und schloss die Augen. Lisann rannte kurz ins Haus und legte Sila dann eine Jacke um die Schultern und eine Decke über die Beine.
»Bin gleich wieder da.«
Sila ließ die Augen geschlossen und versuchte, die Bilder zu sortieren, die in ihr wachgerufen worden waren, während sie da unten in der stickigen Dunkelheit gewesen war.
»So, hier.« Lisann setzte sich neben Sila und stellte ein Tablett zwischen sie beide. »Trink! Erst den Schnaps, dann den Tee. Das ist Wandas Beruhigungstee mit Lavendel und Johanniskraut.«
Der Schnaps brannte in Silas Kehle und verscheuchte das Schwächegefühl. Und in dem Tee war auch nicht nur der Lavendel, sondern ein großzügiger Schuss Rum, stellte sie fest. Sie war zu dankbar für Lisanns Gegenwart, um zu widersprechen. Wohlige Wärme breitete sich in ihr aus.
»Unter dem Hügel ist ein alter Eiskeller. Hast du das geahnt?«, fragte sie.
Lisann schüttelte heftig den Kopf. »Natürlich nicht! Wanda wusste ganz sicher auch nichts davon, und deine Mutter sowieso nicht. Wer hätte das gedacht? Martin muss morgen unbedingt das Loch sichern.«
Sila trank nachdenklich ihren Tee aus. »Ja, das sollte er. Aber irgendwie ist es schade, wenn das wieder für alle Zeiten vergessen wird. Was meinst du, könnte man nicht die Tür wieder ausgraben? Ein Statiker müsste sich ansehen, wie sicher der Keller noch ist. Wenn ja, könnte ihn ein eventueller Käufer vielleicht gebrauchen. Als Weinkeller zum Beispiel, oder für Lageräpfel und Kartoffeln?«
»Keine Ahnung. Ich frage Martin, was er meint, in Ordnung? Wir haben diese kleinen Minibagger, es würde ihm bestimmt Freude machen, damit die Tür auszugraben. Er ist sein liebstes Spielzeug. Geht es dir jetzt besser?« Lisann betrachtete Sila besorgt. »Du hast jedenfalls wieder Farbe im Gesicht.«
Sila stellte die leere Tasse aufs Tablett. »Ja. Viel besser. Danke, dass du da warst! Das habe ich jetzt gebraucht.«
Lisann umarmte sie. »Dann gehe ich jetzt, ehe Martin mich vermisst. Aber ruf sofort an, wenn was ist, ja?«
»Versprochen.« Sila war auf einmal todmüde. Um sich abzulenken, sah sie noch die Nachrichten im Fernsehen, aber sie schlief auf dem Sofa ein und wachte mitten in einem blutigen Krimi auf. Schleunigst verzog sie sich ins Bett, nicht ohne sich durch einen Blick aus dem Fenster zu vergewissern, dass der Ziegenkopf über alles wachte.
Doch in dieser Nacht kehrten die alten Stimmen zurück, von denen Sila gehofft hatte, sie hätte sie durch das Putzen für immer vertrieben.
Aber im Stall hatte sie nicht geputzt. Sie träumte, sie wäre dort und holte besonders leckeres Futter für Kopernikus, damit er sich von seinem Schreck erholte. Und dort im Stroh lauerte ein Tag aus der Vergangenheit.
Die Worte, die in ihn gehörten, krochen aus den Ritzen der alten Holzbohlen und den Poren der Backsteine. Sie klangen noch ebenso deutlich wie vor all den Jahren.