Nakos blieb weniger als eine halbe Stunde Zeit, um zu duschen, bevor er mit den anderen in der Bar verabredet war. Auch wenn er keine Ahnung hatte, wieso er eigentlich zugestimmt hatte mitzukommen. Der Gedanke, Amy gegenüber an einem Tisch zu sitzen, während sie ihn anschwieg und gelegentlich aus schmerzerfüllten Augen musterte, entsprach nicht gerade seiner Vorstellung eines perfekten Freitagabends.
Andererseits … ein weiterer schweigsamer Abend im Haus, um dann im Zimmer neben ihr zu schlafen, klang auch nicht nach einem Riesenspaß. Sie konnten so nicht weitermachen. Er stand kurz davor, zu explodieren.
Er wusste einfach nicht mehr weiter, also plante er, Amy morgen zur Rede zu stellen, wenn sie allein waren und nicht arbeiten mussten. Nakos dehnte den Nacken, als er die Treppe in seinem Haus nach oben stieg. Als könnte irgendjemand Amy Woods zu irgendetwas zwingen. Und er
konnte es sicher nicht, wenn man bedachte, dass sie ihn ständig sprachlos und gleichzeitig schwindelig machte, als würde er betrunken Karussell fahren. Und dazu musste sie sich nicht mal anstrengen.
Zumindest würde es heute Abend Alkohol geben.
Er drehte den Knauf der Badezimmertür und blieb dann wie erstarrt auf der Schwelle stehen. Sein Mund war plötzlich staubtrocken trotz der duftenden, feuchten Luft, die ihm ins Gesicht
waberte.
Feuchtes, kakaofarbenes Haar, das zu einem Dutt hochgesteckt war. Glatte, helle Haut. Kleine pinke Nippel. Wassertropfen, die über wunderbare Kurven glitten. Ein kleines Dreieck dunkler Locken am Scheitelpunkt von … Amys Schenkeln. Sie stand direkt vor der Badewanne, ein Handtuch in der Hand, die Augen weit aufgerissen.
«Heilige Scheiße. Es tut mir leid.» Nakos schlug sich die Hand über die Augen und wandte sich ab.
Hihcebe
, sie war nackt. Absolut, vollkommen, wunderbar nackt.
«Ich dachte, du würdest dich …» Er tastete blind nach dem Türknauf, wobei er sich die Knöchel am Türrahmen anschlug. «… bei Olivia …» Verdammt, wo war dieser verdammte Knauf? «… fertig machen.» Da. Der Herr sei gelobt. Er knallte die Tür hinter sich zu und lehnte mit dem Rücken dagegen.
Erschüttert schnappte er nach Luft. Ihm war heiß, und Lava floss durch seine Adern. In seiner Brust schien eine Herde Pferde herumzutrampeln. Niemals.
Niemals würde er vergessen, wie sie nackt aussah. Fünf Sekunden. Mehr war es nicht gewesen. Fünf Sekunden lang hatte er buchstäblich seinen feuchten Traum vor sich gesehen, und jetzt war er völlig fertig. Vernichtet.
«Ähm, das wollte ich auch.» Er hörte leise Geräusche hinter der Tür. «Aber mein Make-up und meine Kleidung sind hier, also hat Olivia mich hergefahren.»
Kleidung, sagte sie. Aber sie hatte … nichts … an. Und er war einfach ins Bad geplatzt. Weil er über sie und die Folter nachgedacht hatte, die er ihretwegen in den letzten Tagen durchgemacht hatte. Daher hatte er nicht darauf geachtet, dass die Tür geschlossen gewesen war und sie vielleicht gerade aus der Dusche getreten sein
könnte. Tropfnass.
Gott, er war hart.
Wieder hörte er leise Geräusche, als würde sie sich abtrocknen. Er presste fest die Augen zu, als sich die passenden Bilder dazu in seinen Kopf drängten. All diese helle, perfekte Haut. Die atemberaubenden Kurven und …
Scheiße. Und das alles wirklich, wirklich nackt.
Er stöhnte. «Es tut mir so leid, Ames.»
«Kein Problem. Ich hätte die Tür zuschließen sollen.»
Kein Problem? Er sah zu seinem Hosenstall hinab. Ganz im Gegenteil.
Es war eine Sache, sich Amys Anziehungskraft auf ihn einzugestehen, sie zu küssen und sich auszumalen, wozu dieser Kuss hätte führen können, wenn er seinen Anstand über Bord geworfen hätte. Aber es war etwas vollkommen anderes, dem Objekt seiner Begierde direkt gegenüberzustehen und von der Realität in die Knie gebracht zu werden. Amy war noch viel wunderbarer, als er es sich je hätte vorstellen können.
Himmel, sie war fast überirdisch schön.
Die Tür schwang auf. Da er sich immer noch dagegenlehnte, verlor er das Gleichgewicht. Eilig griff er nach dem Türrahmen, um sich abzufangen.
«Kann ich vorbei?»
«Ja», presste er hervor und trat einen Schritt zur Seite. Fast schockierte es ihn, dass seine Beine ihm nicht den Dienst verweigerten. Obwohl er den Blick zu Boden gerichtet hielt, bemerkte er, dass Amy angezogen war. Er räusperte sich: «Ich möchte mich noch mal entschuldigen.»
«Es sind nur Brüste. Ich bin mir sicher, du hast schon mal welche gesehen.»
Aber nicht ihre, verdammt noch mal. Und der Humor in ihrer sinnlichen Stimme tat nichts, um sein Herzrasen zu beruhigen. In den letzten Tagen war so gut wie kein Wort aus ihrem hübschen Mund gedrungen, und welches Wort sprach sie dann quasi als Erstes aus? Brüste.
Und meinte damit ihre eigenen. Weil er sie gesehen hatte.
Das war der sechste Kreis der Hölle.
«Gib mir zehn Minuten, um zu duschen, dann können wir aufbrechen.» Er wirbelte auf dem Absatz herum und stiefelte in sein Schlafzimmer, um sich frische Kleidung zu holen, bevor er ins Bad zurückkehrte.
Das nach Amy roch. Genau wie sein Truck, seitdem sie mit ihm zum Haupthaus fuhr. Und aus irgendeinem unverständlichen Grund galt das auch für die Bar, wie er eine halbe Stunde später feststellte. Zusammen mit den Gerüchen von billigem Bier, kaltem Rauch und Leder umgab ihn auch hier Amys Duft. Quälte ihn. Verhöhnte ihn.
Er lehnte sich auf seinem Barhocker am Tresen neben Nate zurück und ließ seinen Finger durch das Kondenswasser auf dem Glas gleiten. Olivia und Amy hatte beschlossen, eine Partie Pool zu spielen, was ihm zumindest ein wenig Luft zum Atmen verschaffte.
Countrymusik plärrte aus der Jukebox, und ein paar Leute, die er aus der Stadt kannte, wirbelten auf der improvisierten Tanzfläche im hinteren Teil der Kneipe herum. Die Stühle vor der zerkratzten Bar aus Kiefernholz waren für einen Freitag relativ spärlich besetzt, aber Meadowlark war nicht allzu groß, und es war noch ziemlich früh.
Nakos ließ seinen Blick über die helle Wandverkleidung und die Neonschilder daran gleiten, während er sich wünschte, er wäre zu
Hause. Er sah keinen Sinn darin, hier herumzusitzen, und es gefiel ihm hier auch nicht besonders. Der Laden ähnelte unzähligen Kneipen in unzähligen Käffern auf der Welt. Selbst wenn er nicht ständig an Amy gedacht hätte, wäre er an den Frauen hier nicht im Geringsten interessiert. Die Hälfte war verheiratet, ein Viertel von ihnen bereits zu alt für seinen Vater, und den Rest hätte er nicht mal mit Gummihandschuhen angefasst. Wenn er eine Partnerin suchte, traf er sich gewöhnlich mit jemandem aus dem Reservat, aber die letzte dieser Begegnungen war über ein Jahr her.
«Benutzt Amy die neue Kamera endlich?» Nate stemmte die Unterarme auf den Tisch. «Sie meinte, du hättest ihr erzählt, dass das Geschenk von mir kam.»
Nakos brummte und warf einen Blick zu den Frauen am Pool-Tisch. Ein paar von Olivias Rancharbeitern hatten sich ihnen angeschlossen. «Ja. Tut mir leid. Aber dadurch hat sie das verdammte Ding schließlich ausgepackt.»
«Ich dachte, es käme besser an, wenn die Kamera von dir stammt. Deswegen haben wir sie angelogen.»
Käme besser an? Tja, hätte man meinen sollen. «Nope.»
Amy beugte sich vor, das Billardqueue in der Hand. Ihre blaue Bluse klaffte dabei weit genug auf, dass er einen Blick auf die Wölbung ihrer Brüste erhaschen konnte. Hihcebe.
Er konnte nicht gewinnen.
Rasch richtete er den Blick zurück auf Nate und seufzte. «Sie hat ein wenig damit herumgespielt, während du und Olivia unterwegs wart.» Nakos erklärte Nate ein paar von Amys Ideen. «Sie hat ein paar Bilder von mir geschossen, ohne dass ich es mitbekommen habe. Und als sie sie mir zeigte, erzählte sie irgendwas von Buch-Covern oder Werbeanzeigen.»
Nate schnaubte leise. «Mit dir drauf?»
«Lach nur. Dich wird sie auch noch erwischen.» Er nahm einen Schluck von seinem lauwarmen Bier. «Mittwoch nach der Arbeit hat sie Rico dazu gebracht, mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd herumzureiten. Und für nächste Woche hat sie schon Termine mit ein paar anderen Arbeitern ausgemacht.»
«Bei den anderen Jungs kann ich mir das vorstellen. Vielleicht. Aber nicht bei dir.»
«Ich bin auch nicht gerade begeistert. Aber wenn es ihr hilft, ist es mir egal.» Er zuckte mit den Achseln. «Ich habe ihr allerdings gesagt, dass man mein Gesicht nicht erkennen darf.»
«Huh.» Nate schüttelte langsam den Kopf. Es war deutlich zu erkennen, dass er Nakos für verrückt hielt. «Du hast größere Probleme, als ich dachte.»
«Erinnerst du dich daran, wie du in die Stadt gekommen bist und wir uns nicht ausstehen konnten? Waren schöne Zeiten.»
Für einen Augenblick umspielte ein Lächeln die Lippen des Exsoldaten. «Ich sage nur, was ich denke.» Er musterte Nakos einen Moment lang. «Du solltest mit ihr darüber reden.»
Als hätte er das nicht versucht. Wieder und wieder. «Ich mag meine Eier, wo sie sind.»
Nate brummte amüsiert, den Blick auf sein Bier gerichtet. «Du hast mir damals erklärt, ich soll mich zusammenreißen und der Sache mit Olivia eine Chance geben. Es ist doch okay, wenn ich diesen Gefallen jetzt erwidere?»
In Anbetracht der Tatsache, dass er sich gerade wirklich wie ein Trottel benahm, würde es vielleicht helfen, die Meinung eines anderen Manns zu hören. Es war ja nicht so, als wäre er allein auf
tolle Ideen gekommen. «Ich habe sie geküsst.» Als Nate ihn ansah, nickte er. «Ich glaube, sie hat mir dabei das Hirn ausgesaugt.»
Wieder ein Lachen. «Wo ist das Problem?»
«Sie hat aufgehört, mit mir zu reden.» Bis heute Abend.
Es sind nur Brüste.
Okay, er brauchte etwas Stärkeres als Bier. Und zwar sofort.
Als Nate die Stirn runzelte, erklärte Nakos: «Es gefiel ihr. So viel habe ich mitbekommen.»
«Und noch mal: Wo ist das Problem? Setz dich mit ihr hin. Redet darüber.»
Nakos fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. «Wenn du sie auch nur halb so gut kennen würdest wie ich, wüsstest du, dass es wahrscheinlicher ist, dass ich zum UN
-Generalsekretär gewählt werde. Amy gibt nur preis, was sie für richtig hält. Sie hat Ausweichen, Ablenken und Abblocken zu einer Kunstform erhoben.»
«Ich wusste doch, dass es einen Grund gibt, warum ich sie mag.» Nate grinste. «Tut mir leid. Okay. Dann küss sie einfach noch mal. Frittier ihr im Gegenzug ebenfalls die Hirnzellen.»
Das wollte Nakos. Sogar dringend. Aber das, was sie bisher gesagt hatte, hielt ihn davon ab. Diese ganze Nur-dein-Körper-will-mich
-Tirade war … Er wusste es nicht. Sie lag damit nicht richtig, aber sie hatte ihm einigen Stoff zum Nachdenken geliefert. Denn es stimmte, dass er ausgetickt war, und das eben weil sie
es gewesen war, die er geküsst hatte. Jahre der Freundschaft standen auf dem Spiel.
Die Frauen kehrten an den Tisch zurück. Olivia ließ sich auf Nates Schoß nieder, um dann die Hälfte seines Biers zu leeren. «Oh Gott, das war fast so gut wie ein Orgasmus. Ich hatte echt Durst.»
Nates Lächeln wurde strahlend, als er sie ansah. «Ernsthaft? Das
Bier ist wässrig und lauwarm.»
Amy kletterte auf ihren Stuhl neben Nakos und schnaubte. «Orgasmen sind ein Mythos. Wie eine gute Kreditwürdigkeit.» Sie blinzelte nicht einmal, als alle sie nur entsetzt anstarrten. «Was? So ist es doch. Nur siebenundzwanzig Prozent der Frauen kommen beim Geschlechtsverkehr zum Höhepunkt. All dieser Hype wegen drei jämmerlichen Sekunden Aktivität des Nervensystems? Bitte.»
Nach einem langen Schweigen deutete Nate mit dem Finger auf sie. «Du bist bisher wirklich nur Blödmännern begegnet.»
Olivia nickte zustimmend.
Nakos schüttelte nur den Kopf, weil er zu nichts anderem fähig war. Amy war drei Jahre lang mit dem Antichrist verheiratet gewesen, und er bezweifelte schwer, dass ihr Exmann ein besonders aufmerksamer Liebhaber gewesen war. Aber Chris war nicht ihr erster Sexualpartner gewesen. Zumindest ging Nakos nicht davon aus. Sie war vor ihrer Ehe mit einigen Männern ausgegangen.
Er fragte sich, ob Amy einfach nur provozieren wollte oder wirklich noch nie guten Sex gehabt hatte. Das war bei ihr schwer zu sagen. Aber zum Teufel, er wollte ihr beweisen, wie falsch sie lag! Immer wieder. Die ganze Nacht lang. Bis sie nicht mal mehr die Augen öffnen konnte, geschweige denn sich bewegen.
«Wie auch immer.» Sie sprang von ihrem Stuhl und zog ihr Handy aus der hinteren Hosentasche, als es kurz vibrierte. «Ich …» Sie sah aufs Display und las die Nachricht, dann wurde ihr Gesicht plötzlich bleich, und ihr ganzer Körper versteifte sich.
Olivia runzelte die Stirn. «Was ist los?»
«Onkel Clint kommt zu Besuch.» Ihre Hände zitterten, und sie schluckte schwer.
«Igitt. Wann?» Olivia spähte auf das Handy.
«Ich weiß es nicht. Das schreibt Kyle nicht.» Mit den Daumen tippte Amy eine Antwort.
Nakos’ Magen verkrampfte sich, als ihre Gesichtsfarbe von gräulichem Weiß in einen leichten Grünton umschlug. «Ich kann mich nicht erinnern, dass du ihn schon mal erwähnt hättest.» Wieso löste dieser Onkel bei ihr eine solche Reaktion aus?
«Der Bruder meiner Mutter. Er lebt in Texas.» Amys Stimme zitterte fast genauso heftig wie ihre Hände. «Er kommt nicht allzu oft vorbei. Er hat uns ein paarmal besucht, als wir noch Kinder waren, und einmal, als Chris und ich schon geheiratet hatten. Das war das einzige Mal, dass mein Ex wirklich nützlich war. Er hat meinen Eltern erklärt, wir wären nicht da … dass wir campen gehen würden. Da Chris jegliche Familienzusammenkünfte hasst, hat er mir eine Ausrede geliefert.»
Olivia zuckte mit den Achseln. «Total unheimlicher Kerl, dieser Clint. Wie alt waren wir … dreizehn? …, als ich bei dir zu Abend gegessen habe und er auch da war?»
«Zwölf.» Amy atmete tief durch, den Blick immer noch auf ihr Handy gerichtet. «Das war sein letzter Besuch vor dem vor zwei Jahren.»
Olivia rümpfte die Nase, dann sah sie zwischen Nate und Nakos hin und her. «Er erinnert mich an einen Gebrauchtwagen-Verkäufer. Gel im Haar, zu viel Aftershave. Erzählt widerliche, anzügliche Witze. Ich schwöre, er hat mich die ganze Zeit angestarrt, als wolle er …» Sie schüttelte sich. «Bäh.»
Nates Blick wurde hart wie Zement. «Er hat was
getan?» Er fletschte förmlich die Zähne.
«Entspann dich. Das ist Jahre her. Er hat mich nie
angefasst. Er ist widerlich, aber harmlos.» Olivia sah Amy an. «Trotzdem musste ich hinterher duschen.»
Auch wenn er Olivia nicht angefasst hatte, welches kranke Arschloch sah ein zwölfjähriges Mädchen auf diese Weise an? Oder erzählte ihnen anzügliche Witze? Nakos’ Temperament drohte überzukochen. Kein Wunder, dass Amy so reagierte. Jeder würde sich in der Nähe einer solchen Person unwohl fühlen.
«Nächste Woche Freitag.» Amy schloss für einen Moment die Augen, dann steckte sie ihr Handy wieder weg. «Da kommt er und bleibt übers Wochenende bei meinen Eltern.»
«Nun, das ist zumindest ein Vorteil daran, dass deine Leute dich enterbt haben.» Olivia drückte Amys Hand. «Du musst nicht höflich sein. Oder ihn überhaupt sehen.»
«Das stimmt.» Sie atmete einmal tief durch, und ihr Gesicht gewann etwas an Farbe zurück. Dann setzte sie sich wieder. Da es ihr besser zu gehen schien, beruhigte sich auch Nakos. «Was habe ich verpasst, während ich Liv beim Billard fertiggemacht habe?»
«Nicht viel.» Nate schickte ein Grinsen in Nakos’ Richtung. «Aber ich habe was Interessantes gehört. Du spezialisierst dich jetzt auf das Fotografieren von Cowboys?»
Sie grinste frech. «Mit einem dezidierten Interesse an tätowierten Exsoldaten.»
Nakos lachte. «Ich hab’s dir doch gesagt.» Schätzungsweise würde es nicht mal fünf Minuten dauern, bis sie ihren Willen gekriegt hatte.
Nate schüttelte entschieden den Kopf. «Nein.»
«Komm schon.» Amy wackelte mit den Augenbrauen. «Dich muss man unbedingt für die Nachwelt festhalten.»
«Nein.»
«Probier es doch mal aus. Nur ein Fotoshooting.» Sie klimperte mit den Wimpern. «Schließlich hast du mir die Kamera gekauft. Und Olivia wird die Bilder lieben.»
Nate sah zu seiner Frau, nur um die Schultern sinken zu lassen, als sie zustimmend nickte. «Verräterin.» Mit zusammengekniffenen Lippen sah er ein weiteres Mal zu Amy. Schwieg einen Moment. «Ohne, dass man mein Gesicht sieht, wie du es bei ihm gemacht hast.» Er deutete mit dem Daumen auf Nakos.
«Das lässt sich einrichten.» Amy tanzte auf ihrem Sitz, als wäre sie sich sicher, gewonnen zu haben.
«Und ich lasse mein Hemd an.»
«Das kommt runter.»
«Es bleibt an.»
Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch. «Okay, Kompromiss. Ein aufgeknöpftes Hemd? Oder ein enges Shirt, das deine Tätowierungen zeigt und die Muskeln betont?»
Nate musterte sie einen Moment. «Okay. Abgemacht.»
«Yippie!» Sie riss triumphierend die Faust in die Luft, dann ließ sie den Blick über seinen Körper wandern, als komponiere sie bereits das Foto. «Du wirst auf den Bildern zum Anbeißen aussehen.»
«Zum Anbeißen, hm?» Stirnrunzelnd sah Nate Olivia an, als wolle er ihre Reaktion abschätzen.
Olivia legte nur den Kopf schräg. «Amy hat recht.» Sie drückte ihm lächelnd einen Kuss auf die Lippen, dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Freundin. «Was wirst du Sam sagen?»
Amy zuckte mit den Schultern. «Vielleicht sage ich ja.»
Moment. Was? «Sam, unser Angestellter?» Nakos sah zwischen den Frauen hin und her. Die beiden wechselten die
Themen schneller, als ein Steppenfeuer außer Kontrolle geriet. «Ja zu was?»
«Jep, unser Sam. Er hat Amy zum Abendessen eingeladen.» Olivia bedachte Nakos mit einem Was-willst-du-dagegen-unternehmen
-Blick. «Oder fällt dir ein guter Grund ein, weshalb sie ihn zurückweisen sollte?»
Ah. Also hatte Amy Olivia von dem Kuss erzählt. Super. Wieso setzte sie es nicht einfach in die Zeitung? Und auf keinen Fall würde Amy mit Sam ausgehen. Er war ein toller Arbeiter und durchaus in Ordnung, aber nein. Niemals. Er würde das nicht zulassen.
Hihcebe.
Er erstarrte. Nate hatte recht. Er hatte wirklich ein Problem.
«Seltsam, dass er jetzt schon fünf Jahre für dich arbeitet und mich noch nie um ein Date gegeben hat.»
Olivia wedelte wegwerfend mit der Hand. «Drei Jahre davon warst du verheiratet. Und er hat sich gerade erst von dieser Kellnerin aus dem Diner getrennt.»
«Hm.» Amy senkte nachdenklich den Kopf.
Als Nate sich in dem schlechten Versuch, ein Grinsen zu verbergen, den Mund rieb, seufzte Nakos. Er hatte das Gefühl, dass er hier in eine Falle gelockt wurde. Was allerdings keine Rolle spielte, weil er seine erste Reaktion genauso wenig kontrollieren konnte, wie er Amy kontrollieren konnte.
Er stemmte die Ellbogen auf den Tisch und sah sie direkt an. «Mach es. Geh auf das Date und hab Spaß.» Sein linkes Auge zuckte, und er musste sich auf die Zunge beißen, um seine Aussage nicht sofort zurückzunehmen.
Amy kniff irritiert die Augen zusammen, während sie ihn
abschätzend musterte, aber … Ja. Ja, ja und zur Hölle ja. Endlich sah er etwas. Er entdeckte Schmerz in den blaugrünen Tiefen ihrer Augen, als hätte seine Antwort sie verletzt. Sie wollte offensichtlich nicht mit dem Kerl ausgehen. Und er selbst hasste schon allein die Idee.
Tagelang hatte die Unklarheit ihn in den Wahnsinn getrieben. Ständig hatte er hinterfragt, was Amy wollte, und seine eigenen Gefühle seziert.
Das war jetzt vorbei. Dieses Gefühlschaos würde heute Abend enden, sobald er sie nach Hause gebracht hatte. Vielleicht würde er den Abend nicht überleben, aber das war ein Risiko, das er eingehen würde. Es spielte keine Rolle, wie schnell oder wie langsam er vorgehen musste – und er würde sich auch nicht darum kümmern, was für verwirrende Dinge sie so von sich gab.
Diese Chemie zwischen ihnen? Diese knisternde Anziehungskraft? Sie ließ sich nicht leugnen.
Die Tatsache, dass er noch nie etwas Ähnliches empfunden hatte, reichte Nakos als Rechtfertigung, etwas zu unternehmen. Er hatte keine Ahnung, warum Amy abblockte oder sogar die Flucht antrat. Ihre Abwehrmechanismen hatten sich eingeschaltet, kaum dass es zu dieser seltsamen Veränderung in ihrer Freundschaft gekommen war. Aber er würde die Gründe dafür herausfinden, und wenn es das Letzte war, was er tat.
Weil sie ihn auch wollte. Und, ja: Diese Frau war ein wandelndes Pulverfass. Aber er wünschte sich nichts mehr, als der Funke zu sein, der sie zum Explodieren brachte.
«Also … damit habe ich absolut nicht gerechnet.» Olivia sah zwischen Nakos und Amy hin und her, dann richtete sie ihren Blick
auf Nate. «Wieso grinst du?»
Nate kratzte sich am Kinn, offensichtlich hin und her gerissen, ob er die Wahrheit sagen sollte oder nicht. «Amy hört nie auf das, was Nakos sagt. In neunundneunzig Prozent aller Fälle tut sie sogar genau das Gegenteil.» Er hob vielsagend die Augenbrauen.
Nakos rieb sich kopfschüttelnd den Nasenrücken. Da war er ja weit gekommen mit seiner umgekehrten Psychologie.
«Oh.» Olivia richtete sich auf. «Ooohh!»
Nakos lehnte sich ein wenig zurück und beobachtete die unzähligen Emotionen, die über Amys Gesicht huschten. Verärgerung. Erleichterung. Verwirrung. Interesse. Bevor sie anfangen konnte, Rachepläne zu ersinnen und Sam doch noch zuzusagen – oder etwas anderes zu tun, was seine Pläne durchkreuzen konnte –, sagte Nakos: «Bist du bereit, nach Hause zu fahren?»
Wenn er ihre leicht aufgerissenen Augen richtig deutete, lautete die Antwort … «Nein.»
Er nickte, wobei ein leises Lächeln seine Lippen umspielte. «Ich kann warten, anim
.» Oh ja. Er würde abwarten, egal, wie lange sie brauchte.