16
Nakos wartete, bis die Überraschung aus Amys Miene verschwand und von Verlangen ersetzt wurde. Ihre Wangen röteten sich, während sie ihn anstarrte.
Gut. Sie hatte keine Ahnung, wie schwer es ihm gefallen war, diese Woche die Finger von ihr zu lassen. Doch ihre Unterstellung, für ihn wäre das alles nur ein Spiel, hatte ihn an den Punkt getrieben, an dem es kein Zurück mehr gab. Eines Tages, irgendwie, würde er zu ihr durchdringen. Die erfolglosen Versuche würden ihn wahrscheinlich in eine Gummizelle bringen, aber Amy war es wert, hundertmal gegen eine Wand zu rennen.
Er erinnerte sich selbst daran, dass man Schäden aus dreißig Jahren nicht in einer Nacht heilen konnte, und zog Amy wieder näher an sich. Ihre weichen Kurven zu spüren ließ ihn fast rotsehen.
«Würdest du mit mir duschen gehen?» Sie hatten beide den ganzen Tag gearbeitet. Außerdem träumte er seit Tagen davon, sie auszuziehen. Die Vorstellung, sie feucht zu sehen – auf mehrere Arten –, sorgte dafür, dass er hart wurde. «Bitte», knurrte er.
«Okay.» Ein gehauchtes Flüstern. Ein angespanntes Blinzeln. «Du meinst … jetzt?»
Als Antwort presste er den Mund auf ihren, hob sie hoch und trug sie über den Flur. Er trat die Badezimmertür hinter ihnen ins Schloss und drehte die Dusche auf, ohne die Lippen von ihren zu lösen. Verzweifelte Geräusche stiegen aus Amys Kehle auf, als er den Kuss nun vertiefte. Er hätte Ewigkeiten allein damit zubringen können, ihren Mund zu erforschen.
Er strich über ihre weiße Bluse, dann zog er sich weit genug zurück, um Amy in die Augen zu sehen. «Auf das hier freue ich mich schon, seitdem ich dich im Bad überrascht habe.»
Langsam öffnete er die Knöpfe, ohne seinen Blick von ihrem zu lösen. Sie wirkte zögerlich und nervös, was seine Schläfen zum Pochen brachte. Er dachte an die Diät, daran, dass sie keinen Badeanzug anziehen wollte, als sie zum Schwimmen an den Fluss geritten waren. Das alles hatte mit ihrem verdrehten Selbstbild zu tun. Doch er würde ihr zeigen, wie sehr sie sich irrte.
Er schob die Bluse von ihren Armen und ließ sie zu Boden fallen. Amys Lider senkten sich langsam, doch Nakos konnte sich kaum sattsehen. Ihr zu zeigen, dass ihm gefiel, was er sah – mehr als nur gefiel –, würde ihr hoffentlich beweisen, dass er ihren Körper anbetete. Ihre üppigen Brüste waren hinter weißer Spitze gefangen, also befreite er sie mit einer Handbewegung, ließ den BH ihrer Bluse folgen. Ihre Atmung wurde schwerer, doch sie hielt die Augen geschlossen, als könne sie es nicht ertragen, Enttäuschung in seinem Blick zu entdecken.
Niemals.
Nakos kniete sich vor sie, öffnete ihre Hose, ließ die Hände in den Bund gleiten und schob den Stoff zusammen mit ihrem Höschen nach unten. Wortlos trat sie aus der Kleidung. Ihre Arme zitterten, und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, als kämpfe sie gegen den instinktiven Drang, sich zu bedecken. Und immer noch hielt sie die Augen geschlossen.
Ohne aufzustehen, legte Nakos die Hände an ihre Hüften und musterte Amy genau. Sie bestand aus Kurven und Weichheit statt aus Kanten und Härte. Ihr kakaobraunes Haar und die rosigen Nippel standen in wunderbarem Kontrast zu ihrer hellen Haut – ein Anblick, der sein Herz zum Rasen brachte. Ihre Figur war perfekt. Lange Beine. Weiche Rundungen, in die er seine Zähne versenken wollte. Atemberaubend.
«Wunderschön, anim .» Seine Kehle wurde eng, als er zu ihr aufsah.
Endlich hoben sich ihre Lider, enthüllten Zweifel und … Hoffnung.
«Wunderschön», wiederholte Nakos, dann stand er auf. Er küsste Amy sanft und ließ ihr Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen, ohne die Hände von ihrem Körper zu lösen. Ihr keuchender Atem verband sich mit seinem, warm und verlockend. Lockend ließ er seine Lippen über ihre gleiten, dann wiederholte er die Berührung mit seiner Zunge und bat um Einlass. Sie gewährte ihm seinen Wunsch. Er umspielte zärtlich ihre Zunge, bis Amy sich ein wenig entspannte. «Zieh mich aus», sagte er rau. Nicht nur würde er das unglaublich genießen, sondern sie bekam damit auch die Kontrolle über die Situation.
Amy verschwendete keine Zeit, sondern vergrub ihre Finger im Stoff seines T-Shirts und zog es ihm in einer schnellen Bewegung über den Kopf. Als Nächstes folgten die Jeans, zusammen mit den Boxershorts. Dann ließ sie mit geröteten Wangen den Blick über ihn gleiten. Je länger sie ihn anstarrte, desto heißer wurde ihm. Er konnte sich nicht erinnern, dass eine Frau ihn je so genau betrachtet hatte. Hätte er nicht die Anerkennung in ihren Meerjungfrauenaugen gesehen, hätte er sich vielleicht ein wenig unwohl gefühlt.
Sie hob den Blick zu seinen Augen. Starrte ihn an. Flehte ihn wortlos an, etwas zu unternehmen. Verriet ihm, dass sie ihn wollte. Sich wünschte, genommen zu werden.
Er hob Amy hoch, stellte sie in die Dusche und folgte ihr, bevor er den Vorhang schloss. Dampf erfüllte die Luft, ein verführerischer Nebel. Wasser rann über ihren sinnlichen Körper und … zur Hölle. Nakos wollte jeden Tropfen von ihrer Haut lecken.
Doch zuerst wusch er sich eilig, während sie ihm zusah, dann schob er sie unter den Strahl. Er massierte Shampoo in ihr Haar, bevor er sorgfältig ihren gesamten Körper einseifte; seine rauen Hände über ihre weiche Haut gleiten ließ. Amys Lider schlossen sich flatternd, als er bei ihren Brustwarzen verweilte, die bereits verhärtet waren, und seine Hand dann zwischen ihre Beine gleiten ließ.
Obwohl er sich mit Frauen gerne Zeit ließ, und Geduld sich immer lohnte, hatte er noch nie so viel Energie in das Vorspiel investieren müssen. Sie brauchte länger als die meisten, um sich dem Verlangen hinzugeben. Das zwang ihn dazu, seine Lust unter Kontrolle zu halten, Details wahrzunehmen … Und er stellte fest, dass es ihm nichts ausmachte. Absolut nicht. Es war seltsam erregend zu beobachten, wie ihr Verlangen sich nach und nach aufbaute; sich allein auf sie zu konzentrieren und zu wissen, dass nur er sie zur Explosion bringen konnte.
Jede Berührung, jede Liebkosung zeichnete eine Karte ihrer Gefühle – der Teile, die sie versteckt hielt und nicht zu zeigen wagte. Alles war neu und doch vertraut. Und dieser Widerspruch verstärkte nur seine Lust. Mit Amy zusammen zu sein war, als würde er ein fremdes Land erkunden, nur um dann festzustellen, dass er … zu Hause war.
Amy legte eine Hand um seinen Hinterkopf und hob sich auf die Zehenspitzen. Ihre blaugrünen Augen waren geweitet. Sie starrte ihn an, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, als versuche sie zu entscheiden, was sie tun sollte. Nakos ließ die Finger durch ihr nasses Haar gleiten, gab ihr Zeit, zu einem Entschluss zu kommen, wartete darauf, dass sie ihn …
Küsste. Sie stürzte sich auf seinen Mund. Verschwunden waren alle Zurückhaltung und Zögerlichkeit. Ihr Knabbern und Saugen – das Duell ihrer Zungen – sorgte dafür, dass er auf die Knie sinken wollte. Sie presste sich an ihn, ihre Haut schlüpfrig vom Wasser und heiß wie die Sünde.
Hihcebe , ja. Ein Blitz von Verlangen durchfuhr Nakos, verbrannte seine Nervenenden und brachte sein Blut zum Kochen.
Er legte die Arme um sie, drehte sich mit ihr gemeinsam, bis er ihren Rücken gegen die Fliesen pressen konnte. Amys Körper schmiegte sich weich an seine Härte, ergänzte ihn perfekt. Nichts in seinem Leben hatte sich je so richtig angefühlt. Sie … passten einfach.
Verlangen erfüllte ihn, als er erneut vor ihr auf die Knie sank. Ohne eine Sekunde zu verschwenden, schloss er die Lippen um einen Nippel und liebkoste ihn mit seiner Zunge, während Wasser um sie herum zu Boden prasselte. Amy schrie auf, und er stöhnte befriedigt. Sie vergrub die Finger in seinem Haar, packte fest zu und drängte ihm ihren Körper entgegen. Er wandte sich der anderen Brust zu und liebkoste auch diese Brustwarze, ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden.
Verdammt, sie war schön. Geschwollene Lippen, gerötete Wangen und feuchte Wimpern, die halb ihren verschleierten Blick verbargen. Stolz und Lust erfüllten ihn, während sein Blut in Richtung Körpermitte schoss.
Er ließ seine Lippen weiter nach unten gleiten, knabberte an Amys Bauch, während er gleichzeitig die Hände nach hinten schob, um ihren Hintern zu umfassen. Sie stöhnte und zitterte in seinem Griff. Er ließ seine Zungenspitze an einem Schenkel nach oben, an dem anderen wieder nach unten streichen in der Hoffnung, sie genauso wahnsinnig zu machen, wie sie es mit ihm tat. Das Zerren an seinem Haar verriet ihm alles, was er wissen musste. Ohne Vorwarnung vergrub er sein Gesicht in dem kleinen Dreieck aus dunklen Locken.
«Oh Gott.» Sie keuchte, ihre Beine zitterten, und er musste die Finger tiefer im Fleisch ihres Hinterns vergraben, um Amy auf den Beinen zu halten. «Nakos …» Sie bäumte sich ihm entgegen, und er grinste.
Er liebkoste ihre feuchten Falten, stieß mit der Zunge in sie, um direkt danach ihre Klitoris zu umkreisen. Amy presste einen Arm gegen die Fliesen, während sie ihm mit der anderen Hand fast die Haare ausriss. Er genoss den Schmerz und machte weiter, hielt den Rhythmus aufrecht, weil der für sie zu funktionieren schien.
Schließlich sah er zu ihr auf, wobei er gegen den Drang kämpfen musste, seinen pochenden, schmerzenden Schaft zu berühren. Es war, als könne er dabei zusehen, wie Schicht um Schicht ihrer Unsicherheit verschwand, um den weichen Kern darunter freizugeben. Die Leidenschaft und die Glut, die sie tief in sich begraben hatte – oder von der sie vielleicht nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie besaß –, drängten an die Oberfläche. Und dann – mit kreisenden Hüften, zurückgeworfenem Kopf und zusammengepressten Augen – gab sie sich hin.
Ihr plötzlicher Aufschrei und die Zuckungen ihres Körpers überraschten ihn so sehr, dass er sie fast losgelassen hätte. Er hatte noch gar nicht so viel getan. Sie hatte den Höhepunkt viel schneller erreicht als auf der Couch. Doch sie war so weit – explodierte unter seinen Händen und seinem Mund. Nie war sie schöner gewesen, sein Engel. Mit zitternden Lippen keuchte sie auf, und er wäre fast zu ihren Füßen zusammengebrochen.
Verlangen und Lust kämpften in seinem Kopf, seiner Brust mit Zuneigung und Zärtlichkeit, bis seine Augen brannten und sein Schwanz zuckte. Er ließ die Stirn auf ihren Bauch sinken und atmete, wie sie auch, tief durch. Die Hände an ihrer Taille hielt er still, wobei er die Daumen geistesabwesend über ihre Rippen gleiten ließ.
Nach einem Augenblick – oder einer Stunde – strich sie mit den Fingern durch sein Haar. Als er sich nicht bewegte – weil er es nicht konnte –, legte sie zwei Finger unter sein Kinn und zwang ihn, den Kopf zu heben und sie anzusehen. «Geht es dir gut?»
Tja, was sollte er dazu sagen? Nein, es ging ihm nicht gut. Je länger diese Beziehung dauerte, desto mehr verlor er sich in Amy. Langsam wurde ihm klar, dass jede Sekunde seines Lebens auf den Moment hingeführt hatte, in dem er endlich die Augen geöffnet und sie gefunden hatte. Und ja, gleichzeitig ging es ihm mehr als gut. Aus genau denselben Gründen.
Nakos stand auf und umfasste ihr Gesicht. «Eigentlich sollte ich dich das fragen.»
Sie grinste. «Mir geht es super.»
Befriedigung erfüllte ihn, und ihm wurde warm ums Herz. Statt die erstaunte Vorsicht vom ersten Mal zu zeigen, strahlte sie jetzt förmlich. «Ja, das sieht man.» Er drückte die Lippen auf ihre, während Wasser auf ihre Körper prasselte und Dampf sie umwaberte.
Er wollte den Kuss gerade vertiefen, als sie … auf die Knie sank. Er presste die Stirn gegen die Fliesen und die Hände gegen die Wand, um sich auf den Beinen zu halten.
Als er den Blick senkte, erlitt er fast einen Herzinfarkt. Sie kniete vor ihm, den Mund nur Zentimeter von seiner Härte entfernt. Dann rieb sie ihre Wange über seine Unterseite. Sein Atem stockte, als er wartete. Ihr Haar bildete einen Vorhang, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Gerade, als er kurz davorstand, zu betteln, zu weinen, keine Ahnung, was, schlang sie die Finger fest um seine Wurzel und bewegte die Hand.
Nakos keuchte. Sie hatte sich offensichtlich gemerkt, wie er es mochte, weil ihr Griff fest war. Er schloss die Augen. Wobei es keine Rolle spielte, was sie tat oder wie sie ihn berührte. Er war Amy vollkommen ausgeliefert. Und die Tatsache, dass sie das von sich aus tat, ohne Ermunterung oder Führung, trieb seine Lust in ungekannte Höhen.
Warme Lippen schlossen sich um seine Spitze, und er riss die Augen auf. Sie sog ihn tiefer in den Mund, die Hand immer noch um seine Wurzel geschlossen. Er bekam nicht genug Luft. Ihre Zunge umkreiste ihn. Sie saugte an ihm, bewegte die Hand. Er stöhnte so heftig auf, dass seine Rippen vibrierten.
«Amy.» Ihr Name drang in einem langsamen Ausatmen über seine Lippen. «Es ist so gut, anim
Er wollte die Hände in ihrem Haar vergraben, wollte in ihren Mund stoßen, doch stattdessen presste er die Handflächen fester gegen die Fliesen. Sie hielt nicht inne, wurde nicht langsamer, und als sie ein zufriedenes Brummen ausstieß, verlor er die Kontrolle. Eine Empfindung nach der anderen durchschoss seinen Körper. Brennende Hitze. Köstliche Verzweiflung. Sein Rücken versteifte sich.
«Ich komme.» Er zog die Brauen zusammen, öffnete den Mund. «Amy, ich …»
… explodiere. Zerspringe in tausend Teile.
Mühsam entzog er sich ihrem Mund, doch ihre Hand liebkoste ihn weiter. Umfasste fest seine Länge. Glitt über seine Spitze. Wieder nach unten. Mit der anderen Hand massierte sie seine Hoden und zog leicht daran. Er zuckte stöhnend, als eine Welle der Lust nach der nächsten ihn durchfuhr. Ein Schrei entrang sich seiner Kehle. Muskeln schienen den Kontakt zu Knochen zu verlieren. Sterne tanzten hinter seinen geschlossenen Lidern.
Heilige Maria, Mutter Gottes.
Amys Bewegungen wurden langsamer, und er holte keuchend Luft. Oder versuchte es zumindest. Ihre Finger glitten über seine Bauchmuskeln, seine Hüften, und nach einem Moment wurde ihm klar, dass sie ihn säuberte. Er hatte nicht das Gefühl, die Augen öffnen zu können, doch er strengte sich an, um auf sie herunterzusehen.
Hm. Da wirkte aber jemand sehr zufrieden mit sich selbst. Und so sollte es auch sein. In gewisser Weise war er sogar noch glücklicher als sie – nicht nur, weil er gekommen war und sie dafür gesorgt hatte, sondern weil Amys Zweifel langsam verklangen und sie ihren Instinkten folgte.
«Komm hier hoch, damit ich dich küssen kann.» Er wartete nicht ab, sondern packte sie stattdessen unter den Armen, zog sie an seinem Körper nach oben und presste die Lippen auf ihren Mund.
Später, nachdem er sich eine Trainingshose und ein T-Shirt angezogen hatte und sie einen leichten Pyjama trug, der ihre Kurven so gut wie überhaupt nicht verhüllte, saßen sie zusammen auf der hinteren Veranda. Er ruhte auf einem Liegestuhl, mit ihr zwischen seinen Beinen. Ihr Rücken lehnte an seiner Brust, und er seufzte, während er zu den Sternen aufsah. Hätte er sich nie wieder bewegen müssen, wäre er glücklich gewesen.
Nakos ließ die Finger langsam durch ihr Haar gleiten und atmete Amys sinnlichen Duft ein. Grillen zirpten, und Blätter raschelten in der warmen Brise, doch bis auf ihren Atem waren das die einzigen Geräusche. Es war so dunkel, dass sogar die Schatten Schatten warfen. Das einzige Licht stammte von den Sternen, doch trotzdem hatte er das Gefühl, noch nie klarer gesehen zu haben.
Seitdem sie sich als Kinder begegnet waren, hatte er sich in Amys Nähe wohl gefühlt; hatte in ihrer Umgebung alles sagen oder tun oder sein können, was er wollte. Trotz der Art, wie sie sein Herz zum Rasen, seine Nerven zum Flattern brachte, hatte er sich nie jemandem näher gefühlt als Amy. Es war fast unheimlich, wenn man bedachte, dass er nie wusste, was sie als Nächstes sagen würde, und dass er die Hälfte der Zeit den Drang verspürte, seinen Kopf gegen eine Wand zu schlagen, wenn sie in der Nähe war.
Vielleicht lag darin des Rätsels Lösung. Gleichgewicht. Er war lieber allein und schwieg. Amy dagegen war das Leben selbst. Es bestand nicht die geringste Gefahr, dass ihre Beziehung langweilig werden oder er sich fragen müsste, ob er sich einfach nur mit einem Kompromiss zufriedengab. Nicht mit Amy. Mit ihr war alles genau so, wie es sein sollte.
Doch es lauerte eine Dunkelheit in Amys Kopf, wartete in den Ecken ihres Verstandes darauf, zuzuschlagen. Er hatte ein-, zweimal einen Blick darauf erhascht, aber nicht wirklich verstanden, wie allumfassend diese Schwärze war. Richtig klar geworden war ihm das erst, als Amy ihren Schutzschild gesenkt hatte. Einen Schutzschild, von deren Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte. Er kannte Amy schon fast sein ganzes Leben lang. Zu erfahren, dass es Dinge gab, die sie vor ihm verborgen hatte, war sogar noch erschreckender als der Fakt, dass diese Dunkelheit überhaupt existierte. Und es ging um mehr als nur um Selbstbewusstsein. Er hatte keine Ahnung, was sie versteckte – aber was auch immer es sein mochte, es verhinderte, dass sie sich hundertprozentig auf ihn einließ. Sie hielt sich zurück, und er musste erfahren, warum. Sonst würde das hier nie funktionieren. Nicht wirklich.
Zuerst hatte er geglaubt, ihr würde das Vertrauen in die Beziehung fehlen. Vielleicht sogar in ihn. Doch je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass Amy sich selbst nicht vertraute. Genau wie alle anderen hatte er ihr das aufgesetzte Selbstbewusstsein abgekauft. Wahrscheinlich hatte sogar Amy selbst an diese Täuschung geglaubt. Die spitze Zunge und das herausfordernde Auftreten waren so sehr Teil ihrer Persönlichkeit, dass sie vollkommen natürlich wirkten. Doch wie viel davon war Schutzmechanismus, und wie viel gehörte wirklich zu Amy?
Wieder dachte Nakos daran zurück, wie sie am Flussufer gesessen und sich mit Nate unterhalten hatte. Sie hatten ein intensives Gespräch geführt, und Nakos verzehrte sich danach, zu erfahren, worüber sie gesprochen hatten. Er hatte nicht viel erkennen können, wenn er zu ihr hochgesehen hatte, aber er hatte kurze Blicke auf ihre ernsthafte Miene erhascht. Und auch Nate hatte ernst gewirkt.
Nakos gab es nur ungern zu, doch der Exsoldat war vermutlich die beste Person, mit der Amy sprechen konnte. Nate hatte in den ersten dreißig Jahren seines Lebens unvorstellbare Dinge gesehen und getan, und dieser Horror folgte ihm überallhin. Durch Olivias Hilfe kam er langsam darüber hinweg und entwickelte sich weiter. Strebte nach Glück. Das konnte nicht einfach sein, aber Nate versuchte es.
Trotzdem waren da immer noch Reste der Düsternis, die ihn früher umfangen hatte. Und diese Düsternis war eine Spiegelung der Schwärze, die sich manchmal in Amys Blick zeigte. Der Gedanke, dass sie litt – dass irgendwer sie so tief verletzt hatte –, ließ Nakos das Herz gefrieren.
Er senkte sein Kinn auf ihren Scheitel und zog sie enger an sich. Als würde das ausreichen, um sie bei sich zu behalten. «Geht es dir gut, anim
Sie brummte leise. «Das fragst du mich oft.»
Weil er eine Antwort darauf brauchte, selbst wenn er sie nicht unbedingt hören wollte. «Ich mache mir Sorgen um dich.» Ständig und ununterbrochen.
Sie schwieg einen Moment, während sie ihre Finger über seine Unterarme gleiten ließ, die er um ihren Körper gelegt hatte. «Ich habe auf der Highschool für dich geschwärmt.»
Was? «Ich …» Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte keine Ahnung gehabt. Das Wort schockiert umschrieb sein Gefühl nicht mal ansatzweise.
«Ich war nicht total verknallt oder irgendwas. Ich war mir einfach der Anziehung bewusst, schätze ich. Die ganze Zeit habe ich gehofft, dass du es bemerkst, aber das ist nie passiert.» Sie seufzte, dann drehte sie sich, bis sie fast auf dem Bauch in seinen Armen lag.
Sie ließ ihr Kinn auf seine Brust sinken und schwieg erneut einen Moment. Als sie kurz darauf weitersprach, schwang ein melancholischer, fast trauriger Tonfall in ihrer Stimme mit. «Ich bin an Enttäuschungen gewöhnt. Früher habe ich viel Zeit darauf verschwendet, zu hoffen, dass meine Eltern mir einen Bruchteil der Liebe entgegenbringen, die sie für meinen Bruder empfinden. Aber das wird nie passieren. Oder in den letzten paar Jahren: Da saß ich abends Ewigkeiten allein in der Küche mit dem kalt gewordenen Essen und hoffte, dass heute der Tag wäre, an dem mein Ehemann mich tatsächlich ansieht. Oder ich habe mich selbst im Spiegel angestarrt und gehofft, irgendwann ein Bild zu sehen, das nicht dafür sorgt, dass ich mich angewidert abwenden will.»
Nakos bemühte sich, irgendwie Sauerstoff in seine Lungen zu kriegen, aber das schien unmöglich. Ein Messer, das man ihm in den Bauch rammte, hätte ihm weniger Schmerzen bereitet als Amys Geständnis. Tief erschüttert, starrte er auf den Horizont, ohne einen Schimmer zu haben, was er tun sollte.
Amy spielte am Ärmel seines T-Shirts herum. «Dass dir meine Verknalltheit nicht aufgefallen ist, fällt da eigentlich kaum ins Gewicht. Aber ich weiß nie, was ich antworten soll, wenn du mich fragst, wie es mir geht. Zwischen damals und heute sind eine Menge Dinge passiert. Selbst wenn wir jetzt zusammen sind, wartet ein Teil von mir nur darauf, dass du mich in die Wüste schickst. Ich denke ständig daran, wie oft ich vorgeben musste, ich würde nicht so für dich empfinden oder ich würde nicht jedes Pärchen ansehen und mir wünschen, das wären wir. Das Leben hat mich gelehrt, dass es sinnlos ist zu träumen und dass man etwas nicht unbedingt bekommt, nur weil man es will.»
Amy zuckte mit den Achseln. «Aber das spielt keine Rolle. Ich bin hier, ich werde wie immer auf den Füßen landen und kämpfen, um dem Karma auch das nächste Mal den Stinkefinger zu zeigen. Wenn du mich also fragst, ob es mir gut geht, lüge ich. Weil es vielleicht jetzt noch nicht stimmt, aber hoffentlich bald.»
Schweigen breitete sich aus. Der Schmerz in seiner Brust war so heftig, dass er tatsächlich den Blick senkte, um herauszufinden, ob sein Brustkorb aufgerissen war. Doch er sah nur dichtes, kakaobraunes Haar über der Stelle, wo einmal sein Herz gewesen war. Zerschmettert, am Boden zerstört, vergrub er das Gesicht in ihren weichen Strähnen.
«Ich wette, jetzt tut es dir leid, dass du gefragt hast. Es ist viel einfacher, wenn ich behaupte, es ginge mir gut.»
Nakos presste die Augen zu. Tränen brannten hinter seinen Lidern. Er atmete dagegen an, wartete ab, bis er wieder reden konnte. Letztendlich musste er sich zweimal räuspern, bevor es ihm wirklich gelang. «Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe.»
«Hast du nicht. Himmel, du wusstest es ja nicht mal.»
Falsch. Er mochte sich ihrer Gefühle nicht bewusst gewesen sein, aber verletzt hatte er sie trotzdem. Von den wenigen Leuten, die ihr etwas bedeuteten, war er einer der Wichtigsten. Und er hatte ihr – unabsichtlich – zu verstehen gegeben, dass sie nicht von Belang war, indem er das Offensichtliche nicht erkannt hatte. Und weil sie sich gegenseitig so viel bedeuteten, hatte er wahrscheinlich den schlimmsten Schaden angerichtet.