Epilog
Einen Monat später …
In Olivias Küche sah Amy die Bilder durch, die sie letzte Woche geschossen hatte. Olivia saß neben ihr an der Kücheninsel und schaute mit. Sie hatten vor, zum Blind Man’s Bluff zu reiten, sobald Nakos mit den Pferden fertig war.
Es war ein wunderschöner Samstag mit warmem Sonnenschein, und Amy freute sich schon auf den Ausflug. Die letzten paar Wochen waren anstrengend gewesen, mit regelmäßigen Fahrten nach Caspar, um ihre Aussagen für den Prozess vorzubereiten. Was bedeutete, dass sie einem Haufen Fremder ihre Geschichte erzählen musste. Doch ihre Freunde hatten ihr die ganze Zeit beigestanden, hatten ihr Rückhalt geboten.
Mae trat zu ihnen und stellte ihren Tee auf den Tisch. «Also hat Clint den Deal angenommen?», fragte sie.
«Ja.» Amy steckte die Bilder zurück in den Umschlag. «Der Staatsanwalt hat gestern angerufen. Irgendwie schockiert mich das.»
Es gab keinerlei Beweise für die Anschuldigungen gegen ihren Onkel. Sie und Clint hatten beide einen Lügendetektortest absolviert, der vor Gericht zwar nicht zugelassen war, aber der Staatsanwaltschaft zumindest Hinweise lieferte. Amy hatte bestanden. Ihr Onkel nicht. Und als ihre Eltern unter Eid zugegeben hatten, dass sie ihnen an dem Tag, an dem es passiert war, von der Vergewaltigung erzählt hatte, hatten Clint und sein Anwalt es vorgezogen, mit dem Staatsanwalt einen Deal auszuhandeln.
Olivia runzelte die Stirn. «Zwei Jahre Knast, von denen er wahrscheinlich nur wenige Monate absitzen wird, reichen bei weitem nicht aus.»
Für Amy ging es nicht darum, wie lange ihr Onkel ins Gefängnis kam. Es ging darum, dass sie für sich selbst eingestanden war und dieses Thema jetzt endlich abschließen konnte. Nate hatte recht gehabt. Jeden Tag ging es ihr ein bisschen besser als am Tag zuvor, und langsam gelang es ihr, die Zweifel abzuschütteln, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hatten.
«Ich bin nur froh, dass es vorbei ist.» Sie umarmte Olivia, lächelte Tante Mae an.
«Amen.» Olivia beäugte sie. «Du und mein Ehemann verbringen eine Menge Zeit miteinander. Es freut mich, dass ihr euch so gut versteht.»
Reha hatten sie es getauft. Immer mittwochnachmittags kletterten Nate und Amy in das Baumhaus und unterhielten sich eine Stunde lang. Er hatte ihr ein paar ziemlich schreckliche Dinge aus seiner Vergangenheit erzählt, und sie hatte das Gleiche getan. Es war ein … heilsamer Prozess. Olivia und Nate konnten über alles miteinander reden, genau wie Nakos und Amy. Doch manchmal zog die Dunkelheit die Dunkelheit an, weil man einfach jemanden brauchte, der verstand. Ihre Gespräche waren auf gewisse Art therapeutisch, für sie beide.
«Mich freut es auch.» Amy seufzte und kniete sich vor Olivia. Noch sah man ihrer Freundin die Schwangerschaft nicht an, aber Amy redete trotzdem gerne mit Olivias Bauch. Wenn sie versuchen wollte, ihr zukünftiges Patenkind zu korrumpieren, musste sie früh anfangen. «Wie geht es meinem Lieblingsfötus heute? Ich habe eine Tonne neues Spielzeug gekauft, auch wenn ich es noch bis zur Babyparty deiner Mom verstecke. Lautes, nerviges Spielzeug.»
«Super.» Olivia verdrehte grinsend die Augen. «Wo ist der vernünftige Nakos, wenn man ihn braucht? Hat er dich nicht davon abhalten können?»
«Zu meiner Verteidigung muss ich anführen, dass er mich im Laden unbeaufsichtigt gelassen hat.» Amy zuckte mit den Achseln, dann stand sie auf, als die Hintertür quietschte.
Kyle schob den Kopf in die Küche. «Nakos sucht in der Scheune nach dir.»
Sie blinzelte ihren Bruder an. «Warum?»
«Keine Ahnung.» Nach dieser aussagekräftigen Antwort verschwand er wieder.
«Nun.» Mae erhob sich vom Tisch. «Dann sollten wir nachschauen gehen. Ich könnte ein bisschen frische Luft gebrauchen.»
Begleitet von Mae und Olivia wanderte Amy den Kiesweg in Richtung der drei Scheunen entlang. Sie passierten die ersten zwei Gebäude und hielten auf die dritte Scheune zu, in der die Pferde untergebracht waren. Eine Nachtschwalbe rief, und Zikaden sangen. Es würde ein heißer Tag werden, aber eine angenehme Brise brachte ein wenig Erleichterung und trug den Duft von Gras und Heu mit sich.
Beim Tor angelangt, hielt Amy abrupt an und sah sich um.
Was zur Hölle? Die Rancharbeiter standen auf beiden Seiten der Scheune vor den Boxen aufgereiht. Ganz hinten, vor dem gegenüberliegenden Tor, wartete Nakos. Ein Stück hinter ihm und zur Seite versetzt grinste Nate Amy an.
«Trainieren wir hier militärische Disziplin, Nate?» Amy beäugte die Arbeiter, inklusive ihres Bruders, die mit auf dem Rücken verschränkten Händen dastanden und sie ansahen. «Ähm, du bist nicht mehr im Dienst, schon vergessen?»
Nakos krümmte lächelnd einen Finger, um sie zu sich zu rufen. Wie sollte eine Frau ihm widerstehen, wenn er Cowboystiefel trug mit ausgebleichten Jeans und einem engen schwarzen T-Shirt?
Amy trat näher, musterte seinen schwarzen Stetson, den im Nacken gebundenen Pferdeschwanz. So sexy. All das, zusammen mit seiner bronzefarbenen Haut, ließ ihre Knie weich werden. Sie hielt vor ihm an und warf ihm einen fragenden Blick zu. Was in aller Welt ging hier vor?
«Ich liebe dich.»
Plötzlich hatte sie Schmetterlinge im Bauch, wie jedes Mal, wenn er diese Worte aussprach. «Ich liebe dich auch.»
«Ich wollte warten, bis der ganze Mist vorbei ist, bevor ich das tue. Aber jetzt, wo es so weit ist, steht uns nichts mehr im Wege, bixooxu .» Er sank auf ein Knie, die mitternachtsschwarzen Augen unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet.
«Oh Gott.» Sie keuchte und schlug sich eine zitternde Hand vor den Mund.
Nakos sah sie ernst an und streckte ihr einen Ring entgegen. Amy konnte den viereckigen Diamanten, der in ein Band aus Gold eingelassen war, nur verschwommen erkennen, weil Tränen ihr den Blick verschleierten. Doch dann sprach Nakos, und sie richtete die Augen wieder auf ihn.
«Ich habe dich als Junge geliebt und mich als Mann in dich verliebt.» Er presste sich die Faust aufs Herz. «Du bist so tief hier drin, dass es kein Du und kein Ich mehr gibt. Nur noch ein Wir . Heirate mich, anim
«Ja.» Gott, als müsste er überhaupt fragen. «Ja!»
Er schenkte ihr ein schelmisches Lächeln und stand auf, um die Arme um sie zu schlingen. Ihre Füße verloren den Kontakt zum Boden, als er sich hochhob und ihren Mund eroberte. Hinter ihnen erklang Jubel, und sie lachte an seinen Lippen.
«Das war wirklich romantisch.» Sie seufzte verträumt, weil sie kaum glauben konnte, dass dieser unglaubliche Mann zu ihr gehörte.
«Dabei war das erst der Anfang.» Er stellte sie ab und schob ihr den Ring auf den Finger. Nach einem kurzen Kuss auf ihre Knöchel packte er ihre Schultern, drehte sie um und verpasste ihr einen Klaps auf den Hintern. «Jetzt geh und mach dich fertig.»
Sie wirbelte wieder zu ihm herum. «Wofür?»
«Für unsere Hochzeit.» Er zwinkerte ihr zu, dann deutete er auf Olivia. «Eine Stunde.»
«Ich werde dafür sorgen, dass sie bereit ist. Verlass dich darauf.»
«Was?» Amy grub die Fersen in den Boden, doch Olivia zerrte sie bereits zum Ausgang. «Ich kann heute nicht heiraten. Das erfordert doch Planung und …»
«Er hat alles im Griff.»
Schockiert sah sie über die Schulter zurück, als Olivia sie aus der Scheune schob. Die Jungs standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten sich lächelnd. Sie erhaschte noch einen Blick auf Nate, der Nakos in eine einarmige Männerumarmung zog und ihm auf die Schulter klopfte, dann waren sie draußen.
Olivia schleppte sie zum Haupthaus, durch die Küche und die Treppe nach oben. «Liv, jetzt mal ernsthaft. Heute? Es bleibt keine Zeit, um Gäste einzuladen oder Blumen zu besorgen.» Alles Dinge, die bei ihrer ersten, dämlichen Hochzeit gefehlt hatten. Das hier sollte ihre zweite Chance werden – der Beginn ihres persönlichen Happy Ends. Sie hatte sich so sehr gewünscht, an diesem Tag alles richtig zu machen. Sie gingen weiter in den zweiten Stock, in Olivias kleines Apartment. «Ich habe nicht mal ein …»
Amy stoppte neben der Mini-Küchenzeile. Starrte wie versteinert in Livs Wohnzimmer. Hörte auf zu atmen. Legte eine Hand an die Brust.
«Ein Kleid», flüsterte sie.
Sie musterte das weiße Hochzeitskleid, das von der Vorhangstange am Fenster hing. Ärmellos, mit einem engen Oberteil, das in einen weiten Rock überging, der aussah, als würde er bis zur Mitte der Unterschenkel fallen. Als sie näher herantrat, wurde ihr klar, dass der Stoff Satin war, allerdings überzogen von einem dünnen Organza, an dem kleine Perlen glänzten, die dem Kleid Eleganz verliehen.
Es war … wunderschön. Amy hielt nichts von diesen weit ausgestellten Kleidern mit jeder Menge Unterröcken, die man so oft bei Hochzeiten sah.
«Tante Mae hat es selbst gemacht.» Olivia legte ihr eine Hand auf den Rücken. «Es steht dir sicher phantastisch.»
Zitternd sah Amy zu Liv, um dann festzustellen, dass Kyle und Mae ihnen nach oben gefolgt waren. Kyle stand neben Mae, ein verlegendes Lächeln auf dem Gesicht.
Ihre Freunde hatten dafür gesorgt, dass sie ein wunderschönes Kleid tragen würde. Ein kurzer Blick durch den Raum zeigte, dass auf der Couch ein Paar weiße Ballerinas stand und auf dem Couchtisch zwei Blumensträuße. Blauglöckchen und weiße Lilien. So hübsch. An der Tür zum Schlafzimmer hing sogar noch ein blaues Sommerkleid mit Spaghettiträgern, vermutlich für Olivia.
«Ich werde heute wirklich heiraten.»
Mae kam zu ihr und rieb ihr über die Arme. «Und ob du heute heiraten wirst. Es ist bereits alles organisiert. Du, meine Liebe, musst nur auftauchen.»
«Danke für das Kleid. Es ist wunderschön.»
«Der Bräutigam hat uns nicht viel Zeit gelassen. Etwas seltsam, wenn man bedenkt, dass er sonst immer Ewigkeiten für alles braucht.» Olivia nahm Amys Hand, führte sie zur Kücheninsel und drückte sie auf einen Hocker. «Willkommen in meinem Kosmetikstudio. Leg die Hände flach auf die Arbeitsfläche. Als Erstes bekommst du eine Maniküre.»
Während Liv anfing, ihre Fingernägel zu feilen, starrte Amy wie betäubt ihren Bruder an, der sich auf einen Stuhl neben ihr fallen ließ. Das konnte nicht wahr sein. Sie musste träumen.
«Ich werde dir mein Geschenk jetzt schon geben.» Kyle zog einen Umschlag aus der hinteren Hosentasche, warf einen kurzen Blick zu Olivia, die sich konzentriert über Amys Hände beugte. Dann zuckte er mit den Achseln. «Ich nehme an, ich mache es besser selbst auf.» Er zog ein Stück Papier heraus, faltete es auf und hielt es so, dass sie es sehen konnte.
Sie erkannte den Briefkopf. Er stammte von der Bank, bei der sie die Schulden, die ihr Ex hatte auflaufen lassen, zu einem Kredit zusammengefasst hatte. Sie ließ ihren Blick verständnislos über die Zahlen gleiten, dann sah sie die Summe ganz unten.
Kontostand = $ 0.00
«Was?» Sie versuchte, nach dem Dokument zu greifen, doch Olivia schlug ihr auf die Finger.
«Halt still. Ich poliere gerade.»
«Amy.» Kyle, der für seine Verhältnisse untypisch ernst dreinblickte, sah ihr direkt in die Augen. «Ich arbeite jetzt seit fast zehn Jahren auf dieser Ranch und habe keinen Cent Miete gezahlt, seitdem ich hier wohne. Also habe ich eine Menge gespart und …»
«Gott, nein. Kyle, ich kann nicht zulassen, dass …»
«Du kannst und du wirst. Sei ruhig und hör mir zu. Ich war nicht für dich da, als es nötig gewesen wäre, habe nicht gemerkt, wie sehr du gelitten hast. Ich habe mich nie in den Dreck mit Mom und Dad eingemischt, obwohl ich für dich hätte einstehen müssen.» Er seufzte. «Aber das ist jetzt vorbei. Ein für alle Male. Du wirst dieses Geschenk annehmen und deinen Neuanfang bekommen. Ich werde dich zum Altar und zu deinem Bräutigam führen – unserem grüblerischen Vorarbeiter, der dich wirklich sehr liebt. Und du wirst das alles mit einem Lächeln mitmachen. Kapiert?»
Ein Schluchzen drang über ihre Lippen. Sie starrte ihren normalerweise so lockeren, sorglosen Bruder an, der momentan aussah, als wäre er bereit, sich jedem Kampf zu stellen. «Bist du dir sicher?»
«Verdammt sicher.»
«Heul dich besser jetzt aus.» Olivia pustete auf Amys Fingernägel, die sie in einem eleganten Perlweiß lackiert hatte. «Als Nächstes kümmere ich mich um dein Make-up, und das wirst du mir nicht versauen.»
Amy atmete mehrmals tief durch und dachte über das nach, was Kyle gesagt hatte. «Kommen Mom und Dad heute auch?»
Sie hatten die Wahrheit gesagt, als sie zu der Vergewaltigung befragt worden waren, hatten aber sonst keine Anstalten gemacht, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Amy vermutete, dass sie nur deswegen ausgesagt hatten, weil sie unter Eid standen, nicht, weil sie ihr gegenüber ein Gefühl der Verpflichtung empfanden. Sie hatten ihr damals nicht geglaubt, wieso sollten sie jetzt an sie glauben?
«Nein. Tut mir leid.» Kyle runzelte die Stirn. «Mach dir keine Gedanken über sie. Sie sind es nicht wert. Und falls es dir hilft: Sie sind jetzt von mir genauso enttäuscht wie von dir.» Er hielt inne. «Ich habe mich geoutet, habe ihnen erzählt, dass ich schwul bin.»
«Was?» Amy richtete sich auf. «Du bist schwul?» Was kam bitte als Nächstes? Würde Olivias Loch-Ness-Ungeheuer den Kuchen servieren?
Er nickte. «Das habe ich zu lange geheim gehalten. Von zwei ach so gottesfürchtigen Heuchlern erzogen zu werden hat dafür gesorgt, dass ich Angst hatte, irgendwem davon zu erzählen. Du hast mir den Mut geschenkt … Du kannst dir vermutlich vorstellen, wie das Gespräch mit ihnen lief. Sie haben mich einen Heiden genannt und mir erklärt, ich würde in den Feuern der Hölle schmoren.»
«Oh, Kyle. Das ist nicht wahr.» Himmel, ihre Eltern waren solche Arschlöcher. «Ich bin stolz auf dich, und ich liebe dich.»
«Ich liebe dich auch.» Er atmete tief durch. «Also können wir jetzt gemeinsam Sünder sein.»
«Verdammt richtig.»
«Wissen die Männer es schon?» Olivia stellte eine Kosmetiktasche auf die Arbeitsfläche. «Die anderen Rancharbeiter? Hast du es ihnen gesagt?»
Kyle nickte. «Gestern. Sie haben ziemlich cool reagiert. Von einigen habe ich den Solange-du-mich-nicht-anbaggerst-ist-alles-okay -Vortrag bekommen, aber sonst war alles gut.»
«Lass es mich wissen, falls sich daran etwas ändert.» Olivia deutete mit dem Finger auf ihn. «Ich meine es ernst. Ich werde keinen Hass auf meiner Ranch tolerieren.»
Bevor Amy wusste, wie ihr geschah, war sie geschminkt, angezogen und stand zusammen mit Olivia und Kyle auf einer Wiese. Weiße Klappstühle waren hier so aufgereiht, dass in der Mitte ein Gang frei blieb. Auf den Stühlen saßen einige Leute aus der Stadt und alle Rancharbeiter. Nakos’ Eltern lächelten und winkten ihr aufmunternd zu.
Olivia drehte den Kopf leicht und nickte den Leuten zu, aber Amy konnte ihren Blick kaum von Nakos abwenden. Er stand am Ende des Ganges neben Nate, sein Haar offen, sodass die schwarzen Strähnen sich leicht im Wind bewegten. Zur Feier des Tages hatte er einen Anzug angezogen. Einen Anzug. Anthrazitfarben mit marineblauer Krawatte. Himmel, er sah umwerfend aus.
Er drückte sich die Hand aufs Herz, als er beobachtete, wie sie an Kyles Arm den Gang entlangschritt. Liebe leuchtete aus seinen Augen und verriet ihr alles, was sie wissen musste. Als sie ihn erreicht hatten, drückte Kyle ihr einen Kuss auf die Wange und setzte sich neben Mae.
«Du siehst atemberaubend aus, anim . Phantastisch.»
«Danke. Du auch.»
Amy lächelte, immer noch ein wenig überwältigt. Sie fühlte sich, als wäre sie in einem Leben gelandet, das nicht ihres sein konnte, sondern eine Art Märchenversion davon. Und doch wusste sie: Das hier war echt. Ihr Leben. Ihr zukünftiger Mann und ihre Freunde. All die Menschen, die zählten.
Zuerst wurde eine Arapaho-Zeremonie abgehalten. Sie wurden angeleitet, sich nebeneinander auf eine Bank zu setzen, dann wurde ihnen ein Tuch über die Köpfe geworfen. Ein Mitglied von Nakos’ Stamm sang Worte in seiner Muttersprache, die Amy nicht verstand, und es wurde Räucherwerk verbrannt. Eine Menge Räucherwerk.
Danach leitete Rip die Hochzeitszeremonie. Wie betäubt wiederholte sie die Worte, die der Sheriff ihr vorsprach.
Irgendwann zwischen Nakos’ Kuss, um die Eheschließung zu besiegeln, und dem Applaus, der laut genug war, um die in der Nähe grasenden Pferde zum Wiehern zu bringen, kam Amy wieder halbwegs zu sich. Fotos wurden geschossen, sie unterhielten sich kurz mit verschiedenen Gästen, dann zog Nakos sie zurück an seine Seite.
«Bist du bereit, mit mir zu tanzen, Ehefrau?»
Schwindelig vor Glück, sah sie zu ihm auf. Vermutlich grinste sie gerade wie eine Idiotin, aber das war ihr total egal. «Ich bin zu allem bereit.»
«Gut.» Er zog Krawatte und Jackett aus. Sie musste lachen, als er auch noch die Ärmel aufrollte. Dann hob er sie hoch und ging mit ihr auf den Armen zur ersten Scheune. «Ich hoffe, die Hochzeitsparty gefällt dir. Ich will, dass du von nun an glücklich bist, bixooxu
«Dafür brauche ich nur dich.»
«Vorsichtig, Ames. Du wirst weich.» Amy grinste breit, und er drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen. Dann deutete er mit dem Kinn auf das Scheunentor. «Und? Was sagst du?» Er trug sie durch das Tor, und Amy stockte der Atem.
«Oh mein Gott.»
Runde Tische waren rechts und links an den Wänden aufgestellt. Auf den weißen Tischdecken prangten Wildblumen und Teelichter. Gegenüber, in der Nähe des hinteren Ausgangs, war Platz für eine kleine Tanzfläche freigeräumt worden. Doch es war das, was sich über ihren Köpfen befand, das Amy den Atem raubte.
Weiße Lichterketten hingen von den Dachbalken. Dazwischen baumelten an dünnen Fäden Fotos. Hunderte Fotos, die sich in der leichten Brise drehten. Und es schienen nur Bilder zu sein, die sie geschossen hatte. Naturaufnahmen. Bilder von Nakos. Selfies von ihnen beiden. Amy starrte gerührt nach oben, während Nakos mit ihr auf den Armen weiter in die Scheune hineinging.
Vor der Tanzfläche stellte er sie auf die Beine und zog sie sofort an sich. «Ich liebe dich.»
«Gott, Nakos.» Sie konnte kaum atmen. Konnte man vor Glück sterben? Falls ja, wäre das ihre bevorzugte Todesart. «Ich liebe dich auch. Ich liebe das hier. Es ist unglaublich.»
Es war genauso, wie sie sich den Tag erträumt hatte. Besser, eigentlich. Schlichte Eleganz, eine intime kleine Feier, rustikaler Chic. Und alles hatte eine persönliche Note.
Ein Lied, das sie nicht kannte, schallte aus den Lautsprechern, und Nakos zog sie in seine Arme. «Nein, mein anim , meine bixooxu . Du verwechselst da etwas. Du bist unglaublich. Das hier ist nur Papier, nur Dekoration.»
Sie tanzte mit Nakos, mit seinem Vater, mit Nate und Kyle und allen anderen Rancharbeitern. Sie trank Champagner mit Nakos’ Mutter und Olivia und Mae und lachte mit ihren Gästen bis spät in die Nacht hinein.
Und als alle anderen schließlich nach Hause gegangen waren, nahm Nakos sie bei der Hand, und gemeinsam spazierten sie in der lauen Nachtluft den Hügel hinauf zu der großen Eiche. Grillen zirpten, Glühwürmchen tanzten, und Sterne funkelten am dunklen Himmel.
Nakos packte das Seil der Reifenschaukel. «Hier hat alles angefangen.» Im Licht des Monds konnte sie sehen, wie er grinste – als würde ihn das immer noch ein wenig überraschen. «Spring rein.»
Amy folgte der Aufforderung, zog ihr Kleid hoch und hob ihre Beine durch die Öffnung. Sie hielt sich am Seil fest, das rau unter ihren Handflächen lag, und er legte die Hände über ihre.
«Hier hat alles angefangen», wiederholte er. «Erinnerst du dich, was du als Erstes zu mir gesagt hast?»
«Jungs sind doof?»
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. «Nein, aber das klingt ganz nach dir.» Seine Miene wurde ernst, doch in seinen Augen funkelte immer noch Erheiterung. «Mae und meine Eltern hatten dich, mich und Olivia hier zurückgelassen, damit wir uns kennenlernen konnten, während sie über irgendwelche Erwachsenendinge sprachen.»
Mit einem sanften Schubs setzte er die Schaukel in Bewegung. «Ich war vollkommen fasziniert von Olivias Haar, von all diesem Rot, doch zuerst habe ich dich bemerkt. Diese verdammt ausdrucksstarken Augen, die mich anzogen wie Sirenengesang. Blaugrün mit einem verschmitzten Funkeln darin. Olivia hat mir eine Frage gestellt, aber ich war zu scheu, um zu antworten. Ich hatte bis zu diesem Punkt tatsächlich noch kein Wort gesprochen. Aus irgendeinem Grund habe ich immer wieder zu dir geschaut, in deine Augen, obwohl du auch noch nichts zu mir gesagt hattest.»
Gerührt lächelte sie ihn an, um ihn zu ermuntern, den Rest der Geschichte zu erzählen. Sie konnte sich nur vage an ihre erste Begegnung erinnern, aber ihm schien sich jedes Detail ins Gedächtnis eingeprägt zu haben.
«Sobald Olivia sich beruhigt und endlich aufgehört hatte, mich mit Fragen zu beschießen, hast du mich gemustert. Deine Miene war konzentriert, sodass sich eine kleine Falte genau hier gebildet hat.» Er stoppte die Bewegung der Schaukel und drückte eine Fingerspitze zwischen ihre Augen. «Dann hast du Hallo, mein Freund gesagt. Sonst nichts. Drei Wörter, die mich willkommen geheißen und mir einen Platz in deinem Leben eingeräumt haben. Hallo, mein Freund. »
Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. «Ich glaube, genau das habe ich nach dem Kulturschock gebraucht. Zu wissen, wo ich hingehöre.» Nakos kniff die Augen zusammen. «Natürlich hast du mir kurz danach meinen Hut gestohlen und bist in den Baum geklettert. So hat unsere Beziehung begonnen – indem du mich akzeptiert hast, einfach so, während du mich gleichzeitig unglaublich genervt hast und mein Herz vor Sorge hast rasen lassen.»
Sie grinste, dann streifte sie die Schuhe ab und stellte sich langsam auf die Schaukel.
«Wag es nicht, Ames.»
Ihr Grinsen wurde breiter. «Glaubst du, ich kann auch in einem Hochzeitskleid auf den Baum klettern?»
Sie streckte die Arme über den Kopf aus, doch Nakos schlang einen Arm um ihre Taille und warf sie sich über die Schulter. Dann stiefelte er mit großen Schritten los.
«Hihcebe , Frau. Du gönnst mir nicht mal an unserem Hochzeitstag eine Verschnaufpause.»
Da sie in ihrer Position einen wunderbaren Ausblick auf seinen Hintern hatte, beschwerte Amy sich nicht über die machohafte Behandlung. Man musste Alpha-Nakos einfach lieben. «Sonst wäre es doch nur halb so spaßig.»
«Mit dir gibt es nie einen langweiligen Moment.»
«Gewöhn dich dran.» Sie wippte auf seiner Schulter auf und ab, während er sie in Richtung der Scheunen trug, um dort vermutlich mit ihr in den Truck zu steigen. «Hey, ich habe etwas Besseres zu dir zu sagen als Hallo, mein Freund
«Ich fürchte mich fast zu fragen, aber okay. Was könnte besser sein als das?»
«Hallo, mein Ehemann.» Sie hielt sich an seinem Hemd fest, als er kurz ins Stolpern geriet. «Und vielleicht könnten wir heute Nacht den ersten Versuch starten, eine kleine Person zu produzieren, die eines Tages Hallo, Daddy sagen wird.»
Nakos hielt an und ließ Amy an seinem Körper entlang nach unten gleiten. Doch bevor ihre Füße den Boden erreichten, küsste er sie. Langsam, ausführlich und mit so viel Gefühl, dass ihr ganz schwindelig wurde. Er löste sich von ihr und lächelte, ein Meer aus Gefühlen im Blick.
«Du hast recht. Das ist besser. Tatsächlich klingt es ziemlich perfekt.»