Kapitel 3
Amelia
B -Bitte …“ Ich war mir nicht sicher, worum ich bettelte. Meine Sicherheit? Mein Leben? Ich nahm an, diese Männer hatten nicht die Absicht, uns zu töten, sonst hätten sie nicht ihre Gesichter bedeckt. Aber ich wusste nicht, wie der Verstand eines Kriminellen arbeitete. Vielleicht waren sie sogar verzweifelt.
Und dann schlich sich ein Hauch von Wut ein, weil ich überhaupt erst bettelte.
Ich richtete mich langsam gerader auf, den Rücken und die Hände flach an der Wand. Ich konzentrierte mich auf den Mann, meine Augen waren auf seine gerichtet. Scheiß auf ihn – auf alle, die mir dieses Gefühl gaben. Wenn er dachte, ich würde ihr Opfer sein, wenn sie glaubten, ich würde mich von ihnen terrorisieren lassen … dann hatten sie sich leider geirrt.
Ich hatte mit einem gewalttätigen Vater, einer abwesenden Mutter gelebt.
Der Kerl hier konnte mir gar nichts anhaben.
Er konnte mir nichts antun, was nicht schon geschehen war.
Und dann sah ich, wie sich seine Augenwinkel kräuselten, als würde er grinsen und eventuell meine Gedanken kennen.
„Wirst du dich an die Regeln halten, Red?“
Ich verengte meine Augen bei seinem kleinen Spitznamen, vermutlich wegen meiner roten Haare.
„Ja, das dachte ich mir. Du hast Feuer in dir.“ Sein Blick fiel auf mein Becken und ich fühlte, wie ein Schauer durch mich hindurchlief. „Ich frage mich, ob du von Natur aus rothaarig bist.“
„Fick dich“, spuckte ich aus und biss die Zähne zusammen.
Selbst mit der Maske wusste ich, dass ihn das ärgerte. Vielleicht waren meine Worte nicht das, was er zu hören gewohnt war, nicht etwas, das ihm normalerweise entgegengeschleudert wurde.
Ich kannte diese Männer – diese Kriminellen und Diebe – nicht, aber ich zweifelte nicht daran, dass sie es gewohnt waren, das zu bekommen, was sie wollten. Zum Teufel, sie nahmen das, was ihnen nicht gehörte. Die Einstellung dieser Arschlöcher, sie hätten das das Recht dazu, machte mich wütend.
Wir blieben in diesem Stillstand und starrten uns an, bis das Geräusch zersplitternden Glases von der Vorderseite des Ladens kam. Ich musste etwas tun. Ich war keine Heldin, auf keinen Fall, aber als ich Richard wieder vor Schmerz ächzen hörte, zerbrach etwas in mir. Ich wollte nicht zulassen, dass die einzige Person, die sich auch nur einen Deut um mich scherte, verletzt wurde, nicht, wenn ich versuchen konnte, es aufzuhalten.
Ich könnte scheitern, aber nichts zu tun, war auch keine Lösung. Es war, als würde man es einfach hinnehmen und einem anderen Arschloch erlauben, mit mir zu tun, was immer er wollte.
Der maskierte Drecksack blickte über seine Schulter, sein Körper drehte sich teilweise. „Was zum Teufel geht da draußen vor sich? Ihr macht so viel Lärm.“
Ich näherte mich dem Schreibtisch, nur etwa dreißig Zentimeter von mir entfernt, streckte die Hand nach meinem Handy aus und bewegte mich schnell wieder dorthin, wo ich gerade gewesen war, während er sich wieder zu mir wandte. Ich hatte mein Telefon an meine Oberschenkelrückseite gedrückt, fühlte, wie mein Herz raste, und hatte das Gefühl, dass er wusste, was ich getan hatte, dass ich „schuldig“ war. Aber er sagte nichts, sah mich nur an.
Mehr zerbrechendes Glas ließ den maskierten Mistkerl fluchen. „Was zum Teufel …“ Er schaute wieder über seine Schulter. „Einer von euch kommt hier rein und passt auf, und ich gehe raus und erledige den Scheiß leise.“
Ich warf einen Blick auf mein Telefon und begann zu wählen.
Neun.
Eins.
Eins.
Bevor ich „Anrufen“ drücken konnte, wurde mir das Handy aus der Hand gerissen, und ich keuchte erschrocken auf.
Etwas in mir wurde lebendig, und ich stürzte mich auf ihn, obwohl ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Er war groß, muskulös. Ich war blind vor Angst und Wut, nicht nur wegen mir selbst, sondern auch wegen Richard. War er überhaupt noch am Leben?
Ich griff nach oben, meine Finger krümmten sich um das Material seiner Maske, und bevor ich wusste, was geschah, zog ich sie ab. Zum zweiten Mal heute Abend stand ich still, während ich ihn anstarrte. Sein kurzes dunkles Haar war zerzaust, die reine Wut auf seinem Gesicht war deutlich und fast spürbar.
„Du verdammte Schlampe. Jetzt muss ich dir eine Kugel in deinen hübschen Kopf jagen.“ Er griff hinter sich und holte eine Waffe hervor, entsicherte sie und hob sie, bis sie auf mich gerichtet war.
Ich bewegte mich rückwärts, die Tränen rannen mir wieder über die Wangen. Ich hatte die Arme erhoben und meine Hände ausgestreckt, die Handflächen ihm zugewandt.
„Nein. Nein, nein, nein.“ Ich wiederholte dieses Wort immer und immer wieder wie eine kaputte Schallplatte.
Alles stand still. Die Zeit. Mein Leben. Die Situation. Und obwohl ich bettelte und ich wahrscheinlich verdammt ängstlich aussah, fühlte ich nichts. Ich war nur diese Leere, ohne Emotionen, ohne Gefühle. Nichts.
Ich starrte in seine verdunkelten Augen, kam plötzlich wieder zu mir und wusste auf einmal, dass dies nicht das Ende war. Es war der Anfang von dem, was als Nächstes kommen würde.
Ich senkte meine Arme und sah ihm direkt in die Augen. „Fick! Dich.“ Ich spuckte diese Worte förmlich aus. „Ich habe keine Angst vor dir.“ Eine Sekunde lang hätte ich schwören können, dass sich seine Augen vor Schreck geweitet hatten, aber dann fiel seine Maske im übertragenen Sinne wieder über sein Gesicht.
Er machte einen Schritt auf mich zu, und dann noch einen und noch einen, bis er direkt vor mir war. Er hob seinen Arm höher, und ich fühlte die Kälte der Waffe direkt an meiner Stirn.
Er beugte sich vor. „Und jetzt? Soll ich mich immer noch ficken, Red?“
Bevor ich antworten oder irgendetwas sagen konnte, wurde mir die Waffe von der Stirn gerissen und der Mann mit den dunklen Augen ächzte, als sein Körper von mir weggezogen wurde. Er prallte gegen die Wand neben mir. Ich keuchte und hielt mir den Mund mit den Händen zu. Ich spürte, wie sich meine Augen noch mehr weiteten.
Der Anblick vor mir war voller Stille, intensiver noch als alles andere, was sich in den letzten Momenten ihres Einbruchs ereignet hatte.
Blauauge hatte den anderen Mann an die Wand gedrückt und seinen muskulösen Unterarm gegen den Hals des Typen ohne Maske gepresst.
„Was zum Teufel soll das, D?“, keuchte der Mann an der Wand. Seine Stimme war belegt, als könne er nicht genug Luft in seine Lungen bekommen.
„Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht anfassen.“ Der Klang von Ds Stimme war hinter der Maske gedämpft, aber ich konnte das Gift in ihr hören, die Wut … rotglühender Zorn.
Beide Männer starrten einander an, sagten mehrere lange Augenblicke lang nichts, und die Anspannung lag dick in der Luft.
„Sie hat mein Gesicht gesehen, D. Sie hat mein verdammtes Gesicht gesehen.“
D blickte zu mir herüber, und seine blauen Augen waren in diesem Moment so lebhaft, als ob sein Zorn die Farbe noch intensiver machte. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht einmal atmen.
„Ich habe dir gesagt, dass du sie verdammt noch mal nicht anfassen sollst“, wiederholte er und sah langsam erneut zu dem anderen Mann.
„Was zum Teufel soll das, D? Was soll der Scheiß?“
D trat zurück und ließ seinen Arm von der Kehle des anderen Mannes fallen. „Was hast du vor? Willst du sie töten, verflucht?“
Der andere Mann blieb still, aber ich sah die Antwort auf seinem Gesicht.
Ja, er hatte die Absicht, den Abzug zu drücken.
„Du fasst sie an, schaust sie verdammt noch mal an, Cullen, und es wird nicht gut für dich enden.“ D zischte die Worte heraus.
„Und jetzt sagst du verfickt noch mal meinen Namen vor ihr?“ Cullen beugte sich vor, kräuselte die Lippen und stieß ein Knurren aus. „Was zum Teufel ist heute Abend mit dir und dieser Schlampe los?“
Es sah aus, als wolle Blauauge etwas sagen, denn die Wut schoss wie eine Kaltfront aus ihm heraus, aber das Geräusch von Schritten, die sich näherten, ließ sie beide verstummen.
„Verdammt, ist der Pisswettbewerb vorbei, damit wir von hier verschwinden können?“
Ich riss den Kopf in Richtung Ladenfront, wo zwei weitere Männer mit den gleichen Totenkopfmasken in der Tür standen, deren Blicke zwischen D und Cullen hin und her huschten, bevor sie auf mir landeten.
„Wir müssen von hier weg“, sagte Cullen und schob D von sich weg. Er sah zu mir und zischte; „Mach mit ihr, was immer du willst, aber wenn wir deswegen geschnappt werden, bist du derjenige, der untergeht, Bruder.“ Cullen richtete sein Augenmerk die ganze Zeit auf mich. „Und sie ebenfalls.“
Ein leises Knurren erfüllte den Raum, als ob ein wildes Tier freigelassen worden wäre. Ich erkannte, dass es von Blauauge kam.
„Lasst uns von hier abhauen“, sagte einer der maskierten Männer an der Tür.
Bevor ich wusste, was geschah, hatte Blauauge seine Hand um meinen Oberarm gelegt und zog mich durch die Hintertür hinaus. Während die anderen Männer folgten, starrte Cullen mich mit so viel Hass an, dass ich es regelrecht an meinem Hinterkopf fühlte.
Ich schaute über meine Schulter in den vorderen Teil des Ladens und konnte Richard langsam aufstehen sehen. Er hatte einen Blutfleck auf der Wange. Ein Seufzer der Erleichterung entkam mir, als mir diese Last von den Schultern genommen wurde. Er war am Leben. Gott sei Dank.
Ich wusste nicht, was Blauauge mit mir vorhatte, aber eines war sicher. Ich musste überleben. Es gab keine andere Möglichkeit.