Kapitel 15
Dom
I ch wusste, dass etwas nicht stimmte, als ich sah, dass die Kellertür offen stand, und dann fühlte ich die Kälte, die die Luft erfüllte.
Cullen.
Ich wusste, dass er das nicht einfach auf sich hätte beruhen lassen. So war er nicht, es lag nicht in seiner Natur.
Und als ich in Erwartung des Schlimmsten in mein Zimmer eilte und bereit war, auf Konfrontationskurs mit meinem Bruder zu gehen, weil er mir das einzig Gute in meinem Leben genommen hatte, war mir das Herz in die Kehle gesprungen.
Alles in mir erstarrte, als ich Amelia an die Wand gedrückt sah, mit großen Augen, während sie Cullen anstarrte.
Mein Bruder war nur wenige Meter von ihr entfernt, und obwohl ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, erkannte ich doch, dass sein Kopf geneigt war. Er schätzte sie ab. Sein Denkprozess war offensichtlich, weil er zweifellos überlegte, was er als nächstes tun sollte.
Und nachdem ich die Waffe in seiner Hand sah, stand die Zeit still. Ich konnte nicht schnell genug reagieren.
Dann drehte er langsam seinen Kopf in meine Richtung, ein langsames Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus, als ob er wüsste, was ich dachte, als ob er keine Probleme damit hätte, mit meiner Frau erwischt zu werden, eine Waffe in der Hand, die Luft kalt und bedrohlich um ihn herum.
Ich dachte nicht nach. Ich reagierte nur.
In der nächsten Sekunde war ich auf ihm, riss ihn von Amelia weg und knallte seinen Körper an die gegenüberliegende Wand. Ich hörte, wie sie keuchte, aber ich musste mich auf Cullen konzentrieren, um das zu stoppen. Nachdem das erledigt war, ging ich zu ihr, tröstete sie und vergewisserte mich, dass Cullen ihr kein Haar gekrümmt hatte.
Cullen war ein großer Mistkerl, hochgewachsen und muskulös … der größte von uns vieren. Das Geräusch seines Körpers, der gegen die Wand schlug, schien den ganzen Raum zu erfüllen. Und trotzdem grinste das Arschloch.
Ich spürte, wie meine Wut erwachte, mein Zorn wuchs, weil er hier gewesen war. Die Bedrohung dessen, was er tun wollte, wurde Wirklichkeit.
„Ich habe dich gewarnt“, knurrte ich harsch, einen rauen Ton. „Ich habe dich verdammt noch mal gewarnt, Cullen. Ich habe dir gesagt, du sollst dich von ihr fern halten. Sie gehört mir.“ Ich stürmte nach vorne, schlug mit der Faust gegen seinen Kiefer, und sein Kopf ruckte zur Seite wegen des Aufpralls.
Er wehrte sich nicht, obwohl ich wusste, wenn er das getan hätte, wäre es ein verflucht blutiger Kampf geworden. Stattdessen stand er da, seine dunklen Augen hart, sein Blick entschlossen.
„Wir töten keine Menschen, Cullen.“ Ich sagte diese Worte noch einmal und wiederholte sie wie am Abend zuvor, als ich sie in der Garage ausgesprochen hatte. „Wir machen nicht die Frau eines Bruders fertig, verdammt.“ Ich starrte ihm direkt in die Augen. Meine Emotionen waren in diesem Moment aufgewühlt. Ich ließ ihn mit meiner Körpersprache und mit meinen Worten, meinem Ausdruck und meinen Taten wissen, dass sie mir gehörte.
Sie war meine Frau.
„Ich habe dir gesagt, du sollst dich fernhalten.“ Meine Stimme klang gequält, als ich meinen großen Bruder anstarrte. „Warum konntest du es nicht einfach sein lassen? Warum konntest du mir nicht vertrauen, dass ich die richtige Entscheidung treffe?“ Ich schüttelte den Kopf, mein Unterarm lag noch an seiner Kehle. „Ich habe dir gesagt, du sollst sie nicht anfassen, sonst gibt es ein Nachspiel.“ Ich ballte meine andere Hand zur Faust, und ehe ich mich versah, schlug ich mit meinen Knöcheln gegen seine Schläfe.
Und trotzdem wehrte er sich nicht.
Er grunzte vor Schmerz, und sein Körper rutschte nach dem Aufprall über die Wand. Seine Wange platzte auf, die Wunde verlief über seinen Wangenknochen, Blut rann herunter. Meine Knöchel pochten, bluteten. Am Morgen würden sie geprellt und geschwollen sein. Aber das würde keine Rolle spielen. Das würde für uns beide auf mehr als eine Weise schmerzhaft werden.
„Ich schütze dich, uns alle“, sagte er schließlich.
„Du konntest dich nicht fernhalten, oder?“ Ich formulierte es wie eine Frage, obwohl ich keine Antwort erwartete. Ich wollte keine. „Du konntest mir das nicht geben, hm? Konntest die Dinge nicht ruhen lassen.“
Cullen sah mich erneut an, und seine Kälte war direkt auf mich gerichtet. Er knurrte und spuckte eine Mundvoll Blut und Speichel aus. „Wir verknallen uns verdammt noch mal nicht in eine Frau während der Arbeit. Wir sind verdammte Profidiebe, Dom. Wir kidnappen keine Frauen und halten sie nicht als verdammte Haustiere.“
Sie war kein Haustier. Sie gehörte mir.
Aber das sagte ich nicht, nicht schon wieder. Ich konnte nichts darauf erwidern, weil Cullen in gewisser Hinsicht Recht hatte. Aber als ich Amelia gesehen hatte, war etwas in mir eingerastet. Alles, was ich gefühlt hatte, war Besessenheit, dieses territoriale Bedürfnis, sie zu meiner Frau zu machen. Es war wahnsinnig, verdammt lächerlich. Aber verflucht, es fühlte sich echt an, also hatte ich nur reagiert.
„Das ist es, Cullen. Das ist die einzige Chance, die ich dir gebe, deine letzte Rettung. Du bist mein Bruder, das ist der einzige Grund, warum ich dich nicht sofort töte, verdammt. Aber Bruder oder nicht, Amelia gehört mir. Wenn du sie noch einmal anrührst, werde ich weggehen. Von dir. Von der Familie. Von allem.“
Ich sah, wie ein Blitz von etwas über Cullens Gesicht huschte, aber es war verschwunden, bevor ich richtig einschätzen konnte, was es bedeutete.
Bedauern?
Überraschung?
Enttäuschung?
Ich würde es nie erfahren, denn Cullen war eine Festung, wenn es darum ging, was er fühlte und dachte.
Die Tatsache, dass ich Cullen das sagen musste, war schmerzhaft. Es nahm ein kleines Stück von mir, stahl einen Teil meines Lebens. Er war mein großer Bruder, hatte mir immer den Rücken gestärkt. Und von ihm wegzugehen, von allem, ängstigte mich zu Tode. Es war fremd, als ob jemand nach mir greifen und mir ein Stück meiner Identität nehmen würde. Aber es war mein Leben, das, was ich wollte. Amelia gehörte mir, und wenn Cullen das nicht erkennen, nicht respektieren konnte, dann gab es hier keinen Platz für mich.
Ich hatte keinen Zweifel daran, dass dies die richtige Wahl sein würde, dass es genau das war, was ich tun sollte, was ich schon immer hatte tun sollen.
Ich schaute über meine Schulter und sah, dass sie still an der Wand stand, die Arme um die Taille geschlungen, die Augen weit aufgerissen. Sie sah verängstigt aus, aber sie hatte auch Kraft in sich – dieser Teil von ihr, der mich zu ihr hinzog wie eine Motte zu einer Flamme. Sie war feurig, hatte einen Funken Leben in sich. Und das Licht, das von ihr ausging, erhellte die Dunkelheit in mir. Ich wusste, dass sie aus einem bestimmten Grund in mein Leben gebracht worden war, dass es Schicksal war, Bestimmung, wie immer man es nennen wollte.
Es war kein Fehler, dass sich unsere Wege gekreuzt hatten.
Ich blickte zu Cullen zurück und wartete auf seine Antwort. Er zeigte keine Emotionen, aber daran war ich gewöhnt. Das waren wir alle. Er wäre als Soziopath eingestuft worden, da war ich mir sicher. Aber ob er es war oder nicht, war mir egal. Er war mein Bruder, meine Familie, mein Blut. Und der einzige Grund, warum ich ihm keine Kugel zwischen die Augen gejagt hatte, weil er gegen meine Worte gehandelt und Amelia bedroht hatte, war, weil wir eine Familie waren.
Ich machte einen Schritt zurück und wartete. Die Wut brannte noch immer in meinen Adern. Cullen entfernte sich von der Wand und blickte zu Amelia hinüber.
„Nein.“ Dieses Wort klang harsch. „Du siehst sie verdammt noch mal nicht an. Du siehst mich an, Cullen.“ Ich sagte den letzten Teil streng und machte deutlich, wo ich in der Situation stand.
Cullen schaute langsam zu mir zurück, und dieses Grinsen kam wieder zum Vorschein. „Du bist dabei, alles für eine Frau zu riskieren? Du willst unser Leben in Gefahr bringen, nur weil du diese Besessenheit, diese Fixierung auf irgendeine Muschi hast?“
Ich machte einen Schritt nach vorne, wollte ihm gerade meine Faust ins Gesicht schlagen, weil er so über Amelia gesprochen hatte, aber dann hielt ich mich selbst zurück und sah zurück zu Amelia.
Ihre Augen waren immer noch groß und sie schüttelte den Kopf, als ob sie wusste, dass mit Cullen zu kämpfen, nichts lösen würde. Es würde alles nur noch schlimmer machen.
Ich drehte mich um und sah meinen Bruder an. Doch er sagte nichts. Trotzdem sah er eiskalt aus – wie der Mörder, der er war.
Und dann merkte ich, wie sich etwas in ihm veränderte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, sein Blick verhärtete sich auf unmögliche Weise noch mehr.
„Du willst verdammt noch mal alles für irgendeine Pussy riskieren? Dann nur zu, Bruder.“ Cullen trat näher an mich heran, und ich fühlte, wie ein Schwung kalte Luft von ihm kam. „Aber wenn die Scheiße am Dampfen ist und ich derjenige sein muss, der die Dinge in die Hand nimmt, dann leg dich nicht wieder mit mir an.“ Er starrte mir in die Augen, kalt und hart, unversöhnlich. „Denn ich werde alles tun, was nötig ist, um sicherzustellen, dass wir nicht aufs Kreuz gelegt werden.“ Cullen sah Amelia eine Sekunde lang an, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. „Und du weißt, ich werde es tun. Du weißt, dass ich keine Schwierigkeiten damit haben werde, das Problem zu beseitigen, Dominik.“
Damit drehte er sich um und ging, ließ Amelia und mich allein. Die Luft war wegen Cullen so verdammt dick, aber jetzt, da er weg war, wurde sie erträglicher, atembarer. Ich drehte mich um und stand Amelia gegenüber, sah sie immer noch an die Wand gedrückt, hasste es, dass sie sich in dieser Situation befand und sich meinetwegen so fühlte.
Das war meine Schuld.
„Amelia.“
Sie bewegte sich nicht, sprach nicht, als ich näher kam. Ich wollte sie halten, sie berühren, mich vergewissern, dass es ihr nach all dem gut ging.
„Es tut mir leid“, flüsterte ich schroff, meine Kehle war trocken, mein Körper fühlte sich so verdammt angespannt an, dass ich jederzeit zerbrechen könnte. Amelia drückte sich von der Wand weg und trat näher an mich heran. Wir starrten uns lange Sekunden lang an, und bevor ich wusste, was ich tat, hatte ich sie in meinen Armen, ihren Körper an meinen gedrückt. Ich hatte eine Hand um ihren Nacken geschlungen, neigte ihren Kopf einen Zentimeter nach hinten, und alles, was ich tun wollte, war, meinen Anspruch auf sie zu erheben, sie zu markieren, sie wissen zu lassen, dass ich alles für sie tun würde.
Ich streichelte mit meiner Zunge über den Saum ihrer Lippen, drängte sie, sich zu öffnen, in der verdammten Hoffnung, sie würde sich mir voll und ganz hingeben, mich sie berühren, sie fühlen, tief in sie eindringen lassen. Und dann öffnete sie sich für mich, ein kleiner Atemzug entkam ihr. Ich schluckte ihn hinunter, nahm ihn in mich auf, liebte die Art und Weise, wie sie ihren Körper an meinen, ihre Brüste gegen meine Brust drückte.
„Gut so“, stöhnte ich, küsste sie härter und bewegte meine Zunge in und aus ihrem Mund, so wie ich es mit meinem Schwanz zwischen ihren Schenkeln tun wollte. „Du schmeckst so verdammt gut“, stöhnte ich wieder und ging mit ihr rückwärts, bis die Wand unsere Bewegungen stoppte. Ich schob meine Hände an ihren Armen hinunter und meine Finger zwischen ihre, dann zog ich sie nach oben, an der Wand entlang und hielt sie über ihrem Kopf fest. Ich legte eine Hand um ihre Handgelenke. Ihr Körper war für mich wie eine Opfergabe ausgebreitet. Ich trat zurück und sah zu ihr hinunter. „Gott, du bist so verdammt schön.“
Als ich eine Haarsträhne über ihre Schulter schob, merkte ich, wie sich ihr Körper eine Sekunde lang anspannte, bevor ihre Wangen sich rosa färbten. Sie errötete für mich, und es war das verdammt schönste, was ich je gesehen hatte. Als sie zu mir aufblickte, waren ihre Augen weit aufgerissen vor Erregung und … Überraschung.
„Ich würde nie zulassen, dass dir etwas oder jemand wehtut“, flüsterte ich und schaute auf ihre Lippen.
„Du kennst mich nicht“, wisperte sie zurück.
Ich hob meinen Blick und starrte ihr in die Augen. „Doch, Amelia. Ich kenne dich, wie ich mich kenne.“ Wir sahen uns an, und ich spürte, wie die Luft im Raum heißer wurde, fühlte meinen Schwanz hinter meiner Jeans pochen. Ich wollte einfach nur „Scheiß drauf“ sagen und sie wieder küssen, bis sie außer Atem war.
„Gott. Ich kann nicht atmen.“
Ja, ich auch nicht.
Ein Schauder raste meine Wirbelsäule hinauf und meine Eier spannten sich an, als ich hörte, wie sie scharf einatmete, als ich sah, wie sich ihre Pupillen erweiterten, ihr Mund sich öffnete. Ihre Lippen waren rot und glänzend von meinem Kuss.
Etwas in mir riss. Ich legte einen Arm um ihre Taille, zog sie noch einmal an meinen Körper und schlang die Finger meiner anderen Hand um ihren Nacken. Lange Augenblicke hielt ich sie einfach nur fest und liebte es, wie sie sich an mich schmiegte.
„Ich will dich“, sagte ich. „Und ich will, dass du mich mit der gleichen Intensität willst, Amelia. Das brauche ich.“ Ich hielt den Atem an, während ich auf ihre Antwort wartete, während ich darüber nachdachte, was sie sagen würde, was sie vielleicht nicht sagen würde.
Sie konnte es mir verweigern, nein sagen, dass sie mich nicht wollte, aber die Wahrheit war, dass ich nicht aufhören würde, bis sie mir gehörte. Sie konnte weglaufen. Sie konnte sich verstecken. Aber ich würde sie immer finden.
Und als sie ihre Lippen leckte und nickte, spürte ich, wie mein Lächeln vor Zufriedenheit wuchs.
Nichts anderes war mehr von Bedeutung, als in jeder Hinsicht mit Amelia zusammen zu sein.