Epilog
8 Monate später
Die letzte Nacht hatten sie ausnahmsweise in Julis Wohnung verbracht, weil sie am vergangenen Abend bei Jan und Nils zum Essen waren und es ziemlich spät geworden war. Betrunken waren sie zwar nicht gewesen, aber angeheitert. Zu Julis Wohnung konnten sie zu Fuß gehen, deshalb waren sie hier gelandet. Jetzt starrte er missmutig in seinen Kleiderschrank und seufzte. Außer ein paar wenigen Sommersachen, für die es inzwischen schon längst zu kalt draußen war, herrschte gähnende Leere im Schrank. In der Schublade mit seiner Unterwäsche sah es nicht viel besser aus.
»Was ist denn los?« Lars schlang von hinten die Arme um ihn und hauchte einen Kuss zwischen seine Schulterblätter. Warm schmiegte sich der nackte Körper seines Geliebten an seinen eigenen und Juli genoss diese Nähe.
»Ich hab keine vernünftigen Klamotten mehr hier«, brummte Juli ungehalten. »Die sind alle bei dir.«
Lars lachte leise. »Ist mir schon aufgefallen.«
»Mir bisher nicht. Jedenfalls nicht so wirklich«, erwiderte Juli und drehte sich in den Armen seines Freundes um. »Wir sind fast nur noch bei dir.«
»Und das stört dich?«
»Nein, es ist nur … Ich war seit Wochen nicht mehr hier, und das war mir gar nicht bewusst. Ich habe immer nur im Vorbeifahren schnell den Briefkasten leer gemacht.«
»Deine Post hätte in meinem auch noch Platz.« Lars holte tief Luft. »Ich habe dich schon mal gefragt, aber nachdem du mir damals einen Korb gegeben hast, habe ich dann lieber den Mund gehalten. Ich dachte, ich warte einfach, bis du bereit bist und selbst was sagst.«
Juli war einen Moment lang verwirrt, doch dann wurde ihm klar, wovon Lars redete. Als Nils damals ziemlich schnell bei Jan eingezogen war, nachdem sie als glückliches Paar aus der Karibik zurückgekommen waren, hatten die Freunde natürlich beim Umzug geholfen. Abends auf dem Nachhauseweg hatte Lars mit einem kleinen Lachen gemeint, dass Juli sich das Geld für die eigene Wohnung genauso gut sparen und bei ihm einziehen könnte.
Juli war sich damals nicht sicher gewesen. Weder ob sein Freund das ernst meinte, noch ob er selbst schon zu diesem Schritt bereit war. Er hatte es mit einer scherzhaften Bemerkung abgetan und Lars hatte ihm das scheinbar nicht übel genommen. Seitdem war nicht mehr die Rede davon gewesen, was Juli darin bestärkte, dass es sein Geliebter wohl doch nicht so ernst gemeint hatte.
»Du hast nie wieder einen Ton gesagt.«
Lars seufzte. »Nein, ich wollte mir nicht noch eine Abfuhr holen. Die eine zu verdauen, war schwer genug. In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich oft gefragt, wann dir endlich auffällt, dass du eigentlich schon längst bei mir wohnst.«
Juli schlang fest die Arme um ihm. »Es tut mir leid, wenn ich dir damals wehgetan habe. Aber du hättest was sagen sollen. Wir wollten doch offen miteinander sein.«
»Ja, aber ich hatte Angst, dich zu sehr zu bedrängen. Kannst du das nicht verstehen? Also sei jetzt bitte nicht sauer.«
»Natürlich verstehe ich das und ich bin ganz sicher nicht sauer. Aber man muss mich manchmal mit der Nase auf mein Glück stoßen, das solltest du doch langsam wissen.« Juli lächelte sanft und gab Lars einen kurzen Kuss. »Dann frage ich diesmal. Also, wie sieht es aus? Darf ich ganz bei dir einziehen?«
»Ja!« Lars strahlte ihn regelrecht an und Juli konnte gar nicht anders, als dieses breite Lächeln zu erwidern.
»Da bin ich aber wirklich froh, Schatz. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch, aber nun lass uns in die Klamotten von gestern steigen und endlich nach Hause fahren. Ich brauche einen Kaffee, ein anständiges Frühstück und dann werde ich den Rest des Tages mit dir im Bett feiern.«
Genau das taten sie auch, und in den folgenden Tagen planten und organisierten sie alles. Es war eine arbeitsreiche und turbulente Woche, aber Juli genoss sie genauso wie Lars, denn was sie da zusammen planten, war der offizielle Beginn ihres gemeinsamen Lebens. Als Juli sich am Freitag ummeldete, wurde ihm erst richtig bewusst, dass es nun wirklich offiziell war. Er wohnte jetzt mit Lars zusammen und es fühlte sich unglaublich gut an.
Am nächsten Abend dankten sie ihren Freunden für die Hilfe beim Umzug und schauten Arm in Arm zu, wie die anderen nach Hause fuhren. Als sie ins Wohnzimmer zurückgingen, sah Juli sich zufrieden um. Dort stand jetzt seine große Couch, sie war neuer und bequemer als die von Lars. Seine Bücher reihten sich mit denen seines Freundes in die Regale ein, genauso wie auch seine anderen Sachen sich einfach einfügten, als hätten sie schon immer hierher gehört.
Ihm selbst ging es genauso. Hier hatte er seinen Platz gefunden, hier gehörte er her, und das hatte nicht nur etwas mit dem Haus an sich tun. Es war Lars. Er war sein Zuhause. Dieser Mann machte ihn und sein Leben erst komplett.
»Ich liebe dich.« Juli bekräftigte seine Worte mit einem Kuss und war etwas enttäuscht, als Lars sich von ihm löste.
»Ich liebe dich genauso, aber bevor ich dich in unser Bett zerre … Da ist noch was.«
Lars fasste nach seiner Hand und zog ihn zurück zur Haustür. Verwirrt folgte Juli seinem Freund, der an der Garderobe im Flur ein flaches Päckchen aus seiner Jackentasche holte und zu Julis Verwunderung dann auch einen Schraubendreher.
»Was ist denn jetzt los?«
Lars lächelte und öffnete die Haustür, nachdem er die Außenbeleuchtung eingeschaltet hatte. Er deutete auf die Wand. »Was fehlt da?«
Juli hatte keine Ahnung, worauf sein Freund hinaus wollte. Er betrachtete den großen Briefkasten, auf dem seit einigen Tagen auch sein Name stand und zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, was du meinst.«
Lars drückte ihm das flache Päckchen in die Hand. Es war rechteckig und ziemlich schwer. »Pack es aus.«
Neugierig wickelte Juli das schlichte Packpapier ab und hielt gleich darauf den Atem an. Er brachte kein Wort heraus und sah Lars einfach nur zu, wie der das alte Namensschild abschraubte, Juli das neue aus der Hand nahm und es anbrachte. Es hatte exakt die gleiche Größe wie das alte Schild, sah auch genauso aus – wenn man mal davon absah, dass auf dem neuen nicht mehr nur der Name von Lars eingraviert war. Denn dort stand jetzt auch der von Juli.
Lars drehte sich zu ihm um und zog ihn eng an sich. Er gab ihm einen sanften Kuss und lächelte. »Willkommen zuhause.«
~~~Ende~~~