DAMALS HATTE ER NOCH NICHT DEN R4, sondern einen wassergrünen Fiat 128. Seine Freunde lästerten, das sei doch ein Frauenauto, sagten sie; ihm war es egal, auf solche Dinge achtete er nicht.
Es machte ihm Spaß, sie abzuholen, die drei Minuten zwischen Fabbrico und Guastalla auszukosten, es tat ihm gut, zu wissen, dass er sie dort antreffen würde, dass es einen Ort gab, wohin er fahren konnte, jemanden, der auf ihn wartete.
Er fuhr mit offenem Fenster, immer, auch im Winter, auch wenn es regnete und wenn es schneite; er legte seinen Ellbogen auf die Fensterleiste und spürte die Luft, die auf dieser flachen Ebene der Emilia gewöhnlich fehlte, es machte ihm Spaß zu rasen, schnell zu fahren, das Adrenalin, das ihm den Rücken hinaufstieg, wenn er im letzten Moment bremste.
Auch an jenem Nachmittag raste er, die Sonne sank schon und leuchtete die Wolken an, und alles duftete nach Ruhe.
Nie war sie für ihn bereit, nie stand sie am Fenster und erwartete ihn, dort stand Ester, die Haare immer frisiert, mit ihrer dicken, großen Brille, ihrem angespannten, abweisenden Lächeln.
Ester legte ihre gefalteten Hände auf das blumenlose Fensterbrett. Sie sah Ettore von Weitem kommen, sah, wie er vor der Kurve abbremste, die zu diesem Viertel gleichförmiger grüner Häuser führte.
Er blieb immer im Auto sitzen, parkte in der Mitte des Platzes, wartete und wartete, sie hatte immer eine Ausrede, etwas, das sie daran hinderte, pünktlich zu sein. Er verlor nie die Geduld, wurde nicht zornig und wütend, starrte einfach auf die Glastür des Wohnblocks, bis er sie die Treppe herunterkommen sah, erst die Füße, dann die Beine und schließlich alles Übrige.
Ab und zu überfiel ihn der Gedanke, dass er sie nie wirklich hatte lachen hören, das machte ihn befangen und verunsicherte ihn zutiefst.
Er hatte Angst, dass sie ihn nicht liebte.
Dann waren nacheinander, im Abstand von einem Monat, seine Eltern gestorben, sie war zu ihm gezogen, hatte plötzlich mit einem kleinen Koffer vor der Tür gestanden, er hatte ihr aufgemacht und nichts gesagt. Er hatte nichts gesagt, als sie schweigend begann, ihre Sachen in den Schubladen des Schlafzimmerschranks zu verstauen, ihre Hosen auf Bügel zu hängen.
Er hatte auf dem Bett gesessen und zugesehen, während sie die Sachen, von denen sie glaubte, sie seien zerknittert, neu zusammenfaltete.
Ich bleibe eine Woche, hatte sie gesagt, ich habe Urlaub genommen.
Er hatte erwidert, das hätte es doch nicht gebraucht, und sie hatte ihn geküsst und gesagt, du weißt nicht, was du brauchst.
Sie hatte Ettore bei den nötigen Formalitäten geholfen, hatte ihm die ganze Zeit die Hand gehalten, so war es ihm jedenfalls vorgekommen, hatte ihm beigestanden, als er einen ganzen Nachmittag das riesige Haus mit dem vielen Land rundherum angestarrt und sich gefragt hatte, was er damit machen sollte, ob er in der Lage sei, sich darum zu kümmern.
Sie war zu ihm auf die Tenne hinausgegangen, hatte sich neben ihn auf die Schaukelbank gesetzt, ein Brett mit Aufschnitt hingestellt, gewürfelte Mortadella und Salamischeiben, und eine Flasche Lambrusco entkorkt; zusammen hatten sie gegessen, mit Blick auf Fabbrico, die Ebene und die Felder, die sich hinter dem Garten erstreckten, und dabei den Geruch der Tiere im Stall und ihre Geräusche wahrgenommen.
Sie waren dort sitzen geblieben und hatten auf den Sonnenuntergang gewartet, auf die ersten Sterne am dunkelblauen Himmel und den Neumond. Es hatte ihm gefallen, sie neben sich zu haben, nicht gegenüber, als säße sie da, um mit ihm in eine Zukunft zu blicken, die sich nicht zeigen wollte, den Kopf auf seine Schulter gelegt, schweigend, ohne das Bedürfnis zu reden.
Sie stieg ins Auto und küsste ihn flüchtig auf die Wange, ich habe mich verspätet, sagte sie. Sie entschuldigte sich nicht, niemals.
Er antwortete, sie solle sich keine Sorgen machen, ließ den Motor an und fuhr mit ihr zu der Bar am Ufer des Po. Sie setzten sich an ein Tischchen, beobachteten, wie die Sonne hinter einer Flussbiegung auf der anderen Seite der Brücke unterging, sprachen wenig und tranken, er sein Bier, sie ihren Crodino mit Eiswürfeln, verjagten die Schnaken, er sah zu, wie sie sich an Beinen und Armen kratzte und ein Mückenspray aus der Handtasche holte.
Es war ein Tag mitten in der Woche, wenige Leute waren unterwegs, und aus den Lautsprechern der Bar kam nur leise Musik. Sie knabberten Chips. Er machte sich den Spaß, die Erdnüsse in die Luft zu werfen und mit dem Mund aufzufangen, sie sagte, er solle damit aufhören, und er gehorchte, er fragte sie, ob sie Lust habe, eine Pizza zu essen, und sie zuckte die Achseln, er nahm es als ein Ja.
Sie gingen in das Lokal weiter hinten, liefen ohne sich an der Hand zu halten über den Rasen, der die beiden Gebäude trennte, setzten sich an einen Tisch im Freien, die Tischdecke war aus Papier, rot-weiß kariert, er wollte eine Pizza mit Thunfisch und Zwiebel bestellen und wusste, dass sie ein missbilligendes Gesicht machen und er später Schuldgefühle haben würde.
Was?
Ich habe nichts gesagt.
Du hast etwas gemurmelt.
Aber nein.
Hör auf. Sag mir, was du gesagt hast.
Schluss jetzt.
Ettore, ich werde allmählich sauer.
Zieh zu mir, zu mir in mein Haus.
Dein Haus?
Unser Haus.
Ettore holte tief Luft, umklammerte sein Glas und wischte mit dem Finger einen herunterlaufenden Tropfen ab, nahm einen langen Schluck, als wolle er das Bier austrinken, das dann in seinem Schnauzbart hängen blieb und das er mit der Lippe auffing. Er wusste selbst nicht, wie er den Mut fand, sie anzusehen, während sie weiter schwieg, ihre schwarzen Augen, die manchmal Katzenaugen glichen.
Er sah, wie sie errötete, während sie sich mit der Hand durchs Haar fuhr, und dann schief lächelte, sah zu, wie sich dieses Lächeln in etwas Überzeugtes, Entschiedenes verwandelte, die Lampen über ihren Köpfen tauchten sie in ein wunderbares Licht, sie war einfach bildschön in diesem Kleid, das er so liebte.
Er lauschte den Zikaden, die irgendwo im Laub der Bäume versteckt sangen, den summenden Schnaken, dem Schweigen zwischen ihnen, beugte sich vor, riss ein Fetzchen von der Tischdecke ab, knüllte es zu einem Kügelchen zusammen, das er zwischen den Fingern drückte, bevor er es warf und sie an der Stirn traf, bevor er sagte, oh, was ist?
Du bist ein Idiot, sagte sie.
Und was heißt das?
Dass es mir wirklich unbegreiflich ist, warum du so lange gebraucht hast, um mich das zu fragen.
Die Pizza kam, und sie aßen schweigend, während sich das Licht um sie wandelte, erst ein zartblauer und orangefarbener Schleier, der sie liebkoste, dann ein dunkleres Blau, das die Schatten wachsen ließ, und dann, ohne dass sie es bemerkten, die abendliche Dunkelheit, in der die Zikaden den im Schilf am Flussufer zirpenden Grillen Platz machten.
Sie tranken einen Espresso, und er nahm noch einen Grappa dazu, dann erhoben sie sich, bezahlten und gingen Hand in Hand zum Auto, das Geräusch der Schritte auf dem Pflaster im Rhythmus der Musik, die aus der nahen Bar herüberklang.
Er blieb stehen und sie sah ihn an, fragte, was er habe, er antwortete nicht, blickte einen Augenblick stumm und versunken zum Fluss, betrachtete den Himmel, der sich im schwarzen Wasser jenseits des Schilfs spiegelte, und die Sterne, die an der Oberfläche schwammen. Sie drückte seine Hand fester, er wandte sich um, sah sie an und ließ sie eine Pirouette vollführen.
Sie lachten, dann zündete sie sich eine Zigarette an, Ettore betrachtete ihr Profil im Licht des Feuerzeugs, noch nie war sie so schön, dachte er und sagte ihr, sie müsse zu rauchen aufhören.
Der von der Zigarette zwischen ihren Fingern aufsteigende Rauch mischte sich mit den herumschwirrenden Mücken und dem Duft nach Zitronengras der Rauchspiralen, die angezündet wurden, um die Schnaken zu vertreiben. Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und sagte, einverstanden, und nach einer Pause, sonst noch etwas?
Und er, arrogant, sagte, ja, heirate mich.
Ernst trat sie ganz nah an ihn heran, strich ihm übers Gesicht, stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, und es war ein langer Kuss, bei dem sie ihre Finger in die Gürtelschlaufen seiner Jeans schob, um ihn fester an sich zu drücken, um seine Erregung zu spüren, ein Kuss, den sie unterbrach, um zu sagen, rasiere dir ja nie den Schnauzbart ab.
Das Auto kommt ihm leer vor, andauernd schaut er in den Rückspiegel und erschrickt, braucht eine Sekunde, bis ihm wieder einfällt, dass Pietro bei den Großeltern geblieben und er jetzt allein ist, zwei Tage allein.
Er überlegt, ob er umkehren, Pietro holen, ihn mit nach Hause nehmen soll, atmet tief, umklammert das Lenkrad, die Gangschaltung, lauscht der Stille und dem Wind, der durchs Fenster hereinweht, dem Land, das ihm fremd vorkommt.
Er fährt an den Straßenrand, schaltet die Warnblinkanlage ein, steigt aus und geht an der Böschung des kleinen Kanals entlang, setzt sich auf das verdorrte Gras, während eine Wolke die Sonne verdunkelt und Felder und Schuppen eine unnatürliche Farbe annehmen: Die Nuance des Korns verändert sich, ganz gelb sieht es aus, und alles scheint grün zu sein.
Sie fehlt ihm, das Radikale an ihr, dass sie nie zweifelt, ihm fehlt, sie im Haus zu haben, ihr Lachen zu hören, die seltenen Male, die sie sich dazu hinreißen ließ, war es wundervoll, denkt er. Ihre Hände fehlen ihm, wie sie sonntags früh um sieben das Haus putzte, es fehlt ihm, vom Brummen des Staubsaugers geweckt zu werden, sie unter der Dusche singen zu hören.
Endlich beschließt er aufzustehen, betrachtet die flache, bedrückende Weite, den Dunst, in dem der Horizont verschwimmt, das flüssige Flimmern des Sommers am Ende des Blicks, seufzt, steigt ins Auto und fährt wieder los, biegt links ab in die gewohnte Straße. Draußen vor dem Fenster Maisfelder, wogend, wie von unsichtbarer Hand gestreichelt, von einem unverhofft sanften, zärtlichen Wind gewiegt, ein gelbes Meer, wie Wellen in der Brandung.
Zu Hause lauscht er der Stille in den Gängen, in den Zimmern, setzt sich aufs Sofa, steht auf und geht auf den Gang, steigt die Treppe hinauf und setzt sich unter die Falltür zum Speicher, fragt sich, ob er bereit ist, ob er es wirklich will, wartet die Antwort nicht ab.
Wieder steht er auf, öffnet die Falltür, zieht die hölzerne Leiter herunter, die sein Vater gebaut hat, sieht, wie sie den Boden berührt, steigt hinauf und schaut sich um. Verstaubte Schränke, Geräusche von Tieren, die erschrocken forthuschen, Mäuseschatten, die in dunklen Ecken verschwinden, Spinnennetze, die von den Deckenbalken hängen.
Er erinnert sich an seine Kindheit, als es diesen Dachboden noch nicht gab, als er vom Bett aus die Dachziegel sah, und erinnert sich an die Löcher zwischen den Ziegeln, daran, wie er vor dem Einschlafen im Liegen die Sterne betrachtete.
Er öffnet die Schränke, die voll sind, öffnet einige Truhen, die leer sind, nimmt die Kleider seiner Mutter und die seines Vaters, stopft alles in diese riesigen Holzkisten, ohne sie zu säubern oder auszuwischen.
Als der Staub ihn in den Nasenlöchern kitzelt, niest er, schwitzt und schnauft, hält aber nicht inne, sondern macht weiter, steigt die Treppe wieder hinunter und ist in ihrem Schlafzimmer, das jetzt nur noch seines ist. Er öffnet den Schrank, den er nie öffnet, den, der ihre Kleider enthält, da hängen sie noch, die Sachen, die sie nie angezogen hat.
Er nimmt sie von den Bügeln, als wären sie lebendig, als könnten sie ihm etwas antun, verlegen sammelt er sie ein, schüttelt ab und zu den Kopf bei der Erinnerung, wie diese oder jene Hose gekauft wurde, an die Diskussionen, wenn er sagte, die wirst du nie tragen, so wie sie auch nie dieses gelbe T-Shirt, den Pullover mit Herzmuster und die Leopardenjacke getragen hat.
Auf dem Bett faltet er alles zusammen, sortiert es sorgfältig, Kleider zu Kleidern, T-Shirts zu T-Shirts, Hosen zu Hosen, und beschließt, die Stapel so zwischen den Händen hinaufzutragen. Zuerst nimmt er die T-Shirts, versucht, den Atem anzuhalten, dann schnuppert er daran und riecht noch den Duft, was in den zwei Monaten noch davon übrig ist, er weiß nicht, ob es real ist oder verstärkt durch die Ferne, durch die Erinnerungen, die vor seinen Augen auftauchen: die Ferien am Meer, die Ferien im Gebirge, die Momente, in denen er ihr zusah, wie sie im Hauskleid kochte, diese Momente, in denen sie ungeschminkt war, zerzaust, unbesorgt um ihr Äußeres, um ihre Schönheit, in denen sie sich schwach und ohne Maske zeigen konnte.
Er legt die T-Shirts in den Schrank, ohne sie abzudecken, ohne sich darum zu kümmern, sie vor dem Staub, den Motten, den Insekten, den Spinnen zu schützen, dann eilt er wieder hinunter ins Schlafzimmer, holt den Rest, der noch auf dem Bett liegt. Er beschließt, auch die Kleider nicht aufzuhängen, wirft sie achtlos hinein, wie Lumpen.
Er weiß, dass ihm der schwierigste Teil noch bevorsteht.
Er sucht einen Karton, geht damit durchs Haus und sammelt ein, was er findet, Fotos, das Hochzeitsalbum, Bilder, auf denen sie zusammen zu sehen sind, die andere geknipst haben, er hat nie fotografiert und sie auch nicht. Im Bad nimmt er ihre Zahnbürste, ihre Parfüms, ihre Cremes, wirft alles dazu, macht noch einen Rundgang, um sicher zu sein, dass er nichts vergessen hat, steigt wieder auf den Speicher und knallt auch den Karton in den Schrank. Er schließt die Schranktüren und würde jetzt am liebsten das Schloss verschweißen, damit es nie mehr aufgeht, damit er nie mehr in Versuchung kommt, sich nicht lächerlich macht.
Er fühlt sich leer, kraftlos, erschöpft, das Haus wirkt jetzt größer, er ist aufgeregt, während er das T-Shirt und die Hose auszieht, die Augen fallen ihm zu, er legt sich aufs Bett, rückt sich bequem zurecht, um einzuschlafen, schiebt die Hände unter das Kopfkissen, berührt mit den Fingern das Nachthemd, das sie anhatte, als sie zum letzten Mal zusammen hier geschlafen haben. Während er sich dem Schlaf überlässt, fühlt er sich wie ein Feigling, der so tut, als hätte er sein Leben wieder in die Hand genommen.
Er steht mit ihr auf der Holzbrücke, die er an dem Tag überquert hat, als er die Bären gesehen hat, sie stützen die Ellbogen auf das Geländer, betrachten den Wildbach, der sich in einen Wasserfall verwandelt, lauschen dem Tosen des Wassers, das dort unten aufprallt. Das Wetter ist schön, die Sonne leuchtet und der Himmel ist kobaltblau, sie dreht sich zu den Bergen um, sagt, dass sie für immer hierbleiben möchte, dass sie ein Zelt aufstellen könnten, sich von Beeren ernähren könnten, und er könnte auf die Jagd gehen.
Ettore hört ihr gar nicht zu, er sieht sie vor allem an, sieht sie an und staunt, wie viel jünger und entspannt sie wirkt. Sie hat eine Gänsehaut, Ettore sieht, wie sie immer noch lächelnd die Lippen aufeinanderpresst, als machte ihr diese Kälte nichts aus.
Schau, wie schön, sagt sie und zeigt auf die Tiere weiter vorne. Ettore küsst sie auf die Wange, legt ihr eine Decke um die Schultern, die er auf einmal wer weiß woher in der Hand hat, sie dreht sich endlich um, ihre Augen sind seltsam, tief, es wirkt, als flimmerte hinter dem gewohnten Schwarz etwas Neues, anderes. Als ihre Münder sich einander nähern und dann berühren, umfasst sie Ettores Gesicht, zieht ihn an sich, öffnet die Lippen und legt den Kopf schief, liebkost seine Nase mit ihrer, ihre Zungen umschlingen einander und ihre Hände beginnen, die Teile zu streicheln, die sie erreichen können. Es riecht nach Wald, nach Gras und den Blättern rundherum, nach Moos, dem Wasser des Wildbachs und den am Boden spielenden Bären, die sie anschauen.
Die Hupe weckt ihn und hupt weiter und weiter. Ettore steht vom Bett auf, geht den Flur entlang zur Treppe, es hupt immer noch, während er hinuntergeht und die Türe öffnet, es hupt, während er in den Hof tritt, wo der Lastwagen die sinkende Sonne verdeckt.
Iames sitzt wartend in der Führerkabine, das Fenster heruntergekurbelt, er ist immer gut gelaunt, wenn er ihn besuchen kommt, Ettore weiß nicht, ob es ein Versuch ist, ihn aufzumuntern.
Er hört das Dröhnen des Lastwagens, der mit laufendem Motor dasteht, die Steine im Hof zittern, der Gehweg bebt, er fühlt die Wärme der Sonne an den Fußsohlen, er ist barfuß und es ist ein angenehmes Gefühl. Er begrüßt Iames, sagt, hey, entschuldige, ich habe geschlafen.
Sein Freund fragt ihn, wo er abladen solle, er antwortet, an der üblichen Stelle, dann schaut er zu, wie Iames im Hof rangiert, mit welcher Feinfühligkeit er diesen Riesenlaster bändigt, das leise bip, als sich die Ladefläche hinten langsam hebt. Er sieht, wie der Staub aufwirbelt, als der Mais auf den zementierten Platz neben der Garage rieselt und sich ein ungleichmäßiger Körnerberg bildet. Er reibt sich die Augen, um den letzten Rest Schlaf zu vertreiben, geht hinters Haus, holt die Schaufel, den Besen, legt sie sich über die Schulter und wartet, bis Iames fertig ist, das Geräusch verstummt und die Kopfschmerzen abnehmen.
Als der Laster etwas vorfährt, sammelt Ettore, während sein Freund aus der Kabine steigt und sich über die gegelten Haare streicht, mit der Schaufel den Mais ein, der rundherum verstreut ist, bringt den Berg in eine ordentliche Form, und als Iames sich unbekümmert auf das Korbsofa setzt, ohne die Spinnweben abzuwischen, greift er zum Besen und kehrt die übrigen Körner zusammen, wodurch Zementstaub aufwirbelt.
Als er eine Atempause macht, stützt er den Ellbogen auf den Besen und sieht zu, wie Iames lächelnd ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche seiner bis zum Knie aufgekrempelten Arbeitshose holt und die Plastiksandalen abstreift. Er beobachtet, wie sein Freund mit den Zähnen eine Zigarette herauszieht, sie immer noch lächelnd anzündet, während die Geräusche der Tiere im Hof wieder normal hörbar werden.
Iames pustet den Zigarettenrauch zum Blätterdach über seinem Kopf hinauf, verjagt ein Huhn, das ein neben seinen Füßen liegen gebliebenes Korn aufpickt, und fragt, wo Pietro sei.
Er ist bei den Großeltern.
Macht ihr kein Geburtstagsfest?
Wir haben zusammen zu Mittag gegessen, ich habe ihn dagelassen, er schläft bei Oma und Opa.
Wirklich?
Wo ist das Problem?
Nein, kein Problem, aber es ist das erste Mal.
…
…
Was willst du?
Nichts. Heute Abend gehen wir aus.
Ettore erinnert sich nicht, wann er zum letzten Mal ausgegangen ist, er erinnert sich auch nicht, wie man sich herrichtet, wie man sich anzieht, wie man sich verhält, wenn man dort ist, er erinnert sich an nichts.
Er kocht sich etwas, die Stille im Haus ist befremdlich, er hat den Tisch für sich gedeckt, das wollte er gar nicht, er wollte auf dem Sofa essen, den Fernseher einschalten, die Nachrichten sehen, irgendwas, Programme, die er noch nie gesehen hat, da sie beim Abendessen nicht fernsehen wollte, um zu reden, hatte sie zu ihm gesagt, und redete nie.
Seit Pietros Geburt, seit sie zu dritt waren und nicht mehr zu zweit, wurde alles, ihr Essen, ihr Kauen, die Geräusche von draußen, die durch die erst geöffneten, dann geschlossenen Fenster hereindrangen, die wattierte Stille im Winter und das Prasseln des Feuers im Kamin, vom andauernden, unaufhaltsamen Weinen ihres Kindes unterbrochen, das eigentlich in der Wiege neben dem Tisch hätte schlafen sollen.
Sie aßen hastig, stopften sich mit Schnellgerichten voll, kurz gebratene Steaks, halb rohe Pasta, Fertigsoßen und rohes Gemüse. Er starrte auf den Teller, der sich leerte, das Messer, das zerschnitt, die Gabel, die die Bissen aufspießte, und kaum war er fertig, erhob er sich, nahm den immer noch weinenden Pietro auf den Arm, drückte ihn an sich und wiegte ihn, manchmal sang er dabei und betrachtete ihren über den Tisch gebeugten Rücken, der sich im Rhythmus eines hektischen Atems hob und senkte, sah zu, wie sie abräumte, die klappernden Teller, die Gläser und das Besteck ins Spülbecken knallte.
Ich mach das schon, sagte er zu ihr, ruh dich aus.
Sie würdigte ihn keines Blickes, stellte sich schweigend ans Becken, drehte den Hahn auf, ließ das Wasser laufen, bis es kochend heiß war, blieb stehen, bis der Dampf ihr Gesicht einhüllte, und wusch das Geschirr mit bloßen Händen unter diesem kochenden Wasser, wortlos und gelassen.
Einmal war es passiert, nach einem Abendessen, das ruhig verlaufen war, da Pietro beschlossen hatte, dass es ihm gut geht, und er ihre Mahlzeit mit leisem Schnarchen begleitet hatte. Wie gewöhnlich hatten sie ohne ein Wort zu Ende gegessen, sie hatte sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und seufzend ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und sie hatten sich angeschaut, während das Feuer im Kamin knisterte, umgeben vom Duft nach verbranntem Holz.
Auf einen Zug hatte Ettore das letzte Glas Wein ausgetrunken und überlegt, was er ihr sagen könnte, hatte an die Tage gedacht, an denen er sie weit weg empfunden hatte, distanziert, kalt, in sich gekehrt.
Er hatte ihr gesagt, wie schön sie sei, sie hatte nichts erwidert, hatte nicht gelächelt, hatte den Zeigefinger auf die Lippen gelegt und zu dem schlafenden Kind hin genickt, wecken wir es nicht, hatte sie geflüstert.
Den Stuhl anhebend, war sie aufgestanden, hatte geräuschlos Gläser und Teller mitgenommen, und er war ihr auf Zehenspitzen in die Küche gefolgt.
Er hatte zugesehen, als sie wie gewöhnlich alles ins Spülbecken geräumt hatte, diesmal ohne Geklapper, ganz zart, als sie das Wasser aufgedreht hatte, und war zu ihr gegangen, hatte die Hand nach ihrem Hals ausgestreckt, um ihn zu streicheln, und sie hatte sich umgewandt, der Dampf der Hitze rundherum hatte begonnen, ihr Gesicht zu röten.
Das Licht der Lampe beleuchtete die Fotos an den Wänden, ihre Familien und ihre Vorfahren, diese unnatürlichen Posen, diese buschigen Schnauzbärte, die dem von Ettore glichen, die dunklen Kleider und die Gesichter ohne Lächeln, die Buben in kurzen Hosen, Ettore als Kind, wie er auf dem Kühler ihres ersten Autos steht, Ettore zwischen den Eltern.
Sie hatte ihn angeschaut, und er hatte sich in ihrem Blick verloren, während sie mit dem Finger auf ihn zeigte, dann hatte sie ihrem Mann die gespreizten Hände auf die Brust gesetzt und nicht nachgegeben, als er versucht hatte, sie zu umarmen, ihr zu sagen, dass alles gut wird. Momente irrealer Stille, als sie ihn mit starrem, stolzem Gesicht weggeschoben und begonnen hatte, ihn zu ohrfeigen, bis er sie an den Handgelenken festhielt und es war, als gäbe es nur noch Wut zwischen ihnen, so als hätte die Frustration alles überrollt.
Ettore hatte sie mit Gewalt herumgedreht, sie hatte die Hände auf das Spülbecken gestützt, er hatte sie am Hals gepackt und gezwungen, sich vorzubeugen, hatte ihr Kleid hochgeschoben, mit der freien Hand ihr Höschen heruntergezogen und seine Hose aufgeknöpft, um gewaltsam in sie einzudringen. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, weicher wurde und stöhnte, hatte er ganz langsam den Griff gelockert, mit dem er sie an den Haaren festhielt. Sie war ihm entkommen, hatte sich zu ihm umgedreht, ihrem Mann mit immer noch flammendem Blick in die Augen geschaut, sich an ihn geklammert, die Finger, die Nägel in seine Haut gekrallt, ihn geschoben, gezwungen, sich auf den Boden dieser Küche zu legen, die so andere Konturen angenommen hatte als sonst, während sie sich auf ihn setzte, sich auf ihm bewegte, sich einem stummen Orgasmus hingab, ohne zu warten, dass er mit ihr zusammen käme, und dann aufstand, ihn da liegen ließ, wieder ins Wohnzimmer ging, um fertig abzuräumen.
Die Luft ist frisch, obwohl Juli ist, Ettore steckt die Hände in die Taschen und geht los, hört seine Schritte auf dem Kies knirschen im Zirpen der Grillen, die Luft duftet nach wilden Gräsern, der Mond am klaren Himmel ist fast voll, die Straßenlaternen tauchen Fabbrico in ein anheimelndes, gedämpftes, warmes Licht, das nicht stört.
Als er die Bar erreicht, sieht er Bice herauskommen und lächelt, sie ist wie immer sehr geschäftig, hat zwei Plastiktüten in der Hand, solche vom Supermarkt, ihre Frisur ist zerzaust nach der Schicht, ihr Gesicht müde, und in dem gelben Licht, das durch die Glastür fällt, sieht sie älter aus, als sie ist.
Sie bemerkt ihn nicht, bis sie schier mit ihm zusammenstößt. Als sie aufblickt, um sich zu entschuldigen, hält sie wie angewurzelt inne, die Tüten an den herabhängenden Armen, sperrt vor Staunen den Mund auf, aber nur eine Sekunde, dann lächelt sie.
Ettore beugt sich zu ihr herunter und küsst sie auf die Wange, Bice stellt eine der Einkaufstüten auf den Boden, streckt die Hand nach seinem Gesicht aus, dann hält sie inne, die Hand in der Luft.
Beinah hätte ich dich nicht erkannt, sagt sie, immer noch lächelnd, als gäbe es sonst nichts zu tun oder hinzuzufügen; sie hebt die Tüte wieder auf, verabschiedet sich, viel Spaß heute Abend, schön, dich wieder mal hier zu sehen.
Ja, ich probier’s, sagt Ettore, bevor er endlich die Bar betritt, den roten Plastikstuhl betrachtend, auf den sich nie jemand setzt.
Zigarettenqualm empfängt ihn, das gleiche Licht wie immer, der Rauch, der die gelben, staubigen Lampen vernebelt, das gleiche Stimmengewirr, die gleichen Flüche, Fäuste, die auf die Tische hauen, an denen Karten gespielt wird, das gleiche Gelächter, das gleiche Bargeschrei, die gleichen Sticheleien, Beleidigungen, Kommentare, die gleiche sperrige Anwesenheit von zu vielen Männern auf zu engem Raum.
Geräusche, die verstummen, als jemand den Kopf zum Eingang dreht, als dieser Jemand seinem Nachbarn die Hand auf den Arm legt und dann mit dem Kinn auf Ettore zeigt. Staunen breitet sich aus, doch die Stille vergeht, als Ettore die Blicke mit einem Lächeln beantwortet, als Iames mit ausgebreiteten Armen auf ihn zukommt und sagt, er sei glücklich, dass Ettore gekommen sei, er habe es nicht erwartet, sondern sei überzeugt gewesen, er würde zu Hause bleiben.
Iames legt ihm die Hand auf den Rücken und begleitet ihn an den Tresen, wo Bices Mann ihm die Hand drückt, sich zum Kühlschrank hinunterbeugt und eine Flasche Lambrusco und drei Gläser hervorholt. Er öffnet die Flasche und füllt die Gläser randvoll mit einem violetten Schaum, der überquillt und über die Glasplatte läuft, prostet Ettore zu, der jetzt ebenfalls sein Glas hebt, Bices Mann anschaut und wortlos seine Geste nachahmt, Prost.
Er klinkt sich in die Gespräche ein, kommentiert das Kartenspiel, beobachtet die zeternden Alten und gibt auch seinen Senf dazu, was die gewohnte angenehme Nervosität hervorruft. Laut hallt es von den Wänden der Bar wider, Leck mich am Arsch, dann Geh doch zum Teufel, alles mit Zuneigung gewürzt, mit Schulterklopfen, mit scherzhaften Fausthieben, Umarmungen, Gläsern und Flaschen, die weitergereicht werden, ein Geben und Nehmen.
Alles mischt sich mit dem Alkohol, der langsam aufsteigt, die Gedanken löst, leichter macht, und alles, die Zigaretten, der Schweiß, der Staub, die Geräusche, die Karten, alles hat jetzt diese leuchtende Aura von Heimat und Wärme.
Ettore trinkt weiter, lächelt, amüsiert sich, verspottet Iames wegen der Brillantine im Haar, wegen der Strähne, die ihm lockig in die Stirn fällt, hört ihm zu, als dann er verspottet wird wegen seiner wirren Haare, seines altmodischen Hemdes, seiner alten Schuhe.
Sie reden über Belanglosigkeiten, sinnloses Zeug, Dorfklatsch, Arbeitsprobleme, die sie nur oberflächlich streifen, über vergangene Freitagabende, Besäufnisse und Freunde, die sich im Morgengrauen auf den Feldern verlaufen, über Bekannte, die im Graben schlafen vor Angst heimzugehen, über Mütter, die der Bar die Tür einrennen, um ihre fünfzigjährigen Söhne nach Hause zu zerren, über deren Gejammer, wenn sie an den Ohren gepackt werden, über ihre Spitznamen. Zuletzt sitzen sie dann mit ausgestreckten Beinen in unflätiger Haltung auf den strohgeflochtenen Holzstühlen, Iames schlägt ihm vor, noch in eine andere Bar außerhalb des Dorfs zu gehen, und er willigt ein.
Die Arme um die Schultern gelegt, marschieren sie los, singen Lieder, die ihre Freundschaft gefestigt haben, italienische Schlager, die sie auswendig kennen, ausländische Schlager, deren Worte sie so verballhornen, dass sie nur noch vage an den Originaltext erinnern; im Licht, das aus den geöffneten Fenstern dringt, tanzen sie die Straßen von Fabbrico entlang. Sie wünschten, sie hätten eine Flasche dabei, die sie unterwegs trinken, von Hand zu Hand gehen lassen könnten.
Ettore hat Schuldgefühle, dass er monatelang weg war, dass er Iames vergessen hat, er ist voller Dankbarkeit, die ihn überwältigt, ein Hund überquert die Straße, aus einem Fenster tönt klassische Musik, mit seinen eleganten Schuhen deutet Iames auf Zehenspitzen ein paar Tanzschritte an, die Schnürsenkel sind offen, er tritt darauf und knallt mit dem Hintern auf den Asphalt. Ettore lacht dröhnend los, während sich jemand mit verschwommenen Gesichtszügen aus dem Fenster beugt, um nachzusehen, was passiert ist, und kopfschüttelnd wieder zurücktritt.
Auch Iames lacht, klammert sich an Ettores Hand, um sich hochziehen zu lassen, jetzt sind beide verstummt und schweigen, es ist, als sei es ein Abend, an dem sie sich Dinge mitgeteilt haben, indem sie einfach voreinander standen, Ettore möchte sich entschuldigen, dann sagt Iames, los, gehen wir, ab jetzt zahlst du.
Sein Freund fährt, Ettore lehnt den Kopf an den Sitz, dreht das Fenster herunter, lässt die Luft einen Moment über sein von Wein und Trunkenheit gerötetes Gesicht streichen, bis Iames eine Kurve zu schwungvoll nimmt, plötzlich bremst und er nach vorn geschleudert wird. Sie lachen beide, mit angstgeweiteten Augen, spüren den Adrenalinschub, den sie als Jungen hatten, den leichtsinnigen Mut dessen, der sich für unsterblich hält.
Jetzt fahren sie langsamer, Ettore hält den Arm hinaus, ohne der Luft Widerstand zu leisten, die ihm durch die Finger streicht und übers Gesicht, während er beobachtet, wie draußen die Landschaft vorbeifliegt, die Bäume und Felder, beleuchtet vom Mond, den Sternen und den in einigen Häusern brennenden Lichtern, als sie an den Straßenlaternen vorbeikommen, tut es ihm leid, er hätte die ganze Nacht auf diesem Sitz verbringen mögen.
Iames hat es eilig, kann es kaum erwarten anzukommen, weil er glaubt, dass es dort Frauen gibt, sagt er. Die Aussicht, mit einer von ihnen zu reden, stört Ettore, doch er sagt nichts und verfolgt schweigend die Aufregung beim Bremsen und Parken im Zentrum von Novellara, in der Nähe der Bar, wo sie hinwollen.
Als der Motor schweigt, hören sie die Musik, sehen die Leute, die sich unter den Bogengängen und auf der Straße drängen, die im Stroboskoplicht funkelnden Gläser, hören Gelächter und Stimmengewirr.
Ettore bleibt kurz stehen, betrachtet den Platz vor ihm, den Palazzo am Ende, die Statue in der Mitte und die Grünanlagen rundherum, die Leute, die Menschen, Männer und Frauen, die sich amüsieren.
Er und Iames werden von der Menge verschluckt, geschoben, sagen Verzeihung, dürfen wir mal durch, lächeln, wenn sie den bloßen Rücken einer der anwesenden Frauen streifen, bahnen sich einen Weg durch den Laubengang, betreten das Lokal durch den Rauch, der es füllt, kämpfen sich durch die drinnen weniger dichte Menge, durch Leute, die sich umarmen und schreien, um sich verständlich zu machen.
Die Musik ist unglaublich laut, hallt verzerrt von den Wänden. Als sie endlich den Tresen erreichen, als sie beim Bestellen an der Reihe sind, entdeckt Ettore, dass er keine Ahnung hat, was er möchte, Iames beugt sich vor und flüstert, ob alles in Ordnung sei. Er ist bleich, das im Rhythmus der Musik die Farbe wechselnde Licht macht ihn blass und hohlwangig.
Ja, antwortet er, alles in Ordnung, es ist zu heiß, sagt er, bestell du, ich gehe einen Augenblick raus, ich brauche Luft.
Er geht wieder zurück Richtung Piazza, schwitzend hält er sich am Rücken, an den Armen von Leuten fest, die ihn verärgert ansehen, aus seinem Bauch fühlt er den Wein hochsteigen, den er in der Bar getrunken hat.
Er hört manche Leute sagen, hey, pass auf, wie von Weitem und durch die Musik verzerrt, schließlich ist er aus der Menge draußen, allein, die Luft hat nichts von ihrer Frische verloren, und er fühlt sich sofort besser, atmet tief ein, stützt die Hände auf die Knie.
Alles wird langsamer, und Ettore atmet und atmet, verschlingt diese Luft, richtet sich wieder auf, schnauft und lässt mit einem Seufzer heraus, was er alles geschluckt hat, hebt den Blick zum Himmel, zum Mond, den er jetzt nicht sehen kann, verborgen von den Dächern der Häuser rund um die Piazza, diesem Mond, der auf den Ziegeln und den Fernsehantennen glitzert.
Er hebt den Blick zu der Statue und den Anlagen, den Hecken, der Bar gegenüber, auf der anderen Seite, die gerade schließt, zu einem Mädchen, das sich die Knöchel massiert, ihre hochhackigen Schuhe liegen achtlos auf dem Pflaster, zu drei Jungen, die sich nähern, und zu dem in der Mitte mit dem glücklichen Lächeln, das sein Gesicht strahlen lässt.
Ettore erkennt ihn, er hat ihn einmal gesehen, auf dem Heimweg von der Bar hat er ihn im Auto auf der Straße stehen sehen, hat gesehen, wie er mit ihr sprach, während sie sich zum Fenster beugte, hat gesehen, wie sie lächelte, wie sie sich umschaute, ob sie auch niemand sah.
Er rennt jetzt, rennt auf die drei Jungen zu, spürt, wie sich die Übelkeit in Wut verwandelt, als er ihn am Hals packt, als sie zusammen umfallen, einer auf den anderen, als ihm bewusst wird, dass er auf der Brust des Jungen sitzt und anfängt, dieses schöne, junge Gesicht mit Fäusten zu traktieren.
Er begreift, dass er nur eines will, nämlich jede Spur von Glück und Schönheit aus diesen Gesichtszügen tilgen.
Er schafft es nicht, ihn wirklich zu verprügeln, jemand hält ihn an den Armen fest und schleift ihn weg, auf den Gehsteig, vor den Augen der gaffenden Menge, er nimmt es nicht wahr, nimmt nur wahr, dass der Junge vom Boden aufsteht. Er sieht, wie er sich lächelnd nähert, und stellt sich vor, wie er sie küsst, auf die Schultern, auf den Bauch küsst, wie der Junge mit seiner Frau schläft, wie sie eng umschlungen schwitzen und sich liebkosen.
Ettore steht auf, und jetzt stehen sie voreinander, regungslos, sag mir, wo sie ist, sagt er, sag es mir, wo ist sie, sag mir warum.
Er schaut den Jungen an, der nicht mehr lächelt, der antwortet, ich weiß es nicht, ich weiß nicht, wo sie ist.
Vor dem Haus, wieder etwas gefestigt, so scheint es ihm jedenfalls, nachdem Iames es geschafft hat, ihn ausfindig zu machen und hierherzubringen, mustert Ettore die bröckelnden Mauern, den rissigen Putz, die Eingangstür und die Garage.
Er erinnert sich, wie sie davon träumten, das Haus frisch zu streichen, wie sie diskutierten, welche Farbe am besten wäre.
Ich will keine Pastellfarbe, sagte er.
Sie lachte und erwiderte, seine Meinung zähle nicht, sie würden es so machen, wie sie wolle.
Es wäre schön, eine Pergola anzubauen, einen Baldachin im Freien, wo wir uns im Sommer hinlegen könnten, etwas trinken, uns ab und zu besaufen und bei Sonnenaufgang aufwachen, ohne überhaupt zu merken, dass wir eingeschlafen waren, es wäre schön, nur wir zwei zu sein, für immer.
Als er die Tür öffnet, weiß er, was er tun muss, er steigt die Treppe ins Obergeschoss hinauf, geht, ohne Licht zu machen, ins Schlafzimmer, bleibt vor dem ungemachten Bett stehen, während das Mondlicht, das durchs Fenster hereinfällt, seine Bewegungen verlangsamt, als er das Kopfkissen hebt, das Nachthemd nimmt und es mit der Faust umklammert, so fest, dass seine Fingerknöchel schmerzen.
Er hält es fest, während er in die Dunkelheit des Gartens hinausgeht, in die Stille der schlafenden Tiere, ins Blinken der Glühwürmchen, in den Duft nach Blumen und Wiese.
Auch als er mit der anderen Hand einen Blechkanister aus dem Schuppen holt und eine Tonne in die Mitte des Gartens schleppt, lässt er die Faust geschlossen. Dann öffnet er sie, lässt das Nachthemd fallen, sieht, wie es sich auf dem schwarzen Boden der Tonne in einen hellen Fleck verwandelt, gießt Benzin darüber, lässt das Streichholz fallen, das beim Anreißen die Stille der Nacht rundum durchbricht.
Er bleibt vor dem Feuer stehen und betrachtet es, bis die Flamme verlöscht, bis nur noch der Rauch übrig ist, der aufsteigt und verweht, dann geht er wieder ins Haus, geht ins Bad, öffnet das Schränkchen über dem Waschbecken, nimmt den Rasierschaum, mustert sich im Spiegel und sprüht mit langsamen Bewegungen in aller Ruhe sein Gesicht ein.
Er greift zur Rasierklinge, und als er fertig ist, trocknet er sich das Gesicht ab und betrachtet sich erneut im Spiegel, erkennt endlich sein Gesicht ohne Schnauzbart wieder.