ETTORE BETRACHTET DEN HIMMEL, das Rot, das über dem Dach des Supermarkts aufflammt, über den Feldern, die sich bis zu den anderen, unsichtbaren Dörfern hinziehen, es ist, als gäbe es sie nicht, man hat ihm gesagt, diese Farben seien künstlich, verursacht durch die Umweltverschmutzung, aber das ist ihm egal.
Er mustert den neben ihm gestapelten Tuffstein, die Ziegel, durch die das Beet allmählich Gestalt annimmt, wo er die Eiche für seinen Enkel pflanzen wird. Er mustert Pietro, der auf der Bank vor dem Haus sitzt, er freut sich, dass sein Sohn und Miriam hier sind, dass sie beschlossen haben, in die Wohnung unter seiner zu ziehen, es gefällt ihm, ihre Geräusche zu hören, wenn sie streiten, wenn sie sich versöhnen, Pietros Feinfühligkeit während dieser neun Monate miterlebt und gesehen zu haben, wie Miriam sich Tag für Tag veränderte, ihre Gesichtszüge weicher wurden und der Bauch wuchs.
Er geht in den Schuppen und wäscht den Eimer aus, säubert die Kelle, den Hammer und den Meißel, wäscht sich Gesicht und Hände, schwemmt den Schweiß dieses Sommers weg, der genauso zu sein scheint wie der Sommer, in dem Pietro geboren wurde, ein Sommer, der ihm vorkommt wie ein Traum, unendlich fern.
Er setzt sich zu seinem Sohn auf die Bank, beide schauen stumm auf einen unbestimmten Punkt, die Magnolie, die Lorbeerhecke, die die Werkstatt und ihr Haus umgibt.
Er findet nicht die richtigen Worte für seinen Sohn, der gerade Vater geworden ist, er wünschte, er wüsste sie, könnte sie laut sagen, und denkt, dass es sie nicht gibt.
Sie betrachten die Stelle, wo sie Briciola begraben haben, den kleinen, vom Grün des Gartens geschluckten Hügel, und den Stein, der bezeugt, dass sie da liegt, schweigend starren sie auf diesen Punkt, um sich vielleicht zu erinnern, um es sich vorzustellen.
Keiner von beiden bewegt die Hände oder die Füße, keiner verändert seine Haltung, erschlagen von so viel Nähe sitzen sie einfach da, Vater und Sohn, in einer Ruhe, die Pietro nicht seltsam vorkommt, die Stille gibt ihm sogar die Kraft, sie mit einer Frage zu unterbrechen.
Meinst du, fragt er, Briciola hat die Trennung von ihrer Mutter jemals verwunden?
Sie drehen sich nicht um, sehen sich nicht an, sitzen immer noch da, ihre Hände streichen jetzt über die Haare, kratzen an der Haut, die das T-Shirt frei lässt. Ettore weiß nicht, was er sagen soll, er denkt an Pietros Mutter, an das, was er seinem Sohn gern erzählen würde, wenn er könnte, an die Nächte, in denen er zuhörte, wie sie ihm zum Einschlafen immer dasselbe Lied von Francesco Guccini vorsang: tentare goffi voli d’azione o di parola, volando come vola il tacchino. Plumpe Flugversuche wagen, in Taten oder Worten, fliegen wie ein Truthahn fliegt.
Wieder ist es dann Pietro, der anfängt, noch immer ohne sich umzuwenden sagt er, es habe einen Augenblick gegeben, in dem er dachte, er hätte sie getötet.
Sein Vater bleibt stumm, schaut vor sich hin, und auch Pietro schweigt jetzt, dreht sich schließlich doch zu diesem Mann um, der neben ihm sitzt, zu diesem wer weiß wo verlorenen Blick, Schauder überlaufen seine Arme, Bilder stürmen im Kopf auf ihn ein im Licht dieses Sonnenuntergangs, der den Himmel entflammt und die Luft erwärmt, er kann kaum atmen und beschließt zu glauben, dass es sich nur um Wahnvorstellungen handelt.
Marisa bringt ihnen zwei Flaschen eiskaltes Bier, küsst Ettore auf die Stirn.
Komm her zu uns, bitten alle beide, setz dich.
Nein, sagt sie und sieht Vater und Sohn an, sieht ihre verstörten Augen und würde ihnen gern sagen, dass alles leichter sein könnte als so.
Ich habe noch im Haus zu tun, sagt sie. Ich kann nicht.
Sie trinken schweigend, bis die Sonne den Himmel violett färbt, bis nur noch die Strahlen übrig sind, die vom Horizont ausgehen, bis an diesem Himmel der Mond und die Sterne erscheinen, unschuldig wie das neugeborene Kind, während Pietro sich fragt, ob er fähig sein wird, es aufzuziehen.
Er schafft es, seinen Vater erneut anzuschauen, die Falten um die Augen, die gealterten Hände, die das Bier halten, er erkennt die Grimasse, die er macht, wenn er sich auf die Lippe beißt, den Bauch, und würde gern noch etwas zu ihm sagen, fähig sein, die Worte zu benutzen, die nicht kommen wollen, schließlich streckt er schweigend die Flasche aus, um mit dem Vater anzustoßen, der jetzt lächelt, der zurückdenkt an den Tag, als sie Briciola abgeholt hatten, wie sein Sohn gerannt war, um sie einzufangen, sie in dieser Kiste zu halten, er denkt daran, was für ein schöner Tag das war, und fragt Pietro, ob er sich noch an den Fasan erinnere.
Pietro erinnert sich, er war etwa sieben Jahre alt, im Hof wurde laut sein Name gerufen, er lief zum Fenster, sein Vater hielt etwas im Arm, das er nicht erkennen konnte.
Komm runter, hatte er gesagt, beeil dich.
Und Pietro hatte die Tür hinter sich offen gelassen, war die Treppe hinuntergestürmt, keuchend im Hof angekommen, wo sein Vater kniete und zu ihm sagte, komm her, schau.
Er hatte sich vorsichtig genähert, sein Vater hielt etwas zwischen den Händen, das wie ein Vogel aussah, man sah den Schwanz, die Krallen, er rührte sich nicht, die Hände seines Vaters umfassten den Brustkorb, um die Flügel niederzuhalten.
Den haben sie in der Werkstatt gefunden, sagte er zu ihm, versuchen wir mal, ihm die Haube abzunehmen?
Was passiert dann?
Nichts, es passiert nichts. Keine Angst.
Also gut, nimm sie ab.
Bist du bereit?
Ja.
Schau, wie schön er ist.
Er hatte beobachtet, wie sein Vater dem Fasan die Haube abnahm, die sie ihm hatten überstülpen können, und der Vogel hatte seinen Hals blitzschnell zum Gesicht des Kindes hingestreckt, das staunend die grünen Federn betrachtete, die kleinen Augen in der Mitte dieser roten Flecken, die keinen Sinn hatten, und den Schnabel, der sich in seine Wangenknochen bohrte, wenige Millimeter neben dem Auge.
Ja, sagt Pietro jetzt, ich erinnere mich an den Fasan.
Noch immer lächelnd, steht sein Vater auf und geht ins Haus, lässt ihn allein auf der Bank, wo er hinter den Blättern der Hecke Fabbrico betrachtet und überlegt, ob er Miriam im Krankenhaus anrufen soll, ob er ihr eine SMS schicken soll, sie fragen soll, wie es ihr und dem Kind geht.
Er schiebt das Handy wieder in die Tasche, umgeben vom Summen der Insekten an diesem kühl werdenden Abend, blickt seinen Vater an, der zurückkehrt, stehen bleibt und sich nicht setzt, der ihm etwas hinhält, das wie ein Heft aussieht, und nichts dazu sagt, als Pietro es nimmt.
Pietro beginnt zu lesen, streicht mit den Fingern über die runden Buchstaben der Überschrift, über die Zeichen, die ein blauer Kuli hinterlassen hat, es sind nur Wörter, die sich seine Mutter ab dem Tag seiner Geburt notierte, ein Tagebuch, in dem seine ersten Monate beschrieben sind, Wörter, die nie verraten, wie sie sich wirklich fühlte, die nie in die Tiefe gehen, die nie von seinem Vater handeln.
Es sind nur Tatsachen, gefühllos aneinandergereiht in Tagen, die Pietro sich endlos langweilig vorstellt.
Heute zum Abendessen Gulasch gekocht, steht da.
Mit geschlossenen Augen, barfuß auf dem Gras, die Schuhe vor sich, überlässt er sich einer so realen Fantasie, dass ihm scheint, als rieche er das Fleisch auf dem Feuer, höre das Gemüse kochen und das Geräusch des Messers auf dem Brett beim Schneiden der Karotten, Zwiebeln, Selleriestangen und Kartoffeln.
Er stellt sich seine Mutter vor, mit dem Rücken zu ihm, konzentriert, die Finger, die die Haare hinters Ohr schieben, wie sie mit der Gabel in die Kartoffeln sticht, ob sie gar sind, sich die Hände an einem Lappen abwischt, der rote Flecken von Tomatensoße aufweist.
Er sucht nach Ungenauigkeiten auf diesen Seiten, nach kleinen Klecksen im Geschriebenen mit diesem Stift, der sich nie vom Blatt zu lösen scheint, er sucht nach Augenblicken von Ermüdung, von Niedergeschlagenheit, nach Anzeichen dafür, wann sie zum ersten Mal daran gedacht hat wegzugehen, nach Momenten der Euphorie, Lächeln, Tränen, Wut, Stolz.
Er findet nichts, sieht nur, wie die Entschlossenheit, jeden Tag zu schreiben, im Lauf der Zeit abnimmt, die Abstände zwischen den Daten oben auf der Seite werden größer, erst fehlen Tage, dann Wochen, sie erreicht seinen dritten Monat, dann den vierten. Und im vierten schreibt sie wieder täglich, bis zur letzten Seite, bis zu dem Novembertag, an dem seine Mutter dieses Tagebuch mit folgenden Worten beendet: Heute ist ein guter Tag, er hat nur sechzehn Stunden geschrien.
Als er zu Ende gelesen hat, steht er auf, fährt sich mit der Hand übers Gesicht, zündet sich eine Zigarette an und geht rauchend mit dem Tagebuch in der Hand auf und ab. Dann läuft er zur Garage, öffnet das Tor, bahnt sich einen Weg zwischen den Kisten, sucht nach seinen Büchern von der Uni und wirft einen letzten Blick auf dieses Tagebuch, bevor er es da hineinfallen lässt, bevor er alles wieder zumacht.
Er geht ins Haus zurück und macht sich fertig, um in die Bar zu gehen, um zu feiern, dass er Vater geworden ist.
Er wählt den längeren Weg, hält die Hand aus dem Fenster und spielt mit dem Fahrtwind, er hat es nicht eilig, nimmt die gerade Straße hinunter zur Piazza, kommt an der ehemaligen Fabrik seines Schwiegervaters vorbei, mustert das verrammelte Tor, den Rost auf dem Metall, das Unkraut, das zwischen den großen Behältern im Hinterhof wuchert.
Er fährt durch die Straße, wo die Schulen sind, die eines Tages auch sein Sohn besuchen wird, fühlt, dass sich im Schatten, den die Bäume auf den Asphalt werfen, die Luft verändert, fährt an der Carabinieri-Station vorbei und am Schloss; als er rechts abbiegt, sieht er Leute, die vor dem Gefallenendenkmal ein Eis essen, grüßt einige, die zurückgrüßen, und andere, die ihn nicht erkennen, biegt links ab, und Fabbrico zieht seitlich an ihm vorbei, die Häuser, die Dächer und die Zäune, die Blumenbeete und die Grünanlagen, die jetzt viel mehr sind als früher.
Er betrachtet das Land, das sich rechts von ihm auftut, die weiten Felder in der Dunkelheit, den wachsenden Mais und die geschlossenen Sonnenblumen.
Er lässt den Kanal links liegen, riecht den Stallgeruch, der durchs Fenster hereinweht, den Dünger, der im Morgengrauen ausgebracht wurde. Er fährt an den letzten Häusern vorbei, den Neubauvierteln, den erleuchteten Fenstern, an Leuten, die im Freien die Kühle genießen, Kindern, die noch in den Gärten spielen; er begegnet der Frau in Schwarz, der Hexe, und würde gern anhalten, um sie zu fragen, ob sie es war an jenem Abend auf dem Spielplatz, ob sie ihm das Phantom seiner Mutter geschickt hat, lässt sie aber in ihrer Kapuze und diesen Schuhen vorbeigehen, folgt ihr mit dem Blick im Rückspiegel und sieht sie im Schatten einer unbeleuchteten Gasse verschwinden, zwischen dem Weiß der Wohnblocks und den geparkten Autos.
Er fährt weiter und hört schon von Weitem die Stimmen, die Musik, sieht das lila Schild der Bar, das im Dunkeln die Straße und den Vorplatz erleuchtet, sieht seine Freunde, die draußen sitzen, rauchen und trinken, die Hände heben, um ihn zu begrüßen, hineinlaufen, um flaschenweise Prosecco zu bestellen, es gibt etwas zu feiern, schreien sie, als sie ihn parken sehen, wir müssen anstoßen.
Sie umarmen ihn und klopfen ihm auf die Schulter, necken ihn, und Pietro lächelt, spielt mit, denkt an Miriam und trinkt, denkt an sein Kind und trinkt; er kippt die Gläser auf einen Zug, leert Flaschen und erwidert die Umarmungen der Leute, die Küsse, die Bice ihm auf die Wangen drückt.
Sie sprechen über den Dorfklatsch, über den Unfall von Davide und Valerio, Davide wird wohl entstellt bleiben, sagen sie zu ihm, Valerio ist offenbar tot.
Er fragt, wie es Anela geht, und keiner weiß etwas, keiner antwortet ihm, und jemand entkorkt noch eine Flasche und sie trinken wieder und prosten ihm zu und Pietro lacht wieder und beginnt zu torkeln, sich an den Schultern seiner Freunde festzuhalten, die ihn aus der Bar führen und auf ein Fest am Fluss mitnehmen.
Ich fahre mit dem Auto, sagt Pietro, dann bin ich ruhiger, wenn Miriam mich anruft.
Sie nehmen dieselbe Straße, die er fährt, wenn er die Großeltern besucht, die sein Vater fuhr, um seine Mutter abzuholen, klettern über den Damm und gehen ein Stück in den Wald, der bis an den Fluss reicht, die Dunkelheit von den Scheinwerfern der Autos erhellt.
Es sind sehr viele Leute da, und Leuchtkugeln sausen in den Himmel, blinken zwischen den Sternen, färben den Mond in unnatürlichen Tönen, grün und violett und orange, die Musik ist dröhnend laut und vibriert in Pietros Bauch, während er sich der Theke nähert, sich mit den Ellbogen durchkämpft, weiter lacht, die Parfüms schnuppert, die schweißglänzenden Rücken der Mädchen in ihren kurzen, weit ausgeschnittenen Kleidern betrachtet und von Weitem, jenseits der Köpfe, der Steine und der Bänke Gaia entdeckt, die ihn anschaut.
Gaia drängt sich durch die Leute, geht schnell, wieder wirkt es, als öffnete sich die Menge vor ihr, sie trägt ein leichtes Jeanskleid und eine Blume im Haar, sie ist genau wie an jenem Tag auf der Toilette, damals an Weihnachten. Sie ist genau wie meine Mutter, denkt Pietro, während er sie näher kommen sieht, ohne den Blick von ihr zu wenden, und seine Freunde vergisst.
Auch ihr Duft ist gleich, als sie zu ihm tritt, sich wieder auf die Zehenspitzen stellt, um ihn auf die Wange zu küssen, und sagt, ciao, Bauernlümmel.
Der Duft ihres Atems ist gleich, ihr Blick, ihr Schmollmund, die Augen, die aussehen, als hätten sie gerade geweint.
Dort bei all dem lauten Palaver, der Musik und den zuckenden Lichtern, die in den Augen schmerzen, können sie sich nicht unterhalten. Sie entfernen sich ein Stück, Gaia hält seine Hand, und setzen sich auf einen hohlen Baumstamm an der Böschung des Po, der sehr wenig Wasser führt und träge unter ihnen vorbeifließt. Sie verscheuchen die Schnaken, trinken aus ihren Bechern, lachen und erzählen sich, was in diesen Jahren passiert ist. Meist hört Pietro zu, lauscht dieser Stimme, tief und bebend wie immer, die von den Jahren in Madrid erzählt, davon, wie sie sich verliebt hat, wie sie in einem Lieferwagen gelebt hat, in ganz Spanien herumgekommen ist, und wie es dann aus war mit diesem Mann, der sie schlug.
In Gaias Augen sieht Pietro die Melancholie, die Trauer darüber, wie ihr Leben in der Ferne hätte sein können, wie befriedigend es hätte sein können und doch nicht gewesen ist.
Als Gaia schweigt, zündet er sich eine Zigarette an, und auch sie blickt jetzt auf das schmutzige Wasser, erhellt vom Mond und den Lichterketten im Geäst der Bäume, dann dreht sie sich um und fragt, ob sie mal ziehen darf.
Pietro schaut sie an und stößt den Rauch aus, seine Kehle fühlt sich rau an, er trinkt einen Schluck aus dem Plastikbecher, den er in der Hand hält, und erwidert, nein, ziehen lasse er sie nicht, wenn sie wolle, könne sie eine ganze Zigarette haben; sie neckt ihn, drängt ihn, los, was kostet dich das schon.
Nein, hör auf, lacht Pietro, während er die Sandalen abstreift, um das Gras unter den Füßen zu spüren, um Gaias Haut zu spüren, als er sie mit den nun nackten Zehen in die Beine zwickt und sie sagt, er solle sich die Latschen wieder anziehen, seine Füße stinken.
Jetzt sehen sie sich an, und Pietro denkt an Miriam, an seinen Sohn, er denkt an den Abend an dem Tor, in dieser Toilette, er denkt an Gaias Küsse, daran, wie sie halb nackt über ihm war, daran, wie er zum ersten Mal Kokain probiert hat, an ihren Mund und ihr schiefes Lächeln, an ihren Blick, an das alles denkt er, als sie zu lachen aufhört, sich zu ihm beugt, um sein Ohrläppchen zwischen die Lippen zu nehmen, um ihm zuzuflüstern, komm nachher zu mir.
Pietro betrachtet den Fluss, den wolkenlosen Himmel, das Ufer auf der anderen Seite des Flusses, der fast kein Wasser hat, diese ruhige, träge Strömung, er denkt daran, wie sein Großvater hier mit ihm spazieren ging, wie er zu ihm sagte, sie müssten aufpassen, der Fluss sei gefährlich, man könne nicht darin baden. Er betrachtet das verfallene Restaurant dahinter, fragt sich, ob seine Eltern je dort gewesen sind, denkt an seinen Vater zu Hause, an den Gesichtsausdruck, als er ihm das Tagebuch seiner Mutter aushändigte. Er betrachtet seine Füße, die neben Gaias Füßen baumeln, wirft die Zigarette weg und sieht, wie sie im Gras verlöscht, sieht den dunklen Schatten einer Katze, die vorbeihuscht, um sich zu verstecken. Er dreht sich um und blickt Gaia an.
Ja, sagt er zu ihr.
Beim Fahren konzentriert er sich auf die Straße, auf die Gerüche, die hereinwehen, auf den Asphalt im Scheinwerferlicht und auf ihren Duft, als sie sich die Blume aus dem Haar nimmt. Sie lassen den Fluss und die Felder hinter sich, Pietro hofft, dass sie die Hand ausstreckt, um ihn zu streicheln, und hofft zugleich, dass sie es nicht tut, er fürchtet, die Erregung, die er fühlt, könnte explodieren, schämt sich schon bei dem Gedanken, fragt sich, wie es sein wird, werden sie zärtlich sein, wie wird es sein, sie wieder zu küssen, ohne Verlegenheit im Tun und in den Worten, während sie sagt, er solle parken, sie seien da.
Sie steigen aus und Pietro zündet sich eine Zigarette an, Gaia mustert ihn und lächelt schief, lass mich mal ziehen, sagt sie, während sie sich umdreht und auf das Tor eines alten Wohnblocks zugeht.
Sie kommen in einen begrünten Innenhof, Wäschetrockner versperren den Gehweg, über ihnen stehen die Fenster offen, und Pietro macht die Zigarette aus. Jemand hustet und bei jemand anderem läuft der Fernseher, Gaia dreht sich um und zeigt auf den Treppenaufgang, den sie nehmen müssen, ihm fällt der Nachmittag bei Miriam wieder ein, als sie zum ersten Mal miteinander geschlafen haben, er denkt an die Unschuld, fühlt sich jetzt wie damals. Er fühlt, dass seine Hände schwitzen, und fühlt schon Gaias Haut auf sich, ihren Duft, das Jeanskleid, das leicht auszuziehen ist. Beim Eintreten ist die Wohnung so, wie er sie sich vorstellt, wie er sie sich all die Jahre vorgestellt hat, sie ist winzig und die Kleider liegen auf dem Stuhl und auf dem Tisch, es sind dieselben, die Gaia im Gymnasium trug, die Bücher sind dieselben, die sie im Gymnasium las, und Pietro ist derselbe, der sie in jener Toilette zum ersten Mal gesehen hat, derselbe, der sich hat zeigen lassen, wie man Kokain schnupft, und dann nähert er sich ihr, sie wartet an den vollgestellten Herd gelehnt, blickt ihn von unten herauf an, streckt ihm die Hände entgegen und drückt ihn an sich, als er sie küsst, als sie spürt, wie sich seine Hände unter ihr Kleid schieben, es abstreifen und auf den Boden fallen lassen, als er ihre winzigen Brüste küsst und leckt und daran saugt, als er sich vor sie kniet, ihren Bauch berührt, zur Leiste gleitet, als sie ein Bein hebt und es auf seine Schulter stellt und er beginnt, sie zu küssen. Der Geschmack ihres Safts, der ihre Schenkel nass macht, ist derselbe, die Hände, die sich in seine Haare krallen, sind dieselben, die Laute, die sie beim beginnenden Orgasmus von sich gibt, sind dieselben. Und es ist dasselbe, als er sich wieder aufrichtet und sie wieder küsst, sie hochhebt und mit ihr ins Schlafzimmer geht, bis zu dem zerwühlten Bett, es ist dasselbe, als er sich von ihr ausziehen lässt und ihre Zunge über seine Haut wandert, als ihre Hände nach seinem Gürtel greifen und seine Hose öffnen, ihn über dem Slip streicheln, ihr Lächeln, als er ihn auszieht. Es ist dasselbe, zu sehen, wie sie ihre Haare wieder zusammenfasst, die an der Tür durcheinandergeraten sind, sich zu zügeln, um nicht sofort zu kommen, um ihr Gesicht in die Hände zu nehmen und ihr zu helfen, sich auf ihn zu legen, damit die zwei älter gewordenen Körper erneut perfekt harmonieren, die Orgasmen gleichzeitig sind, ihre Schreie und seine Laute eins werden, ihre Hände und Füße, ihre Küsse und ihre Nasen, die beim Küssen aneinandergeraten, in der Hingabe verschmelzen, in der Zeit, die nicht vergangen zu sein scheint. Sie küssen sich, danach, rauchen dieselbe Zigarette, während sie über Pietros Zugeständnis lachen, sich in der Schwüle des Apartments schweigend und schwitzend auf den zerwühlten Laken in den Armen liegen.
Heute bin ich Vater geworden, sagt er zu ihr, als die Zigarette zu Ende ist, der Zauber gebrochen ist und sie wieder sie selbst werden. Er sieht Gaia nicht an, während er es sagt, sieht sie auch nicht an, als sie sich aus der Umarmung löst, aufsteht und barfuß ins Bad geht, ohne etwas überzuziehen, nackt, ohne ein Wort die Tür schließt und die Dusche anstellt, der Pietro lauscht, während er sich wieder anzieht und das Haus verlässt.