Für Vulkanologen:
GR131 über alle Kanarischen Inseln

Land: Spanien | Länge: 560 km
Schwierigkeit: ** | Budget: €€€ | Jahreszeit: ganzjährig
Natur: *** | Kultur: * | Special Interest: Winterziel mit Inselhopping

 

Als ich an einem nasskalten Februartag den Flug auf die Kanaren buche, ahnen noch nicht einmal gestandene Wissenschaftler etwas von dem drohenden Vulkanausbruch auf La Palma. Erst Mitte September, nachdem mehrere Erdbebenschwärme die Insel erzittern ließen, werden die Notfallpläne aktiviert und 6000 Inselbewohner evakuiert. Gerade noch rechtzeitig, denn am 19. September 2021 um 15:12 Uhr schießen die ersten Lavafontänen mit einer Temperatur von über 1000 Grad Celsius bis zu 1500 Meter hoch in die Luft. Aber bei meiner Ankunft wird alles vorbei sein, denke ich optimistisch, als ich aus den Nachrichten von der Naturkatastrophe erfahre. Doch der Cumbre Vieja spuckt immer noch Lava und Asche, als ich am 31. Oktober 2021 auf Lanzarote, der östlichsten Insel, aus dem Flugzeug steige. Der GR 131 startet hier in der Hafenstadt Órzola und führt auf 560 Kilometern über alle Inseln. Ich will die Strecke bis zum Endpunkt in La Palma in gut drei Wochen schaffen – und bis dahin ist der Spuk sicher vorüber, beruhige ich mich.

Auch ohne diesen Auftakt wäre mir auf den ersten Kilometern dieses Trails klar geworden, dass die Kanaren vulkanischen Ursprungs sind. Mehr als hundert erloschene Vulkankegel soll es auf Lanzarote geben, der letzte Ausbruch ereignete sich 1824. Unter dem strahlenden Blau des Himmels dominieren schwarzbraune Vulkanasche und Lapilli, wie die erbsen- bis nussgroßen Gesteinsfragmente im Fachjargon genannt werden. Die wenigen grünen Farbtupfer stammen von Palmen, Agaven und Kakteen, an denen üppige Kaktusfeigen sprießen. Bei dem Versuch, ein paar davon als Pausensnack zu verzehren, bohren sich mir so viele Stacheln in die Hände, dass ich selbst Tage später mit deren Entfernung beschäftigt bin. Angesichts des riesigen Angebotes denke ich allerdings ernsthaft darüber nach, mir ein Paar dicke Grillhandschuhe zuzulegen.

Inmitten dieser dunklen Mondlandschaft erstrahlen immer wieder traditionelle Dörfer in leuchtendem Weiß. Riesige Bettenburgen oder gar Hochhäuser gibt es auf Lanzarote erfreulicherweise nicht, selbst Werbetafeln sind verboten. Das ist dem hier geborenen Maler, Bildhauer und Architekten César Manrique zu verdanken. Gerade noch rechtzeitig vor Einsetzen des Massentourismus konnte er den Inselpräsidenten 1968 davon überzeugen, keine Neubauten von mehr als drei Stockwerken zu genehmigen, was der Höhe einer ausgewachsenen Palme entspricht. Das ehemalige Wohnhaus des 1992 verstorbenen Künstlers liegt direkt am Trail und wurde in ein Museum verwandelt, das durch seine zeitlose Eleganz besticht.

Auf dem Weg durch La Geria glaube ich zunächst, auf eine bizarre Open-Air-Ausstellung gestoßen zu sein. Hunderte von Mulden sind in die schwarze Vulkanlandschaft gegraben und mit halbkreisförmigen Mauern aus Lavagestein umbaut. Doch bei diesen kilometerlangen geometrischen Mustern handelt es sich nicht um Kunst, sondern um eine traditionelle Art des Trockenfeldbaus. Die Lapilli-Schicht ist hier nach den schweren Vulkanausbrüchen des 18. Jahrhunderts bis zu zwei Meter dick. Zum Weinanbau mussten die Winzer für jeden einzelnen Weinstock trichterförmige Vertiefungen bis zum darunterliegenden fruchtbaren Boden graben. Der geringe Niederschlag versickert durch die grobporigen Steinchen schnell zu den Pflanzenwurzeln, die Mäuerchen schützen die Reben zusätzlich vor dem Nordostpassat. Der bläst auch mir fast jeden Tag mit Stärke 7 ins Gesicht. Allzu gerne würde ich wie die Pflanzen in einer dieser Mulden mein Zelt aufbauen, denn Bäume oder Sträucher als natürlichen Wetterschutz gibt es nicht. Aber da die Winzer von mir als Übernachtungsgast sicherlich nicht begeistert wären, nehme ich stattdessen ein festes Quartier in der Hauptstadt Arrecife und fahre mit dem Bus zur jeweiligen Tagesetappe. Kein Problem dank der zahlreichen und günstigen Verbindungen.

Mit der Fähre fahre ich nach drei Tagen zur nächsten Insel. Fuerteventura ist ebenfalls eine windige Halbwüste, doch hier bieten mehrere offene Hütten am Wegesrand Schutz – selbst wenn sie nicht für Übernachtungen gedacht sind. Als unerwartetes Problem entpuppen sich die putzigen Atlashörnchen, die in den 1960er-Jahren aus Afrika eingeführt wurden und der Landwirtschaft seither immense Schäden zufügen. Nachts huschen sie unbemerkt in meinen Rucksack, knabbern ein Loch in eine Packung Nüsse und entschwinden mit der Hälfte des Inhalts …

Nach zwei Zeltübernachtungen im spektakulären und fast menschenleeren Inneren der Insel erreiche ich die dicht besiedelte Küste, wo sich Hotelburgen mit Stränden voller Sonnenschirme und Strandbars abwechseln. Militärisch eingezäunte All-inclusive-Ferienresorts mit Videoüberwachung zwingen den GR 131 zu nervigen Umwegen. Wieder entdecke ich halbkreisförmige Mauern aus Lavagestein, nur schützen sie diesmal keine Weinstöcke, sondern sonnenbadende Touristen in unterschiedlichen Bekleidungszuständen. In voller Wandermontur mit Rucksack falle ich auf wie ein bunter Hund. Da lediglich ein paar Bauruinen Sichtschutz für Wildzelter und jugendliche Partyfreunde gewähren, nehme ich mir gezwungenermaßen ein Quartier in Morro Jable. Doch dieses Mal geht meine Strategie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht auf.

Als ich zehn Minuten vor Abfahrt zur Punta de Jandía am Bahnhof auftauche, ist der nur zweimal täglich verkehrende Bus bereits voll besetzt, ein Dutzend abgewiesener Touristen steht laut debattierend davor. Kein Problem, denke ich, dann laufe ich die Strecke einfach in entgegengesetzter Richtung und nehme den Bus zurück. Glücklicherweise frage ich den Fahrer nach der dortigen Abfahrtszeit. »Wenn der Bus voll ankommt, muss ich dich stehen lassen«, warnt er mich und fügt gleich hinzu: »Tickets vorab kaufen oder reservieren geht aber auch nicht.« Frustriert schreibe ich die Halbinsel Jandía also ab und verbringe meinen letzten Tag auf Fuerteventura damit, mir nackte Touristen am Strand anzuschauen.

Auf Gran Canaria gibt es noch keine offizielle Etappe des GR 131, doch alle Wanderführer geben dieselbe Nord-Süd-Route als Alternative an. Start ist die Touristenhochburg Maspalomas im Süden der Insel, wo an den Balkonen der Feriensiedlungen deutsche Fahnen hängen und die Kneipen »Kölner Eck« heißen. Als ich abends mit dem Bus ankomme, renne ich förmlich zum Stadtrand, um rechtzeitig vor Sonnenuntergang einen guten Zeltplatz abseits des Getümmels zu finden. Und tatsächlich: Gerade mal einen Kilometer Luftlinie hinter der Schnellstraße betrete ich eine völlig andere Welt. In einem barranco, einem tief eingeschnittenen, ausgetrockneten Flussbett voller Geröll und staubiger Kakteen, komme ich mir vor wie in einem Wildwestfilm. Weniger als eine Stunde Fußmarsch entfernt stürzen sich gerade Hunderte von Touristen ins laute Nachtleben, doch hier höre ich in meinem Zelt nur den Ruf einer einsamen Eule.

Am nächsten Morgen steige ich auf uralten, aber kunstvoll angelegten Wegen auf 1700 Meter Höhe hinauf zu Wäldern aus Kanarischen Kiefern. Eine dicke Borke schützt sie vor den häufigen Waldbränden, sodass schon bald nach einem Feuer neue Knospen aus dem schwarz verkohlten Stamm austreiben. Die langen Nadeln verschaffen mir ein traumhaft weiches Nachtlager. Allerdings möchte ich nur ungern einen der handtellergroßen Zapfen auf den Kopf bekommen.

Auf keiner anderen Insel des Archipels gibt es so viele archäologische Fundstellen wie auf Gran Canaria. Die »Heiligen Berge« im Zentrum wurden 2019 sogar zum UNESCO- Weltkulturerbe erklärt. Meine Route führt mich im Nieselregen direkt zu den Cuevas de Caballero, den Höhlen, die der kanarischen Urbevölkerung vor der Eroberung durch die Spanier als Kultstätten dienten. Als die dichte Wolken- und Nebeldecke aufreißt und den Blick auf den Vulkankessel von Tejeda und die bizarre Felsformation des Roque Bentayga freigibt, verstehe ich sofort, warum die Altkanaren ihre Götter an diesem spektakulären Ort verehrten. Aus Schutz vor Vandalismus sind die Höhlen durch Gitter verschlossen, im neuen UNESCO- Informationszentrum in Artenara ist die berühmteste Kultstätte der Insel originalgetreu nachgebildet.

In diesem hübschen Ort muss ich mich leider schon wieder um ein lästiges organisatorisches Problem kümmern: den Weitertransport nach Teneriffa. Die Fährverbindungen reißen nicht nur mich aus dem Wanderflow, sondern auch ein tiefes Loch in mein Budget. Touristen zahlen das Vierfache des subventionierten Preises für die Einheimischen. Alle Überfahrten zusammen kosten mich mehr als 200 Euro, und das ohne einen Abstecher nach El Hierro. Würde ich die vierzig Kilometer lange Wanderstrecke auf der kleinsten Insel noch mitnehmen wollen, kämen weitere hundert Euro dazu. Inselhopping per Flugzeug ist auch nicht preiswerter. Zudem verkehren die Fähren oft so ungünstig früh oder spät, dass eine Hotelübernachtung in der Hafenstadt nötig wird. Und das ist zur Hochsaison ein teures Vergnügen, wenn überhaupt ein Bett frei ist. So hat Santa Cruz de Tenerife laut meinem Buchungsportal mehr als 500 Unterkünfte, doch die sind bis auf drei Luxusapartments allesamt für den nächsten Tag belegt, ein Campingplatz existiert nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als in den Bergen Gran Canarias oberhalb der Hafenstadt Agaete zwischen ein paar stacheligen Kakteen zu zelten und noch im Dunkeln mit der Stirnlampe vorsichtig zur Frühfähre abzusteigen.

Auf Teneriffa verläuft der GR 131 nicht von Küste zu Küste, sondern beginnt und endet im Landesinneren. Die warme Synthetikjacke und die Sturmhaube, die bisher nur unnützer Ballast in meinem Rucksack waren, kann ich plötzlich gut gebrauchen. Der Trail klettert bis auf 2400 Meter Höhe, wo die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt fallen. Den Abstecher auf den Teide, mit 3715 Metern der höchste Berg Spaniens, spare ich mir daher. Die Mehrzahl der Besucher erklimmt den Gipfel nicht mühsam zu Fuß, sondern fährt in zehn Minuten mit der Seilbahn hinauf. Auch jetzt im November ist die Zufahrtsstraße mit Mietwagen zugeparkt.

Nachdem ich Wasser am Besucherzentrum des Nationalparks getankt habe, versperren mir plötzlich ein Flatterband und ein Warnschild die Weiterwanderung. »Zutritt verboten Montag, Mittwoch und Freitag wegen Mufflonjagd mit Feuerwaffen«, heißt es da auf Spanisch und Englisch. Die Tiere, die erst 1970 auf Teneriffa eingeführt wurden, schädigen die Hochgebirgsflora und sollen daher durch alljährliche Treibjagden langfristig wieder ausgerottet werden. Nur endete die Jagdsaison bereits vorgestern! Weil ich die Termine schon vor Tagen auf der Website des Nationalparks überprüft habe, frage ich am Informationsschalter unschuldig nach: »Haben Sie vergessen, die Absperrung zu entfernen?«

»Nein, der Weg ist heute tatsächlich geschlossen. Wir konnten im Mai nicht wie geplant jagen und haben daher zwei Tage drangehängt«, überbringt mir eine Rangerin die niederschmetternde Nachricht.

»Aber warum haben Sie das denn nicht im Internet angekündigt?«, hake ich fassungslos nach.

»Wenn wir die Jagdtermine einmal hochgeladen haben, können wir die Website nachträglich nicht mehr ändern«, erklärt mir die Frau, die HTML anscheinend für eine in Stein gemeißelte Keilschrift hält. Immerhin zeigt sie mir eine Alternativroute durch die bizarre Mondlandschaft des Nationalparks, die zwar ebenfalls verdammt spektakulär, allerdings auch deutlich länger ist als der GR 131.

Und so erreiche ich erst eine Stunde vor Sonnenuntergang den höchsten Punkt des Trails am Rande der gigantischen Caldera de las Cañadas, eines Vulkankraters mit 17 Kilometer Durchmesser! Von der 500 Meter steil abfallenden Kraterwand aus blicke ich gen Norden hinunter auf den fast ebenen Boden des Einsturzkessels, in dessen Mitte der Teide in den strahlend blauen Abendhimmel aufragt. Auf der anderen Seite der Kesselwand hingegen verhüllt ein Meer aus weißen Wolken alles, was gerade mal hundert Höhenmeter tiefer liegt. Trotz der intensiven Sonnenstrahlung fröstelt es mich im Wind. Wenn ich die Nacht nicht frierend über den Wolken verbringen möchte, muss ich so schnell wie möglich absteigen. Nur widerwillig reiße ich mich von dem atemberaubenden Panorama los und eile den steinigen Pfad hinunter, der mich über Lavageröll und schwarze Aschefelder direkt durch die dicke Wolkenschicht führt. Erst im allerletzten Dämmerlicht gelange ich an die Baumgrenze und schlage mein Lager zwischen ein paar schmächtigen Kanarischen Kiefern auf. Am nächsten Morgen ist das Kondenswasser an meiner Zeltwand gefroren, und die Wege sind mit einer weißen Raureifschicht überzuckert.

Die Überfahrt von Los Cristianos nach La Gomera dauert bloß fünfzig Minuten, aber aufgrund der ungünstigen Bus- und Fährverbindungen geht auch für diesen Transfer ein ganzer Tag drauf. Kaum hat das Schiff abends angelegt, muss ich zur Zeltplatzsuche die Berge hinaufspurten. Doch als ich mein Lager auf einer nicht mehr bewirtschafteten Steinterrasse hoch über der Hafenstadt aufschlage, bin ich froh darüber, dass alle Unterkünfte ausgebucht waren. Unter mir glitzern die Lichter der Hauptstadt San Sebastián, lautlos gleiten eine Fähre und ein Fischerboot in den Hafen, und auf der Nachbarinsel Teneriffa erscheint gerade der Vollmond hinter der Silhouette des mächtigen Teide. Ich bin so fasziniert von diesem Anblick, dass ich mein Abendessen ins Freie verlege.

Während am nächsten Morgen die Sonne surreal orange über dem Meer aufgeht und den Teide in zarte Pastelltöne hüllt, stoße ich im Internet auf eine Hiobsbotschaft: Der Flugverkehr auf La Palma wurde eingestellt, weil sich der Nordostpassat gedreht hat und die Vulkanasche nicht länger auf das offene Meer hinaustreibt. Mittlerweile hat der Lavastrom mehr als 2600 Häuser zerstört und bedeckt über 1000 Hektar Fläche. Aber bei meiner Ankunft wird das alles vorbei sein, glaube ich immer noch, denn die bisherigen Flughafenschließungen waren nur von kurzer Dauer. Die Hoffnung auf eine Durchwanderung der Insel habe ich trotzdem aufgegeben, denn der GR 131 ist dort schon seit Längerem fast komplett gesperrt.

Auf La Gomera wandere ich erst mal im Nationalpark Garajonay weiter durch Europas größten Laurisilva oder Lorbeerwald, ein UNESCO- Weltnaturerbe. Lange Bartflechten hängen von den Bäumen, die knorrigen Äste sind mit Moos bewachsen, und dazwischen gedeihen bis zu zwei Meter hohe Farne. An dieser üppigen Vegetation kondensiert das Wasser der Passatwolken, tropft hinunter und bewässert so den Boden.

Der Trail folgt uralten Pfaden, die förmlich an den Fels geklebt zu sein scheinen. Doch was aus der Ferne unpassierbar wirkt, erweist sich letztendlich immer als idiotensicher. Steile Stellen werden über kunstvoll angelegte Treppen bewältigt, ausgesetzte Passagen sind mit Geländern abgesichert. Wandertourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig auf den Kanarischen Inseln, entsprechend viel wird in die Instandhaltung und Markierung des Wegenetzes investiert.

Uschi Groos, eine professionelle Fotografin, die mit ihrem Mann eine Künstlerresidenz in den Bergen von La Gomera betreibt, hat mich zum Abschluss meiner Tour eingeladen und macht mir einen überraschenden Vorschlag: »Ich arbeite gerade an einer Fotoserie über das Alltagsleben mit dem Vulkan. Wir könnten morgen gemeinsam mit meinem Auto La Palma erkunden.« Und so stehe ich wieder einmal im Dunkeln auf, um eine Frühfähre zu erreichen. Immerhin muss ich diesmal nicht laufen, sondern werde gefahren.

Schon bei unserer Ankunft sehen wir, dass die gesamte Insel mit einer dünnen Ascheschicht überzogen ist. Vor den Häusern und Geschäften wird eifrig gefegt, parkende Fahrzeuge sind dunkel eingefärbt, und Autofahrer betätigen ihre Scheibenwischer, obwohl es keinen Tropfen regnet. Beim Frühstück auf einem Supermarktplatz habe ich das Gefühl, Aschepartikel im Mund zu haben. Wegen der hohen Gasemissionen liegt ein eigenartiger Geruch in der Luft, Uschi klagt über brennende Augen. Kein Wunder, dass in einigen Gemeinden eine Ausgangssperre verhängt wurde. Obwohl es in der Hauptstadt Santa Cruz keine Restriktionen gibt, sind Strand und Fußgängerzone fast menschenleer. Die ausländischen Besucher bleiben aus – eine Katastrophe für die gebeutelte Bevölkerung, die auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen ist.

Als wir im Hafen von Tazacorte in einem halb leeren Restaurant gegrillten Tintenfisch verspeisen, beobachten wir fasziniert, wie wenige Kilometer entfernt riesige weiße Dampfwolken vom Strand in den Himmel steigen. »Gerade erst vor zwei Stunden hat dort ein neuer Lavastrom das Meer erreicht und erkaltet nun zischend im Wasser«, erklärt uns der Kellner das Naturschauspiel. Seit Beginn des Ausbruchs hat sich die Insel durch neue Lavafelder bereits um vierzig Hektar vergrößert.

Als es Nacht wird, erleuchtet rot glühendes Magma den Himmel in surrealen Farben, und das Brodeln des Vulkans klingt wie fernes Meeresrauschen. Nun sind die Aussichtspunkte überfüllt mit Fotografen und Kamerateams, Fernsehsender haben ganze Häuser gemietet und filmen von den Dächern aus. Überall aufgestellte Halteverbotsschilder sollen verhindern, dass die parkenden Mietwagen der Schaulustigen den Verkehr blockieren.

»Bis zu deinem Abflugtermin wird der Flughafen wieder öffnen«, versichert mir Uschi zum Abschied und entschwindet im Verkehrschaos, um selbst ein paar Nachtfotos zu schießen.

Doch als ich am Abreisetag aufwache, ist der Flugverkehr immer noch ausgesetzt. Gerade mal sechs Stunden vor dem geplanten Take-off storniert die Airline meinen Flug. Die Mehrkosten für den einzigen termingerechten Ersatzflug von der Nachbarinsel, die Fähre dorthin und eine weitere Hotelübernachtung sprengen nun endgültig mein übliches Budget. Der GR 131 wird zu einem der teuersten Wanderwege meiner Laufbahn. Dennoch bereue ich keinen Cent! Selten habe ich auf so kleinem Raum so viele unterschiedliche spektakuläre Landschaftsformen und Klimazonen gesehen. Und wirklich nirgendwo sonst habe ich die Urgewalt der Erde so brutal – und zugleich so wunderschön – erleben dürfen.

Für wen:

  • Die Kanaren sind die perfekte Outdoordestination für Winterflüchtlinge, denn hier herrscht das ganze Jahr über sonniges Wanderwetter. Nur in den Höhenlagen ist warme Kleidung notwendig.
  • Wer es gerne etwas luxuriöser mag (und das entsprechende Budget mitbringt), kann in schicken Hotels den Wander- mit einem tollen Badeurlaub verbinden. Tagsüber ohne Gepäck laufen, abends an Hotelbar und Pool relaxen – kein Problem! Alle Etappen können von einem Standquartier aus mit Bus oder Taxi erreicht werden.
  • Auch wenn die Eruption auf La Palma nach drei Monaten ein Ende fand: Europaweit sind die Kanaren nach wie vor ein beeindruckendes Anschauungsobjekt für Hobbyvulkanologen und -geologen .