KAPITEL 6

Delmira

NOCH ETWA VIER WOCHEN
BIS ZUM ERSTEN VOLLMOND

W ährend wir unterwegs zurück zu dem Ort sind, wo wir die letzte Nacht verbracht haben, entgeht mir nicht, dass ich unter Garreths wachsamer Beobachtung stehe. Ich weiß, dass er sich um mich sorgt. Nicht nur wegen der Stimme, die ich plötzlich hören kann und er nicht, sondern auch wegen des Zaubers der Hexe. Mein Handgelenk fühlt sich wund und heiß an. Garreth scheint dies zu bemerken, obwohl mir nicht ein Laut des Jammers über die Lippen kommt.

Wann immer ich seinen prüfenden Blick spüre, schenke ich ihm ein entspanntes Lächeln, was ihn jedoch bloß zu einem Stirnrunzeln veranlasst.

Irgendwann gebe ich es auf und schaue stur geradeaus. Ich kann nur hoffen, dass wir bald ankommen, damit wir so schnell wie möglich erneut die Grenze überqueren und uns diesmal nach Valencia aufmachen können. Ich war noch nie im Reich des Südens. Mir ist klar, dass dies keine Vergnügungsreise ist, aber irgendwie freue ich mich trotzdem darauf, ein weiteres neues Reich kennenzulernen.

Um nicht ständig die schwindende Zeit im Nacken zu haben, versuche ich, meine Gedanken auf Alltägliches zu lenken. Ich stelle mir vor, wie wundervoll es wäre, wenn wir bald bei einem Gasthaus haltmachen können, das über ein Bad verfügt, nicht bloß über eine Schüssel mit eiskaltem Wasser, in dem sich schon wer weiß wer gewaschen hat. Langsam, aber sicher fangen die Bandagen um meine Brust an zu scheuern, weil ich sie schon länger nicht reinigen konnte.

›Das sind Informationen, die ich nicht brauche!‹ , knurrt Varyan.

Ertappt ziehe ich scharf die Luft ein und merke erst da, dass meine rechte Hand aus purer Gewohnheit die ganze Zeit über auf dem fehlenden Schwertknauf Caligrams ruhte.

›Hör auf, meine Gedanken zu belauschen!‹ , zische ich.

›Würde ich gern, aber du schreist sie mir förmlich ins Gesicht. Sei versichert, ich bin der Letzte, der Details über deinen ungewaschenen und wahrscheinlich verschwitzten Körper wissen will.‹ Ehe ich zu einer hitzigen Erwiderung ansetzen kann, ändert sich seine Stimmlage von genervt zu raunend. ›Aber über diese Bandagen darfst du mir gern mehr erzählen.‹ Beim Tonfall seiner Stimme durchzuckt mich ein warmer Schauder, den ich jedoch rigoros zurückdränge. ›Warum brauchst du sie? Bitte sag mir, dass –‹

»Ruhe!«, schreie ich.

Mein Rappe wirft erschrocken den Kopf zurück. Erst da geht mir auf, dass ich wieder laut gesprochen habe. Ich muss nicht zur Seite schauen, um zu wissen, dass Garreth mich mitleidig betrachtet. Stur starre ich geradeaus und ignoriere das Brennen in meinen Wangen. Ich müsste bloß die Hand zurückziehen, um Varyans taktlose Bemerkungen auszublenden, doch das käme einer Niederlage gleich. Einem Rückzug. Ich würde damit eingestehen, dass ich ihm unterlegen bin.

Und das kommt überhaupt nicht infrage!

›Ihr reitet übrigens in die falsche Richtung‹, teilt mir Varyan mit, nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen haben. Dennoch spürte ich die ganze Zeit über seine Anwesenheit in meinem Kopf.

Ich runzele die Stirn. »Wir sind auf dem Weg nach Valencia.«

Garreth wendet sich mir zu und zieht eine Augenbraue hoch. Verdammt, ich habe schon wieder laut gesprochen …

»Entschuldige«, murmele ich.

Garreths Blick gleitet zu Caligram an meiner Seite und meiner Hand, die ich locker auf den Stahl gelegt habe. »Diese ominöse Stimme nimmt dich ganz schön in Beschlag. Du redest fast mehr mit ihr als mit mir.«

»Sie … Er ist der Meinung, dass wir in die falsche Richtung reiten«, sage ich.

»Ah, jetzt ist es also ein Er.«

Ich schließe seufzend die Augen. »Glaub mir, ich wäre auch froh, wenn ich ihn nicht mehr hören müsste.«

›Lügnerin.‹

›Halt die Klappe!‹

»Und warum ist er der Meinung, wir wären in die falsche Richtung unterwegs?«, fragt Garreth

›Weil der Herzholzhain in Lerthau liegt, nicht in Valencia‹ , antwortet Varyan in meinem Kopf.

›Warum sollten wir zum Herzholzhain reisen?‹ , will ich verwirrt wissen. ›Davon war nie die Rede.‹

Sein Schnauben rauscht durch meine Gedanken. ›Wir sprechen uns wieder, wenn ihr bei eurem Schmied wart.‹

›Egal, was da passiert: Wir werden nie und nimmer in diesen Herzholzhain reisen! Das wäre bestimmt ein riesengroßer Umweg.‹

Keine Ahnung, wo dieser Herzholzhain liegen soll, aber auf direkter Strecke nach Valencia offenbar nicht. Also werden wir definitiv nicht dort hinreisen!

›Macht, was ihr wollt.‹ Varyan klingt belustigt.

Ich stoße ein Grummeln aus. »Ich ignoriere ihn ab jetzt.«

Tatsächlich brauche ich mehrere Anläufe, um meine Hand vom Stahl des Schwertes zu nehmen. Ich will es, doch mein Kör per gehorcht mir nicht. Ich werfe mir vor, dass auch das Zurückziehen meiner Hand eine Niederlage ist. Warum reagiere ich plötzlich so gereizt auf die Stimme im Schwert?

Als ich mir das vierte Mal fest vornehme, Caligram loszulassen, gelingt es mir endlich. Sogleich genieße ich das Gefühl, wieder allein in meinem Kopf zu sein, und schimpfe gleichzeitig mit mir, warum ich das nicht viel früher getan habe.

Garreth ist derart motiviert, dass wir die Nacht durchreiten. Ich genehmige mir ein paar Stunden Schlaf im Sattel, die ich nach der ganzen Aufregung und den Schmerzen, die noch immer von dem magischen Siegel an meinem Handgelenk ausgehen, dringend gebraucht habe.

Als wir im Morgengrauen den Ort mit dem Schmied erreichen, sehe ich Garreth deutlich an, dass er kein Auge zugemacht hat.

Als ich ihn darauf anspreche, winkt er ab. »Es geht mir gut. Wir haben bloß drei Monate. Bis dahin müssen wir in Valencia gewesen sein und du musst das Schwert zurückgebracht haben.«

Ich könnte ihn darauf hinweisen, dass wir in diesem Tempo höchstens drei Wochen brauchen, bis wir in der Hauptstadt Valencias ankommen. Ein Tempo, das Garreth aber nicht ohne Weiteres durchhalten wird.

»Deine Prinzessin wird denken, du seist ein Geist, wenn du nicht auf dich aufpasst«, sage ich tadelnd, während ich aus dem Sattel steige. »Geh ins Gasthaus und ruhe dich ein paar Stunden aus. Ich suche den Schmied allein auf.«

»Aber –«

Ich schneide ihm mit einer knappen Handbewegung das Wort ab. »Nichts aber! Du wärst mir keine Hilfe. Caligram kannst du nicht anfassen, du stündest also nur sinnlos herum. Nutze die Zeit, um Schlaf nachzuholen. Ich treffe dich später, damit wir etwas essen können.«

Sichtlich nicht begeistert, trollt er sich Richtung Gasthaus.

Ich folge dem lauten Hämmern zur Schmiede, das ich vom Dorfplatz aus deutlich hören kann. Dabei lege ich eine Hand auf Caligram. Sofort spüre ich Varyan in meinem Kopf.

›Ich dachte, du wolltest nicht mehr mit mir reden.‹

›Ich habe gerade nichts Besseres zu tun‹ , erwidere ich. ›Wir sind gleich bei der Schmiede.‹

Ein schnaubendes Lachen. ›Ich hoffe, du hast genug Gold dabei.‹

Dass die Restauration alles andere als günstig wird, ist mir klar. Aber Varyan klingt, als würde noch eine andere Komponente eine Rolle spielen. Ich frage jedoch nicht nach, denn ich bekäme bloß wieder seinen überheblichen Spott zu spüren.

Bereits in der Nähe der Schmiede schlägt mir die unbeschreibliche Hitze entgegen und treibt mir die ersten Schweißperlen auf die Stirn. Das Hämmern und Zischen wird beinahe ohrenbetäubend, und ich blinzele bei jedem Schlag.

Als ich eintrete, verschlägt mir die Hitze den Atem. Ich habe das Gefühl, als würde meine Lunge bei jedem Luftholen versengt werden.

Der Schmied steht mit dem Rücken zu mir und lässt seinen Hammer mit gekonnter Präzision auf etwas niedersausen, was von hier aussieht wie eine Sense. Verstohlen blicke ich mich um. Im Inneren der Schmiede sind einige Stücke ausgestellt: Hämmer, Hacken, Sensen, Äxte.

Keine Schwerter.

Offenbar handelt es sich um einen gewöhnlichen Dorfschmied, was nichts bedeuten muss. Sicherlich kommt er auch mit einem Schwert zurecht.

Dieser Gedanke bringt mir ein weiteres Lachen von Varyan ein.

Sein herablassendes Verhalten geht mir langsam, aber sicher auf die Nerven. Ich muss ihm beweisen, dass er falsch mit seiner Annahme liegt. Dann werde ich diejenige sein, die zuletzt lacht.

Ich passe einen Moment ab, als der Schmied den Hammer hebt, und rufe ein lautes »Guten Morgen« in den stickigen Schmiederaum.

Langsam lässt der Schmied sein Arbeitsgerät sinken und wendet sich zu mir um. Er ist ein älterer Lerthauer mit dichtem Bart und Oberarmen, die so dick sind wie meine Oberschenkel. Nach einer Ohrfeige von ihm würde man so schnell nicht wieder aufstehen …

»Ich habe einen Auftrag«, sage ich, als ich einen Schritt auf ihn zu mache.

Behutsam ziehe ich Caligram aus meinem Gürtel und lege es auf einen niedrigen Tisch in der Nähe.

Der Schmied betrachtet das Schwert aufmerksam, während er sich über seinen Bart streicht. »Aus welchem Sumpf habt Ihr das denn gefischt?«

Auch ohne dass ich Caligram berühre, meine ich, Varyans wütendes Schimpfen zu hören. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um ein Lachen zu unterdrücken.

»Könnt Ihr es reparieren?«, frage ich. »Der Preis spielt keine Rolle.«

Der Schmied verzieht den Mund. »Das ist gut, denn billig wird das auf keinen Fall. Wahrscheinlich ist es günstiger, wenn ich Euch ein gänzlich neues Schwert fertige.«

»Es muss leider dieses sein.«

Seufzend kratzt sich der Schmied am Kopf. Ich merke ihm deutlich an, dass er mich abweisen will, deshalb zaubere ich zwei Goldmünzen aus dem ledernen Beutel an meinem Gürtel und lege sie neben Caligram. Sie schimmern im Schein der Feuer um uns herum.

»Eine kleine Anzahlung für Eure Mühen«, raune ich.

In diesem kleinen Dörfchen dürfte es eine Weile her sein, seit der Schmied Goldmünzen zu Gesicht bekommen hat.

Ich klopfe gegen den Beutel an meiner Hüfte und lasse dadurch die anderen Münzen klimpern. »Ihr erhaltet das Doppelte nach getaner Arbeit.«

Der Schmied nickt. »Es wird trotzdem eine Weile dauern.«

»Drei Tage«, sage ich. »Mehr Zeit haben wir nicht.«

Mehr Zeit hätten wir schon, aber ich will diese Reise so schnell wie möglich hinter mich bringen. Nicht nur wegen meiner Suche nach Batur. Wenn wir zu lange an einem Ort verweilen, werden zu viele Leute auf uns aufmerksam.

Der Schmied greift nach einem kleineren Hammer zu seiner Rechten. »Zuerst muss ich …«

Er holt mit seinem Arbeitsgerät aus. Doch als der Hammer auf Caligram trifft, zerspringt er in tausend winzige Stücke. Erschrocken halte ich den Atem an. Während der Schmied verwirrt blinzelnd seinen kaputten Hammer betrachtet, strecke ich unauffällig die Hand aus und berühre das Schwert.

›Ich hab es dir gesagt.‹

Angesichts Varyans überheblicher Stimme blecke ich die Zähne und ziehe meine Hand zurück.

Erneut kratzt der Schmied sich am Kopf. »Muss wohl ein Materialschaden gewesen sein.«

Ich nicke knapp. »Ich sehe schon, ich stünde Euch bloß im Weg. Deshalb lasse ich Euch nun mit Eurer Arbeit allein. Sobald Ihr fertig seid, schickt nach mir. Ich bin im hiesigen Gasthaus abgestiegen. Wenn Ihr niemandem erzählt, woran Ihr arbeitet, erhal tet Ihr ein paar weitere Münzen für Eure Verschwiegenheit. Und tragt am besten während der gesamten Tätigkeit Handschuhe.«

Ohne auf die Antwort des Schmieds zu warten, wende ich mich ab und flüchte aus der drückenden Hitze.

Der Wirt des Gasthauses weist mir das Zimmer neben Garreths zu. Hinter seiner geschlossenen Tür vernehme ich ein leises Schnarchen, das mich schmunzeln lässt. Vorhin sah Garreth aus, als würde er fast im Stehen einschlafen. Ich verstehe, dass er so schnell wie möglich zu seiner Prinzessin will, aber es bringt nichts, wenn er auf dem Weg dorthin zusammenbricht. Wenn Caligram fertig restauriert ist und wir wieder aufbrechen, werde ich Garreth notfalls dazu zwingen, regelmäßig Pausen einzulegen. Ich mag dieses Tempo durchhalten, er jedoch nicht.

Mein Zimmer ist winzig, aber sauber. Mehr als ein Bett und eine Schüssel Wasser brauche ich nicht. Nachdem ich meine Stiefel ausgezogen und mein Schwert samt Gürtel abgelegt habe, lege ich mich hin. Kaum dass mein Kopf das Kissen berührt, schlafe ich ein.

Nur gefühlte Minuten später werde ich durch ein lautes und äußerst hartnäckiges Klopfen aus dem Schlaf gerissen.

Sofort greife ich nach meinem Schwert und gehe zur Tür, die ich schwungvoll aufreiße. Der Wirt weicht hastig einen Schritt zurück, als er die gezückte Waffe in meinen Händen sieht.

»D-Der Schmied will mit Euch reden«, stammelt er, ehe er schnell wieder in den Gastraum hinabsteigt.

Mit einer bösen Vorahnung reibe ich mir mit der freien Hand übers Gesicht.

Neben mir öffnet sich eine weitere Tür und Garreth tritt auf den Flur. »Was ist denn hier los?«, fragt er verschlafen und unterdrückt dabei ein Gähnen.

»Nichts Gutes, fürchte ich«, antworte ich. Mein Blick gleitet zu ihm. »Hol deine Sachen. Ich habe das Gefühl, dass wir bereits jetzt aufbrechen müssen.«

Mit einem Brummen trollt er sich abermals in sein Zimmer.

Nachdem ich das Zimmer mit meinen wenigen Habseligkeiten verlasse, wartet Garreth bereits auf dem Flur auf mich.

»Ist in der Schmiede etwas vorgefallen?«, fragt er, als wir die Stufen zum Gastraum hinabsteigen.

Ich kaue auf meiner Unterlippe, ehe ich sage: »Ich befürchte, dass ein gewöhnlicher Schmied nicht mit Caligram zurechtkommt. Die Stimme hat mich davor gewarnt, aber ich wollte nicht auf sie hören.«

In knappen Worten erzähle ich ihm von dem zersplitterten Hammer. Der hätte noch Zufall sein können, doch als ich den Schmied im Gastraum stehen sehe, das Gesicht finsterer als eine mondlose Nacht, weiß ich, dass es kein Zufall war. Ich atme tief durch, straffe den Rücken und gehe auf ihn zu. Es sind nicht viele Gäste anwesend – wahrscheinlich nur die üblichen Trinker des Dorfes –, aber sie alle beobachten uns.

Ich hasse es, von Blicken verfolgt zu werden. Vor allem, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet.

Als ich vor dem Schmied stehe, recke ich das Kinn und frage: »Seid Ihr schon fertig?«

Mit einem Grunzen wirft er mir das in Stoff eingeschlagene Caligram vor die Füße. Sein metallisches Scheppern hallt im Raum wider. »Ihr habt mir ein verfluchtes Schwert gegeben!«

Ein eisiges Gefühl rumort in meinen Eingeweiden, doch davon darf ich mir nach außen hin nichts anmerken lassen. Ich wische seine Anschuldigung mit einer Handbewegung beiseite. »Ein verfluchtes Schwert? Ich bitte Euch! Gebt einfach zu, dass Euch die Instandsetzung überfordert hat.«

»Dieses Ding«, wütend deutet er auf Caligram, »hat die Hälfte meiner Werkzeuge zerstört und«, er zieht sich die Handschuhe aus und präsentiert mir seine verbrannten Handflächen, »mich obendrein übel zugerichtet.«

Ein Raunen geht durch den Schankraum. Ich schlucke angestrengt. Natürlich glaube ich ihm, dass die Wunden von Caligram verursacht wurden. Doch ich darf nicht riskieren, dass sich Gerüchte verbreiten, die uns noch in Schwierigkeiten bringen. Diejenigen, die sowieso hinter Caligram her sind, werden schnell begreifen, worum es sich bei dem verfluchten Schwert handelt, und die Verfolgung aufnehmen. Hier vor allen Anwesenden eine Diskussion mit dem Schmied anzuzetteln und ihm vorzuwerfen, er hätte eben durchweg Handschuhe tragen sollen, wie ich es ihm geraten habe, würde lediglich zu weiterem Unmut und Gerüchten führen. Das muss ich im Keim ersticken!

Ich mache einen Schritt über Caligram hinweg und stelle mich nah an den Schmied. Im Schutze meines Umhangs fische ich eine weitere Goldmünze aus der Börse.

»Ich bezahle für den Verlust Eurer Werkzeuge«, raune ich so leise, dass nur er mich versteht. »Und für Eure Verschwiegenheit. Wenn Euch jemand fragt, werdet Ihr sagen, dass Ihr nicht in der Lage wart, das Schwert zu restaurieren. Ihr werdet nie wieder verlauten lassen, dass es sich um ein verfluchtes Schwert handelt.«

Der Schmied plustert entrüstet die Wangen auf. »Ich soll mein eigenes Können anzweifeln und verleugnen?«

Ich hole eine zweite Münze hervor, während ich ihn niederstarre. »Ihr werdet niemandem gegenüber erwähnen, dass wir hier waren und ein Schwert bei uns hatten. Und gleich werdet Ihr Eure Aussage, dass das Schwert verflucht wäre, zurückziehen.«

Den Blick gierig auf die beiden Goldmünzen gerichtet, fragt er flüsternd: »Was ist so besonders an diesem Schwert?«

»Nichts«, antworte ich. »Es ist bloß ein altes Schwert, das Euer Können übersteigt.«

Er weiß natürlich, dass ich ihn mit einer Lüge abspeise, aber ich werde ihm niemals die Wahrheit sagen. Die Tatsache, dass er das sagenumwobene Caligram in seiner Schmiede hatte, wird er niemals für sich behalten können.

Als der Schmied knapp nickt, wechseln die beiden Münzen ihren Besitzer. Über die Schulter gebe ich Garreth zu verstehen, dass er den Wirt bezahlen soll. Ich hebe unterdessen Caligram auf. Als ich es berühre, höre ich einen Laut zwischen Erleichterung und Wut in meinem Kopf.

›Wenn du mir noch einmal vorhältst‹ , grolle ich in Gedanken, ›dass du es mir ja gesagt hättest, werfe ich dich in den nächsten Fluss.‹

Wieder ein Schnauben. Das scheint seine Lieblingsart zu sein, um mit mir zu kommunizieren. ›Na schön. Ich wäre dir aber zutiefst dankbar, wenn ich mich nicht wieder von einem solchen Stümper betatschen lassen müsste.‹

Ich verlasse das Gasthaus und warte bei den Pferden auf Garreth. ›Du spürst, wer dich berührt?‹

Varyan lässt sich Zeit mit einer Antwort. Seine Stimme klingt angespannt, als er sagt: ›Leider ja.‹

›Wie …‹

›Du bist verdammt neugierig‹ , fällt er mir knurrend ins Wort. ›Erspare mir deine dummen Fragen! Ich habe für heute bereits genug durchgemacht.‹

Ich schlage das Schwert vollständig in den Stoff ein und befestige es am Sattel meines Rappen. Warum unterhalte ich mich überhaupt mit ihm? Ich sollte lieber daran glauben, dass ich mir die Stimme nur einbilde. Dass es nichts weiter als ein verrostetes Schwert ist.

Als Garreth den kleinen Stall neben dem Gasthaus betritt, reibt er sich verschlafen über die Augen. »Ich wünschte, wir hätten wenigstens eine Nacht hierbleiben können.«

»Das wünschte ich auch«, sage ich. »Aber wenn wir Caligram vorzeigbar machen wollen, müssen wir einen anderen Schmied finden.«

Garreth runzelt die Stirn. »Meinst du, ein anderer Schmied hat mehr Glück?«

Ich könnte argumentieren, dass der hiesige Schmied auf Werkzeuge spezialisiert war. Dass er vermutlich deswegen nicht mit Caligram umgehen konnte. Aber ich bezweifle das. Wenn Caligram tatsächlich einst ein Schwert der Götter war, wird kein heutiger Schmied damit zurechtkommen.

Widerwillig schlage ich ein Stück des Stoffs zurück und lege zwei Finger auf die Klinge. ›Dieser Herzholzhain, von dem du gesprochen hast. Was erwartet uns dort?‹

›War das etwa schon wieder eine Frage? Weißt du, es ist ziemlich unhöflich, das Schwert in Stoff einzuwickeln und nur anzufassen, wenn du irgendwas wissen willst.‹

Ich seufze. ›Wir haben keine Zeit dafür. Wenn du unbedingt in diesen Hain willst, musst du mir sagen, warum.‹

›Du hättest von Anfang an auf mich hören sollen.‹

Ich stoße ein Knurren aus. »Warum bist du so verdammt schwierig?«

Mein Pferd gibt ein nervöses Wiehern von sich. Erst da merke ich, dass ich wieder laut geredet habe. Seufzend lehne ich die Stirn gegen den Sattel. Ich war noch nie für meinen langen Geduldsfaden bekannt, aber Varyan stellt seine Festigkeit wissentlich auf die Probe. Einzig Garreth zuliebe habe ich das verdammte Schwert nicht schon längst im nächsten Straßengraben zurückgelassen.

›Wieso reist ihr nicht einfach zum Herzholzhain und seht nach?‹

Ich knirsche mit den Zähnen. ›Weil es wahrscheinlich in der komplett entgegengesetzten Richtung liegt.‹

›Tja, wenn ihr der holden Prinzessin kein verrostetes und schartiges Verlobungspräsent überreichen wollt, bleibt euch wohl keine Wahl, wie du es so treffend ausgedrückt hast.‹

›Och, habe ich damit etwa deine kleinen Schwertgefühle verletzt?‹

Bevor er unter seinem unwirschen Schimpfen zu einer neuen Beleidigung ausholen kann, ziehe ich die Hand zurück und wende mich an Garreth. »Wärst du mir sehr böse, wenn ich das verdammte Ding im nächsten Fluss versenke?«

Sein mitleidiger Blick ruht auf mir, und sofort schäme ich mich für meine Frage, obwohl sie eher im Scherz gemeint war. »Ich würde dir gern helfen«, sagt er sanft. »Ich sehe dir an, dass es dir alles andere als leicht fällt, mit dieser Bürde zurechtzukommen. Glaub mir, ich hätte alles dafür gegeben, wenn ich derjenige gewesen wäre, der Caligram hätte herausziehen können. Wenn es irgendetwas gibt, wie ich dir helfen kann …« Er streckt die Hand nach mir aus und nimmt meine. »Aber bitte … Egal, wie sehr diese Stimme dich in den Wahnsinn treibt, wirf das Schwert nicht in den nächsten Fluss oder Flutgraben.«

Ich drücke seine Hand. »Es wird schwer werden … Aber ich werde es versuchen.«

Wenig überzeugt von meinen eigenen Worten atme ich tief durch und berühre das Schwert erneut.

›Im Herzholzhain‹ , sagt Varyan, ohne dass ich ihn dazu auffordern muss, ›gibt es eine Hexe. Keine Sorge, sie ist nicht wie die am See. Unter ihr dienen einige fähige Handwerker, die auch mit den Relikten der Götter zurechtkommen. An sie habe ich mich zu meiner Zeit gewandt, wann immer Caligram geschärft werden musste. Ebenso haben sie mir den Griff aus ihrem heiligen Holz des Herzbaums gefertigt.‹

Ich stutze. ›Seit wann bist du so mitteilsam?‹

In meinem Kopf herrscht ein merkwürdiges Gefühl – noch stärker als das, nicht allein zu sein.

›Seit ich nicht in einem Fluss versenkt werden will, vermutlich‹ , antwortet Varyan grummelnd.

›Noch ist das Thema nicht vom Tisch. Und wenn du ein weiteres Mal meine Gedanken durchwühlst, kriegen wir zwei ein echtes Problem!‹

Ich ziehe die Hand zurück und schlage den Stoff erneut über die Klinge. Zu Garreth sage ich: »Wenn du deiner Prinzessin nicht dieses halb verfallene Stück Stahl präsentieren willst, müssen wir einen Umweg in den Herzholzhain in Kauf nehmen.«

»Aber liegt der nicht irgendwo in Lerthau? Ich meine, einst von einem Heilerkollegen gehört zu haben, dass er dort in der Nähe war.«

Ich nicke. »Es wird womöglich ein großer Umweg sein. Die Entscheidung liegt bei dir.«

Noch bevor er den Mund aufmacht, weiß ich, wie er sich entscheiden wird. »Ausgeschlossen, dass ich Prinzessin Ragna ein Schwert in diesem Zustand überreiche, wenn ich eine andere Wahl habe.«

Ich stoße die Luft aus. »Das bedeutet, dass sich unsere Pausen auf ein Minimum beschränken.«

Garreth schwingt sich in den Sattel. »Warum stehen wir dann noch hier herum?«