W ie Mira richtig sagte: Es ist eine dumme Idee. Ich hätte nicht zustimmen sollen. Doch wie hätte ich Nein sagen können, wenn sie mich um Hilfe bittet? Um solche Hilfe? Diesmal handelt es sich um etwas, bei dem sie nicht verletzt oder potenziell getötet wird. Diesmal will sie meine Hilfe bei … etwas Privatem.
Obwohl mir ihr Bewusstsein bereitwillig Platz macht, zögere ich, worüber ich mich am liebsten selbst packen und schütteln will. Das ist doch sonst nicht meine Art. Die Möglichkeit, sie gleich nackt zu sehen und berühren zu können – auch wenn es nicht meine Hände sind –, sollte mich in Windeseile ihren Körper übernehmen lassen. Dennoch halte ich mich zurück.
Ich stoße genervt den Atem aus. Wieso muss ich ausgerechnet jetzt meine verlorene Ritterlichkeit und Tugendhaftigkeit wiederfinden?
›Gibt es ein Problem?‹ , fragt Mira, als ich weiterhin zaudere.
›Vielleicht solltest du doch Garreth um Hilfe bitten.‹
Ich glaube selbst nicht, dass ich das sage … Aber ich nehme meine Worte nicht zurück.
›Garreths Kopf wird vor Scham explodieren, denn ich habe keine offene Wunde, auf die er sich konzentrieren kann‹ , erwidert Mira.
Damit mag sie recht haben, doch ein Garreth, der vor Verlegenheit weder ein noch aus weiß, ist mir lieber, als wenn ich …
›Ich werde hinsehen‹ , stelle ich klar. ›Ich werde dich berühren. Das geht gar nicht anders, wenn ich die Verschlüsse deines Hemdes oder deine Hose schließen muss. Zumal ich bloß eine Hand zur Verfügung habe. Denn wenn ich Caligram loslasse …‹
›Das verstehe ich‹ , sagt Mira, nachdem sie ein paar endlos erscheinende Herzschläge lang geschwiegen hat. ›Daran habe ich nicht gedacht, weil mein Kopf noch ganz benebelt ist. Aber ich vertraue dir.‹
›Ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir mehr vertraust als ich mir selbst.‹ Ich atme tief durch. ›Na schön. Versprich mir bitte, dass du mich sofort verdrängen wirst, wenn ich etwas tue, was … zu weit geht.‹
›Abgemacht.‹
Hätte ich einen Körper, würde ich nun mit jeder Faser zittern. Vor Aufregung. Vor Anspannung. Aber auch aus Angst davor, einen riesigen Fehler zu begehen.
Es ist Äonen her, seit ich eine nackte Frau gesehen habe, die mir gefallen hat. Bei jeder anderen hätte ich mich wahrscheinlich nicht derart zurückhaltend angestellt, sondern eilig die Chance ergriffen. Doch ich will weder Miras Vertrauen missbrauchen noch die Verbundenheit der letzten Vollmondnacht zwischen uns zerstören, bloß weil ich mich nicht unter Kontrolle habe.
Mein Bewusstsein breitet sich in ihrem Körper aus. Langsamer als sonst, als wolle ich ihr jede Möglichkeit geben, erneut zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das hier eine verdammt dumme Idee ist. Doch Miras Bewusstsein zieht sich bereitwillig zurück. Ich merke auch schnell warum. Karli mag ihre Wunden geheilt und sie vor dem sicheren Tod gerettet haben, dennoch besteht Miras Körper aus Schmerzen, die ich zwar wahrnehme, doch selbst nicht direkt spüre. Mira hingegen muss sie die ganze Zeit über gespürt haben. Etwa auch schon in der Vollmond nacht? Oder wurden sie erst so schlimm, während sie wie eine Tote geschlafen hat? Auch wenn ich die ganze Zeit über bei ihr war, hätte ich beim besten Willen nicht sagen können, wie viele Tage vergangen sind. Sie schlief unruhiger als sonst, obwohl keine Albträume sie quälten; dafür sorgte ich. Dennoch wollte die Rastlosigkeit nicht verschwinden.
Wie immer, wenn ich die Kontrolle habe, kapsele ich alle negativen Einwirkungen, wie Schwäche oder Schmerzen, von ihr ab, während ihre sonstige Wahrnehmung erhalten bleibt. Dieses Vorgehen hat uns beim Training gute Dienste erwiesen, deshalb behalte ich es bei. Von Mira werde ich mit einem erleichterten Seufzen belohnt, als sie endlich schmerzfrei ist.
Ihr Körper verweigert sich nun manchen meiner Befehle, und anders als während des Trainings, wo ich genau wusste, was ich ihrem gesunden Körper zutrauen konnte, dränge ich ihn nicht zu einer Bewegung, die ihm schaden könnte. Hinzu gesellt sich die Schwäche der letzten Tage. Wo ihre Bewegungen früher schnell und präzise waren, fühle ich mich nun, als sei ich im Körper einer Achtzigjährigen gelandet.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Karlis Magie keine Wunder bewirken kann, deshalb mache ich der Hexe keine Vorwürfe. Miras Körper braucht einfach Zeit, um die restlichen Wunden aus eigener Kraft zu heilen. Bis dahin kann ich ihr mit meiner Übernahme die Schmerzen erträglich machen. Dazu darf ich ihr aber keinen Grund geben, mich zu vertreiben.
Ich taumele hinüber zu dem Schemel, auf dem ein Stapel frische Kleidung bereitliegt.
›Ich wollte meine Kleidung eigentlich noch an dem Abend waschen, als wir hier ankamen‹ , lässt Mira mich wissen.
›Und warum hast du es nicht getan?‹ , frage ich, als ich die Kleidung inspiziere.
Lerthauer Stoff fühlte sich schon immer besonders unter meinen Fingern an, ebenso wie nun unter Miras. Weicher als der aus Bellvor, den sie für gewöhnlich am Leib trägt.
›Weil da plötzlich ein Kerl im Gebüsch aufgetaucht ist, mit dem ich die restliche Nacht geredet habe‹ , antwortet sie.
›Machst du das mit allen Kerlen, die plötzlich im Gebüsch auftauchen? Falls ja, würde es meine Gefühle ein klein wenig verletzen.‹
Sie lacht. Ich werde mich hoffentlich nie an diesen Klang gewöhnen. ›Jemand wie du hat Gefühle?‹
›Autsch. Wirklich, Mira, dieser Schlag hätte nicht sein müssen.‹
Sie zu necken, mit ihr zu schäkern, beruhigt meine Nerven und ihre ebenso. Das ist unsere Art, miteinander umzugehen. So können wir unser Gegenüber einschätzen. Es ist anders, als es vielleicht sein sollte. Anders als es normal wäre – was auch immer normal ist. Für uns jedoch ist es besonders, und das ist alles, was zählt.
Ich breite das frische Hemd auf dem Bett aus. Es ist lang und wird ihr wahrscheinlich bis über den Po reichen.
›Bereit?‹ , frage ich.
Es ist, als würde sie die Augen verdrehen. ›Ich ziehe nicht in einen Kampf. Du sollst lediglich meine Kleidung wechseln.‹
Ich verschweige ihr, dass ich gerade lieber in vorderster Front einer Schlacht stehen würde. Dann hätte ich weniger Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Um nicht doch noch einen Rückzieher zu machen, wechsele ich Caligram von der rechten in die linke Hand und beginne, den Verschluss von Miras Hemd unter ihrem Kinn zu öffnen. Ich kann nicht sagen, ob es meine oder ihre Nervosität ist, die ihre Finger zittern lässt. Vermutlich meine, aber ihre spüre ich ebenfalls, und das verstärkt meine, bis ich es kaum noch aushalte.
Als der Verschluss so weit gelöst ist, dass ich das Hemd abstreifen kann, winde ich umständlich den rechten Arm heraus, ehe ich es über den Kopf ziehe. Den rechten Arm um ihre Brust gelegt, greife ich nach Caligram, um auch den linken aus dem Hemd zu befreien.
Erst da geht mir auf, dass Mira nicht, wie üblich, ihre Bandagen trägt.
Ich stoße einen Fluch aus, woraufhin Mira scharf die Luft einsaugt. Beinahe wäre mir Caligram aus den schweißnassen Fingern geglitten, weil ich nichts anderes mehr wahrnehme als die weiche Haut ihrer Brüste und ihre Brustwarzen, die sich hart gegen den um sie geschlungenen Unterarm drücken.
›Das ist … völlig anders‹ , murmelt Mira heiser und bringt mich dadurch halbwegs in die Wirklichkeit zurück. ›Aber es sind doch meine Hände. Warum fühlt es sich dann so … anders an?‹
›Auf … gute Weise anders?‹
Diese Frage habe ich ihr bereits in der letzten Vollmondnacht gestellt, wenn mich nicht alles täuscht, aber mir will gerade beim besten Willen der Zusammenhang nicht einfallen. Ich bin heilfroh, diese einfache Frage halbwegs sinnvoll denken zu können. Denn eigentlich sind meine Gedanken mit völlig anderen Dingen beschäftigt, von denen ich inständig hoffe, dass Mira sie nicht bemerkt.
›Ja‹ , gibt sie zögerlich und eine Spur verlegen zu.
Ein Ruck geht durch mich hindurch, der sich zu einem Zittern entwickelt. Ich weiß, dass ich den Arm lösen und sie weiter anziehen müsste, doch abgesehen von den leichten heißen Schauern, die mich in unregelmäßigen Abständen schütteln, rühre ich keinen Muskel. Und Mira drängt mich zu nichts. Sie ist merklich still geworden. Nach dem Grund zu fragen, traue ich mich jedoch nicht.
Vorsichtig lege ich den anderen Arm um ihren festen Bauch, ohne dabei Caligram loszulassen, das nun locker an ihrer Seite ruht. Beinahe könnte ich mir auf diese Weise vorstellen, sie zu umarmen.
›Ich kann mich gerade nicht erinnern, ob ich es dir in der letzten Vollmondnacht gesagt habe‹ , raune ich, ›aber du bist wunderschön.‹
Sofort spüre ich, einen Fehler begangen zu haben. Miras Bewusstsein, das sich bis eben weit im Hintergrund gehalten hat, wehrt sich gegen meine Worte.
›Es ist mein Ernst‹ , sage ich, um sie zu beruhigen. ›In den letzten Wochen habe ich mehrmals gehört, dass du viele Jahre deinen Körper und dein Aussehen gehasst hast. Aber ich sehe keinen Grund dafür.‹
Mira schnaubt. ›Du siehst keinen Grund dafür?‹ Ihre Worte sind schärfer als Pfeilspitzen.
›Den sehe ich nicht‹ , entgegne ich. ›Du bist eine Kriegerin und siehst wie eine aus. Was ist daran verwerflich?‹
›Ich wollte …‹ Sie schluckt hörbar. ›Als ich meine Eltern verloren hatte, wollte ich ein Junge sein. Dann hätten mich die anderen sicherlich akzeptiert. Ich habe alles dafür getan, um wenigstens nicht auf den ersten Blick als Mädchen erkennbar zu sein. Das ging ein paar Jahre gut, bis meinem Körper wieder eingefallen ist, dass er der einer Frau ist.‹
Ich habe sie nie nach dem genauen Grund gefragt, warum sie sich mit diesen scheuernden Bandagen abgab, sondern ging davon aus, dass sie sie aus einem praktischen Grund trug. Doch dahinter scheint sich mehr zu verbergen, als ich mir vorgestellt habe.
Den eigenen Körper abzulehnen – aus welchem Grund auch immer –, muss ein schmerzvoller Prozess sein, den ich mir lie ber nicht ausmalen will. Ich hingegen würde alles dafür tun, meinen Körper zurückzuerhalten, während Mira in ihrem gelitten hat.
›Was ist mit jetzt?‹ , frage ich. ›Ich kann nachvollziehen, dass deine Jugend schwierig war und du wegen deines Geschlechts nirgendwo richtig dazugehört hast. Aber was ist mit jetzt? Hasst du deinen Körper nach wie vor?‹
Als sie nicht antwortet, lasse ich zwei Finger der linken Hand über die leichten Erhebungen ihrer Bauchmuskeln gleiten.
›Du hast viel trainiert‹ , sage ich, während ich mit Genugtuung wahrnehme, wie sich ihr Bewusstsein wieder beruhigt. ›Solche Muskeln bilden sich nicht über Nacht. Du hast hart daran gearbeitet, diesen Körper zu einer Waffe zu formen. Das ist dir gelungen.‹
›Das mag sein‹ , gibt sie zögerlich zu.
Sie wollte sich anpassen, das verstehe ich. Sie wollte kein Junge sein, weil sie sich wie einer fühlte, sondern weil es dann für sie einfacher gewesen wäre zurechtzukommen. Aber stimmt das wirklich? Und ist das überhaupt wichtig? Denn trotz allem, was ihr widerfahren ist, steht sie hier und hat ihren Weg gefunden.
›Du bist, was du bist‹ , sage ich. ›Noch nicht einmal meine Übernahme kann dich zu einem Mann machen.‹
›Aber eine Frau bin ich auch nicht‹ , hält sie dagegen.
›Tatsächlich nicht?‹
Ich löse den rechten Arm ein Stück weit aus der Umklammerung und streiche mit den Fingern über die äußeren Rundungen ihrer Brust. Ein heiserer Laut hallt in meinem Kopf wider. Ich wiederhole die Bewegung, nur um ein weiteres Mal diesen wundervollen Laut hören zu dürfen.
›Ich kenne – oder kannte – Kämpfer in meiner Truppe, die für deinen trainierten Körper getötet hätten‹ , raune ich. ›Und ich kann te einige Frauen, die ebenfalls für diese Kurven einen Mord begangen hätten.‹
›Aber ich … weiß nicht, was ich sein soll.‹
›Du, Mira. Sei einfach nur du.‹ Während ich weiter mit langsamen Bewegungen die Form ihrer Brust liebkose, sage ich: ›Ich maße mir weder an, dein Dilemma vollends zu verstehen, noch es mit ein paar netten Worten lösen zu können. Aber in meinen Augen musst du niemand anderes als du selbst sein.‹
›Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe‹ , gibt Mira zu.
›Du hast Zeit, um darüber nachzudenken‹ , sage ich. ›Eines kann ich dir mit Gewissheit sagen.‹ Ich nehme allen Mut zusammen und lege die rechte Hand sanft auf ihre Brust, was Mira ein leises Stöhnen entlockt. ›Wenn ich dich anschaue, sehe ich eine Kriegerin vor mir. Ich sehe eine Frau, die stolz, voller Ehrgefühl und mutig ist. Und in meinen Augen bist du wunderschön.‹
›Das hat … noch nie jemand zu mir gesagt.‹
›Dann wird es Zeit, dass du es endlich hörst. Und siehst.‹
Ehe sie fragen kann, was ich damit meine, öffne ich meine Gedanken für sie, die ich bisher glücklicherweise vor ihr abschirmen konnte, und zeige ihr all jene Gelegenheiten, in denen ich sie gesehen habe. Zuerst das Abbild, das sie mir gezeigt hat und von dem ich bereits begeistert war, aber nicht glaubte, dass es der Wahrheit entsprach. Dann das erste Mal, als ich außerhalb eines ernsten Kampfes ihren Körper übernehmen durfte. Und schließlich die letzte Vollmondnacht, als ich sie inmitten des Sees betrachtete, während das helle Mondlicht auf sie herabfiel und ihre Haut schimmern ließ.
›Es gibt nichts an dir, was ich unattraktiv finde‹ , sage ich sanft. ›Nicht einmal die Narben auf deinem Rücken.‹
Sie schluckt angestrengt. ›Ich weiß, sie sind hässlich und …‹
›Das meine ich nicht‹ , falle ich ihr ins Wort. ›Ich bin ein Kriegsherr, Mira. Auch meinen Körper zierten einst Narben, und ich hätte dir zu jeder erzählen können, wo ich sie mir eingefangen habe. Jede Geschichte hätte ich mit Stolz erzählt. Denn das ist die einzige Art, wie wir Krieger unsere Narben betrachten sollten: mit Stolz. Aber die an deinem Rücken stammen nicht aus einem Kampf. Sie wurden dir von jemandem zugefügt, während du dich nicht wehren durftest. Es macht mich wütend, wenn ich bloß daran denke.‹
›Hast du deine Untergebenen nie gezüchtigt?‹
›Nein. Ich habe für Disziplin gesorgt, aber ich habe noch nie einen Sinn in körperlichen Strafen erkannt. Was hätte es mir gebracht, wenn ich sie bis auf die Knochen ausgepeitscht hätte? Dann hätten sie wochenlang nicht kämpfen können. Meine Untergebenen wussten, dass ihre Strafen anders aussahen.‹
›Und wie?‹
Ich schmunzele, während ich wieder dazu übergehe, mit trägen Bewegungen die äußere Form ihrer Brust nachzufahren. ›Willst du wirklich jetzt darüber reden?‹
Wieder gibt sie einen entzückenden Laut von sich. ›Wenn ich ehrlich bin, ja.‹
Ich halte mitten in der Bewegung inne und bin drauf und dran, die Hand zurückzuziehen, weil ich befürchte, zu weit gegangen zu sein. Doch Mira hält mich davon ab.
›Nicht deswegen. Es ist nur … Mich mit dir zu unterhalten – und sei es über so etwas Furchtbares wie Bestrafungen –, lenkt mich davon ab, andere Dinge zu denken. Oder gar zu sagen.‹
›Wenn ich aufhören soll …‹
Sie schnappt nach Luft. ›Götter, nein!‹
Ich will wissen, was sie denkt oder sagen würde, hätte sie den Mut dazu. Ich verzehre mich mit jeder Faser meines Seins nach diesem Wissen, doch sie verweigert es mir. Ich dränge sie nicht dazu, trotzdem ist mir klar, dass ich mich von nun an mit der Frage quälen werde, was sie mir hätte sagen wollen.
Dennoch komme ich ihrer als Befehl getarnten Bitte nach und höre nicht auf. Mit den Fingern beider Hände zeichne ich langsam Kreise über ihre Haut und genieße das leichte Zittern ihrer Bauchmuskeln.
›Erzähl weiter‹ , wispert sie heiser.
Ich zögere. ›Ich kann doch nicht über –‹
›Bitte.‹
Ihre Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. Es erscheint mir völlig falsch, in diesem intimen Moment über meine Zeit als Kriegsherr zu reden, aber ich fürchte, dass ich meine Berührungen einstellen muss, wenn ich mich weigere. Also streife ich alle Bedenken ab und beuge mich ihrem Willen, während sich die Finger der rechten Hand weiter an ihrer Brust vorarbeiten.
›Ich habe nie den Sinn in körperlicher Züchtigung gesehen‹ , sage ich. Auch meine Stimme klingt heiser. ›Also griff ich auf andere Bestrafungen zurück.‹
›Und … die wären?‹
Wie beiläufig streiche ich über die aufgerichtete Brustwarze. Sofort höre ich Miras schlecht unterdrücktes Stöhnen.
›Halbe Rationen‹ , raune ich und streichele erneut über die feste Spitze ihrer Brust. Mein Verstand ist so vernebelt von dem Gefühl ihrer Haut unter den fremden Fingern und den Lauten, die sie von sich gibt, dass ich Probleme habe, die einfachsten Sätze zu bilden. ›Versetzung an vorderste Front. Kein Kontakt zur Familie für eine gewisse Zeit.‹
›Das hat … gewirkt?‹
›Bei den meisten schon.‹ Ich verbiete mir die Frage, worüber wir eigentlich reden, sondern plappere einfach weiter, ohne das Streicheln der geborgten Finger zu unterbrechen. ›Diejenigen, die sich nicht davon beeindrucken ließen, hatten in meiner Armee keinen Platz.‹
Bedächtig, um ihr genügend Zeit zu geben, mich aufzuhalten, schiebe ich die linke Hand Richtung ihres Hosenbunds, während ich das verdammte Schwert verfluche, das ich mindestens mit drei Fingern festhalten muss, damit es mir nicht entgleitet.
Ich spüre die Hitze, die ihr Körper verströmt. Spüre das Zucken ihrer Muskeln. Das Prickeln ihres Blutes. Ihre schnelle Atmung. Das Hämmern ihres Herzens. Nichts davon lässt mich darauf schließen, dass sie das hier – was auch immer genau es ist – nicht ebenso will wie ich.
Keine Ahnung, wohin es uns führt oder wie wir danach miteinander umgehen werden. Aber jetzt, in diesem Moment, fühlt es sich richtig an. Als wäre es die einzig logische Konsequenz.
Noch bevor ich mit dem kleinen Finger neckend über den geschlossenen Hosenbund streichen kann, klopft es von draußen an die Tür.
»Mira?«, ruft Garreth. »Alles in Ordnung?«
Ich brauche genau zwei donnernde Herzschläge, um mich so weit zu sammeln, dass ich ihm antworten kann. »Ja! Ja, ich bin gleich fertig.«
»Gut«, antwortet er. »Ich habe nämlich einen Bärenhunger.«
Ich bin drauf und dran, ihn anzuschreien, dass er sich eben allein zum Essen begeben soll, doch Miras Lachen hält mich zurück.
›Garreth habe ich völlig vergessen.‹ Erneut gibt sie ein Kichern von sich. ›Der arme Kerl muss schon eine halbe Ewigkeit da draußen stehen und auf mich warten, und ist trotzdem nicht hereingekommen.‹
›Tja‹ , brumme ich, ›Garreth besitzt entweder mehr Ritterlichkeit als ich oder ist derart verklemmt, dass ich für Ragnas Hochzeitsnacht schwarzsehe.‹
›Ich hoffe, dass Ragna diesbezüglich etwas aufgeschlossener ist‹, sagt Mira. ›Und ihn an die Hand nimmt.‹
›Nur mit seiner Hand wird sie nicht weit kommen‹ , erwidere ich trocken.
›Meinst du? Ich für meinen Teil bin eben ziemlich weit mit einer Hand gekommen.‹
Ich blinzele perplex, denn mit einer solchen Erwiderung habe ich nicht gerechnet. Zwar wusste ich von Anfang an, dass Mira schlagfertig ist, trotzdem bin ich davon ausgegangen, dass sie das, was eben geschehen ist, niemals ansprechen würde. Doch wieder einmal habe ich mich in ihr geirrt.
›Wenn du eine Wiederholung möchtest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung‹, raune ich.
›Ich werde es im Hinterkopf behalten‹ , gibt sie spitz, aber mit einem Lächeln in der Stimme zurück.
Ein erneutes Klopfen. »Mira?«
»Ja, ja«, knurre ich.
›Du solltest dich beeilen‹ , sagt sie. ›Ehe Garreth noch verhungert.‹
›Du bist diejenige, die dringend etwas essen muss. Und nur deswegen werde ich mich beeilen.‹
Wehmütig nehme ich die Hand und den Arm von ihren Brüsten und mache mich daran, genauso umständlich das neue Hemd anzuziehen, wie ich das alte ausgezogen habe. Auch Miras enge Hose stellt mich einhändig vor eine Herausforderung.
›Unterhose auch?‹ , frage ich.
›Ich trage sie seit fast drei Tagen. Also ja, bitte.‹
Mit Garreth im Nacken, der zwischendurch noch mehrmals klopft, komme ich gar nicht auf die Idee, zu gucken oder eine erneute Pause einzulegen, sondern verrichte meine Arbeit. Später werde ich Garreth dafür den Hals umdrehen, ganz gleich wie gern Mira ihn hat.
Nachdem ich endlich in die Stiefel gestiegen bin und Caligram in den Schwertgürtel geschoben habe, trete ich hinaus zu Garreth, nicht ohne ihn mit finsteren Blicken niederzustarren.
Auch sein Blick ist alles andere als freundlich. »Mit dir habe ich nicht gerechnet. Bist du der Grund, weshalb das so lang gedauert hat? Wenn du Mira irgendwas angetan hast, dann …«
Ich mache einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu und grolle: »Ich würde ihr niemals etwas antun! Dank meiner Anwesenheit wird sie wenigstens nicht mehr von Schmerzen heimgesucht.«
Mira seufzt. ›Könnt ihr zwei nicht ein einziges normales Gespräch führen?‹
Ich ignoriere sie. »Deine Vorwürfe kannst du also stecken lassen.«
Garreth runzelt die Stirn. »Ich wollte heute mit Lady Karli reden, wie ich Miras Schmerzen erträglich machen kann.«
»Etwas spät«, brumme ich. »Jetzt lass uns endlich essen gehen.«
»Du bleibst dabei die ganze Zeit anwesend?«
Schnaubend wirbele ich zu dem Heiler herum. Er ist nur wenige Zentimeter kleiner, als ich es zu Lebzeiten war. Sein Körperbau ist kräftig, beinahe bullig. Wenn er wüsste, wie er seine Fäuste einzusetzen hat, könnte es ein fast ausgeglichener Kampf werden.
»Wenn es dir lieber ist, dass Mira vor lauter Schmerzen und Schwäche keinen Bissen herunterkriegt, ziehe ich mich gern zurück.«
Garreth verengt die Augen. »Du willst mir also weismachen, dass du aus reiner Nächstenliebe hier bist?«
»Nicht aus Nächstenliebe«, entgegne ich. »Sondern Mira zuliebe. Karlis Magie und deine Mittelchen haben ihr Möglichstes getan. Ich kümmere mich um den Rest.«
»Ich vertraue dir nicht.«
»Ist mir egal.«
Zu meiner Verwunderung nickt Garreth. »Aber Mira vertraut dir. Damit werde ich mich abfinden müssen.«
Ich ziehe die Augenbrauen nach oben. »Ach, so plötzlich? Warst du nicht derjenige, der ihr einreden wollte, wie schlecht ich für sie sei?«
Ein harter Zug bildet sich um Garreths Mund. Beinahe rechne ich mit einer harschen Erwiderung seinerseits, doch er stößt lediglich den Atem aus, ehe der Zug verschwindet, als wäre er nie da gewesen.
»Gibt es eine Möglichkeit, dass wir zwei miteinander reden, ohne dass Mira jedes Wort versteht?«, will er wissen.
Ich schüttele den Kopf, bevor ich mir mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe tippe. »Sie ist da drin und kann alles sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen, was ihr Körper unter meiner Kontrolle sieht, hört, riecht, schmeckt und fühlt. Für eine private Unterredung mit mir müsstest du Caligram berühren, während mein Geist darin ist.«
»Das habe ich ein Mal versucht«, sagt Garreth. »Aber außer Schmerzen habe ich dabei nichts gespürt.«
»Ich konnte dich jedoch hören«, sage ich. »Zwar nur kurz, weil du das Schwert nicht lange berührt hast, aber ich konnte deine Gedanken vernehmen. Wir könnten auf diese Weise keine Unterhaltung führen, denn Mira ist die Einzige, die meine Stimme hören kann, wenn ich in Caligram bin. Doch wenn es etwas Wichtiges gibt, was du mir mitzuteilen hast, kannst du es auf diese Weise erledigen.« Ich wende mich wieder ab. »Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du diese Form der Unterhaltung nicht nutzen würdest, um mich lediglich zu beschimpfen.«
»Nein«, erwidert Garreth trocken. »Das kann ich, während du in Miras Körper steckst. Auch wenn es seltsam ist.«