Quint schenkt mir ihren Fischhaken. Wenigstens glaub ich, dass es ein Geschenk ist. Vielleicht meint sie auch nur, ich soll die Mordwaffe verschwinden lassen. Friday hat nämlich das Zimmer verlassen, und an ihrer Miene kann man viel nicht ablesen. Jedenfalls drückt sie mir den Haken in die Hände à la Hier, nimm, ist deins, und ich nehm ihn, weil meine Hände Affenhände sind und Affenhände so was machen. Sie sieht mich lange an. Ich sehe sie an. Am Haken, dem zerkratzten dritten Zacken, hängen ein paar kleine, aber vermutlich unverzichtbare Funktionselemente von Kareninas verinnerlichten Erfahrungen. Denk mal, er ist von Generationen von Haien oder so zerkratzt, nicht von einem Schädelteil, aber ehrlich gesagt, man weiß es nicht. Vielleicht wüsste es Frau Doktor, wo sie auch sein mag.
Friday kommt rein, und natürlich gibt’s wieder Wetter, weil diese Leute ja nichts tun, ohne drüber zu quatschen. Man kriegt das Gefühl, dass irgendwo ein Ingmar Bergman oder Tarkowski drinsteckt. Aber das sind bloß Vermutungen, weil ich nämlich kein einziges Wort verstehe.
Quint: Regen kommt, hol die Schafe von der höher gelegenen Weide.
Friday: Ja, mach ich, aber ein Bock hat eine Erektion.
Quint: Natürlich hat er das, es ist ja ein Bock. Mach’s trotzdem, im Westen liegt schon Nebel auf den Hängen. Es wird wahrscheinlich schon vor dem großen Bärenfurz anfangen zu regnen.
Friday (zu mir): Quint sagt, dass Sie ein mickriger Mann sind, und sie ist traurig.
Ja, okay, gut, wahrscheinlich bin ich echt ein bisschen –
Nein. Sie meint, dass Ihr Leben mickrig ist. Außer Ihnen ist da nichts. Ihr Leben berührt die Welt nicht wirklich, und wenn Sie abtreten, wird das fast niemand mitkriegen, und das findet sie traurig. Sie sind ein mickriger Mann, und sie sagt, es wäre besser, wenn Sie ein bisschen was auf die Hüften kriegen.
Ja, ja, diesbezüglich hatte ich schon einen Plan. Da war diese Frau, aber wie sich zeigt, mag sie mich nicht besonders, und tot ist sie wahrscheinlich inzwischen auch. Kürzlich hab ich gedacht, ich krieg Nachrichten von ihr, aber – ach, egal, und okay, ich bin mickrig, schon verstanden.
Quint sagt, dass in Ihnen ein leerer Sack ist, den Sie mit Liebe und Kindern füllen sollen. Sie hat alle Straßen der Welt bereist und kennt Traurigkeit und kennt Freude, und jetzt hat sie eine Frau umgebracht, und das war letztlich keine große Sache. Das Universum wird es gar nicht bemerken. Nur wir. Sie sagt, Ihnen soll nicht dasselbe passieren.
Das hat sie alles gesagt?
Nein. Sie hat mich nach dem Taxi zum Flughafen gefragt. Ich dachte nur, es würde Ihnen guttun und Sie gehören zu der Art Männer, die einen Rat in übersetzter Form besser abkönnen. Stand in einem Ratgeber, den ich mal gelesen habe.
Hä?
Jetzt sind Sie verwirrt. Mr Price: Es ist egal, woher diese Worte stammen. Vielleicht stammen sie von einem großen Dichter aus meinem Land. Vielleicht wurden solche Dinge einmal zu mir gesagt. Vielleicht stammen sie von einem Motivationsposter, das der Sohn meiner Schwester neben einem Porträt von Chris Hemsworth an der Wand hängen hat. Es ist egal, wo sie herkommen, wenn Sie sie für wahr halten.
Klar, gut, aber –
Warum haben Sie einen Fischhaken mit dem Hirn Ihrer Freundin in der Hand?
Gehört das zu diesem Grundsatzding?
Nein, ich bin ehrlich ein wenig konfus.
Da sind wir Brüder, Sie und ich. Wir beide.