Sol 22, NASA-Basis
»Du hast mir versprochen, bei der Gartenarbeit zu helfen.«
Lance sieht vom Computerbildschirm auf zu Sarah. Er plant gerade seinen ersten Windpark. Das Windrad, das er aufgestellt hat, erzeugt im Mittel weniger als 30 Watt, damit können sie gerade mal ein LED-Panel betreiben. Aber mit hundert Exemplaren hätten sie 3 Kilowatt, damit lässt sich dann schon etwas anfangen. Lance hat dabei aber zwei Probleme. Zum einen muss er die Startinvestition aufbringen. Das Methanol, das sie zu Plastik für die Windräder verarbeiten, muss energieaufwändig hergestellt werden. Zusätzlich braucht er eine Menge möglichst leichter Rohre, um die Mini-Kraftwerke aufzustellen, und er benötigt Generatoren, die dann aus dem Drehimpuls Strom erzeugen. Gerade plant er am Computer, wie er hundert Windräder so aufstellen kann, dass sie sich nicht gegenseitig negativ beeinflussen. Da kommt ihm Sarah mit ihrer Bitte dazwischen.
Lance verkneift sich ein Stöhnen und erhebt sich. Er hat es ja wirklich versprochen. Sarah lächelt, und plötzlich merkt Theo, dass er Lust auf Gartenarbeit bekommt.
»Es wird nicht sehr angenehm«, sagt sie.
»Das glaube ich nicht«, antwortet er. »Schließlich bist du ja dabei.« Plötzlich wird er rot wie ein Schuljunge ob dieses plumpen Kompliments. Aber Sarah freut sich anscheinend trotzdem.
»Dann komm.«
Sarah führt ihn zum Gewächshaus. Es befindet sich hinter einer Schleuse. Davor drückt ihm Sarah eine Atemmaske in die Hand.
»Wegen der speziellen Atmosphäre«, sagt sie. Lance hätte die Erklärung nicht gebraucht, nickt aber. Die Pflanzen, die sie mitgebracht haben, wachsen in mit Kohlendioxid angereicherter Luft besonders gut.
Sarah setzt ebenfalls eine Maske auf, dann klettert sie drei Stufen hinauf zur Schleuse und geht in die Knie. Er folgt ihr. Die Schleuse ist sehr flach, sodass sie sich bücken müssen. Das Gewächshaus ist ebenfalls nicht ganz mannshoch. Lance kann hier nur arbeiten, wenn er den Kopf einzieht. Hinter der Schleusentür wartet eine Wolke von Gestank auf ihn.
Sarah zeigt auf die Maske, und er nickt.
»Ja, hält leider die Geruchsmoleküle nicht ganz ab. Ist aber nicht giftig.«
Es riecht nach Fäkalien, und Lance ahnt schon, warum.
»Falls du dich wunderst«, sagt Sarah, »die Sporen, die wir mitgebracht haben, haben für all die Erde nicht gereicht.«
Lance sieht ein riesiges vierstöckiges Regal. Auf jeder Etage befindet sich eine 30 Zentimeter dicke Schicht aus rötlich-brauner Masse.
»Das ist Marsboden. Um ihn fruchtbar zu machen, habe ich ihn mit den Sporen geimpft. Aber unser Gewächshaus ist größer als geplant, deshalb musste ich mich an der Lebenserhaltung bedienen.«
»Du hast unsere Scheiße auf die Felder gestreut?« Lance lacht.
»Nein, nicht direkt, ich habe sie zuvor etwas getrocknet und zermahlen. So kann ich sie systematischer einsetzen, als wenn ich lauter dicke Brocken davon hätte.«
Sarah hält ihm eine Tüte hin.
»Schau, wie sieht das aus?«
»Kaffeepulver?«
»Dann guten Appetit. Das ist das Ergebnis deiner Sitzung von gestern.«
»Und was kann ich heute für dich tun?«
»Auf der Seite hier drüben habe ich etwas für dich vorbereitet.«
»Das klingt ja fast wie in einer Koch-Show.«
»Ha ha, Lance. Dort ist der Boden seit zwei Tagen geimpft. Du müsstest bitte ein Reihe Proben nehmen und analysieren.«
»Damit kenne ich mich doch gar nicht aus.«
»Du schüttest sie in das Rohr dort, die Maschine macht den Rest.«
»Und wie oft nehme ich Proben?«
»Siehst du die kleinen Pflänzchen? Die sind alle im Computer erfasst. Du nimmst bei jeder einzelnen Pflanze eine Probe. So bekommen wir heraus, was die optimalen Wachstumsbedingungen sind.«
»Ganz einfach schön warm und feucht?«, schlägt Lance vor.
»Nein, wir wollen mit möglichst wenig Energieeinsatz so viel Nahrung wie möglich erzeugen. Die besten Ergebnisse zu Hause lagen bei 420 Gramm pro Kilowattstunde. Je besser mein Wert ist, desto weniger Strom müssen deine Windräder erzeugen.«
»Das ist ja spannend. Ich wusste gar nicht, dass ihr solche Werte habt. Mit vier Kilowattstunden könnte ich also den Tagesbedarf eines Crewmitglieds decken?«
»Nur, wenn wir uns auf den Verzehr von Radieschen der Sorte Rambo Raddish beschränken. Kresse, Möhren oder Salat sind nicht ganz so effizient, Getreide noch weniger.«
»Das wird dann wohl am geringeren verzehrbaren Anteil der Pflanze liegen.«
»Zumindest beim Getreide. Bei Radieschen essen wir die Blätter ja auch nicht, obwohl das möglich wäre. Die Pflanze profitiert wohl besonders stark von der CO2 -reichen Atmosphäre.«
»Gut. Dann fange ich jetzt am besten mal an?«
»Ja, danke. Ich bin auf der anderen Seite. Ich muss heute noch zehn Quadratmeter Boden vorbereiten, damit ich dort morgen Möhren säen kann.«