»Sie kommen!«
Mike steht seit einer Stunde mit dem Fernglas auf dem Dach der Basis und hält nach dem Rover Ausschau. Jetzt hat er offenbar etwas entdeckt.
»Wie lange noch?«, fragt Sharon.
»Zehn Minuten?«
»Ich beeile mich.«
Sie schlüpft in ihren Raumanzug. Trainiert hat sie schon vorher. Dann klettert sie durch die Schleuse nach draußen und stellt sich neben Mike. Tatsächlich, da ist ein Punkt am Horizont, der schnell näher kriecht und von einer Staubfahne verfolgt wird.
»Bist du das am Steuer, Lance?«, fragt Sharon.
Der Helmfunk müsste die beiden jetzt eigentlich schon erreichen. Sie haben Sichtkontakt, und die Luft ist heute erstaunlich klar.
»Lance sitzt hinter mir und schläft, wie immer«, antwortet Sarah.
»Würde ich ja gern, aber bei deinem Fahrstil ist das völlig unmöglich«, sagt Lance. Er hört sich an, als stünde er neben Sharon – und als sei er nie weggewesen.
»Wären wir die ganze Zeit mit deinem Tempo gefahren, hätten Sharon und Mike bis morgen warten müssen«, entgegnet Sarah.
»Ich habe uns vor mindestens sieben Reifenplatzern bewahrt«, sagt Lance.
»Wieso sieben?«
»Weil es gut klingt.«
»Ihr hört euch an wie ein altes Ehepaar«, sagt Sharon.
»Wenn du wüsstest!«
»Was wüsste ich denn, Sarah?«
»Nachher. Erst müssen wir unter die Dusche.«
Mike hatte Recht.
Der Rover braucht ungefähr zehn Minuten, um die Basis zu erreichen. Sie warten unten auf die Abenteurer. Lance steigt zuerst ab, dann folgt Sarah. Sie kommen in einem breitbeinigen Cowboygang auf sie zu. Ihre Anzüge sind mit einer dicken Staubschicht bedeckt.
»Schön, dass ihr wieder da seid«, sagt Mike. Er will Lance die Hand geben, doch der nimmt ihn einfach in die Arme.
»Huch«, sagt Mike.
»Es freut mich so, dass ihr es wohlbehalten geschafft hat«, sagt Sharon, während sie Sarah umarmt.
Dann begrüßt Sarah Mike. Diesmal versucht er es gar nicht erst mit einem Händedruck. Sharon geht auf Lance zu. Er sieht müde aus, aber auch irgendwie … zufrieden. Beide fallen sich in die Arme. Dann laufen sie zu viert Arm in Arm zur Basis.
»Wie haben wir das alles hier vermisst«, sagt Lance seufzend. »Euch natürlich zuallererst.«
»Zu zweit ist es echt öde. Wir wollten schon eine Anzeige aufgeben, Untermieter gesucht. Aber der Mietmarkt scheint hier wie leergefegt.«
»Mensch, Mike, du weißt doch, Location, Location, Location«, sagt Lance.
»Ich weiß gar nicht, was du hast? Toller Ausblick, die Nachbarn tausend Kilometer entfernt …«
»Apropos, wie läuft es denn mit den Nachbarn?«, fragt Sarah.
»An deren Entschuldigung glaube ich erst, wenn die geklauten Sachen wieder von unserer Tür stehen.«
»Mike ist wie immer eine Ausgeburt an Pessimismus«, sagt Sarah. »Von dieser Ewa haben wir jedenfalls nie wieder etwas gehört, und die anderen scheinen vernünftig zu sein. Seit gestern ist ihr Rover zurück. Sie danken euch für die faire Behandlung der Besatzung und sind angeblich noch am gleichen Tag mit offenem und geschlossenem Rover und dem Bohrroboter losgefahren.«
»Wie lange werden sie brauchen?«, fragt Sarah.
»Sie rechnen mit zwei Wochen«, antwortet Sharon.
»Gut«, meint Lance, »dann haben wir bis dahin genug Zeit, um uns auszuruhen. Du glaubst gar nicht, wie viele Blasen ich am ganzen Körper habe.«
»Das riecht aber gut«,
sagt Sarah. Sie sitzen zu dritt um den Tisch, während Mike eine Auflaufform hereinträgt.
»Für mich riecht alles gut, was nicht aus der Tube kommt«, sagt Lance. »Die ganze Zeit nur Konserven, da vergeht dir irgendwann der Appetit.«
Mike stellt die Form auf dem Tisch ab und nimmt mit einem großen Raumhandschuh den Deckel ab.
»Vorsicht, ist heiß«, sagt er. »Ich präsentiere: einen Kartoffel-Lauch-Auflauf à la Benedetti. Alles ist frisch – nur das Eiweiß, das ich für die Soße verwendet habe, kommt aus der Tüte. Leider haben wir noch keine Kühe, aber vielleicht können wir bald mit selbst hergestelltem Soja-Eiweiß arbeiten.«
»Das ist toll!«, sagt Sarah. Sie wirkt richtig begeistert. Ihre Augen glänzen. »Ihr habt ja perfekt auf meinen Garten aufgepasst!«
»Da fällt mir etwas ein«, sagt Sharon und steht auf. Sie hat das Geschenk vergessen! Sie hat es im Kühlraum versteckt, damit Lance und Sarah es nicht vorher sehen. Es ist in dünnes Papier eingewickelt. Sarah trägt es in den großen Raum.
»Darf ich vorstellen? Unsere erste Blume!« Sie zieht das Papier ab.
»Ein Stiefmütterchen! Das ist ja wunderbar!«, schwärmt Sarah.
»Ich habe mindestens einen Tag lang überlegt, ob wir uns diesen Luxus leisten können«, erklärt Sharon. »Immerhin kostet es uns eine Menge Energie. Aber ein Leben ohne Blumen? Deshalb soll es ein Geschenk für uns alle sein. Sie wachsen hier übrigens ganz hervorragend!«
»Danke, Sharon, was wären wir ohne dich«, sagt Lance. »Wenn ich Sarah einen Antrag mache, das geht doch nicht ohne Blumen!«
»Was willst du machen?«, fragt Mike, »einen Antrag?«
»Das sagt man so, Mike«, erklärt Sharon.
»Ich sagte: wenn.«
»Seid ihr denn nun zusammen?«, fragt Sharon. »Ich meine, die Frage wird ja erlaubt sein.« Sie lacht.
»Wir … wir sind zusammen«, antwortet Lance und nimmt Sarahs Hand.
»Ja, das sind wir«, sagt Sarah.