5.

Während wir nebeneinander über den unbeleuchteten Parkplatz gehen, poltert Papa los: »Ich denke nicht daran, für ein Schulpferd mehr zu zahlen als für ein Rennpferd wie Herz Tuan xx.«

Ich schweige beharrlich.

Als wir vor unserem Wagen stehen, öffnet Papa die Heckklappe.

»Pack dein Rad hinten rein. Wir können zusammen nach Hause fahren.«

Papa bietet mir seinen Wagen an? Für mein Fahrrad, an dem jede Menge Schmutzkrusten haften? Wo er andauernd panische Angst um seinen kostbaren Autolack hat? Klarer Fall, Papa will etwas gutmachen. Nämlich, dass er sich vor Herrn Habicht wie ein Hengstrivale aufgespielt hat.

»Lass mal, Papa. Die paar Meter bis zu uns.«

Die zehn Minuten bis zum Fichtenkamp brauche ich für mich allein, um meine rotierenden Gedanken zu sortieren.

Mein Vater grunzt etwas, als ich meine Putzbox auf den Gepäckträger klemme.

»See you at home«, sage ich und springe aufs Rad, um vor ihm vom Hof zu kommen.

Abendwind fährt durch meine Haare und streicht mir kühl über die Stirn. Abkühlung hat mein Kopf dringend nötig, denn unter meiner Schädelplatte tobt die Hölle.

Mein Vater überholt mich und blinkt mit der Lichthupe. Ich starre dem weiß leuchtenden Wagen hinterher.

Ich bin unglaublich nahe dran an meinem Traumpferd. Wie nutze ich nur Papas plötzliche Kehrtwendung hin zu Pepper?

Mir muss dringend etwas zu dem idiotischen Preisgehabe einfallen.

Ich könnte mein Pferdesparbuch plündern. Im Januar waren tausendachthundert Euro und sieben Cent drauf. Für mehr als zweieinhalb Pferdebeine reicht das nicht. Aber wenn ich Papa anbiete, mein eigenes Geld dazuzulegen, müsste er eigentlich weich werden und Pepper kaufen. Natürlich spekuliere ich darauf, dass Mama mich zurückhält.

»Das Kind hat nicht jahrelang jeden Euro gespart, damit wir ihr das ganze Geld für das versprochene Pferd wieder abknöpfen.«

Bei Papa bin ich da nicht sicher. Ich fürchte, er wird zugreifen und behaupten: »Aus erziehungstechnischen Gründen.«

Am besten bringe ich das Sparbuch erst einmal nicht zur Sprache. Das soll die Notreserve für mein Pferd bleiben. Allerdings kann es passieren, dass Papa ohne mein Geld die Lust an Pepper verliert. Dann bin ich selber schuld, wenn ich ihn nicht bekomme.

Ich biege in den Fichtenkamp ein und habe immer noch keine Idee.

Wenn das Gerücht im Stall die Runde macht, dass Herr Habicht Pepper möglicherweise verkauft, steht blitzschnell Mellys Mutter auf der Matte und will meinen Schatz für ihre Tochter haben. Meine Eltern behaupten zwar, eine Psychologin wie Mellys Mutter würde nicht reich mit ihrer Arbeit. Daran muss etwas sein, sonst hätte das Lanz-Duo sich Pepper längst unter den Nagel gerissen.

Aber mal angenommen, ein stinkreicher Scheich mit einer schweren Meise legt sich bei Dr. Dorothee Lanz auf die Couch. Was ist, wenn sie ihn von seiner Macke heilt? Der Saudi lässt glatt als Dank einen Sack Öldollar da. Schwups, ist mein Pepper weg.

Zu Hause drehe ich den Türschlüssel nahezu lautlos um. Unbemerkt ins Haus zu kommen, ist meine Spezialität. Manchmal fange ich dabei ein paar Sätze auf, die nicht für mich gedacht sind. Unsere Eingangsdiele mit dem hohen Fenster zum Vorgarten und dem Mauervorsprung neben der Tür ist geradezu ideal zum versteckten Lauschen. Die Diele ist ein quadratischer Raum mit Essecke, aus der eine Holztreppe nach oben führt. Neben den Stufen steht ein runder Tisch mit vier lederbezogenen Stühlen.

Im hellgrauen Office-Hemd sitzt Papa mit dem Rücken zu mir und gießt sich eine Tasse Tee ein.

»… bei der Stute stimmte die Chemie nicht«, informiert er gerade meine Mutter.

Und dann spricht er nach einem tiefen Seufzer die sensationellen Worte: »Läuft wohl doch auf dieses Schulpferd hinaus.«

Mein Herz tanzt.

Ist mein Vater zur Vernunft gekommen? Gibt es das, Sekundenheilung fürs Gehirn?

Mama dreht sich um. Sie hat mich gehört, springt auf und umarmt mich.

»Das ist ja toll, Flo.«

Sie drückt mich an sich, bis ich kaum noch Luft bekomme.

»Bei Pepper müssen wir uns wenigstens keine Sorgen machen, wenn du unterwegs bist.«

Mama freut sich mit mir. Erwähnt nicht einmal meine Jacke, die ich achtlos auf den Stuhl geworfen habe. Ist jetzt alles klar?

Zu früh gefreut, denn da nörgelt mein Vater schon wieder los: »Aber der Preis stimmt nicht. Siebentausendfünfhundert Euro will Habicht für das gebrauchte Tier haben. Der hat sie doch nicht alle.«

Meine Mutter wiegt den Kopf.

»Findest du das zu viel?«

Schon explodiert er wieder.

»Sieben fünf für ein gebrauchtes Pferd? Aber Julia! Dafür kann ich mir ja ein halbes Dutzend ultraflache LED-Fernseher mit eins zwanzig Bilddiagonale kaufen.«

Stimmt, bloß kann man auf sechs ultraflachen Fernsehern nicht reiten. Nicht mal bei ein Meter zwanzig Bilddiagonale.

Papa mit seinen unterirdischen Vergleichen.

Mit spitzen Fingern hebt er meine Jacke an und hängt sie auf den Kleiderständer.

Dann sucht er in unserem mustergültig aufgeräumten Flurschrank gegenüber der Treppe nach irgendetwas und kehrt mit einem Taschenrechner zurück.

»Zweitausendfünfhundert mehr als geplant, das will mir einfach nicht in den Kopf gehen.«

Was hat er vor?

Papas Finger huschen über die Zahlentasten.

Leicht gereizt erkundige ich mich: »Willst du den Preis pro Kilo ausrechnen? Nur zu, Pepper wiegt fünfhundert Kilo.«

Ich lege den Kopf in den Nacken und rechne selber.

»Pepper kostet fünfzehn Euro pro Kilo. Das ist doch geschenkt, wenn man bedenkt, wie teuer deine Rindersteaks sind.«

»Dass du als Tierfreundin solche makaberen Scherze machen kannst«, knurrt mein Vater. »Sag mir lieber, wie alt so ein Pferd wird, damit ich vernünftig planen kann.«

»Für deine Kosten-Nutzen-Rechnung? Du willst ausrechnen, wie viel eine Reitstunde kostet, wenn …«

»Das Alter!«

»Davon hast du doch nichts, Papa. Ich sage dir lieber, wie lange ich Pepper garantiert reiten kann. Zehn Jahre mindestens.«

Papa rührt so brutal in der Tasse, dass ich Angst um das Porzellan habe.

»Schreckliche Vorstellung«, stöhnt er, »so viel Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Zwei fünf mehr als nötig.«

»Pepper ist jeden Cent wert«, protestiere ich.

Mama nickt mir zu. Sie steht auf meiner Seite. Seit sie bei ihrer Sparkasse undurchsichtige Geldanlagen verticken soll, leidet sie wie ein Hund. Das widerspricht nämlich ihrer Auffassung von einer guten Bankkauffrau. Ständig möchte sie woanders wiedergutmachen, was sie in ihrem Job gezwungenermaßen verbockt. Jetzt hat sie eine Chance. Herr Habicht braucht jeden Euro und Mama weiß das. Für die Pferde. Und für seinen kleinen Sohn Johnny, den seine Frau zurückgelassen hat, als sie vor Jahren mit einem anderen Kerl verschwunden ist.

»Flo hat sich dieses Schulpferd wieder und wieder gewünscht, Oliver. Ganz beharrlich. Das musst du zugeben.«

Papa behält sein aufsässiges Protestgesicht. Das Mienenspiel kenne ich von Pepper, wenn er bei Melly eine Hinterhandwendung machen soll, aber nicht will.

Trotzig kneift Papa die Augen zusammen.

»Mich schmerzt das zusätzliche Geld.«

Über die Tischplatte langt meine Mutter zur Kanne und greift nach den baumelnden Teebeuteletiketten. Über Kopf liest sie den aufgedruckten Text.

»Mal sehen, ob uns die Teebeutel weiterbringen.«

Ich springe aus dem Sessel. Wer weiß, was Papa aus den aufgedruckten Sprüchen heraushört! Er hat eine einmalige Gabe, alles in seinem Sinne zu verdrehen.

»Spinnt ihr jetzt alle? Ihr könnt doch nicht mein Leben von einem Teebeutelspruch abhängig machen.«

»Hör doch erst mal zu.«

Mama lächelt fein.

»Zwei Schillerzitate. Das erste ist für dich, Oliver: ›Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!‹ Verstehst du? Und ewig ist die Freude! Der andere passt für Flo: ›Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren.‹«

Die Teebeutel sind auf meiner Seite.

»Siehst du, Papa.« Triumphierend proste ich ihm mit der Teetasse zu. »Sag endlich Ja.«

Statt zu antworten, beugt Papa sich über den Taschenrechner. Leise klacken die Tasten. Papa in seinem Element. Dann lehnt er sich zurück und wedelt mit dem flachen Plastikteil.

»Wenn du das teure Tier zehn Jahre reitest, kostet es umgerechnet zwei Euro und fünf Cent pro Tag. Bei fünftausend Euro Kaufpreis würde es aber nur einen Euro siebenunddreißig kosten. Ein Unterschied von achtundsechzig Cent. Tag für Tag.«

Es verschlägt mir jedes Mal die Sprache, zu welchen abstrusen Rechenleistungen Papa fähig ist. Wofür soll das gut sein? Wird er mich jeden Morgen mit der Nase auf die achtundsechzig Cent stoßen, falls es mit Pepper klappen sollte? Ich muss ihm den Wind aus den Segeln nehmen.

Ist jetzt der Zeitpunkt, mein Sparbuch anzubieten? Absolut. Gerade will ich die tausendachthundert Euro zur Sprache bringen, da kommt mir ein grandioser Geistesblitz.

»Gut, das sind knapp fünf Euro in der Woche. Dann verzichte ich halt zehn Jahre lang auf mein Taschengeld. Also auf den Teil, den ich für Süßes und Kino und so bekomme. Dann könnt ihr Pepper kaufen und macht sogar noch Gewinn dabei.«

Papa ist verblüfft, dass seine Tochter trotz der galaktischen Rechenschwäche solche Ergebnisse präsentiert. Er sucht nach einem Haken. Und findet ihn.

»Das würde bedeuten, dass du mit vierundzwanzig immer noch Taschengeld von uns bekommst«, kontert er. »Deine Idee ist ja im Ansatz witzig, aber du verkennst den Ernst der Lage.«

Höchste Zeit, einen weiteren Joker auf den Tisch zu werfen. Ich habe keine Wahl, alles muss raus. Auch gewagte Halbwahrheiten, um das Wort Flunkerei zu vermeiden. Ich bringe Mellys Mutter ins Spiel, Frau Dr. Lanz. Für meinen Vater ist sie ein rotes Tuch. Mit ihrem Namen muss ich nur ein wenig vor seiner Nase wedeln, um den Stier in meinem kleinen Papa zu wecken.

»Wenn wir uns nicht bald entscheiden, kauft Frau Lanz Pepper.«

Papas Auflachen klingt schrill und ungläubig.

»Frau Dr. Lanz soll ein Pferd kaufen? Wovon denn? Viel kann die nicht auf der hohen Kante haben. Seltsam genug, dass sie sich einen teuren Jeep leisten kann.«

Im Übrigen, ergänzt Papa süffisant, verstehe er sowieso nicht, wie jemand auch nur einen einzigen Euro damit verdienen kann, dass er anderen erzählt, dass sie einen Schatten haben. Sein Lieblingssatz über Psychologen.

Das bringt wiederum Mama auf die Palme.

»Oliver! Ich finde es nicht in Ordnung, dass du vor unserer Tochter eine ganze Berufsgruppe diffamierst. Psychologe ist ein anspruchsvoller Beruf.«

»Genau. Anspruchsvoll ist die Dame wirklich. Allein ihre gestylte Eigentumswohnung in diesem Protzkasten. Muss das sein, wenn man ein Kind hat? Melly wäre sicher weniger schwierig, wenn sie mal Auslauf hätte. Wir haben ja auch wegen der Kinder unser Reihenhaus mit Garten gekauft und keine Wohnung mit Marmorböden.«

Papa ist überzeugt, dass er immerzu alles richtig macht. Wenn es mich nicht betrifft, lasse ich ihn bei dieser Meinung. Im Augenblick allerdings muss ich unbedingt seine Überzeugung aufweichen, dass Pepper überbezahlt ist. Sonst wird es nie etwas mit meinem Pferd.

Immerhin wirkt mein Vater aufgekratzt nach der kleinen, genussvollen Aufregung um Frau Lanz. Die Diskussion hat ihn munter gemacht. Seine Augen wirken viel wacher und fröhlicher als vorhin.

Irrtum! Unerbittlich fährt er fort: »Tatsache bleibt, dass wir für das Pferd auf einen Schlag siebentausendfünfhundert Euro statt fünftausend zahlen sollen.«

»Ach Papa, der Kaufpreis ist das Wenigste, sagt Herr Habicht. Teuer wird ein Pferd erst durch die ständigen Kosten, also Box, Schmied, Impfungen und …«

Kochend heißer Schreck durchzuckt mich.

Gratuliere, Flo, du erhältst den ersten Preis für das dümmste Argument seit Anbeginn der Welt.

Meine Eltern wechseln einen Blick. Misstrauisch beugt Papa sich vor.

»Wieso? Was kommt denn noch an Kosten dazu, von denen wir nichts wissen? Hattest du nicht eine Aufstellung darüber angelegt?«

Super, Flo, dümmer hätte es auch Melly Lanz nicht anstellen können.

Die Zunge möchte ich mir abbeißen.

Fast habe ich meinen Vater so weit und da knalle ich ihm die Sache mit den monatlichen Kosten vor den Kopf.

Am liebsten möchte ich mich selber anblaffen: Geht’s noch!

Papa schiebt seine randlose Brille zurecht und knurrt: »Wenn die Ausgaben zu hoch werden, müssen wir die Sache mit dem eigenen Pferd überdenken. Hol die Kostenliste her.«

»Aber Papa, wir haben doch schon alles durchgekaut.«

»Hol sie her.«

Sollte ich jemals Kinder haben, werde ich sie nicht so peinlich behandeln.

Ich laufe die Treppe hinauf in mein Zimmer im ersten Stock.

Ein supergenialer Raum. Zwei Fenster. Und eine Balkontür extra. Alles ist bei mir knallrot. Rechts das Bett ist rot und der Schreibtisch am Fenster auch. Und mein Drehstuhl. Genauso wie mein Kleiderschrank, die beiden DVD-Türme, der Rollcontainer, auf dem mein Fernseher und meine Stereoanlage stehen, und das Bücherregal überm Bett. Der Clou ist ein kleines rotes Ledersofa mit zehntausend Kissen, das ich dramatisch schräg in die Ecke unter das linke Fenster gerückt habe. Mit einem feuerroten Laptoptisch davor, den ich in der Höhe verstellen kann, wenn ich Freunde zu Besuch habe. Ich werfe mich auf den Drehstuhl und ziehe die unterste Schreibtischschublade auf. Mit einer Hand richte ich die hohe Arbeitsleuchte auf den Inhalt. Der Lampenschirm ist natürlich auch rot. Beim Einrichten letztes Jahr meinte Papa: »Bei so viel Rot kriegst du noch einen Dachschaden.«

Pah! Rot ist Power, Papa!

Obwohl – vielleicht hat er sogar recht mit dem Dachschaden. Zumindest scheint meine Gehirnmasse im Moment geschädigt zu sein, sonst hätte ich vorhin kaum so einen Stuss geredet wie: »Teuer wird ein Pferd erst durch die ständigen Kosten.« Dümmer geht’s echt nicht.

Geräuschvoll poltere ich oben herum. Die Tür habe ich offen gelassen, damit sie unten hören, wie eifrig Tochter Rohde sucht. Dabei liegen alle Unterlagen griffbereit in einer dicken Klarsichtmappe, auf der mit rotem Plakatschreiber »Mein Pferd« steht. Allerdings werde ich einige Minuten brauchen, um die Kosten zu drücken. Im Moment sind sie einfach zu hoch.

Während ich durch lautes Stöhnen, Fluchen und Tritte gegen den Schreibtisch umständliche Suchaktionen vortäusche, zupfe ich die Aufstellung »Ständige Kosten für mein Pferd« aus der Mappe.

Ständige Kosten für mein Pferd

1. Boxenmiete/Reithallennutzung im Monat: 320 Euro

2. Schmied: zwei Hufeisen vorne erneuern und Hufe ausschneiden 70 bis 90 Euro pro Besuch. Im Sommer alle fünf bis sechs Wochen nötig, im Winter alle sechs bis acht Wochen.

3. Schutzimpfungen: Tetanus alle zwei Jahre, Influenza (Grippe) und Herpes zweimal im Jahr, Tollwut einmal im Jahr. Insgesamt 120–150 Euro pro Jahr.

4. Wurmkuren, viermal im Jahr. Insgesamt 100–150 Euro pro Jahr.

5. Rücklagen für den Tierarzt: 50 Euro im Monat

6. Tierhalter-Haftpflichtversicherung: rund 150 Euro im Jahr

7. Sattel gebraucht: 1.000 Euro

8. Trense und Gebiss: neu etwa 250 Euro

9. Stallhalfter und Stricke: ungefähr 40 Euro

Papa hätte seine helle Freude an der sauberen Aufstellung. Hätte. Möglichkeitsform hoch zehn. Denn in ihrer Urfassung kann ich die Liste unmöglich mit nach unten nehmen.

Nicht mehr, nachdem mein Vater den ganzen Abend über hohe Kosten gestöhnt hat. Da muss noch was gedreht werden.

Ich werfe meinen Laptop an und öffne die Datei »Ständige Kosten für mein Pferd«.

An der Boxenmiete kann ich nichts ändern, dafür wollen meine Eltern einen Dauerauftrag bei der Sparkasse einrichten.

Nächster Punkt. Schmied.

Muss ebenfalls bleiben. Vielleicht kann ich behaupten, Pepper hätte gar keine Hufeisen … dann ist es billiger. Andererseits hat Papa keine Pferdeäpfel auf den Augen. Er braucht ja nur auf Peppers Hufe zu sehen. Bemerkt er die Eisen, fühlt er sich verschaukelt. Zu Recht. Nein, keine Kürzungen beim Schmied.

Impfungen.

Halt, da geht was. Wer hat etwas davon, jetzt schon auf Impfungen hinzuweisen, die erst kurz vor Weihnachten fällig werden? Wie die gegen Pferdegrippe? Dieses Frühjahr hat Herr Habicht sich noch darum gekümmert. Und Tetanus ist erst wieder in zwei Jahren dran, hat Habi gesagt. Super. Ich vernichte die gesamte Spalte. Hundertfünfzig Euro weniger.

Was ist mit Wurmkuren?

Ich sehe Tapir vor mir, wie er beschwörend die Augen rollt:

»An Wurmkuren darfst du nie sparen. Sind superwichtig. Würmer setzen Pferden ganz schwer zu. Die können ein Tier sogar umbringen, wenn sie massenhaft auftreten.«

Schon gut, Tapir. Der Posten bleibt. An meinem Schatz vergreift sich kein blasser Spulwurm. Auch kein Bandwurm, Blutwurm, Fadenwurm und schon gar keine fiese Larve der Dasselfliege.

Rücklagen für den Tierarzt: fünfzig Euro.

Kann auch weg. Pepper braucht keine Rücklagen. Sollte er krank werden, bezahlen meine Eltern sowieso. Also Löschtaste. Mein eigenes Sparbuch muss genügen … denn je teurer diese Liste wird, desto schlechter stehen meine Chancen auf Pepper.

Tierhalter-Haftpflichtversicherung: Die kostet ungefähr hundertfünfzig Euro im Jahr.

»Tierhalter-Haftplicht – an dieser Versicherung ist nicht zu rütteln«, hat Tapir gesagt.

Er hat mir noch viel mehr erzählt, bis mir fast der Kopf platzte und ich aufjaulte: »Mann, Tapir, ich will das alles nicht wissen, ich will doch nur ein Pferd.«

Da hat er mich streng angesehen und wie ein spießiger Erwachsener gesagt: »Du bist doch nicht etwa so ein Spaßgirl? Natürlich sollst du Freude an deinem Pferd haben, aber ein Tier zu besitzen, ist kein Jux für kurze Zeit. Der Habichthof ist kein Ponyhof wie in deinen Computerspielen. Du übernimmst echte Verantwortung.«

Er hat nicht mal gegrinst dabei.

Also habe ich mir auch noch den Rest angehört. Zum Beispiel, dass man Pferde, die man aus Privatvergnügen hält, »Luxustiere« nennt. Erst dachte ich, Tapir wollte mich veralbern, aber dann brachte er das Bürgerliche Gesetzbuch mit und da steht das Wort »Luxustier« schwarz auf weiß drin. Tatsache. Im Gegensatz zu Nutztieren, mit denen der Besitzer Geld verdienen muss – wie bei Schulpferden.

Wenn Papa Pepper kauft, wird mein Schatz sekundenschnell vom Nutztier zum Luxustier. Zack. Für Luxustiere gibt es sogar einen Paragrafen: § 833.

»Fakt ist«, hat Tapir gesagt, »man muss praktisch immer zahlen, wenn das Luxustier etwas anrichtet.«

»Auch wenn Pepper gar nicht schuld ist?«, habe ich gefragt. »Wenn ihn eine Wespe sticht und er springt vor Schreck auf Frau Lanz’ Auto und zertrümmert es?«

»Ja, musst du zahlen.«

»Und wenn er ihre limonengrüne Karre mit einem Stück Gras verwechselt und mit den Zähnen drüberkratzt?«

»Auch dann«, schwor Tapir.

Er hatte noch andere Beispiele auf Lager.

»Angenommen, Pepper scheut, geht durch, läuft auf die Straße und verursacht einen Unfall. Dann können alle von dir Geld verlangen, die verletzt worden sind und deren Auto kaputt ist. Was das kostet … dein Pferd musst du dann verkaufen, dafür ist kein Geld mehr da.«

Danke, so genau wollte ich das gar nicht wissen.

»Dein Vater ist ja bei der Versicherung, der weiß das«, meinte Tapir. »Tierhalter-Haftpflicht ist Standard, damit du ruhig schlafen kannst.«

Diesen Punkt werde ich vor Papa gleich ganz groß herausstellen.

Unten auf dem Flur höre ich Schritte.

»Deine Unordnung, was Flora?«, ruft Papa die Treppe rauf. »Findest du mal wieder nichts?«

»Doch, ich komme gleich.«

Die letzten Punkte. Sattel, Zaumzeug und Halfter.

Warum muss die Ausrüstung überhaupt auf der Ausgabenliste stehen? Sind ja einmalige Käufe. Das findet sich, wenn Pepper erst meiner ist. Ohne Sattel und Trense kann ich schlecht reiten, das wird sogar Papa einsehen.

Jetzt sieht die Aufstellung extrem knapp aus. Zu knapp. Todsicher erinnert Papa sich, dass meine Kosten beim ersten Mal ein ganzes Blatt ausgefüllt haben.

Ich verlängere die Spalte »Boxenmiete« und beschreibe ausführlich, was der Pauschalpreis enthält: Ausmisten, Stroh, Heu, Kraftfutter, Salzleckstein, Abfuhrkosten für den Mist, Pferd morgens auf Weide oder Auslauf bringen, Hallenbenutzung.

Schnell ausdrucken. Mit der überarbeiteten Liste springe ich die Stufen hinab.

Man kann nicht sagen, dass ich mich bei der Aktion richtig wohlfühle. Meine innere Stimme redet mir ins Gewissen: Deine Eltern schenken dir ein Pferd und du manipulierst die Kostenaufstellung. Fies.

Ja, stimmt.

Ich gebe mir gedanklich einen Strafpunkt auf der »Fiese-Flora-Skala«. Doch bevor ich auf der untersten Treppenstufe ankomme, lösche ich den Strafpunkt wieder. Was ich mache, ist nicht fies, das ist sogar extrem freundlich.

Einen Kostenschock würden meine Eltern gar nicht verkraften.