KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

Zahra

Wir verlassen den Souvenir-Shop mit meinem Geschenk. Lächelnd hebe ich den Blick zum Himmel und atme tief den Duft nach frisch gebackenen Keksen ein. Rowan amüsiert sich über mich und lässt mich sein seltenes Lachen hören. Ein Lachen, das so tief ist, dass es über die Schreie und das Gekreische der Kinder um uns herum kaum hörbar ist. Ein Laut, der meinen gesamten Körper mit Wärme erfüllt, die ich unmöglich ignorieren kann. Ich muss unbedingt und so schnell wie möglich von ihm weg, bevor ich so etwas Dummes tue, wie ihn noch einmal zu küssen.

»Also, hat mich gefreut, Sie zu sehen. Ich sollte jetzt langsam weiter – Sie wissen schon, der Park ist groß, es gibt viel zu sehen.« Damit wende ich mich ab, um das nächste Fahrgeschäft auf meiner Liste anzusteuern.

Sein Schatten folgt mir. Kurz darauf spüre ich seine Hand an meinem Ellbogen, und er dreht mich mit einer Sanftheit zu sich herum, die jemand wie er eigentlich gar nicht besitzen sollte. Warum scheint jedes Mal, wenn mich dieser Mann anfasst, die Welt stehen zu bleiben?

Doch dann lässt er meinen Ellbogen so schnell wieder los, als hätte er sich daran verbrannt. Seine Finger streichen über meine Haut, während er seine Hand sinken lässt. »Warum tun Sie das hier wirklich?«

Ich starre auf meine Sneaker hinab. »Ich habe eine kreative Blockade.«

»Und das ist Ihre Lösung?« Er sieht sich mit spöttischer Miene um.

»Warum sind Sie Direktor geworden, wenn Sie diesen Ort so sehr hassen?«

»Ich hasse ihn nicht.« Er kraust die Nase.

»Dann erklären Sie mir den Ausdruck auf Ihrem Gesicht.«

»Das werde ich nicht.«

»Wenn Sie sich wie ein Kind aufführen, dann werden Sie auch so behandelt. Auf Wiedersehen.« Ich winke ihm knapp über die Schulter zu, während ich davonmarschiere.

Er holt mich ohne Mühe ein. »Ich komme mit.«

Ich stöhne auf. »Warum?«

»Weil ich Sie interessant finde.«

Rowan ist der einzige Mensch, bei dem mein Herz aus dem Tritt gerät, wenn er mich interessant nennt. Und ich lehne seine Bitte nicht ab, weil ich in jeder Hinsicht verloren bin, was ihn betrifft.

Als Nächstes steuern wir das Kanaloa an – ein Fahrgeschäft, das auf einer hawaiianischen Gottheit basiert. Als ich mich in der Schlange am Haupteingang anstellen will, dirigiert er mich zur Fast Lane.

»Ich habe keinen Fast Pass.« Ich will umdrehen, aber er legt eine Hand auf meinen unteren Rücken und dirigiert mich vorwärts. Hitze breitet sich von der Stelle, an der er mich berührt, in meinem ganzen Körper aus.

»Doch. Sie sehen ihn gerade an.«

Ich schnaube. »O Mann, ganz schön arrogant. Ehrlich gesagt kann ich kaum glauben, dass Sie das gerade ernsthaft gesagt haben.«

Er erwidert nichts, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Hand auf meinem Rücken vor stillem Lachen ein klein wenig vibriert.

»Das würde meiner Mission, Dreamland aus der Perspektive einer regulären Besucherin zu erleben, widersprechen. Ich unterhalte mich gerne mit den Leuten in der Schlange, um herauszufinden, was ihnen gefällt und was nicht.«

Er ignoriert meinen Einwand, während wir die langen leeren Flure durchqueren.

»Warum möchten Sie überhaupt Zeit mit mir verbringen?«, frage ich.

Er holt eine Dose mit Pillen heraus und wirft eine davon ein.

»Man sollte nicht mitfahren, wenn man sich nicht gut fühlt«, ziehe ich ihn auf.

Er wirft mir einen Blick zu, der die Wüste gefrieren lassen könnte. »Ich habe keine Herzprobleme, sondern nur eine Magenverstimmung, Sodbrennen.«

»Oder Sie leiden an Nebenwirkungen, die Sie sich die Hälfte der Zeit wie ein Arsch aufführen lässt«, erwidere ich augenzwinkernd.

Darauf murmelt er nur etwas Unverständliches vor sich hin.

Kurz darauf gelangen wir in den Wartebereich für die Achterbahn. Auf Rowans Wunsch führt uns ein Begleiter zum vorderen Ende der Besucherschlange, um in einem der ersten Wagen sitzen zu können.

Ich schüttle den Kopf und deute zum Ende der Wagenreihe. »Wir wollen da hinten sitzen.«

Rowan hebt eine Augenbraue, folgt mir aber ohne weitere Einwände.

Wir nehmen Platz. Als die Sicherheitsbügel herabgelassen werden und uns umschließen, stoßen unsere Arme aneinander.

Ich blicke geradeaus, während der Wagen die Steigung hochgezogen wird. Die malerische Fassade eines hawaiianischen Vulkans umgibt uns, während warmer Dampf durch die Luft wirbelt, wodurch die Umgebung – was Absicht ist – nur schwer zu erkennen ist.

Das ist mein Lieblingsteil. Das Klicken wird lauter, und mein Herz schlägt schneller, während wir seitlich am Vulkan hinauffahren. Mit einem letzten Ruck fährt der Wagen über die Kante und rauscht im nächsten Augenblick direkt in die künstliche Lava hinein.

Ich schreie, mein Magen kribbelt, während sich der Wagen auf seiner Fahrt windet und wendet. Rowans raue äußere Schale bekommt Risse, als er zu lachen beginnt; sein Blick liegt dabei mehr auf mir, als dass er ihn nach vorne richtet. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Bei dem Gefühl, das sich in meiner Brust ausbreitet, sollte ich vielleicht auch eine seiner Pillen einwerfen.

Der nächste Sturz in den Abgrund lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf die Achterbahnfahrt, und ich kreische auf, als wir kopfüber fahren und anschließend durch eine Korkenzieherdrehung geschleudert werden. Dies ist eines der besten Fahrgeschäfte in ganz Dreamland.

Mein Herz hört nicht auf zu rasen, bis sich der Wagen verlangsamt, um wieder in den Wartebereich einzufahren.

Ich drehe mich zu Rowan um, neugierig, wie es ihm gefallen hat. »Und, wie fanden Sie es?«

»Ich glaube, ich habe wegen Ihnen einen Hörsturz erlitten.« Er lässt mich nicht aus den Augen, die sich verdunkeln, als er sich über die Unterlippe leckt. Dann streckt er eine Hand aus, um meine Locken zurückzustreichen.

Sofort beginnt mein Herzschlag, der sich gerade erst beruhigt hat, wieder an Tempo aufzunehmen. »Ich könnte immer wieder fahren und würde nie genug bekommen.«

Er hebt eine Braue. »Immer wieder?«

»Ja! Fühlen Sie sich dadurch nicht auch wahnsinnig lebendig?«

Unser Wagen kommt mit einem leichten Ruck zum Stehen, doch auf eine Geste von Rowan hin bleiben unsere Sicherheitsbügel geschlossen.

»Was ist los?«

Die anderen Fahrgäste steigen aus, während wir in unserem Wagen sitzen bleiben. Eine weitere Handbewegung von Rowan und die Achterbahn setzt sich wieder in Bewegung. Außer unserem ist kein Wagen besetzt.

»Und das machen wir, weil …?«, frage ich laut über das Knarzen und Knarren der Getriebe hinweg.

Er sieht mich an; seine Miene ist vollkommen ausdruckslos. »Sie haben gesagt, Sie möchten noch mal fahren.«

»Ja, schon, aber ich habe nicht wirklich erwartet, dass wir es tatsächlich machen.«

»Tun wir aber.«

Der Wagen erklimmt erneut den Vulkan.

»Noch mal: Was ist der wahre Grund dafür, dass Sie so viel Zeit mit mir verbringen? Haben Sie nicht Wichtigeres zu tun? Leute quälen oder so?«

Er zuckt unverbindlich mit den Schultern. »Vielleicht höre ich Ihnen einfach gerne beim Schreien zu.«

»Freak.«

Es überrascht mich, dass ich keinen Infarkt erleide, als Rowan mir darauf zuzwinkert . Doch mein Herz beginnt wie wild zu klopfen, und meine Haut kribbelt.