Ich habe den Punkt, ab dem es kein Zurück mehr gibt, offiziell überschritten.
Okay, ja, den habe ich bereits überschritten, als Rowan mich heute Abend zum ersten Mal zum Orgasmus gebracht hat. Aber so richtig realisiere ich es erst, als Rowan seinen weich werdenden Schwanz aus mir herauszieht und das Kondom abstreift.
Ich bin vollkommen fertig, nachdem Rowan mich fast bewusstlos gevögelt hat. Was auch immer er meiner Meinung nach unter seiner kühlen Fassaden zurückgehalten hat, kann dem, was er mir heute Abend von sich gezeigt hat, in keiner Hinsicht das Wasser reichen. Rowan hätte genauso gut meinen Körper mit Petroleum in Brand setzen können. Es war … wow . Ich bin mir sicher, durch den Sauerstoffmangel einige wertvolle Gehirnzellen verloren zu haben.
Soll ich bleiben? Oder lieber gehen? Ich befinde mich an einem Scheideweg, was ich als Nächstes tun soll.
Geh. Geh es locker an, wie du es versprochen hast.
Ich erhebe mich mit einem Stöhnen vom Bett und sammle mein Shirt vom Boden auf. Wo ist mein BH ?
»Was hast du vor?«
»Mich anziehen?«, bringe ich raus und wende mich halb von ihm ab, als hätte er noch nicht alles gesehen. Meine Wangen werden heiß, als sein Blick von meinem Gesicht zu meinen rosa Zehennägeln gleitet.
Im schwachen Licht, das aus dem Badezimmer fällt, kann ich die Kurven und Konturen von Gottes schönstem Werk betrachten. Ich glaube, ich stöhne leise auf, bin mir aber nicht sicher.
Rowan räuspert sich und kaschiert damit eindeutig ein leises Lachen.
»Also …«
Nicht anhänglich wirken. Bleib ganz cool.
Wie verhält man sich cool, wenn man keine Ahnung hat, was gerade passiert?
Ich widme mich wieder der Suche nach meinen fehlenden Kleidungsstücken. Mein BH baumelt am Lampenschirm, und ich stürze vor, um ihn herunterzureißen.
»Du gehst?« Er zieht die Brauen zusammen. Irgendwie hat er es geschafft, als Erster meinen Slip in die Finger zu bekommen. Ich bin bereit, mich von ihm zu trennen, wenn er auf so etwas steht. Ehrlich gesagt bin ich offen für alles, was mich aus dieser verlegenen Situation befreit.
»Ähm … Ist es nicht das, was du willst?«
»Wie kommst du auf die Idee?«
»Nun … Äh … Ich …« Mein Vorhaben erscheint mir auf einmal weniger überzeugend, als sich sein Kiefer anspannt.
»Du willst gehen.« Eine Feststellung, keine Frage.
Ist er … Klingt er etwa verletzt?
Nein. Das kann nicht sein. Oder doch?
O Gott, ich glaube, Rowan hat mir heute Abend sämtlichen gesunden Menschenverstand herausgevögelt.
»Möchtest du, dass ich bleibe?«, platze ich heraus. Er braucht ganze zwanzig Sekunden, um zu antworten. Ja. Ich habe mitgezählt. Sonst wäre ich unter Rowans wachsamem Blick zu einer Pfütze zerflossen.
»Es würde mir nicht nicht gefallen, wenn du bleibst.«
Ich muss lachen. »O Gott. Du benutzt doppelte Verneinungen. Diese Sache war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.«
Das Lächeln, das er mir schenkt, ist mein Lieblingslächeln an ihm – so winzig und flüchtig, dass ich Angst habe, es mit einem Blinzeln zu verpassen. »Das habe ich mit Absicht gemacht.«
»Klar hast du das.« Ich verdrehe die Augen.
Er reißt mir mein Shirt aus den Händen und wirft meinen BH über seine Schulter.
Na dann. Ich denke, diese Diskussion ist beendet.
Er wirft mich zurück aufs Bett, wo er die Decke über unsere nackten Körper zieht. Ich habe schon früher gekuschelt, aber mit Rowan fühlt es sich intimer an. Vor allem, wenn er einen Arm um mich legt, denn wie sich herausstellt, ist er total anschmiegsam. An diesem Abend folgt eine schockierend überraschende Erkenntnis auf die nächste. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Herz der Belastung standhalten kann.
Rowan schnappt sich eine Fernbedienung und wählt meine Streaming-App aus. »Auf welche Version von Stolz und Vorurteil hast du Lust?«
»Vielleicht bin ich eher in Stimmung für einen Horrorfilm.«
»Ist Romance nicht ein Subgenre von Horror?«
Ich kneife ihn in die Seite und bringe ihn damit zum Lachen. »Jetzt versuchst du nur, lustig zu sein.«
»Versuchen? Ich meine mich zu erinnern, dass du behauptet hast, ich sei ziemlich lustig.« Er streckt die Brust raus wie ein Showmaster und zeigt mir mit einem strahlenden Grinsen seine Zähne, die so perlweiß sind, dass ich Angst habe, bei ihrem Anblick zu erblinden.
»Ich habe das Geheimnis aufgedeckt, wie man dich zum Lächeln bringt!«
»Und das wäre?«
»Orgasmen! Warum bin ich nicht früher darauf gekommen?!«
Das Lachen, das er ausstößt, klingt anders als alles, was ich zuvor gehört habe. Er lässt sich zurück auf das Kissen fallen, und seine Brust bebt.
Ich mag dieses Lachen wirklich sehr.
Und ich weiß, dass das wirklich, wirklich nicht gut ist.
Dennoch überlege ich schon jetzt, wie ich es ihm noch einmal entlocken könnte.
Er lässt die Fernbedienung zwischen zwei Fingern vor meiner Nase baumeln. »Such was aus, sonst tue ich es für dich.«
Ich beschließe, dass dies eine gute Gelegenheit ist rauszufinden, ob Scott einige der Dinge, die er gesagt hat, wirklich ernst meinte. Vielleicht hat er ja gelogen, als er behauptet hat, sich zu wissenschaftlichen Zwecken alle siebzehn Versionen von Stolz und Vorurteil angesehen zu haben.
»Ich bin heute Abend in Matthew-Macfadyen-Stimmung.«
In typischer Rowan-Manier wählt er auf Anhieb die richtige Version aus und beweist damit, dass er wirklich verrückt genug war, sich alle siebzehn Filme anzusehen. Ich bin mir nur nicht sicher, warum er das getan hat.
Da ist diese leise, irrationale Stimme in meinem Kopf, die mehr in die Situation hineininterpretieren möchte, aber sie verliert gegen die stärkere, die mir rät, den Moment zu genießen und sämtliche Erwartungen loszulassen.
* * *
Das Haus der Kanes liegt zehn Minuten Fußmarsch von meiner Wohnung entfernt. Rowan hat angeboten, mich zu fahren, aber ich habe bei seinem Vorschlag nur die Augen verdreht und mich mit einem tiefen Kuss verabschiedet.
Ich hätte ihn mich fahren lassen können. Ein Teil von mir sehnt sich nach dieser Art von Aufmerksamkeit. Aber ich brauchte etwas Abstand und einen Spaziergang, um meinen Kopf nach einer Nacht mit umwerfendem Sex und – schlimmer noch – guten Gesprächen freizubekommen. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin mir nach wie vor unsicher, was Rowans Absichten angeht. Dating scheint mit jemandem wie ihm ein gefährliches Spiel zu sein.
Nach dem Film haben wir uns in eine hitzige Debatte über Klassismus und die Kluft zwischen Besitzenden und Besitzlosen gestürzt. Rowan hat versucht, mich über Probleme der Oberschicht zu belehren, und ich wollte seinem Gesicht meine Faust vorstellen.
Okay, ich mache nur Spaß. Gewalt kann niemals die Antwort sein. Obwohl ich mit Körperverletzung in Form von Sexentzug gedroht habe, was mir lediglich einen Orgasmus weniger eingebracht hat, bis ich mich entschuldigt habe.
Rowan hat es drauf im Bett. Das ist das Einzige, was ich in der vergangenen Nacht zusätzlich zur Größe seines Schwanzes über ihn erfahren habe.
Im Grunde habe ich also keine Ahnung, was ich eigentlich mit Rowan mache, aber vielleicht ist das gut so. Ich war schon immer jemand, der allem einen Stempel aufdrücken wollte, und das hat mich bisher nicht wirklich weitergebracht.
Während meines zehnminütigen Heimwegs verfestige ich meine positive Einstellung. Ich bin dafür, die Sache zwischen uns vorerst locker zu sehen. Nachdem ich in einer langfristigen Beziehung war, die von null auf hundert ging, bin ich bereit, die Dinge langsam anzugehen und die Beziehung von selbst wachsen zu lassen. Ich weiß, dass ich Rowan wichtig bin, also muss ich mir eigentlich keine Gedanken machen.
Ich schließe die Haustür auf. »Claire?«
In der Wohnung ist es still, abgesehen von leiser Musik, die aus Claires Zimmer kommt. Ich bin weise genug, ihre Tür nicht zu öffnen, wenn ich John Legend singen höre. Dafür schätze ich mein Augenlicht viel zu sehr.
Ich gehe in mein Schlafzimmer, dusche und lasse mich mit einem Lächeln auf mein Bett fallen. Die süße Stimme von John Legend tritt in den Hintergrund, als ich einschlafe.
* * *
Ich wache vom Geruch nach brutzelndem Speck und Claires Stimme auf, die zu Journey mitkrakeelt. Mein Magen knurrt und möchte nach einer langen Nacht gefüttert werden.
Ich finde Claire in der Küche, wo sie kocht und in ihren Pfannenwender singt. »Woher die gute Laune?«
Claire hüpft auf der Stelle und dreht die kleine Lautsprecherbox leiser. »Zahra! Du bist zu Hause! Ich habe dich gar nicht reinkommen hören.«
»Das liegt daran, dass du beschäftigt warst.«
Claire errötet. »Ich muss dir was erzählen.«
»Ich auch.« Ich grinse.
»Du zuerst«, sagen wir beide gleichzeitig, bevor wir lachen. Ihr Lächeln ist ansteckend. »Ich habe jemanden kennengelernt!«
»Mehr Details!«
»Erinnerst du dich an die Souschefin vom Royal Chateau?«
»Wie könnte jemand Ihre Königliche Verschrobenheit höchstpersönlich vergessen?«
Sie schnaubt, während sie zwei Frühstücksteller anrichtet. »Sie hat sich entschuldigt.«
»Was?! Wie?«
»Wir sind uns im Supermarkt über den Weg gelaufen. Es war wie im Film.«
»Inwiefern?«
»Als ich sie gesehen habe, bin ich in Panik geraten und versehentlich mit meinem Einkaufswagen in einen Ständer mit Orangen reingefahren, der umgekippt ist. Das war das Peinlichste, was mir jemals in der Öffentlichkeit passiert ist.«
»Das kann unmöglich wahr sein. Denk dran, als wir beim Footballspiel waren …«
Claire verzieht das Gesicht. »Diese Aktion war noch schlimmer. Sie ist auf einer Orange ausgerutscht und hingefallen.«
»Und dann?«
»Hat sie laut gelacht, nachdem ich einen schrecklichen Kalauer in die Richtung ›Freust du dich nicht orangenmäßig, mich zu sehen‹ gerissen habe.«
Kichernd werfe ich den Kopf in den Nacken, während Claire den Rest der Geschichte zum Besten gibt, in der außerdem ein wütender Store Manager, ein überflüssiger Rettungswagen und ein Date vorkommen. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie sie nach den vergangenen vierundzwanzig Stunden noch aufrecht stehen kann.
Ich biete an, das Geschirr zu spülen, während sich Claire an den Küchenblock setzt.
»Und jetzt du!«
Ich beginne mit meiner Geschichte und berichte, was Rowan am vergangenen Abend preisgegeben hat und wie wir zusammen im Bett gelandet sind.
»Sag mir bitte, dass Rowan nicht nur gut aussieht.«
»Nein, keine Sorge, er hat auch richtig was drauf.« Bei der Erinnerung grinse ich in mich hinein.
Claire gackert. »Großartig. Ich bin froh, dass wir jetzt wissen, dass er seine Zunge auch zum Positiven einsetzen kann. Ein Schritt in die richtige Richtung.«
Ich lache noch immer vor mich hin.
»Und was genau ist das jetzt zwischen euch? Eine Bettgeschichte?«
Ich verziehe das Gesicht.
»Okay …« Sie hält inne. »Wie wäre es mit Freunden mit gewissen Vorzügen?«
Ich schüttele den Kopf. »Wir haben dem Ganzen keinen Stempel aufgedrückt.«
»Ach, stimmt natürlich, wie dumm von mir. Wie hättest du mit seinem Schwanz in deinem Hals auch darüber sprechen sollen?«
Der Schwamm fällt mir ins Spülbecken und lässt Seifenwasser aufspritzen. »Claire!«
Sie hebt die Hände. »Was?!«
»Wir haben nicht definiert, was wir sind, weil es kein wir gibt. Zumindest nicht in diesem Sinne des Wortes. Wir sind Zahra und Rowan. Zwei Menschen, die zusammen Spaß haben.«
Sie zieht die Brauen zusammen, und ihr Gesichtsausdruck wird so ernst, wie ich es nur selten an ihr sehe. »Ich will nicht, dass du verletzt wirst. Lockere Affären sind nicht dein Ding.«
»Vielleicht ist das ja mein Problem. Mit Lance habe ich mich kopfüber in eine feste Beziehung gestürzt. Diesmal versuche ich, die Dinge langsam anzugehen.«
»Also, ich weise dich wirklich nur ungern darauf hin, aber du bist gerade mit zweihundert Meilen pro Stunde über eine rote Ampel gerast.«
Ein Lachen sprudelt aus mir heraus. »Es ist nur Sex.«
»Genau, und er ist nur der Typ, dem du jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Nachricht geschrieben hast.«
Ich seufze. »Ist es so falsch, sich einfach mal treiben und nicht so schnell in eine Schublade stecken zu lassen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Natürlich nicht. Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist und dein Herz nicht an jemanden verlierst, der nicht vorhat, sich dafür zu revanchieren.«
»Wir werden es vorerst locker angehen.«
Der Plan klingt solide und idiotensicher – der perfekte Weg, mein Herz zu schützen und dabei Spaß zu haben.
Das hoffe ich jedenfalls.