Ich knie auf dem Hartholzboden und klappe meinen Koffer auf.
»Nun, das erklärt das riesige Gepäckstück.«
Die eine Hälfte ist mit meiner Kleidung gefüllt, die andere ist voll mit sämtlichen Regency-Romanen von Juliana De la Rosa, die ich besitze.
Ich stürze aus dem Raum, um Rowan zu finden, nur um an der nächsten Ecke mit ihm zusammenzustoßen. Er lacht, als er mich festhält, bevor ich fallen kann.
»Warum habe ich alle meine Bücher von De la Rosa dabei?« Ich presse eine Hand auf mein wild pochendes Herz.
»Weil sie heute Abend in New York Bücher signiert und wir zufällig Tickets für ihre Veranstaltung haben.« Er zieht zwei Eintrittskarten aus seiner Gesäßtasche und lässt sie vor meiner Nase hin und her baumeln.
Ich reiße erstaunt den Mund auf und schnappe mir die Karten. »Nicht dein Ernst!« Ich schlinge die Arme um seinen Hals. Die plötzliche Bewegung bringt ihn aus dem Gleichgewicht, und er stützt sich an der Wand ab, bevor wir zusammen umfallen können.
»Du freust dich.« Er lacht leise an meinem Ohr. Sein heißer Atem schickt eine Gänsehaut über meine Haut.
Ich löse mich von seinem Hals und stelle mich aufrecht hin. »Ob ich mich freue? Die Überraschung ist dir gelungen! Wie bist du so kurzfristig an Tickets bekommen?«
Er räuspert sich. »Ich habe Verbindungen.«
»Okay, jetzt bin ich wirklich beeindruckt von deinem Reichtum.«
* * *
Juliana De la Rosa steht nur zehn Meter von mir entfernt. Die goldenen Lichter des Buchladens scheinen wie ein Heiligenschein auf sie herab, und ich bin versucht, mich in ihre Arme zu werfen. Stattdessen gebe ich mich cool, weil Rowan meine Hand festhält, als hätte er Angst, ich könnte mich losreißen und wegen Stalking verhaftet werden.
Überraschenderweise beschwert sich Rowan nicht, als wir uns mit all den anderen Buchliebhabern in die Schlange einreihen. Es ist wie an dem Tag, an dem wir zusammen im Dreamland unterwegs waren, nur dass er dieses Mal lächelt, während ich unsere Umgebung in mich aufnehme. Er hält meine Bücher fest, als würde es sich dabei um einen Schatz von unschätzbarem Wert handeln, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn von oben bis unten dafür abknutschen würde, wenn nicht so viele Menschen um uns herum ständen.
Als ich der Frau vor mir ein Kompliment für ihre Tasche mache, kommen wir sofort ins Gespräch. Katie und ich gleichen unsere Top-List mit Book-Boyfriends ab und unterhalten uns darüber, was uns beim Finale der Serie Der Duke, der mich verführte wohl erwartet. Rowan bietet sogar an, seine eigenen Vermutungen zum Besten zu geben, was Katie an den Rand einer Ohnmacht treibt.
Als Rowan auf die Toilette verschwindet, fragt sie mich, ob er eventuell Singlebrüder hat, mit denen wir sie bekannt machen könnten. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, aber Katie lacht und scheint sich nicht bewusst zu sein, wer da neben ihr steht.
Die Schlange bewegt sich im Schneckentempo vorwärts. Als wir endlich ganz vorne stehen, haben Katie und ich uns mit der Frau vor ihr und mit der hinter mir in der Reihe bekannt gemacht, und aus unserem Duo ist eine Vierertruppe geworden. Rowan nimmt das alles klaglos hin, und ich fühle mich irgendwie ein klein bisschen schuldig, dass ich unser Date damit verbringe, mit anderen Buchnerds zu fachsimpeln.
»Du bist dran.« Er schubst mich sanft mit der flachen Hand direkt vor den Tisch, an dem Juliana sitzt.
»Hi! Ich bin ein großer Fan.« Ich strecke meine zitternde Hand aus.
Die Falten um Julianas braune Augen vertiefen sich, als sie zu mir aufblickt. Ihr Outfit sieht aus, als hätte sie es in einem Katalog für Pin-ups bestellt, und ich verliebe mich sofort in sie. Ihr ergrauendes Haar ist zu einem perfekten Pferdeschwanz frisiert, und der seitliche Pony fällt ihr schräg über die Stirn. Ihr Anblick erinnert mich an die Serien, die sich meine Mutter gerne anschaut.
»Meine Güte, was für ein Hingucker!« Juliana steht auf und drückt mit großmütterlicher Geste meine Wangen zwischen ihren Händen zusammen.
O mein Gott, Juliana berührt mich!
Wäre es komisch, wenn ich Rowan bitte, ein Foto zu machen?
Ja, wahrscheinlich .
Ich widerstehe dem Drang und nehme stattdessen ein paar tiefe Atemzüge von Julianas schwerem Parfüm.
Juliana verzieht die roten Lippen zu einem breiten Grinsen. »Rowan, du hast mir gar nicht erzählt, wie zuckersüß deine Freundin ist.«
Rowan? Sie kennt Rowan?! Warum hat er mir nichts gesagt? Und Moment mal … FREUNDIN ?!
Er räuspert sich. »Zahra ist nicht meine Freundin.«
Mein Magen zieht sich zusammen.
Ihr Blick gleitet zurück zu mir. »Nun, meine Liebe, du musst diesen Mann auf der Stelle wegsperren.«
Ich ignoriere ihren Kommentar, denn – Hallo! – sie kennt Rowan. »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie und Rowan sich kennen!«
Träume ich?
Rowan scheint meine Gedanken zu lesen, warum sonst sollte er mich in diesem Moment in den Arm kneifen.
»Hey!«
Er zuckt mit den Schultern, und ich grinse, weil es mich an unser erstes Treffen zurückdenken lässt. Er erinnert sich wirklich an alles.
Juliana tätschelt Rowans Wange, als wäre sie seine Mutter. »Er hat diese Veranstaltung nur für dich geplant – weil du mein größter Fan bist, wie er sagt.«
Ich habe das Gefühl, dass sich der Raum um mich dreht. »Ist das Ihr Ernst?!« Ich drehe mich zu Rowan um. »Wie …?«
»Ahh, du hast es ihr nicht gesagt«, bemerkt Juliana.
»Du hast das alles geplant?« Ich starre den Mann an, der ein ganzes Autorinnen-Event für mich organisiert hat.
»Ich hatte Hilfe.«
Juliana kichert. »Liebes, ohne ihn würde es sich mein Hintern in diesem Augenblick irgendwo auf Hawaii auf einem Liegestuhl bequem machen, um die Veröffentlichung meines neuen Buches zu feiern.«
»Aber Sie sind hier … Für mich ?«
»Es zahlt sich aus, Freunde in gewissen Positionen zu haben, nicht wahr?« Sie zwinkert mir zu.
»Seine Firma hat meine Bücher in die Serie verwandelt, die meine Fans lieben.«
»Seine Firma?!« Ich habe keine Ahnung, wie ich angesichts der ganzen unglaublichen Neuigkeiten die Fassung bewahren soll. Rowan hat sein Streaming-Unternehmen schon einmal erwähnt, aber bisher habe ich die Verbindung nicht hergestellt. »Scott hat mein Passwort für die Streaming-Plattform überhaupt nicht gebraucht, oder?«
Er besitzt tatsächlich die Frechheit, mit den Schultern zu zucken. »Stimmt.«
»Warum hast du den Zugang dann überhaupt benutzt?«
»Warum wohl, Herzchen? Die Liebe bringt uns dazu, seltsame Dinge zu tun«, mischt sich Juliana ein.
»O nein, nein. Wir …«
»… nehmen die Tage, wie sie kommen«, beendet er den Satz für mich.
»So ist es! Einen nach dem anderen.« Ich nicke Juliana zu, als würde diese Floskel jede komplizierte Sekunde meiner Beziehung zu Rowan erklären.
Juliana droht uns mit dem Finger. »Lasst mich wissen, wer von euch zuerst aufhört, an diese Lüge zu glauben.«
Ich verdrehe die Augen. Sie ist schließlich eine Romanautorin. Natürlich glaubt sie, dass jedes Paar für ein Happy End bestimmt ist. Ich hätte zwar nichts dagegen, möchte mir aber auch nicht zu große Hoffnungen machen. Obwohl ich mich bei dieser Signierstunde frage, welchen Schritt wir vielleicht als Nächstes zusammen gehen.
Rowan legt meine Bücher auf den Tisch.
»Warum hast du meinen Account verwendet, wenn dir die Plattform gehört?«
»Ich wollte sehen, was dich interessiert.«
Das ist so süß, dass ich einen Moment befürchte, in Tränen auszubrechen. Monatelang war ich überzeugt, dass er mich nicht ausstehen kann – während er sich über meinen Streaming-Zugang Filme angesehen hat, um sich mir verbundener zu fühlen.
Ich schlinge die Arme um ihn und drücke ihn an mich, worauf er mir einen Kuss auf das Haar gibt.
»Na, na, hinter euch beiden stehen noch ungefähr hundert Menschen in der Schlange, um die ich mich kümmern muss.« Juliana signiert jedes meiner Bücher mit ihrem Namen und einer kurzen Botschaft. Die Leute hinter uns beschweren sich bereits, dass es bei mir so lange dauert, aber sie hört einfach nicht auf, lebhaft zu erzählen. Und ich kann nicht anders, als jedes ihrer Wort mit Begeisterung aufzusaugen.
Schließlich muss mich Rowan beinahe wie ein Kind zur Tür des Buchladens hinauszerren, damit sich Juliana ihren anderen Fans widmen kann.
Draußen werden wir von echten Schneeflocken empfangen.
»Es schneit!«
»Heute Nacht sollen noch ein paar Zentimeter dazukommen. So viel zum verrückten Wetter hier.«
Lachend renne ich über den schneebedeckten Bürgersteig und drehe mich im Kreis, während ich versuche, die Flocken mit der Zunge aufzufangen.
»Pass auf, bevor du noch der Länge nach Bekanntschaft mit dem Bürgersteig schließt.«
Die Worte verlassen seine Lippen eine Sekunde zu spät. Mit meinen Turnschuhen rutsche ich auf einer glatten Stelle aus. Panisch strecke ich die Arme aus, aber es gibt nichts, woran ich mich festhalten könnte.
Rowan sprintet mit scheinbar übermenschlicher Geschwindigkeit los, erleidet jedoch das gleiche Schicksal wie ich, und wir gehen in einem Wirrwarr aus Gliedmaßen und der Tüte, die mit meinen signierten Büchern gefüllt ist, zu Boden. Im Fallen dreht sich Rowan halb, um mich zu schützen, und landet schließlich auf dem Rücken. Ich komme auf seiner Brust auf.
Er stößt hörbar den Atem aus. Mit einer Hand hält er noch immer die Tüte umklammert, um die Bücher davor zu bewahren, auf dem nassen Bürgersteig zu landen.
»Autsch.« Ich reibe mir die Stirn, die mit seinen harten Brustmuskeln kollidiert ist. »Alles okay?«
»Frag mich morgen noch mal, wenn meine Lunge wieder den Dienst aufgenommen hat.«
Ich lasse meine Stirn auf seine Brust sinken und lache, bis die kalte Luft in meiner Kehle brennt.
Er schlingt seine Arme um mich, und zusammen verlieren wir auf einem schmutzigen, schneebedeckten Bürgersteig die Fassung.
Das beste Date aller Zeiten.