KAPITEL DREIUNDVIERZIG

Zahra

Ani, kannst du den Wecker ausschalten?«

Piep. Piep. Piep.

»Ani!«

Das nervtötende Geräusch geht weiter.

Ich öffne die Augen und sehe einen Herzmonitor. Ruckartig setze ich mich im Bett auf, was meine Brust schmerzen lässt. Als Nächstes entdecke ich den Tropf in meiner linken Hand, und ich versuche, mich zu erinnern, was geschehen ist. Das Letzte, was ich noch weiß, ist, dass ich bei Rowan zu Hause war, um im Bett fernzusehen.

Wie bin ich also hier gelandet? Mit den Fingern gleite ich über den durchsichtigen Schlauch, der in meine Nase führt. Ich lasse meinen Blick daran entlangwandern und sehe, dass er an einem Sauerstoffgerät endet.

»Sie ist wach.«

Als ich Rowans heisere Stimme höre, drehe ich meinen Kopf.

Er schiebt das Handy in seine Tasche.

Sein Blick lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Er erinnert mich daran, wie er mich angeschaut hat, bevor sich alles zwischen uns verändert hat.

»Nicht bewegen.« Er steht auf und kommt zu mir ans Bett.

»Was ist passiert?«, krächze ich. Jedes Wort kostet mich große Mühe.

Er befüllt einen kleinen Plastikbecher und reicht ihn mir. »Du bist im Krankenhaus.«

Ich nehme einen Schluck Wasser, ehe ich spreche. »Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber wie bin ich hierhergekommen?«

Seine Lippen sind zu einem geraden Strich zusammengepresst. Er sieht mitgenommen und müde aus, hat sich offenbar tagelang nicht rasiert, und unter seinen Augen liegen dunkle Schatten. So habe ich ihn noch nie gesehen. Ich blinzele, als ich erkenne, dass er ein zerknittertes T-Shirt aus dem Souvenirladen des Krankenhauses trägt.

Alles an ihm wirkt vollkommen verkehrt.

Ich streiche die Decke über meinem Körper glatt. »Geht es dir gut?«

»Bald wird es mir gut gehen.« Er spricht die Worte voller Überzeugung.

Ich will sie ihm glauben, aber er kann mir nicht einmal in die Augen sehen.

Eine Gänsehaut zieht sich über meine Arme. »Willst du mir verraten, warum ich hier bin?«

Es kommt mir vor, als würde eine Minute vergehen, bevor er mich endlich ansieht. »Du warst dehydriert, hattest eine blutende Kopfwunde und hast das Schicksal herausgefordert. Du hast Glück, dass du im Bett und nicht in der Leichenhalle liegst.«

»In der Leichenhalle? Das ist ein bisschen extrem für eine genähte Wunde und eine Erkältung.«

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, woraufhin mir sofort ein scharfer Schmerz in den Kopf schießt. Ich befühle die Stelle und bemerke, dass ein riesiges Pflaster auf meiner Stirn klebt.

Sein Kiefer zuckt. »Nicht berühren. Bei deinem Glück ziehst du dir noch selbst einen Faden und blutest auf dein neues Nachthemd.« Er zieht meine Hand mit einer Zärtlichkeit weg, die nicht zu seinem Tonfall passt.

»Warum musste ich denn überhaupt genäht werden?«

Er streichelt meine Wange mit dem Daumen. »Ich habe dich bewusstlos im Badezimmer gefunden, nachdem du dir den Kopf auf dem Boden aufgeschlagen hattest.«

»O mein Gott.« Meine Lunge schmerzt so sehr, dass ich nicht normal atmen kann. Ich zucke angesichts des scharfen Brennens.

»Was tut dir weh?«

»Frag lieber, was nicht wehtut.« Ich schüttele den Kopf, was ich umgehend bereue.

»Tu das nicht.«

Ich reibe mir die Augen. »Ich kann nicht glauben, dass ich im Krankenhaus bin.«

Er strafft seine Schultern. »Die Ärztin sagt, du kannst bald entlassen werden.«

»Welcher Tag ist heute?«

»Freitag.«

»Freitag?« Ich habe so laut gesprochen, dass ich husten muss.

Wie kann schon Freitag sein? Der letzte Tag, an den ich mich vollständig erinnere, ist Montag, als ich mich krankmelden musste.

»Du warst wegen deines Fiebers und der Kopfverletzung nur ab und zu wach.«

»Wie lange bin ich schon hier?«

»Seit zwei Tagen. Sie wollten dich zur Beobachtung hierbehalten, ehe sie dich entlassen.«

Ich reibe mir die Augen. »Das klingt teuer.«

Seine Nasenflügel weiten sich kurz. »Alles, woran du denken musst, ist, wieder gesund zu werden.«

»Du hast gut reden. Ich kann mir keine Behandlung mit Sauerstoffgerät und Übernachtungen leisten.« Ich rutsche im Bett herum, aber Rowan legt mir eine Hand auf die Schulter, um mich aufzuhalten.

Sein Blick umwölkt sich kurz. »Alles ist längst bezahlt.«

Mein Stolz regt sich bei der Vorstellung, dass ich in so einer verzweifelten finanziellen Lage bin, dass er meine Krankenhausrechnung bezahlen muss. »Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll.«

Sein Kiefer spannt sich an. »Ich brauche dein Geld nicht.«

»Ist alles in Ordnung?« Meine Stimme ist ein heiseres Flüstern.

Er stößt den Atem aus. »Es ist gut, dass du bei Bewusstsein bist.«

Das war keine Antwort auf meine Frage, aber ich habe Angst, noch mehr zu fragen.

Er verspannt sich, als ich nach seiner Hand greife.

»Tut mir leid, dass du das alles durchmachen musstest. Du hattest bestimmt Angst.«

Die Ader an seiner Stirn pulsiert. »Ich hatte riesengroße Angst, Zahra. Als ich dich gefunden habe, hast du nur noch flach geatmet und aus dem Kopf geblutet. Und als ich dich aufwecken konnte, hast du wirres Zeug geredet. Ich dachte, du hättest bleibende Schäden davongetragen.« Seine Stimme bricht. »Ich hatte noch nie in meinem Leben so große Angst wie in den Minuten, bevor der Krankenwagen angekommen ist, und ich hätte nichts tun können, um zu helfen.«

Angesichts seiner belegten Stimme wird mein Herz schwer.

»Das tut mir leid. Ich erinnere mich nicht mal daran, ins Badezimmer gegangen zu sein.«

»Hör auf, dich zu entschuldigen. Du klingst absurd.« Er lässt meine Hand los und wendet sich von mir ab. Sein Rücken bebt, als er die Luft ausstößt.

»Dann bin ich also nicht mehr absurd umwerfend?«

Sein schwerer Atem ist die einzige Reaktion, die ich bekomme.

Ich nehme einen tiefen Luftzug und versuche, mich zu beruhigen, aber aus meiner Kehle dringt nur ein Pfeifen. »Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?«

»Hör auf, dir Sorgen um mich zu machen, und fokussiere deine Energie auf das, was wichtig ist.«

Aber du bist wichtig, will ich sagen. Doch die Worte bleiben mir im Hals stecken, werden zurückgehalten von der Sorge, dass irgendetwas zwischen uns nicht stimmt.

Der Herzmonitor geht mir auf die Nerven.

Rowan dreht sich um und betrachtet das Gerät mit ernster Miene. Sein Kiefer ist angespannt, und die Ader an seiner Schläfe tritt wieder hervor. »Ich meine es ernst, Zahra. Entspann dich.«

»Bleibst du hier, während ich schlafe?« Ich komme mir armselig vor, diese Frage zu stellen.

Er schweigt.

Säure beginnt in meinem Magen zu brodeln und steigt die Kehle hinauf. Was ist passiert, während ich im Krankenhaus lag? Es kommt mir vor, als wäre der Mann, mit dem ich das ganze Wochenende in New York verbracht habe, verschwunden wäre und durch eine kalte Version von ihm ersetzt worden. Ich fühle mich daran erinnert, wie Rowan war, als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, was mir einen schwereren Stich versetzt, als ich mir eingestehen möchte.

Er drückt kurz meine Hand, bevor er mir gegenüber Platz nimmt. »Ich bleibe hier.«

Ich schenke ihm ein kleines Lächeln, das er gezwungen erwidert.

Der Piepton der Maschine füllt die Stille. Jeder Atemzug raubt mir mehr Energie, und ich verliere den Kampf gegen den Schlaf. Dunkelheit verschlingt mich und meine Sorgen.