KAPITEL FÜNFZIG

Rowan

Ich dachte, dass mich Panik ergreifen würde, wenn ich den Konferenzraum verlasse, aber als ich in meinem Büro sitze und darauf warte, dass Grandpas Anwalt mit der Auswertung fertig ist, verspüre ich ein merkwürdiges Gefühl von Ruhe.

Ich akzeptiere mein Schicksal, ganz egal, wie sich der Vorstand entscheidet. Wenn ich die Anteile meiner Firma nicht bekomme, kann ich immer noch als Direktor weiterarbeiten. Meine Brüder werden wütend sein, besonders Declan, wegen des Streits mit meinem Vater, was ich auch nachvollziehen kann, aber ich habe alles erdenklich Mögliche getan, um die Oberhand zu gewinnen.

Statt meine ursprünglich geplante Präsentation über die besten Ideen des Alpha- und Beta-Teams zu halten, habe ich auf mein Bauchgefühl gehört. Es war stressig, kurzfristig alles umzuwälzen, aber Martha hat mir geholfen. Und verdammt, ich habe echt nicht damit gerechnet, dass meine Assistentin Mitglied des Wahlkomitees sein würde. Ich kann nicht glauben, dass sie mir das verschwiegen hat, obwohl sie mir bei der Präsentation geholfen hat.

Zumindest ist mir ihre Stimme sicher.

Und vielleicht auch noch eine andere.

Zahra schien gerührt von dem Ganzen zu sein, aber ich würde es ihr nicht übel nehmen, wenn sie der Ansicht wäre, ich sei der Position oder der Macht, die mit den Anteilen einhergeht, nicht würdig. Auch wenn ich mich darüber ärgere, dass mein Vater das Geheimnis herausposaunt hat, war es wahrscheinlich seine Art, mich wissen zu lassen, dass er weiß, was für uns auf dem Spiel steht. In seinem Brief von Großvater muss mehr gestanden haben, als ich geahnt habe.

Es klopft an meiner Tür, und im nächsten Moment steckt Martha den Kopf herein. »Ihr Vater würde gern mit Ihnen sprechen.«

»Schicken Sie ihn rein.« Ich kann es genauso gut hinter mich bringen.

Mein Vater kommt in mein Büro geschlendert.

»Setz dich.«

Er bleibt stehen. »Ich habe nicht vor, lange zu bleiben.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Bist du hier, um meinen Untergang mitzuerleben?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein. Ich wollte dir sagen, dass ich stolz auf dich bin.«

Ich warte auf den nächsten Teil seiner Aussage, während ich darüber nachdenke, was ich falsch gemacht haben könnte. Doch als mein Vater schweigt, wird mir bewusst, dass er tatsächlich nur das sagen wollte.

»Warum?«

Er geht nicht auf meine Frage ein. »Ich wünsche dir viel Glück dabei, dieses Unternehmen zu führen. Beim nächsten Vorstandsmeeting erwarte ich, dass du eine gekürzte Version der Präsentation hältst, in der du auch deinen Budgetplan darlegst.«

Habe ich wirklich den Großteil der Stimmen für mich gewinnen können, oder ist das ein Witz?

»Was willst du damit sagen?«

»Dein Großvater wäre stolz auf den Mann, der du geworden bist.«

Noch ein Lob.

Er nickt mir zu, bevor er mein Büro verlässt und mich allein zurücklässt.

Ich starre noch immer auf die Stelle, wo er gestanden hat, und frage mich, wie mir dieser Erfolg gelungen ist.

* * *

Der Anwalt betritt mein Büro, kurz nachdem mein Vater gegangen ist, und bestätigt das, was ich schon weiß. Das Komitee hat meine Änderungsvorschläge angenommen, und er wird mich in der nächsten Woche kontaktieren, um das Finanzielle zu besprechen. Es fühlt sich unwirklich an, dass ich die Sache nun über die Bühne gebracht habe. Ich freue mich darauf, die Dinge endlich in Angriff zu nehmen, statt nur darüber zu reden.

Ich schreibe meinen Brüdern eine Nachricht, um ihnen mitzuteilen, dass mein Teil des Plans erfüllt ist.

Jetzt liegt es an ihnen, sich um ihre eigenen Teile der Abmachung zu kümmern.

Ich öffne den Nachrichtenverlauf mit Zahra und schreibe ihr in der Hoffnung, dass sie mir endlich eine Chance gibt, die ich brauche, um ihr zu beweisen, dass ich es ernst mit ihr meine.

Ich: Kommst du heute Abend zu mir, damit ich dir alles erklären kann?

Ich: Bitte.

Die zweite Nachricht schicke ich hinterher, um Bonuspunkte zu bekommen.

Sie antwortet sofort.

Zahra: Okay. Weil du so nett gefragt hast.

Zahra: Aber mach dir keine Hoffnungen.

Zu spät. Zum ersten Mal seit Wochen lächele ich endlich wieder.

* * *

Ich gehe auf der Veranda vor dem Haus auf und ab. Das Holz knarrt bei jedem Schritt unter meinen Schuhen. Ein Ast knackt, und als ich aufblicke, sehe ich, dass Zahra in demselben weißen Kleid, das sie auch vorhin schon anhatte, die Einfahrt hochkommt. Die Farben des Sonnenuntergangs bilden den perfekten Hintergrund für sie, und ich ertappe mich dabei, dass ich mich in ihrer Schönheit verliere.

Das Einzige, was fehlt, ist ihr Lächeln. Ab heute, habe ich mir geschworen, werde ich sie nur noch glücklich machen, wenn sie in meiner Nähe ist. Das mag zwar wirken wie ein unerreichbares Ziel, aber ich habe schon oft das scheinbar Unmögliche geschafft.

Zahra kommt mit neutraler Miene die Stufen herauf. Sie geht auf die Haustür zu, aber ich führe sie zur Hollywoodschaukel, die ich mittlerweile zu schätzen gelernt habe. Ich hoffe, dass sie mir Mut verleiht, um das, was ich gleich lostreten werde, durchzustehen.

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um mir Glück zu wünschen, Mom.

»Also …« Zahra bewegt sich vor und zurück, sodass der Sitz unter uns zu schwingen beginnt.

»Als mein Großvater mich im Rahmen seines Testaments hierhergeschickt hat, hätte ich nie gedacht, dass ich jemanden wie dich kennenlernen würde. Es sollte ein einfaches Projekt werden. Aber ich hätte wissen müssen, dass die Dinge nicht nach Plan laufen würden, als du mir in den Schoß gefallen bist – im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist, als hätte dich das Leben immer wieder in meine Richtung gelenkt und gehofft, ich würde es früher oder später begreifen. Ich war zu starrsinnig, um zu erkennen, dass du die ganze Zeit für mich bestimmt warst, Zahra. Und deshalb habe ich Fehler gemacht. Ich habe dir meine Identität verschwiegen. Ich habe mich geweigert, dir zu vertrauen, obwohl ich tief in mir wusste, dass ich das konnte. Und zu guter Letzt habe ich dich weggestoßen, als du mich in dein Herz gelassen hast, obwohl du nichts von mir zurückbekommen hast. Ich habe deine Liebe als selbstverständlich betrachtet, dabei hätte ich sie wertschätzen müssen. Denn von dir geliebt zu werden, ist ein Geschenk. Eines, das ich weggeworfen habe, weil ich zu dumm und zu egoistisch war, dir im Gegenzug diese Macht über mich zu geben.«

Ihr Gesichtsausdruck wird ein wenig weicher, und sie zieht meine Hand auf ihren Schoß.

»Du hattest recht, als du gesagt hast, dass du etwas Besseres verdienst, und so wird es auch immer bleiben. Aber ich will dich nicht gehen lassen. Ich kann dich nicht gehen lassen, weil du der einzige Mensch auf der ganzen Welt bist, in dessen Gegenwart ich immer lächeln will. Und ich bin zu selbstsüchtig, um das Beste in meinem Leben gehen zu lassen, nur weil ich Angst habe.«

Ihre Augen füllen sich mit Tränen, aber sie blinzelt sie weg, bevor sie ihr über die Wangen laufen.

Ich drücke ihre Hand. »Die Wahrheit ist, dass ich Angst habe, mich zu verlieben. Aber ich vertraue dir lieber mein Herz an und riskiere, dass du es brichst, als auch nur einen Tag länger ohne dich zu sein. Ich will die Art von Mann sein, die eine Frau verdient, die so schön, selbstlos und gütig ist wie du. Vielleicht wird es mein ganzes Leben dauern, dieses Ziel zu erreichen, aber solange du an meiner Seite bist, betrachte ich es als lebenswert.«

Ihre Unterlippe bebt, und ich fahre mit dem Daumen darüber.

»Und auch wenn ich weiß, dass ich dich nicht verdiene, werde ich jeden einzelnen Tag damit verbringen, dir zu beweisen, wie sehr ich dich liebe.«

Eine Träne tritt aus ihrem Auge, und ich wische sie mit meinem Daumen weg.

»Willst du nicht zurück nach Chicago ziehen?«

»Scheiß auf Chicago. Ich will nichts lieber, als mit dir hierbleiben und ein gemeinsames Leben aufbauen.«

»Ein Kuss für ein Geheimnis?« Ihre Stimme bricht.

Ich nicke.

Sie drückt ihre Lippen auf meine.

Seufzend schiebe ich meine Hände in ihren Nacken, um sie zu mir heranzuziehen. Ich lege all meine Gefühle in diesen Kuss und hoffe, dass sie erkennt, wie viel sie mir bedeutet. Dass ich sie nie wieder gehen lassen will.

Außer Atem löst sie sich von mir. »Ich liebe dich auch, Rowan. Und ich wäre mehr als glücklich darüber, dein Herz vor der Welt zu beschützen, weil ich, was dich betrifft, auch ein bisschen egoistisch bin.«

Ihr Lächeln ist besser als alles andere auf der Welt. Zahra ist die Richtige für mich. Das weiß ich ganz genau, und meine Intuition hat mich noch nie getäuscht. Nie wieder werde ich auf der ganzen Welt etwas schöner finden als sie. Nicht die Sonne. Nicht den Mond. Nicht mal die gesamte Galaxie kommt an das Licht heran, das sie ausstrahlt, wo immer sie hingeht.